Blaise Pascal

Pascal: „Wenn Gott das Herz nicht neigt“

Blaise Pascal (Gedanken, 2016, S. 227): 

Seid nicht erstaunt, wenn ihr einfache Menschen seht, die glauben, ohne vernünftig nachtzdenken: Gott gibt ihnen ein, ihn zu lieben und sich selbst zu hassen, er neigt ihr Herz zum Glauben. Man wird nie einsichtig in die eigene Schuld und getreulich glauben, wenn Gott das Herz nicht neigt. Und man wird von da an glauben, wo er es neigt. Und das wusste David wohl. Inclina cor meum, Deus, in, usw. [vgl. Ps 118,36. in der Vulgata].

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Pascal ist schlauer

Blaise Pascal, der berühmte französische Philosoph und Wissenschaftler des 17. Jahrhunderts, ist vielleicht am besten für seine „Wette“ bekannt. Pascal argumentiert, dass es immer die bessere „Wette“ ist, an Gott zu glauben, weil der Erwartungswert des Gewinns, der durch den Glauben an Gott erzielt werden kann, in jedem Fall größer ist als der Erwartungswert des Unglaubens. Doch Pascal und seine Brillanz haben  viel mehr zu bieten als diese Wette. Douglas Groothuis, ein ausgewiesener Pascal-Experte, der ein wichtiges Buch (#ad) über den Janseiten geschrieben hat, nimmt uns in diesem Gespräch mit hinein in das Denken Pascals.

Interviewt wird er unter anderem von Carl Trueman: 

 

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Pascal: Was der Tod in Jesus Christus ist

Blaise Pascal schreibt über das Opfer von Jesus Christus (Briefe I: Die private Korrespondenz, 2015, S. 56–57):

Um zu betrachten, was der Tod ist, und vor allem, was der Tod in Jesus Christus ist, muss man erkennen, welche Stellung er in seinem immerwährenden und ununterbrochenen Opfer einnimmt, und hierfür muss man bemerken, dass der wichtigste Teil der Opferungen im Tod des Opfers besteht. Die Darbringung und die Weihe, die vorausgehen, sind Vorbereitungen; die eigentliche Vollendung aber ist der Tod, mit dem das Geschöpf durch die Auslöschung des Lebens Gott die größte Huldigung erweist, deren es fähig ist, indem es vor den Augen seiner Majestät ins Nichts zurücksinkt und dessen höchstes Wesen anbetet, das allein wirklich existiert. Allerdings gibt es nach dem Tod des Opfers noch einen anderen Teil, ohne den dessen Tod unnütz ist: die Annahme des Opfers durch Gott. Das wird in der Heiligen Schrift gesagt [Gn 8,21]: Et odoratus est Dominus suavitatem. »Und der Herr hat den lieblichen Duft des Opfers gerochen.« Damit wird die Darbringung wahrhaft gekrönt; doch dies ist eher eine Handlung Gottes auf das Geschöpf hin als eine Handlung des Geschöpfes auf Gott hin, und es verhindert nicht, dass der Tod die letzte Handlung des Geschöpfes ist.

All diese Dinge haben sich in Jesus Christus erfüllt.194 Als er in die Welt kam, hat er sich dargebracht [Hebr 9,14; 10,5,7]: Obtulit semetipsum per Spiritum sanctum. Ingrediens mundum, dixit: Hostiam noluisti … Tune dixi: Ecce venio. In capite usw. Er hat sich durch den Heiligen Geist dargebracht. Als er in die Welt kam, hat er gesagt: »Herr, die Opfer sind dir nicht angenehm; aber den Leib hast du mir bereitet.« Da sagte ich: »Siehe, ich komme. Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern, und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen.« Das war seine Darbringung. Seine Weihe folgte unmittelbar darauf. Dieses Opfer dauerte sein ganzes Leben und wurde durch seinen Tod vollendet. Er musste die Leiden ertragen, um zu seiner Herrlichkeit einzugehen [Lk 24,26]. Und obwohl er Gottes Sohn war, musste er den Gehorsam lernen. Aber er, der in den Tagen seines Fleisches mit lautem Geschrei den anrief, der ihn vom Tode erretten konnte, ist erhört worden um seiner Frömmigkeit willen [Hebr 5,7]. Gott hat ihn von den Toten auferweckt und seine Herrlichkeit, die früher durch das vom Himmel auf die Opfer niederfallende Feuer versinnbildlicht wurde, entsandt, um seinen Leib zu verbrennen und zu verzehren und ihm das geistige Leben der Herrlichkeit zu geben. Das hat Jesus Christus erlangt, und es wurde durch seine Auferstehung vollendet.

Pascal: Haben die Apostel die Auferstehung Jesu erfunden?

Blaise Pascal über die die These, die ersten Jünger hätten die Auferstehung ihres Herrn nur erfunden, um sich selbst und ihrer christlichen Mission eine Legitimation zu geben (Gedanken, 2016, Fragment 344,  S. 194):

Die Annahme schurkischer Apostel ist reichlich absurd. Man denke das zu Ende, man stelle sich diese zwölf Männer vor, wie sie sich nach dem Tode Jesu Christi versammeln und sich verschwören zu behaupten, er sei auferstanden! Sie fechten damit alle Gewalten an. Das Herz der Menschen hat einen seltsamen Hang zur Leichtigkeit, zur Veränderung, zu Versprechen, zu Gütern. Wenn auch nur einer von ihnen all dieser Verlockungen wegen widerrufen hätte, und mehr noch, der Gefängnisse, der Qualen und des Todes wegen, wären sie verloren gewesen.

Man denke das zu Ende!

Das Elend der Menschen

Blaise Pascal (Gedanken, Darmstadt: WBG, 2016, S. 126):

Indem ich die Blindheit und das Elend des Menschen sehe, indem ich das stumme Universum betrachte und den unerleuchteten, sich selbst überlassenen Menschen, der sich in diesem Winkel des Universums gleichsam verirrt hat, ohne zu w wissen, wer ihn dahin versetzt hat, wozu er dorthin gekommen ist, was beim Tode aus ihm den wird, und unfähig zu jeglicher Erkenntnis, gerate ich in Entsetzen wie ein Mensch, den man schlafend auf eine schauerliche einsame Insel gebracht hat und der erwacht, ohne sich auszukennen und ohne einen Ausweg zu finden. Und daraufhin bewundere ich, wie man über einen so elenden Zustand nicht in Verzweiflung gerät. Ich sehe meiner Nähe andere Personen mit ähnlicher Wesensart, ich frage sie, ob sie besser wiesen seien als ich. Sie antworten mir mit Nein. Und daraufhin haben diese elenden Verirrten, nachdem sie sich umgesehen und einige ansprechende Gegenstände erblickt haben, sich ihnen hingegeben und sich an sie gebunden.

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Blaise Pascal schreibt („Beschreibung des Lebens Jesu Christi“, in: Kleine Schriften zur Religion und Philosophie, Meiner, 208, S. 149–194, hier S. 183):

Und ungefähr um drei Uhr oder, nach der Zeiteinteilung der Hebräer, um die neunte Stunde schrie Jesus laut: »Eli, Eli, lama asabthani?«, das ist: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« – nämlich verlassen in seiner menschlichen Natur, die ohne Trost allen ihm durch seine Henker und seine Feinde bereiteten Qualen preisgegeben war. Und er wendet sich an Gott, um nach dem Grund für dieses Verlassensein zu fragen, folglich (sieht man hieran), daß er die Sünde der Menschen in seinem unschuldigen Fleisch sühnte. Gleichwohl wird diese Sünde von den Menschen nicht richtig erkannt, und deren Greuel wird nur von Gott allein richtig erkannt. Und selbst diese Rede kann als ein Gebet verstanden werden, das Jesus an den Vater richtet, damit er des Endzwecks gedenke, um dessentwillen er ihn betrübt und verläßt, als wollte er sagen: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen ? Du weißt, mein Gott, daß dies für das Heil der Welt geschieht, laß also die Frucht dieses Opfers dem Menschengeschlecht zuteil werden, für das du sie bestimmt hast.« Und diese Worte sind voller Hoffnung und nicht voller Verzweiflung, denn er sagt ja: »Mein Gott, mein Gott!«, nun ist Gott aber nicht ein Gott der Toten und auch nicht der Verzweifelten.

 

Pascals Pensées neu aufgelegt

41PS8WIaIIL SX354 BO1 204 203 200Nachfolgend ein Buchhinweis aus Glauben und Denken heute 1/2017:

  • Blaise Pascal, Pensées – Gedanken, editiert und kommentiert von Philippe Sellier. Aus dem Französischem übersetzt und mit einer Konkordanz von Sylvia Schiewe. Darmstadt: WGB, 2016. ISBN-10: 3534232984, 434 S., 49,00 Euro.

Pascals Pensées zählen zu den bedeutenden theologisch-philosophischen Texten europäischer Tradition. Die mehr als 800 Fragmente, die nach Pascals Tod gefunden wurden, enthalten eine wirkmächtige Apologie des christlichen Glaubens, deren Stil und Scharfsinnigkeit nach wie vor fasziniert. Das Buch des berühmten Mathematikers und Philosophen prägt die philosophische und theologische Diskussion bis heute. Seine Überlegungen zum Verhältnis zwischen Mensch und Gott, zu den Erkenntnismöglichkeiten der Wissenschaft und den Hoffnungen auf ein ewiges Leben, sind ebenso wie die berühmte „Wette“ unvergessen und immer wieder Mittelpunkt religionsphilosophischer Debatten.

Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft in Darmstadt hat die maßgebliche Standardedition der Pensées von Philippe Sellier im Jahr 2016 erstmals in deutscher Sprache zugänglich gemacht. Die Ausgabe folgt der von Pascal selbst mutmaßlich beabsichtigten Anordnung und gilt als Meilenstein der Pascal-Forschung. Der lebendige und erzählerische Stil der Übersetzung erleichtert die Annäherung an den großen christlichen Denker.

Die Anmerkungen Salliers glänzen durch Klarheit und Sachlichkeit. Ergänzt wird der Text im Anhang durch ein Personen- und Stichwortregister sowie durch eine Konkordanz,die die Fragment-Nummern bedeutender Pensées-Ausgaben angibt. Der Satz, der den Text gemäß der 2. Sellier-Ausgabe vollständig wiedergibt, enthält am Rand zudem eine Marginalkonkordanz mit den Fragment-Nummern der wichtigsten Ausgaben (Sellier 2, Lafuma u. Brunschvicg). Im deutschsprachigen Raum setzt diese Ausgabe für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Buch den Standard.

Blaise Pascal. Briefe I: Die private Korrespondenz

Nachfolgend eine Rezension zu:

Blaise Pascal. Briefe I: Die private Korrespondenz

517rS5pF3sL SX309 BO1 204 203 200Der französische Mathematiker, Theologe und Philosoph Blaise Pascal (1623–1662) gilt als Wunderknabe. Als Zwölfjähriger überraschte er seinen Vater, indem er auf dem Küchenboden selbständig die ersten 32 Lehrsätze der euklidischen Geometrie herleitete. Im Alter von 19 Jahren erfand er die erste mechanische Addiermaschine. Sieben Jahre später stellte er bereits den Pascalschen Satz auf, der besagt, dass in Flüssigkeiten der Druck gleichmäßig in alle Richtungen verteilt wird. Überdies gilt er heute als Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Pascals Vater unternahm viel, um seine Kinder zu fördern. Er selbst erlitt 1646 auf einer Reise eine schwere Verletzung, so dass er mehrere Monate ans Bett gefesselt war. In dieser Zeit kümmerten sich zwei gläubige Christen fürsorglich um ihn. Sie waren es, die die gesamte Familie mit dem sogenannten Jansenismus bekannt machten. Der Name geht auf Cornelius Jansen (1585–1638) zurück. Jansen stand unter dem Einfluss von Augustinus und lehrte, dass ein Sünder keinen Einfluss auf seine Erlösung habe, sondern ganz dem göttlichen Gnadenwillen ausgeliefert sei. Die erweckliche Bewegung breitete sich in Frankreich und den Niederlanden innerhalb der katholischen Kirche aus. Besonders die Jesuiten nahmen jedoch daran Anstoß und bekämpften die Be­wegung entschlossen.

Die Bekanntschaft mit dem Jansenismus löste bei Blaise Pascal eine erste Bekehrung aus. Etliche Jahre später folgte ein Erweckungserlebnis, das auch als zweite Bekehrung bezeichnet wird. Nach einem schweren Unfall mit seiner mehrspännigen Pferdekutsche, den wie durch ein Wunder alle Beteiligten überlebten, wurde ihm am 23. November des Jahres 1654 plötzlich klar, dass Gott sein ganzes Herz wollte. Nach seinem Tod entdeckt sein Diener ein in seinem Rock eingenähtes „Mémorial“. Dort steht geschrieben: „… Das ist aber das ewige Leben, da sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen. Jesus Christus! Jesus Christus! Ich habe mich von ihm getrennt, ich habe ihn geflohen, mich losgesagt von ihm, ihn gekreuzigt. Möge ich nie von ihm geschieden sein. Nur auf den Wegen, die das Evangelium lehrt, kann man ihn bewahren. Vollkommene und liebevolle Entsagung …“ (B. Pascal, Pensées, 1937, S. 248). Von diesem Tag an zog sich Pascal zurück und widmete sich überwiegend geistlichen Aufgaben.

Pascal arbeitete an einer Verteidigung des christlichen Glaubens und machte sich ungefähr von 1657 an Notizen dazu. Er konnte das Werk allerdings nicht mehr fertigstellen. Pascal war von Kindheit an schwächlich und konnte seit seinem 18. Lebensjahr keinen Tag ohne Schmerzen genießen. Am 19. August 1662 starb er jung im Alter von 39 Jahren. Die Fragmente seiner Arbeit erschienen nach seinem Tod als Les Pensées (dt. ‚die Gedanken’) und sind bis heute vielgelesene und geschätzte apologetische Texte.

Zur großen Freude der Pascal-Leser ist 2015 der erste Band einer vierbändigen Briefausgabe in deutscher Sprache erschienen. Der erste Band umfasst 22 Briefe und Brieffragmente aus den Jahren 1643–1660/61. Pascal nutzte Briefe als literarische Stilmittel, für den wissenschaftlichen Gedankenaustausch sowie die persönliche Korrespondenz.

Der erste Band der Reihe enthält private Briefe. Zunächst 9 an die Familie gerichtete Schreiben. Darunter ist auch sein wohl berühmtester Brief, ein Trostschreiben an die Familie Périer vom 17. Oktober 1651. Aus Anlass des Todes seines Vaters stellt Pascal darin „allgemeine Betrachtungen über Leben, Krankheit und Tod an, sofern sie aus christlicher Perspektive aus Gottes Hand genommen werden können“ (S. 25). Ein berückendes Schreiben zur Verherrlichung der Größe Gottes. Der Philosoph stellt der trostarmen Vorstellung, der Lauf der Dinge werde durch den Zufall bestimmt, ein Bekenntnis zur Allmacht Gottes gegenüber. Denn Gott hat von Ewigkeit her in seiner Vorsehung einen Ratschluss gefasst, „der in der Fülle der Zeiten ausgeführt werden soll, in einem gewissen Jahr, an einem gewissen Tag, zu einer gewissen Stunde, an einem gewissen Ort und auf eine gewisse Art …“ (S. 53). „Wir müssen“, so Pascal, „nämlich Trost für unsere Übel nicht in uns selbst suchen, auch nicht bei anderen Menschen oder bei allem, was erschaffen wurde, sondern bei Gott. Und der Grund ist, dass kein Geschöpf die erste Ursache der Geschehnisse ist, die wir Übel nennen, vielmehr ist die Vorsehung Gottes deren einzige und wahrhaftige Ursache, deren unumschränkter Herr und Gebieter, und darum gibt es keinen Zweifel, dass man unmittelbar zur Quelle zurückgehen und bis zum Ursprung hinaufsteigen muss, um wahrhaftige Erleichterung zu finden“ (S. 52).

Die zweite Gruppe (B) enthält nur einen besonderen Brief, nämlich das Schreiben, das Pascal 1652 an die Königin Kristina von Schweden gerichtet hat. Die Königin hatte von seinen Forschungen zur Rechenmaschine erfahren und ließ sich dazu über den Mediziner Pierre Bourdelot Erkundigungen einholen. Pascal schrieb daraufhin der Königin und trat dabei bescheiden und souverän zugleich auf. Betont lobt er die Königin für ihre Liebe zur Wissenschaft (vgl. S. 77). Der Brief ist – so sagt es der Pascal-Kenner Eduard Zwierlein in seiner Einleitung – „ein kleines Meisterwerk nicht nur der Gedankeninhalte, sondern auch der Subtilität der Botschaften, der Disposition und der stilistischen Formung im Spiel der Antithesen, Kontraste, Chiasmen und Ver­schränkungen“ (S. 25).

Die dritte Gruppe (C) gibt 9 Briefe wieder, die an Mademoiselle de Roannez gerichtet sind. Mademoiselle war wohl eine Zeit lang in Pascal verliebt, verspürte gleichwohl zu der Zeit, in der die Briefe entstanden, die Berufung, in das Kloster von Port Royal einzutreten. Port Royal südwestlich von Versailles war ein Frauenkloster des Zisterzienserordens und im 17. Jahrhundert ein Zentrum jansenistischen Ideenguts (es wurde auf Anordnung Ludwigs XIV. 1710 zerstört). Der Bruder von Mademoiselle de Roannez, ein Herzog, stand der Klosterberufung ablehnend gegenüber und versuchte, Pascal auf seine Seite zu ziehen. Der aber unterstütze die Dame auf ihrem geistlichen Weg. Die Briefe dieser Gruppe zeugen von der „emotionalen Intelligenz“ Pascals und geben allerlei Hinweise auf seine geistliche Lebenseinstellung. Anrührend ist seine Menschenzugewandheit. In einem Brief aus dem Jahre 1657 ermutigt er Mademoiselle de Roannez, die mit allerlei Widerständen zu kämpfen hatte, mit den Worten: „Aufrichtig gesagt, Gott ist sehr verlassen. Wie mir scheint, leben wir jetzt in einer Zeit, da ihm der Dienst, den man ihm leistet, höchst wohlgefällig ist“ (S. 100).

Die letzte Gruppe (D) enthält drei Briefe. Ein kurzes Schreiben aus dem Jahre 1660 ist an seinen Freund, den Juristen und Mathematiker Pierre de Fermat (1607–1665), gerichtet. Es bezeugt die fragile Gesundheit Pascals. War er doch so schwach, dass er nicht ohne Stock laufen konnte und an das Sitzen im Sattel nicht zu denken war (vgl. S. 105). Schon 1648 hatte er seiner Schwester Gilberte geklagt, dass ihm nur wenige Stunden bleiben, in denen er Muße zum Arbeiten hat und sich zugleich gesund fühlt (vgl. S. 35). Erkennbar wird fernerhin, dass er inzwischen die Geometrie vernachlässigt, um sich wichtigeren Studien zu widmen. Pascal arbeitete zu der Zeit bereits an einer Apologie des christlichen Glaubens und widmete sich hingebungsvoll der Armenfürsorge.

Ergänzt wird der erste Band dieser Reihe durch eine Kurzbiographie, 70 Seiten Anmerkungen und eine Auswahlbiographie. Die von Eduard Zwierlein erarbeiteten Anmerkungen sind für Pascal-Freunde eine echte Fundgrube. Der erfahrene Übersetzer Ulrich Kunzmann, der bereits Übersetzungen der „Gedanken“ und der philosophischen Schriften Pascals besorgte, hat den Text vorzüglich in die deutsche Sprache übertragen.

Sogar jemand, der die Pensées wiederholt gelesen hat, wird den Briefband nach der Lektüre überrascht und berührt zurücklegen.

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Vor einigen Tagen erschien beim Deutschlandradio ein Betrag zur Buchausgabe (ab Minute 9.30): dlf_20160707_1610_9cd1a474.mp3.

Gottes Verlassenheit und seine Gnade

Pascal BlaiseBlaise Pascal schrieb im Februar 1657 einen bewegenden Brief an Mademoiselle de Roannez, die wohl eine Zeit lang in den Philosophen verliebt war, sich aber dann für den Weg ins Kloster entschied (vielleicht, weil er ihre Liebe nicht erwiderte).

Nachfolgend zwei wunderschöne Zitate aus dem Schreiben. Das erste Zitat stammt aus einem Lobpreis auf die Gnade Gottes (Blaise Pascal, Briefe I, 2015, S. 100–101):

Doch es gibt diesen Unterschied zwischen den Königen der Erde und dem König der Könige, dass die Fürsten nicht die Treue ihrer Untertanen bewirken, sondern sie als treue Untertanen vorfinden: Gott hingegen findet immer nur untreue Menschen vor, und wenn sie treu sind, so hat er sie dazu gemacht. Während die Könige also eine besonders große Dankesschuld jenen gegenüber haben, die ihnen treu bleiben, verhält es sich im Gegenteil so, dass jene, die im Dienst Gottes ausharren, ihm selber zu unendlich großem Dank verpflichtet sind. Preisen wir ihn also unablässig für diese Gnade, wenn er sie uns erwiesen hat …

Das zweite Zitat dient der Ermutigung, hatte doch Mademoiselle de Roannez auf ihrem geistlichen Weg mit allerlei Widerständen zu kämpfen (ebd., S. 100).

Aufrichtig gesagt, Gott ist sehr verlassen. Wie mir scheint, leben wir jetzt in einer Zeit, da ihm der Dienst, den man ihm leistet, höchst wohlgefällig ist.

Nun wird der kritische Leser anmerken: „Ach, so denn alles an Gott liegt, warum schafft er sich dann nicht einfach mehr Gefährten? Schließlich kann doch keiner Gott dienen, so Gott selbst es nicht schafft!“

Pascal beschreibt an andere Stelle die geheimnisvolle Doppelstruktur der Gnade so (Blaise Pascal, Kleine Schriften zur Religion und Philosophie, S. 247):

Diese beiden Tatsachen, dass Gott manchmal als erster den Menschen verlässt und dass der Mensch als erster Gott verlässt, haben gemeinsam Bestand. Denn es ist wahr, dass Gott seine Gnadenmittel unablässig jenen gibt, die unablässig um sie bitten; aber es trifft auch zu, dass der Mensch es niemals unterlassen würde, um sie zu bitten, wenn Gott es nicht unterließe, dem Menschen die Gnade zu geben, ihn darum zu bitten.

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