Die EU muss sich dringend wandeln, um zu überleben

Der Kölner Politikwissenschaftler Heinz Theisen hat für die NZZ die Selbstgefälligkeit der Europäischen Union sehr treffend kommentiert: 

Die grösste Bedrohung Europas liegt in der Selbstgefälligkeit jener, die diese Bedrohungen nicht wahrhaben wollen. Für sie scheint die einzige Gefahr in der Angst vor den Folgen ihrer Politik zu liegen, in «Rechtspopulismus und Nationalismus», also in den Symptomen und nicht in den Ursachen.

Es wäre billig, dieses Elitenversagen allein den Politikern in die Schuhe zu schieben. Mit einer Verzögerung von zwei Jahrzehnten haben die esoterischen Theoriemoden aus den Geistes- und Sozialwissenschaften in Medien und Parlamenten Einzug gehalten. Für relevante neue Themen bleibt wenig Aufmerksamkeit. So erregt sich die diskutierende Klasse lieber über geschlechterneutrale Sprache und über die Toilettenordnung für 72 Geschlechter als über die akuten Bedrohungen des europäischen Wertekanons. Man ist erinnert an das «byzantinische Geschwätz» über theologische Spitzfindigkeiten, selbst als die Osmanen schon vor den Mauern Konstantinopels standen.

Diskurse über Selbstbehauptung sind durch die Axiome der politischen Korrektheit, einer Mischung aus kulturmarxistischem Gleichheitswahn und postmoderner Beliebigkeit, faktisch untersagt. An die Stelle dialektischer Argumentation ist wechselseitige Diffamierung getreten. Von einer Suche nach dem besseren Argument, dem erkenntnistheoretischen Trumpf der Demokratie, kann keine Rede mehr sein.

Mehr: www.nzz.ch.

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4 Kommentare
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5 Jahre zuvor

Natürlich ist die EU ein Friedensprojekt. Dabei wird aber vergessen, dass die Bürger weniger Einfluss als die Lobbyisten in Brüssel haben. Dies führt u.a. dazu dass die Einkommensverteilung, ausgedrückt durch den Gini-Koeffizient, jährlich von der EU berichtet, sich vergrößert, d.h. verschlechtert.
So eine EU muss sich mehr in Richtung Bürgernähe, als die wichtigste Instanz, entwickeln.
Ich will nicht der Diener der Umverteilung nach oben sein.

Matze
5 Jahre zuvor

@Rudolf Drabbek
In der EU herrscht aus meiner Sicht nicht wegen der EU Frieden, sondern weil mächtige Teilnehmer an der Wirtschaft, die durch Lobbyisten vertreten sind, prächtig an den europäischen Ländern verdienen und es kein Interesse gibt sich diese Einnahmequellen kaputt zu machen. Dies würde auch bei einer EU rein als Zoll- und Handelsunion funktionieren. Solange dieser Verdienst gesichert ist ändert sich auch an der sozialen Schieflage in der EU nichts. Die Umverteilung geht munter weiter, auch gerade mit einer Ausweitung der Klimapolitik, an der die ersten auch schon wieder kräftig Kasse machen. Gefährlich wird es für diese Leute erst, wenn in großem Umfang eurokritische Parteien Mehrheiten bekommen. Solange sich die Bürger mit “ kulturmarxistischem Gleichheitswahn und postmoderner Beliebigkeit “ abspeisen lassen und die wirklichen Fragen nicht gestellt werden kann es munter so weiter gehen. So sollte es z.B. einen offenen und ehrlichen Diskurs über die Frage geben, ob wir ein zentralisiertes Europa oder ein Europa der Vaterländer wollen.

Schandor
5 Jahre zuvor

@Matze

Gute Analyse. Genau so ist das. Daher Prädikat: Gut gebrüllt, Löwe!

Rolf
5 Jahre zuvor

Die EU ist ein gefährliches Projekt.
Heimlich hat sich ein „übergeordnetes Gericht“ selbst ermächtigt und wurde stillschweigend akzeptiert, der EuGH. Ebenso die angebliche übergeordnete Geltung von EU-Recht über nationales Recht.
Das Bundesverfassungsgericht hat ohne Not sein Recht auf das letzte Wort abgegeben und der Bürger hat nicht ahnend, nicht wollend neue Herren.
…die eigentlich Diener sein sollen, Diener des Volkes.
Gewählt vom Volk.
Aber wer wählt Herrn Juncker oder Nachfolger? Wie sind die nationalen Stimmanteile im Parlament verteilt? Wer bezahlt warum wieviel?
EU-Verordnungen sind in nationales Recht umzusetzen. Deutsche Politiker beschließen in Brüssel irgend etwas Unliebsames wie die DSGVO und zucken dann mit den Schultern, wenn der Wahn – noch typisch deutsch verschärft – in deutsches Recht umgesetzt werden „muss“. Das Regelbuch der Pharisäer anno Jesu Zeit war dünner.

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