R.C. Sproul: „Eigentlich bin ich okay“

R.C. Sproul schreibt (Die Heiligkeit Gottes, 2018, S. 144–145):

In den zwanzig Jahren, in denen ich als Dozent am Theologischen Seminar eine Vielzahl von Studenten unterrichtet habe, sind fast alle mit der Frage zu mir gekommen, warum Gott nicht alle Menschen rettet. Nur ein einziges Mal kam einer, der sagte: „Eines verstehe ich nicht: Warum hat Gott ausgerechnet mich errettet?“

Wir sind nicht wirklich verwundert darüber, dass Gott uns errettet hat. Irgendwo tief in unserem Inneren, im verborgensten Winkel unseres Herzens hegen wir den leisen Gedanken, dass Gott uns seine Gnade schulden würde. ‚Was wäre der Himmel ohne uns?‘, fragen wir insgeheim. Wir wissen, dass wir Sünder sind, aber so schlecht, wie Menschen sein können, seien wir nun doch nicht. Wenn es um unsere Persönlichkeit gehe, gebe es genügend Charakterzüge, aufgrund derer Gott uns schon irgendwie in seine Erlösung einbeziehen werde, wenn er gerecht sei. Die Gerechtigkeit bringt uns aus der Fassung, nicht die Gnade. Erst meine Studenten haben mich gelehrt, wie sehr der Mensch dazu tendiert, Gnade als etwas Selbstverständliches hinzunehmen.

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2 Kommentare
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Udo
1 Tag zuvor

Ehrlich gesagt, bin ich noch nie auf den Gedanken gekommen, dass Gnade selbstverständlich ist. Gnade kann doch schon definitionsgemäß nicht selbstverständlich sein. Möglicherweise wird aber gerade auch im evangelikalen Bereich, mit einer einseitig romantisch/therapeutischen Sichtweise auf die Liebe Gottes („Gott liebt alle Menschen bedingungslos“), ein solcher Gedankengang gefördert. Klassisches Beispiel dafür ist auch das Herausreißen der Feststellung des Evangelisten Johannes in Johannes 3,16 aus dem Zusammenhang. Die Vermittlung von einseitigen Gottesbildern unter Missachtung des Gesamtzeugnisses der Bibel (und im Grunde auch unter Missachtung von 2. Mose, 20,4a) ist auch im evangelikalen Bereich nicht selten.

Alex aus Cloppenburg
20 Stunden zuvor

Warum sollte Gnade denn nicht selbstverständlich sein? Es ist eine menschliche Erfahrung, dass uns im Leben durch Gott und durch Menschen Gnade widerfährt. Umgekehrt sind auch wir anderen Menschen gnädig – immer und immer wieder. Dass es mindestens genau so viel Ungnade-Erfahrungen im Leben gibt, steht auch außer Frage.
Warum nicht auch von Gott Gnade ERWARTEN? Ihm aber auch „Ungnade“ zutrauen.

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