Wie sehr Bildschirme Kindern schaden

Der Neurobiologe Martin Korte erklärt im WELT-Interview, warum Kinder unter dem 10. Lebensjahr möglichst nicht vor einem Bildschirm sitzen sollten:

Menschen lernen die Welt am besten zu interpretieren, wenn sie selber dabei aktiv sind. Interaktion ist sehr wichtig. Wenn wir die Umwelt passiv sehen, bleiben viele Signale unverstanden. Das führt dazu, dass Stressreaktionen ausgelöst werden. Und es kann gestört werden, wie sich unsere Wahrnehmung mit dem Gefühlszentrum verbindet. Eine chinesische Studie hat fünf- bis zehnjährige Kinder untersucht, die mehrere Stunden täglich mit Smartphones, Tablets und Fernseher verbracht hatten. Man hat Entwicklungsdefizite im Sprachzentrum des Gehirns nachgewiesen. Bei einem sich stark entwickelnden Gehirn muss man deutlich restriktiver mit der Bildschirmzeit umgehen als bei älteren Gehirnen.

Bewegungsreize sind starke Entwicklungsreize für das Gehirn; es werden Stoffe ausgeschüttet, die dazu führen, dass das Gehirn sich besser vernetzt. Wenn Kinder sich nicht bewegen, können Entwicklungsdefizite eintreten. Bei Kleinkindern, die angeschnallt auf dem Rücken der Eltern liegen, wie das bei einigen afrikanischen Stämmen lange der Fall war, hinkt die kognitive Entwicklung um Jahre hinterher. Man kann das beobachten: Wenn Kinder anfangen zu laufen, fängt der Spracherwerb an, die kognitive Revolution geht los. Die Kinder machen einen Entwicklungssprung und begreifen die Welt im wahrsten Sinne des Wortes besser; in der Sprache verstehen sie komplizierte Zusammenhänge und aus Ein-Wort-Äußerungen werden 2-4-Wortsätze mit beginnender Grammatik. 

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Transgender-Diagnosen nehmen stark zu

In Deutschland ist die Diagnose „Störung der Geschlechtsidentität“ in der Altersgruppe der Fünf- bis Vierundzwanzigjährigen innerhalb von zehn Jahren auf das Achtfache angestiegen. Das geht aus eine Studie des Universitätsklinikums Ulm hervor. Sehr bemerkenswert ist, dass die Diagnosen häufig nicht von langer Dauer sind.

Die FAZ schreibt: 

Wo liegen die Ursachen für den enormen Anstieg der Diagnosen in Deutschland? „Anhand der Daten kann man den Anstieg nur abbilden, aber nicht erklären“, sagt Bachmann. Möglich sei, dass Faktoren wie ein erhöhtes Bewusstsein („awareness“) für das Thema sowie eine abnehmende Stigmatisierung von Transsexuellen und der Ausbau von Anlaufstellen mehr Jugendliche dazu bringen, sich mit ihren Identitätszweifeln an Ärzte zu wenden. „Es können aber auch Phänomene wie ‚soziale Ansteckung‘ eine Rolle spielen: Wenn andere Personen ihre Transsexualität vorleben, könnten Jugendliche hier so etwas wie ein Vorbild sehen, dem man nacheifern möchte.“ Zu den sozialen Milieus, aus denen die Jugendlichen überwiegend stammen, sei die Forschungslage noch nicht aussagekräftig genug, erklärt Bachmann. Auf Grundlage von epidemiologischen Daten sei man bislang von einem niedrigeren sozialökonomischen Status ausgegangen.

Dass die Diagnose Transsexualität oft nicht von langer Dauer sei, „ist auch keine neue Erkenntnis“. Es entspreche den bisherigen wissenschaftlichen Befunden und passe zu den spezifischen Entwicklungen im Kindes- und Jugendalter: „In dieser Phase kann die Geschlechtsidentität sehr fluide sein.“ Auch eine aktuelle niederländische Studie über die Diagnosepersistenz kommt demnach zu dem Ergebnis, dass nur bei einem kleineren Teil Jugendlicher, die mit ihrem biologischen Geschlecht unzufrieden sind, der Wunsch nach Geschlechtsänderung auch noch im jungen Erwachsenenalter fortbesteht. „Es ist ein Phänomen, das auch wieder verschwinden kann.“

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Queering Trinitatis

Eine queere Perspektive auf die Trinität kann heutzutage dazu ermutigen, die innere Pluralität Gottes wieder stark zu machen gegen jede (Hetero-)Normierung und Vereinheitlichung. Und sie lässt Platz und Freiräume für noch ganz andere Vorstellungen und Gottesbilder, die vielleicht noch gar nicht ausgesprochen worden sind. Das meint die evangelische Theologin und Pfarrerin Dr. Kerstin Söderblom in einem Beitrag, den sie für evangelisch.de verfasst hat. 

Queere Dreineinigkeitslehre klingt da so: 

G*tt ist also nicht starr, unveränderbar und unerreichbar und schon gar nicht ein alter weißer Mann mit Bart. Stattdessen ist G*tt ständig in Veränderung begriffen und in Beziehung mit sich selbst und den Menschen. Für die einen ist G*tt eher als Vater (oder Mutter oder Freund*in) denkbar und ansprechbar, für die anderen ist G*tt eher eine abstrakte Schöpferkraft in der Natur oder das Wort der Heiligen Schrift. Andere brauchen Jesus Christus als Mittler, um Kontakt zu G*tt aufnehmen zu können. Wieder andere sprechen zur Heiligen und nicht geschlechtlich markierten Geistkraft. Sie ermutigt und begeistert und ist für nicht wenige Menschen die einzige Möglichkeit mit G*tt zu sprechen, zu klagen, zu loben oder zu beten, ohne dass schmerzhafte Familienbilder und Familienerfahrungen heraufbeschwört werden. 

Die Zugänge zu G*tt sind so unterschiedlich wie die Menschen. Und die Menschen sind so verschieden wie auch G*tt verschieden ist. Denn G*tt ist in sich selbst plural und divers.

Ehrlich gesagt: Mit Theologie hat das weniger zu tun als mit Pippi Langstrumpf. Realitätsverweigerung, Projektion, letztlich Gottesvertauschung. 

„Umkehr“ in der Verkündigung von Jesus

Joachim Jeremias schreibt über die „Umkehr“ in der Verkündigung von Jesus (Neutestamentliche Theologie: Erster Teil, 1988, S. 151–152): 

Jesus sieht die Menschen in ihr Verderben rennen. Es steht alles auf des Messers Schneide. Es ist letzte Stunde. Die Gnadenfrist läuft ab. Unermüdlich weist er auf die Bedrohlichkeit der Situation hin. Siehst du nicht, sagt er, daß du in der Lage des Beklagten bist, der vor dem Gerichtshaus steht und dessen Prozeß hoffnungslos ist? Es ist die letzte Minute, dich mit deinem Gegner zu vergleichen (Mt 5,25f. par. Lk 12,58f.). Siehst du denn nicht, daß du in der Lage des Verwalters bist, dem das Messer an der Kehle sitzt, weil seine Betrügereien aufgedeckt sind? Lerne von ihm! Er läßt die Dinge nicht treiben, er handelt resolut, wo alles auf dem Spiel steht (Lk 16,1–8a, erweitert durch kommentierende Logien V. 8b-13). Jeden Augenblick kann der Ruf erschallen: der Bräutigam kommt; dann zieht der Hochzeitszug mit den Fackeln* in den Festsaal, und die Tür wird verschlossen, unwiderruflich. Sorge dafür, daß du Öl für die Fackel hast (Mt 25, 1–12). Leg das Hochzeitsgewand an, ehe es zu spät ist (Mt 22,11–13). Mit einem Wort: Kehre um, solange es noch Zeit ist.

Die Umkehr, das ist die Forderung der Stunde. Umkehr ist nötig nicht nur für die sogenannten Sünder, sondern ebenso, ja noch mehr, für die, die nach dem Urteil der Umwelt „der Buße nicht bedurften“ (Lk 15,7), für die Anständigen und Frommen, die keine groben Sünden begangen hatten; für sie ist die Umkehr am dringlichsten.

Was meint Jesus aber, wenn er fordert: Kehrt um? Wieder ist typisch, daß die Vokabeln metanoia und metanoein kein erschöpfendes Bild geben von dem, was Jesus unter Umkehr verstehts. Eine deutlichere Sprache reden die Gleichnisse; am klarsten und schlichtesten sagt es das Gleichnis vom verlorenen Sohn“. Die Wende seines Lebens wird umschrieben mit seis eauton de eltwn (Lk 1S, 17), hinter dem ein aramäisches hadar beh stehen dürfte, das nicht wie die griechische Formulierung „er kam in vernünftige Geistesverfassung“, sondern „er kehrte um“ bedeutet. Dabei ist das erste, daß er seine Schuld bejaht (V. 18). So bejaht auch der Zöllner seine Schuld: „Er wagte ess nicht, die Augen zum Himmel zu erheben“, geschweige denn (so ist zu ergänzen) die Hände (Lk 18,13). Statt des üblichen Gebetsgestus der erhobenen Hände und Augen schlägt er sich verzweifelt an die Brust mit den Anfangsworten des s r. Psalms, die er um den (adversativ gemeinten!) Dativ tã Quaotalã erweitert: „O Gott, sei mir gnädig, obwohl ich so sündig bin.“ Die Meinung ist wohl, daß der Zöllner den ganzen Bußpsalm gebetet habe: „Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte und tilge meine Sünden nach deinem großen Erbarmen. Wasche mich rein von meiner Schuld, reinige mich von meiner Sünde. Denn ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde steht mir immer vor Augen …“ Diese Bejahung der Schuld hat nicht nur vor Gott zu geschehen, sondern auch vor den Menschen. Sie äußert sich in der Bitte um Vergebung an den Bruder (Mt 5,23f.; Lk 17,4) und im Mut zum öffentlichen Sündenbekenntnis (19,8).

Umkehr ist nun aber mehr als Reue. Sie ist Abkehr von der Sünde. In immer neuen Bildern fordert Jesus diese Abkehr, und zwar stets konkret, von jedem in seiner Lage. Vom Zöllner erwartet er die Abkehr vom Betrug (Lk 19,8), vom Reichen die Abkehr von der Mammonsherrschaft (Mk 10, 17–31), vom Eitlen die Abkehr von der Hoffart (Mt 6,1–18). Wer einem anderen Unrecht getan hat, soll es wiedergutmachen (Lk 19,8). Hinfort soll der Gehorsam gegen Jesu Wort das Leben bestimmen (Mt 7,24–27), das Bekenntnis zu ihm (Mt 10,32f. par.), die Nachfolge, die allen anderen Bindungen vorgeht (V. 37 par.).

Der Verwandlung des Mainstreams

Wie konnte sich das Konzept der „Identitätssynthese“ (unter dem Einfluss der Postmoderne, des Postkolonialismus und der Critical Race Theory), das zunächst nur von einer kleinen nordamerikanischen Elite geglaubt und vertreten wurde, gesellschaftlich so schnell internationalisieren und etablieren? Schon im Jahr 2020 beriefen sich die NEW YORK TIMES und die WASHINGTO POST regelmäßig auf Schlüsselkonzepte, die mit der Identitätssynthese in Zusammenhang standen, etwa „weißes Privileg“ oder „struktureller Rassismus“.

Yascha Mounk nimmt die Medienwelt und große Techkonzerne in die Verantwortung. Der Aufstieg der sozialen Medien modifizierte grundlegend die Rolle, die Gruppenidentität im Leben junger Menschen spielt. Er schreibt (Im Zeitalter der Identität, 2024, S. 117–118 u. 137): 

Innerhalb weniger Jahrzehnte bewirkte die Identitätssynthese eine Transformation der intellektuellen Landschaft an amerikanischen Universitäten. Doch nicht einmal ihre leidenschaftlichsten Verfechter hätten sich vorstellen können, dass diese Ideen bald auch große Teile der amerikanischen Gesellschaft verändern würden. Als Kimberlé Crenshaw in einem Artikel den zwanzigsten Geburtstag der Critical Race Theory würdigte, klang sie ziemlich pessimistisch, was ihren zukünftigen Einfluss außerhalb der Universität betraf. Sie erlaubte sich einen Moment der Freude über die vor Kurzem erfolgte Wahl Barack Obamas als erstem schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Anschließend warnte sie jedoch sogleich, dass sich die Öffentlichkeit aufgrund seines Aufstiegs wahrscheinlich weniger aufgeschlossen gegenüber den Kerngedanken der Critical Race Theory zeigen würde. „Breite Teile der Bevölkerung schienen zu glauben, dass nun, da Barack Obama im Weißen Haus war, das Kapitel ‚Rasse‘ endlich abgeschlossen war.“ Das lag Crenshaw zufolge auch daran, dass Obama selbst nahe daran war, die Rolle von „Rasse“ innerhalb der amerikanischen Gesellschaft zu leugnen. So räumte er in einer berühmten Wahlkampfrede zwar „rassische Ungerechtigkeiten“ ein, plädierte aber letztlich dafür, „dass wir uns darüber erheben und ‚universelle‘ Probleme angehen“. Damit, behauptete Crenshaw, stehe Obama „im Widerspruch zu den Kernelementen der CRT“. Als Folge davon, klagte Crenshaw, „verliert die Kritik des Rassismus an Bedeutung“.

Wie sich zeigte, waren Crenshaws Sorgen unbegründet. Ab 2010 trat eine schwindelerregende Wende beim Thema Identität ein. Innerhalb eines Jahrzehnts mutierten Ideen, die viele zunächst für reine Orchideenwissenschaft gehalten hatten, zu einer populären Ideologie mit erheblichem Einfluss auf den Mainstream. Zu Beginn der 2010er Jahre waren Begriffe wie „weißes Privileg“ und „struktureller Rassismus“ außerhalb exklusiver intellektueller Zirkel nahezu unbekannt. NGOs wie etwa die American Civil Liberties Union (ACLU) verteidigten stolz universelle Prinzipien wie die Redefreiheit. Die Kandidaten der Demokratischen Partei mieden im Wahlkampf die Forderung nach neuen Fürsorgeprogrammen, die ausdrücklich bestimmten ethnischen oder sexuellen Communitys vorbehalten wären. Innerhalb des nächsten Jahrzehntes durchliefen die Vereinigten Staaten eine erstaunliche Wandlung. Im Jahr 2020 beriefen sich die New York Times und die Washington Post regelmäßig auf Schlüsselkonzepte, die mit der Identitätssynthese in Zusammenhang standen, darunter sowohl „weißes Privileg“ wie auch „struktureller Rassismus“. Die ACLU hatte Kernteile ihres historischen Auftrags aufgegeben und weigerte sich inzwischen, Angeklagte zu unterstützen, deren Meinungsäußerungen sie als anstößig befand. Personen, die der Identitätssynthese zu Popularität verholfen hatten, wie etwa Robin DiAngelo und Ibram X. Kendi, waren als Bestsellerautoren häufig zu den besten Sendezeiten im Fernsehen zu Gast. Bei den Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 machten sich die Kandidaten der Demokratischen Partei die Sprache der Identitätssynthese zu eigen und versprachen eine ganze Reihe von Maßnahmen, die den Erhalt staatlicher Unterstützung von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe abhängig machten. Viele dieser Veränderungen haben ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten. Doch sie übten schon bald weitreichenden Einfluss auf andere Länder aus. So mögen Konzepte wie „Mikroaggressionen“, „kulturelle Aneignung“ und „weißes Privileg“ an amerikanischen Universitäten ausgebrütet worden sein. Doch gegen Ende der 2010er Jahre machte sich ihr Einfluss in aller Welt – und auch in Deutschland – bemerkbar.

Die sozialen Medien entwickelten sich sowohl für neue Medienangebote als auch für traditionelle Publikationen zu wichtigen Verbreitungskanälen; Inhalte, die bestimmte Identitätsgruppen ansprechen, gewannen damit an Bedeutung. Folglich verbreiteten sich die wesentlichen Themen und Konzepte der Identitätssynthese schnell auf renommierten Nachrichtenportalen wie Vox und der New York Times.

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Die Identitätssynthese

Yascha Mounk (Johns Hopkins Universität, Baltimore, USA) gehört zu den profunden Kritikern der Identitätspolitik. Genau genommen spricht er inzwischen von der „Identitätssynthese“, weil die Bezeichnungen „Identitätspolitik“ oder „Wokeismus“ mit der Zeit immer umstrittener wurden. Wer über Identitätspolitik spricht oder einen Aktivisten als woke bezeichnet, wird schnell als Wutbürger wahrgenommen.

Nach Mounk war die Linke einst eine Bewegung mit universalistischen Zielen (Im Zeitalter der Identität, 2024, S. 25):

Einst war die Linke von ihren universalistischen Zielen geprägt. Links zu sein bedeutete, auf eine Zukunft zu hoffen, in der Menschen nicht auf ihre Religion oder ihre Hautfarbe, ihre soziale Klasse oder ihre sexuelle Orientierung reduziert werden. Linke hofften darauf, eine Welt zu erschaffen, in der unsere Gemeinsamkeiten wichtiger als die Unterschiede werden, die in der grausamen Geschichte der Menschheit oft eine solch wichtige Rolle spielten.

In den letzten Jahrzehnten habe sich ein neuer strategischer Imperativ durchgesetzt. Unter dem Einfluss von Postmodernismus, Postkolonialismus und der Critical Race Theory (CRT) betont die Linke inzwischen das Thema „Zugehörigkeit“ (S. 26):

Doch in den letzten Jahrzehnten habe sich ein neuer Große Teile der progressiven Bewegungen wiesen die Hoffnung auf eine harmonischere Zukunft, in der – wie Martin Luther King Jr. es einst formulierte – „kleine schwarze Jungen und Mädchen kleinen weißen Jungen und Mädchen die Hände reichen können“, als naiven Kitsch von sich. Stattdessen übernahm die Linke allmählich eine Vision der Zukunft, in der die Gesellschaft dauerhaft durch ihre Aufteilung in voneinander abgegrenzte Identitätsgruppen geprägt sein würde. Wenn wir sicherstellen wollten, dass jede ethnische, religiöse oder sexuelle Gemeinschaft den ihr zustehenden Anteil an Einkommen und Wohlstand bekommt, dann müssten sowohl private Akteure als auch öffentliche Ämter die Art und Weise, in der sie Personen behandeln, von den Identitätsgruppen, zu denen sie gehören, abhängig machen. Es war die Geburt einer neuen Ideologie.

Nach Yascha Mounk wird diese Ideologie die Welt letztlich zu einem schlechteren Ort machen, da zukünftige Eliten an den Universitäten entsprechend geschult werden und diese Idee in die gesamte Gesellschaft hineintragen (siehe dazu hier).

Er schreibt in seinem empfehlenswerten Buch Im Zeitalter der Identität (S. 34–35):

Die Identitätssynthese hat innerhalb einer erstaunlich kurzen Zeitspanne erstaunlich stark an Einfluss gewonnen. Deshalb stehen ihre Exzesse – allen voran, die sogenannte „Cancel Culture“ – oft im Mittelpunkt der Kritik. Ich teile diese Befürchtungen. Aber meine Hauptsorge dreht sich nicht darum, wann und wie die Identitätssynthese »zu weit« gegangen ist. Mich beunruhigt vielmehr, dass die Identitätssynthese sogar im besten Fall zur Schaffung einer Gesellschaft tendiert, die meinen grundlegenden Werten und meinen sehnlichsten Hoffnungen für die Zukunft zuwiderläuft. Der Köder, der dieser Ideologie so viele Anhänger beschert, besteht in dem Wunsch, fortbestehende Ungerechtigkeiten zu beseitigen und eine wirklich gleiche Gesellschaft zu schaffen. Aber eine Umsetzung dieser Ideologie würde zu einer Gesellschaft führen, in der das unablässige Scheinwerferlicht auf unsere Unterschiede starre Identitätsgruppen zu einem stetigen Wettkampf um Ressourcen und Anerkennung animiert – eine Gesellschaft in der wir alle, ob wir es wollen oder auch nicht, dazu gezwungen wären, uns über jene Gruppen zu definieren, in die wir hineingeboren sind. Das ist es, was die Identitätssynthese zu einer solch perfiden Falle macht. Eine Falle hat drei charakteristische Merkmale: Sie enthält in der Regel einen Köder. Selbst gute und kluge Menschen können in sie hineinfallen. Und sie untergräbt die Ziele derjenigen, die sich in ihr verfangen. Die neuen Ideen von Identität teilen alle drei Merkmale. Sie sind so verlockend, weil sie sich den Kampf gegen echte Ungerechtigkeiten auf die Fahne schreiben. Sie verführen reihenweise Menschen, die wirklich das Beste für sich und ihre Mitbürger wollen. Und doch werden sie die Welt letztlich zu einem schlechteren Ort machen – sowohl für diejenigen, die zu historisch dominanten als auch für diejenigen, die zu historisch marginalisierten Gruppen gehören.

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Fremde neue Welt im Podcast

Jörg Lackmann und Thomas Powilleit von der EfA Stuttgart haben zwei liebevoll gestaltete und hilfreiche Podcasts zu dem Buch Fremde neue Welt von Carl Trueman produziert. Hier kann man reinhören:

Teil 1: Fremde neue Welt:


Teil 2: Fremde neue Welt:

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Es gibt kein Recht auf Abtreibung

DIE TAGESPOST berichtet von einer Berliner Fachtagung, zu der die Katholische Akademie, die Forschungsstelle für Katholisches Kirchenrecht des Erzbistums Berlin, die Görres-Gesellschaft und die Juristen-Vereinigung Lebensrecht eingeladen hatten (die EKD unterstützt hingegen die Empfehlungen der Regierungskommission zum Schwangerschaftsabbruch). Die Referenten konnten demonstrieren, warum die Empfehlungen der Regierungskommission zum Schwangerschaftsabbruch keine Lösungen bieten.

Ein Auszug: 

Hinter der Arbeit der Kommission stehen Kräfte, die sich schon seit Jahren bemühen, die Tötung ungeborener Kinder als „normale Gesundheitsdienstleistung“ auszugestalten. Dazu gehören verschiedene Einzelmaßnahmen: der Abbau strafrechtlicher „Hürden“, die verpflichtende Ausbildung aller Mediziner in Abtreibungstechniken, die Kostenübernahme durch die Krankenkassen und die flächendeckende Versorgung mit Abtreibungseinrichtungen. Werden diese Bausteine zusammengefügt, käme es über kurz oder lang zur Schaffung eines „Rechts auf Abtreibung“. Am Ende wäre dies aber kein Fortschritt, sondern Selbstbetrug. Der „Schwangerschaftsabbruch“ verliert seinen Charakter als Tötungshandlung nicht dadurch, dass er straflos bleibt oder von der Krankenkasse bezahlt wird. Der Sache nach wird es sich – von wenigen Fällen der vitalen Indikation abgesehen – niemals um ein „Recht“ handeln, allenfalls um das „Recht des Stärkeren“.

Ein Rechtsstaat sollte natürlich nicht nur auf das Strafrecht setzen, um die Tötung ungeborener Kinder zu verhindern. Ergänzend, oder vielleicht sogar vorrangig, sollten andere Lösungswege gesucht werden. Wo bleibt der Ehrgeiz der Politik, Schwangerschaftskonflikte zu verhindern oder abzumildern? Die Streichung des §218 StGB hilft dabei nicht.

Mehr: www.die-tagespost.de.

Monogamie etwas für die Ewiggestrigen?

Melanie Mühl sucht in der FAZ nach wissenschaftlichen Gründen für die sexuelle Untreue. Gute Quellen sind Portale, die mit Seitensprüngen Geld verdienen. Heraus kommen große Einsichten wie: „Steigt man in die ‚wissenschaftliche‘ Welt des Seitensprungs ein, stößt man unweigerlich auf Kurioses: So fand ein Team einer britischen Dating-App vor einigen Jahren heraus, dass der 18. November ein Tag war, an dem besonders viele Männer das Risiko der Untreue wagten. Warum ausgerechnet der 18. November? Die Verantwortlichen der App vermuten, der nahende Weihnachtsstress habe den Ausschlag für die erhöhte Nachfrage nach einer Affäre gegeben. Das ist insofern interessant, als Fremdgehen ja ebenfalls emotionalen Stress auslöst.“ Oder:

Nicht jede Liebesbeziehung, in der es zu Untreue kommt, ist automatisch eine schlechte Beziehung. Die Idee, man selbst könne über Jahrzehnte die Erwartungen und Bedürfnisse seines Partners erfüllen, ist naiv und eine Überhöhung der eigenen Person. Menschen, so banal das klingen mag, verändern sich. Ihre (sexuellen) Bedürfnisse verändern sich. Im Alltagsstress geschehen diese Veränderungen oft über Jahre unbemerkt. Könnte Untreue nicht auch eine Chance zur kritischen Selbstbefragung für beide sein? Wer will eine exklusive Liebe erzwingen, obwohl sich der Partner nach einem Abenteuer, nach einer anderen Form von Nähe sehnt?

Adam Phillips fragt in seinem Buch „Monogamie . . . aber drei sind ein Paar“: „Warum eigentlich halten wir Monogamie für selbstverständlich? Wie gehen wir mit unseren ‚unerlaubten‘ Wünschen um?“ Jeder wisse, dass man trotz der Liebe zum Partner einen anderen Menschen begehren könne. Wahrhaben wollen das die meisten nicht. Was viele sich selbst zugestehen – der Traum vom sexuellen Rausch –, empfänden sie bei ihrem Partner wohl als Liebesverrat. Dass die Moralvorstellungen unserer Zeit dem erotischen Mehrfachabenteuer im Wege stehen, verstärkt offenbar nicht die Treue zum Partner, sondern nur den Drang zur Heimlichkeit.

Um es kurz zu machen: Es gibt immer gute Gründe dafür, untreu zu sein: die Evolution, der bevorstehende Familieurlaub, Weinachten oder die Tatsache, dass man schon ein paar Jahre verheiratet ist und Abwechslung benötigt. Da möchte man glatt antworten: „Tendit in ardua virtus“ (dt. Tugend strebt Schwieriges an).

Dabei gibt es in „der Wissenschaft“ auch ganz andere Stimmen. Nachfolgend mal ein paar Hinweise (alle aus dem Buch: Thomas Schirrmacher (Hg.), Der Segen von Ehe und Familie – interessante Erkenntnisse aus Forschung und Statistik, Bonn: VKW, 2006):

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Wo ist die christliche Kunst geblieben?

Hans Rookmaaker schreibt in Modern Art and the Death of a Culture (1994, S. 67):

Was geschah im Anschluss an die Aufklärung eigentlich mit der „christlichen Kunst“ oder besser gesagt mit der Kunst, die biblische Geschichten oder Themen mit Bezug zum christlichen Glauben darstellt? Vor der Erörterung konkreter Werke fallen zwei Dinge auf. Erstens sind die rechtgläubigen evangelikalen Gruppen trotz des großen Erweckung im 18. und frühen 19. Jahrhundert auffallend abwesend, denn der neu belebte Evangelikalismus war oft von einer unbiblischen, anti-intellektuellen und anti-kulturellen Einstellung geprägt (deren Hintergrund wir bereits in einem früheren Kapitel gesehen haben). Zweitens war der „Zeitgeist“ nicht wirklich christlich im biblischen Sinne. Vielleicht liegt einer der tragischsten Aspekte des 19. Jahrhunderts in der Tatsache, dass nur sehr wenige Christen die tiefgreifenden entchristlichenden Einflüsse der Aufklärung wirklich erkannt haben.

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Steinhöfel: „Der deutsche Staat geht autoritär gegen Kritiker vor“

Der Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel weist in einem Interview mit der NZZ darauf hin, dass vor allem der Staat für die Verengung des Meinungskorridors verantwortlich ist: 

Sie hat sich deutlich verschlechtert, weil neben die Bevormundung durch die sozialen Netzwerke der gesellschaftliche und soziale Druck getreten ist, der freie, unbefangene Äusserungen mit häufig schwerwiegenden Konsequenzen ahndet. Besonders der deutsche Staat geht noch autoritärer gegen Kritiker vor als früher. Er schüttet zum Beispiel staatsaffine NGO mit Geld zu, die letztlich nichts anderes tun, als Meinungen, die nicht staatsaffin sind, zu delegitimieren oder in irgendeiner Weise unter Druck zu setzen. Dazu kommt der unvorstellbare Vorgang, dass die Bundesregierung gegen einen einzelnen Journalisten wegen eines Postings bei X vorgeht und ihm seine Meinung gerichtlich untersagen lassen wollte.

Mehr: www.nzz.ch.

Die Schiebereien beim Berliner Internationalen Literaturpreis

Minuziös stellen Juliane Liebert und Ronya Othmann das Prozedere bei einer Preisverleihung dar, die laut Eigendefinition allein nach der „Qualität des Buches“ entscheidet. Die Preisentscheidung wurde „klar politisch getroffen“, sagen Mitglieder der Jury. Paul Jandl fasst zusammen: 

In einem längeren, gemeinsam für die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ verfassten Text schreiben die beiden Jurorinnen: „Es ging um Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, um Politik und nicht um Literatur.“ Ein Juror wird mit dem Satz zitiert: „Sorry, ich liebe Literatur, aber Politik ist wichtiger.“

Minuziös stellen Liebert und Othmann das Prozedere bei einem Preis dar, der laut Eigendefinition allein nach der „Qualität des Buches“ vergeben wird. Und eben nicht nach politischen oder ethnischen Kriterien. Auf der Shortlist des Preises, der vom Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) und der privaten Stiftung Elementarteilchen vergeben wird, standen: ein senegalesischer Autor, der auf Französisch schreibt, eine südkoreanische Autorin, die in den USA ihre Heimat hat, und eine Russin, die in Berlin im Exil lebt. Ausserdem eine weissrussische, eine mexikanische und eine französische Autorin.

Minuziös stellen Liebert und Othmann das Prozedere bei einem Preis dar, der laut Eigendefinition allein nach der „Qualität des Buches“ vergeben wird. Und eben nicht nach politischen oder ethnischen Kriterien. Auf der Shortlist des Preises, der vom Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) und der privaten Stiftung Elementarteilchen vergeben wird, standen: ein senegalesischer Autor, der auf Französisch schreibt, eine südkoreanische Autorin, die in den USA ihre Heimat hat, und eine Russin, die in Berlin im Exil lebt. Ausserdem eine weissrussische, eine mexikanische und eine französische Autorin. Die Französin Mariette Navarro gehörte in den Vorgesprächen aufgrund der literarischen Qualität ihres Buches „Über die See“ zu den Favoritinnen, allerdings zogen einige Juroren ihre Voten zurück, als klarwurde, dass es drei schwarze Autorinnen nicht auf die Shortlist geschafft hatten. „Eine weisse Französin“, also offenbar der Inbegriff der Privilegiertheit, das gehe nicht. Mit den drei schwarzen Autorinnen war indessen auch Péter Nádas mit seinem Roman „Schauergeschichten“ wieder ins Spiel gekommen. Beim berühmten Ungarn Nádas soll für die Jury-Mehrheit das gleiche Verdikt gegolten haben wie für Mariette Navarro. Zu weiss, zu privilegiert. Ausserdem auch noch von den Feuilletons geliebt. 

Mehr: www.nzz.ch.

Großbritannien verbietet Aufklärung über Transidentität an Schulen

Während Deutschland die Regierung vom Selbstbestimmungsgesetz schwärmt, setzt die britische Regierung ihren strikten Anti-Transgender-Kurs fort. Neue verbindliche Richtlinien sollen das Thema Geschlechtsidentität gänzlich aus den Schulen verbannen. Mandoline Rutkowski berichtet aus London: 

Innerhalb der konservativen Partei wird die Existenz eines Geschlechts jenseits der Mann-Frau-Binarität infrage gestellt. In einer Ankündigung der Regierung heißt es, dass die überarbeiteten Richtlinien für Beziehungs-, Sexual- und Gesundheitserziehung (RSHE) sicherstellen sollen, dass die unterrichteten Inhalte „faktenbasiert“ und „angemessen“ sind.

Den Schulen ist es künftig untersagt, Sexualerziehung vor der fünften Klasse, also vor dem neunten oder zehnten Lebensjahr der Schüler, zu unterrichten. Auch die „umstrittene Theorie der Geschlechtsidentität“ darf nicht mehr behandelt werden.

Bisher heißt es in den Richtlinien für Schulen lediglich, dass Schüler in einem „angemessenen Alter“ über Geschlechtsidentität aufgeklärt werden sollen, ohne dass ein Alter konkretisiert wird. Eltern haben außerdem das Recht, die Unterrichtsmaterialien einzusehen. Die neuen Regeln werden rechtsverbindlich sein, wann sie in Kraft treten, ist noch offen. Auf Nachfrage von WELT, welche Konsequenzen bei Nichteinhaltung drohen, äußerte sich das Bildungsministerium nicht konkret.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Warum konvertieren Protestanten?

Einige der besten und klügsten protestantischen Denker sind in den letzten Jahrzehnten zum römischen Katholizismus übergetreten. Manche von ihnen haben den Protestantismus in Bezug auf Lehre, Geschichte, Ethik und Liturgie als zu oberflächlich empfunden. Chris Castaldo, Mitautor des Buches Why Do Protestants Convert? hat in einem Podcast mit Carl Trueman und Todd Pruitt die psychologischen, theologischen und soziologischen Faktoren erörtert, die hinter diesen Konversionen stehen.

Obwohl die Kritik vieler Konvertiten am heutigen Protestantismus berechtigt sein mag, weist Chris Castaldo darauf hin, dass der historische Protestantismus Antworten auf diese Einwände und außerdem die Ressourcen für eine protestantische Erneuerung enthält.

Hier:

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