Hanna Josua schreibt in seiner 2005 von der Ev. Theologischen Faculteit in Leuven angenommenen Dissertation (erschienen als Hanna Nouri Josua, Ibrahim, der Gottesfreund, Tübingen: Mohr Siebeck, 2016, S. 626) zum Konzept der „Abrahamischen Ökumene“:
Die Rezeption der Abrahamgestalt ist in den religiösen Traditionen so unterschiedlich, dass eine theologische Basis in einer gemeinsamen Gestalt nicht gegeben ist – wollte man nicht jeden der einzelnen Partner seines identitätstiftenden „Vaters“ berauben. Ein islamischer Ibrāhīm allein, in dem sich, wie aufgezeigt, Leben und Botschaft Muhammads spiegeln, kann sowohl Juden als auch Christen schwerlich zugemutet werden.
In jener schicksalhaften Begegnung Muhammads mit der christlichen Delegation von Naǧrān rief er diese zu einem kalima sawā’ (Wort des Ausgleichs), einem „zwischen uns und euch gleich angenommenen Wort“ (3,64) auf. Dies mag zunächst wie das Bemühen um einen kleinsten gemeinsamen Nenner klingen – und so wird es im Dialog heute auch meist verstanden. Dieser Nenner ist, „niemandem zu dienen außer Gott und ihm nichts beizugesellen“, der tauḥīd, der reine Monotheismus also. Und es ist gerade Ibrahim, der in den folgenden Versen eindeutig von Juden und Christen abgegrenzt wird. Vielmehr wird der ibrahimische Gedanke verbunden mit der jüdisch-christlichen Enteignung und dem Ruf zur millat Ibrāhīm, die eben nicht nur aus dem tauhīd besteht – sonst könnte man geneigt sein, die millat Ibrāhīm und die „Abrahamische Ökumene“ als gleiche Konzepte zu betrachten. Durch die Parallelisierung Ibrāhīms mit Muhammad bis hin zur Identifizierung mit ihm und die Projektion sämtlicher islamischer Glaubensinhalte und -riten auf Ibrahim, kann er jedoch kein gemeinsames, quasi neutrales Wort in der Mitte mehr sein.Das entzieht einer theologischen Ökumene auf der Basis von Abraham Ibrahim von beiden Seiten die Grundlage. Vielmehr ist die Idee einer abrahamischen Religion – millat Ibrāhīm! – eine genuin islamische Idee, nämlich das Argument, das Juden und Christen eben gerade nicht in ihrem Glauben belassen will, sondern zu dem neuen und zugleich alten ursprünglichen Glauben der Unterwerfung unter den einen Gott ruft – zum Islam. Eine Rückkehr zu Ibrāhīm als dem Ur-Vater und Ur-Propheten ist darum immer auch eine Rückkehr zum Islam als der Ur-Religion, der fiṭra.
Ich habe eine Rezension geschrieben, die demnächst in der Zeitschrift für Philosophie und Theologie (Fribourg) erscheinen wird. Ein phantastisches Buch!
Wir sind schon lange mittendrin, dass auf die „kleine Ökumene“ die „große Ökumene folgt. Nur: an Jesus scheiden sich die Geister. Der Jesus des NT ist nicht der Jesus im Koran, falls man sich eng die Bibel hält. Wenn ich natürlich Bibel und Koran relativiere und/oder historisch-kritisch auslege ist der Schritt in die „große Ökumene“ nur konsequent.
Für EKD-Christen gibt es nur eine Unterwerfung: Unter das Judentum. Der EKD-Ratsvorsitzende legte auf dem Tempelberg das Kreuz ab, aber nicht die Kippa.
Wäre diese Unterwerfung nicht das Kernprogramm der EKD, so könnten Christen und Muslime auch offener über den Isa Ibn Maryam reden.