Brian McLaren

Spiritualität in und Kirche out

Auf der Bundesratstagung der Baptisten sprach in diesem Jahr Prof. Tobias Faix von der CVJM-Hochschule in Kassel zur Frage, wie von der Kirche entfremdete Menschen noch erreicht werden können. Die Antwort: Die Kirche müsse selbstkritischer werden, die übernommenen Lehren stärker hinterfragen. Wir bräuchten eine größere Offenheit für die Wirklichkeit des Unglaubens. In einer Pressemitteilung des Bundes ist zu lesen:

Um die Situation der Kirchen in diesem neuen Kontext zu verdeutlichen verwendete Faix das Bild einer Brücke, die neben einem Fluss steht, der seinen Flusslauf geändert hat: „Wir können die Brücke renovieren und schön anmalen, zum Beispiel durch modernen Lobpreis. Die Brücke führt dennoch nicht mehr über den Fluss.“ Stattdessen müssten wir unsere bisherigen Dogmen und Lehren hinterfragen, um die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit zu erreichen. Konkret wurde Faix bei klassischen Formen der Verkündigung. So sei beispielsweise die Rede von Schuld und Vergebung vielen Menschen fremd, da kein Schuldbewusstsein vorliege. Der Begriff Sünde werde als ethisch-bevormundend wahrgenommen und auch Kampfesmetaphorik, zum Beispiel der Kampf Gut gegen Böse, entspreche nicht dem pluralistischen Zeitgeist. Diese biblischen Botschaften seien für die Menschen von heute nicht mehr verständlich. Es bedürfe daher neuer Wege der Verkündigung, um die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit zu erreichen, so Faix. Gerade in der Leistungsgesellschaft seien die Themen Scham und Ausgrenzung hochaktuell. Der Mensch werde durch seine Arbeit, sein Aussehen oder seinen Verstand beurteilt, wie befreiend sei da die Rede von der bedingungslosen Annahme Christi und die gelebte Annahme von Menschen jeglicher Herkunft in den Ortsgemeinden. Christen sollten „die Sprengkraft des Kreuzes nutzen“, um bei und mit den Menschen zu sein und „anfassbar“ zu werden. Kirche dürfe nicht darin bestehen, innerhalb der eigenen vier Wände die immergleichen Dogmen rauf- und runter zu beten. Stattdessen sollten Christen ihr Umfeld sehr aufmerksam beobachten, zuhören und auf die Lebenswelt der Menschen eingehen. Es gehe nicht darum, das eigene Verständnis der biblischen Botschaft zu relativieren, sondern durch eine Haltung der Offenheit das Evangelium neu vorzuleben und verständlich zu machen. Dass dabei auch Altes hinterfragt und neu durchdacht wird, solle nicht als Gefahr verstanden werden, sondern als Aufgabe, das Evangelium lebendig in einen neuen Kontext einzupflanzen.

Nun, es gibt dazu eigentlich nicht viel zu sagen. Vieles erinnert an Vorträge, die Brian McLaren vor 11 Jahren in Deutschland gehalten hat. Die alten Wege seien zu verlassen. Wir sollten uns selbst in den Augen der vom Glauben entfremdeten Menschen attraktiv machen. Es geht nicht um Schwerpunktverlagerungen in der Evangeliumsverkündigung, sondern um die Kompatibilität von Verkündigung und dem Bedürfnishorizont des Menschen, der fern von der Kirche lebt. Wer das glaubt, wird selig.

Ich habe vor 11 Jahren auf McLarens Thesen geantwortet und will an dieser Stelle nochmals darauf verweisen: fta-emch-101.pdf.

Der „Fall Galilei“

Vor 9 Jahren ging ich in einem Vortrag auf das umgestaltete Christsein von Brian McLaren ein. McLaren reiste damals durch evangelikale Ausbildungsstätten, um für seine Vision eines progressiven Christseins zu werben. Sein therapeutisches Anliegen beschrieb ich damals mit den Worten:

So wie vor 500 Jahren die Reformatoren den Glauben vom mittelalterlichen Weltbild befreiten, müssen wir gemäß McLaren den Glauben vom Protestantismus der Moderne entkoppeln. Die Reformatoren entwickelten ein post-katholisches Weltbild. Der Auftrag der weltweiten Kirche heute besteht darin, ein post-protestantisches Weltbild zu entwickeln. Wir müssen die Kompatibilität von Glaube und Postmodernismus erzeugen. Meistern wir diese Herausforderung, kann sich der post-protestantische Glaube in den gegenwärtig emergierenden Gesellschaften fruchtbar ausbreiten.

Da diese Vision inzwischen 10 Jahre alt ist, sei es erlaubt, ein kleines Fazit zu ziehen. Also ganz kurz: Obwohl die Emergente Bewegung, zu deren Gründern McLaren gehört, öffentlich als Bewegung kaum noch wahrnehmbar ist, haben sich ihre Ideen in etlichen Gemeindebünden und Ausbildungsstätten ausgebreitet. Das zeigt sich nicht nur im Umgang mit der Bibel, sondern auch in ethischen Fragen und Antworten. Belebt haben diese Ideen  allerdings weder die Gemeinden noch die Mission. Im Gegenteil: Der Missionsbegriff wurde so stark geweitet, dass fast alles Mission ist und kaum noch zur Buße aufgerufen wird. Evangelisation wird klein, Transformation groß geschrieben. Weniger die Transformation der Welt, mehr die Transformation der Gemeinden.

Nun aber zu meinem eigentlichen Anliegen: Brian McLaren verwies in seinen Vorträgen immer wieder auf den „Fall Galilei“, dessen Einsichten von der Kirche militant bekämpft worden seien. Anstatt anzunehmen, dass die Zeichen auf Veränderung stehen, habe die Kirche mit ihrer Engstirnigkeit die Fakten geleugnet und blind an der Tradition festgehalten. Heute würden die Christen  einen ähnlichen Fehler machen wie die Kirche damals. Grundlos widersetzen sie sich dem postmodernen Denken und blockierten damit den Erfolg der Kirche.

Ich war mit dieser Deutung von Galilei überhaupt nicht einverstanden und sagte damals:

Der in diesem Zusammenhang erwähnte „Fall Galilei“ hat sich etwas anders zugertragen, als von Brian McLaren dargestellt. Galilei wurde nicht nach Rom bestellt, weil es einen Konflikt zwischen „reiner“ Wissenschaft und „reinem“ Glauben gab, sondern weil die Kirche von ihm verlangte, seine Theorie eines heliozentrischen Weltbildes als Hypothese darzulegen. Galilei, der keine naturwissenschaftlichen Beweise für seine Behauptungen vorlegen konnte, brach diese Vereinbarung mit der Veröffentlichung seines Dialogo. Kurioser Weise hatte die Inquisition naturwissenschaftlich Recht, während Galilei mit seiner Kritik der peripatetischen Bibelauslegung richtig lag. Nie wurde Galilei mit dem Tod bedroht, da keine Häresie vorlag. Folter wurde zwar im Rahmen des Prozesses von 1633 formal als „territio verbalis“ angedroht. Galilei war damals allerdings bereits 70 Jahre alt und wusste, dass die Inquisition Menschen ab 60 nicht mehr folterte. Da Galilei als treuer Katholik von seinen guten Kontakten zur Kurie profitierte, war er nie in einem Gefängnis … Lydia Jaeger fasst den Sachverhalt wie folgt zusammen: „Der Heilige Stuhl kämpfte bei seinem Streit mit Galilei nicht so sehr für den biblischen Glauben als für eine Theologie, die ihre kritische Distanz zur Wissenschaft einer gewissen Epoche verloren hatte. Unter diesem Gesichtspunkt warnt uns der Galilei-Prozess nicht vor einem ‚zu viel Bibel‘, sondern vor einem ‚zu viel Wissenschaft‘, die dem durch die Kirche verbreiteten Weltbild einverleibt wurde.“ (Wissenschaft ohne Gott?, Bonn: VKW, 2007, S. 24).

Der Physiker Christopher Jefferson hat kürzlich die Einschätzung, Galilei sei vor allem wegen wissenschaftlicher Gründe angefeindet worden, untermauert. In seinem Artikel „Opposition to Galileo was scientific, not just religious“ schreibt er:

In 1614, when the telescope was new technology, a young man in Germany published a book filled with illustrations of the exciting new things being discovered telescopically: moons circling Jupiter, moon-like phases of Venus, spots on the Sun, the rough and cratered lunar surface. The young man was Johann Georg Locher, and his book was Mathematical Disquisitions Concerning Astronomical Controversies and Novelties. And while Locher heaped praise upon Galileo, he challenged ideas that Galileo championed – on scientific grounds.

Hier: aeon.co.

Versöhnte Widersprüche bei Brian McLaren

Paul Feyerabend hat mit seinem „alles ist möglich“ den Einbruch des postmodernen Denkstils vorangetrieben. Der österreichische Philosoph orientierte sich nicht mehr an Idealen wie Objektivität, Verständlichkeit oder Begründbarkeit, sondern an der Bewegung des Dadaismus. Die Kunstrichtung des Dadaismus steht für den radikalen Zweifel und die konsequente Dekonstruktion realer Ordnungen des Denkens und der Ästhetik. Der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch wurde mit dem Verweis auf eine fundamentalistische Erkenntnistheorie beiseitegeschoben und durch chaotische oder versöhnte Denkstile ausgetauscht.

Mit der Emergenten Bewegung (sowie deren Vor- und Nachläufern) besetzte das Ideal eines „alles ist möglich“ auch Räume der Evangelikalen Bewegung. So vertritt beispielsweise Brian McLaren ein Wahrheitsverständnis, das davon ausgeht, dass zwei Aussagen, die sich hinsichtlich des gleichen Aspektes widersprechen, gleichzeitig wahr sein können. Ein Aussage A und ihre Verneinung nicht-A können zugleich und in gleicher Weise wahr sein. Vereinfacht bedeutet das z. B.: Die Aussagen „Gott lügt nicht“ und „Gott ist ein Lügner“ können beide wahr sein (vgl. Hebr 6,18).

McLarens’ bisher bedeutsamstes Buch trägt denn auch den Untertitel: „Warum ich ein missionaler, evangelikaler, post-protestantischer, liberal/konservativer, mystisch/poetischer, biblischer, charismatisch/kontemplativer, fundamentalistisch/calvinistischer, wiedertäuferisch/anglikanischer, methodistischer, katholischer, grüner, inkarnatorischer, depressiver aber hoffnungsvoller, neu entstehender, unfertiger Christ bin.“ McLaren sieht sich nicht mehr in der Pflicht eines vernünftigen Glaubens. Er bekennt sich dazu, ein „absurdes“ Buch geschrieben zu haben und meint dies durch und durch anerkennend (McLaren, 2006: 31).

Hier mehr zu dem Buch von McLaren: mbstexte126_a.pdf.

Brian, Rob und Don

Rob Bell,  Brian McLaren und Don Miller gehörten vor 10 Jahren zu den Leitfiguren des progressiven Evangelikalismus. Kevin Miller ist der Frage nachgegangen, was diese drei Leute heute denken und tun.

In 2003, the book Blue Like Jazz, by little-known author Donald Miller, appeared in the sky like a blazing comet. Hundreds of thousands of evangelicals shared a moment: Finally, someone’s saying what I’ve been thinking, giving voice to my frustrations and longings about faith, God, and the church. No wonder Paste magazine named Blue Like Jazz one of the „20 Best Books of the Decade.“ Shortly after reading Jazz, I attended a pastors‘ conference, where a breakout session with Brian McLaren had to be moved to the largest room available, and still people leaned against the walls, sat on the floor, and sardined outside the door, hoping to catch a few words from the voice behind A New Kind of Christian and More Ready Than You Realize. McLaren was quickly crowned „One of the 25 Most Influential Evangelicals in America“ by Time. And from where I live outside Chicago, vans were regularly packing in people to drive to Mars Hill Bible Church in Grandville, Michigan, to hear the young phenom Rob Bell, whose Nooma videos had gone viral. Before long, Bell was named one of „The 50 Most Influential Christians in America.“ You could feel hope lifting, see the horizon lighting with a rosy dawn for the evangelical movement. And it was being led by a triumvirate of fresh artists: Brian, Rob, and Don. That was so 2003.

Hier: www.christianitytoday.com.

Die Wurzeln der Emerging Church-Bewegung

Jutta hat unter dem Beitrag über Rob Bells Die Liebe siegt? auf eine Dokumentation über die Wurzeln der Emerging Church-Bewegung verwiesen. Ich habe mir den Film angeschaut und empfehle ihn ebenfalls, insbesondere wegen der vielen O-Ton-Zitate.

In der Dokumentation wird Jürgen Moltmann als großer Inspirator für die emergente Theologie vorgestellt. In meinen kurzen Vortrag „Wofür ist die Kirche da?: Anfragen an die transformative Eschatologie“ (AfeM-Tagung am 5. Januar 2013) bin ich zu einem ähnlichen Urteil im Blick auf die (emergente) Theologie der Transformation gekommen. Hier ein Auszug:

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Vor knapp 30 Jahren war ich als Sachbearbeiter beim 21. Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf angestellt. Damals hieß der Vorsitzende und Kirchentagspräsident Wolfgang Huber. Das Ereignis stand unter der Losung: „Die Erde ist des Herrn“. Gemeint war vor allem: „Die ganze Erde ist des Herrn“. Die Veranstaltung stand noch unter dem Eindruck einer Theologie der Hoffnung für die Welt.

Es war eine Zeit des Übergangs. Die in der Nachkriegszeit dominierenden existentialen (Bultmann) und neo-orthodoxen (Barth) Interpretationen des Evangeliums wurden von der in den 60er Jahren aufkommenden politischen und feministischen Theologie abgelöst. Bahnbrechend für die Entwicklung einer politischen Theologie waren die Arbeiten von Jürgen Moltmann, insbesondere seine Theologie der Hoffnung aus dem Jahre 1964.

Moltmann wandte sich gegen die – wie er es nannte – „transzendentale Eschatologie“ (Theologie der Hoffnung, 11. Aufl., München: 1980, S. 38ff.) und warb für ein Offenbarungsverständnis, das offen ist für die Verheißungsaussagen, die sich nicht jenseitig, sondern in der Geschichte erfüllen. Seiner 1995 erschienenen Eschatologie gab er den Titel: Das Kommen Gottes (Das Kommen Gottes, München: Kaiser, 1995). Gott kommt weder in einem zeitlosen oder übergeschichtlichen Sinne, noch am Ende der Geschichte. Die Welt ist ein offener Prozess, in welchem das Heil und die Vernichtung der Welt auf dem Spiel stehen. „Offenbarung, als Verheißung erkannt und in Hoffnung ergriffen, begründet und eröffnet damit einen Spielraum von Geschichte, der von der Sendung, von der Verantwortung der Hoffnung, durch Annahme des Leidens am Widerspruch der Wirklichkeit und durch Aufbruch in die verheißene Zukunft erfüllt ist“ (Theologie der Hoffnung, 1980, S. 76).

Moltmann fordert eine handlungsfähige Theologie. Karl Marx schrieb 1845 in seinen Thesen über Feuerbach: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt darauf an, sie zu verändern“ (Karl Marx, Thesen über Feuerbach, 1845, MEW 3, S. 7). Moltmann artikulierte knapp 120 Jahre später: „Für den Theologen geht es nicht darum, die Welt, die Geschichte und das Menschsein nur anders zu interpretieren, sondern sie in der Erwartung göttlicher Veränderung zu verändern“ (Theologie der Hoffnung, 1980, S. 74). Auf der Weltmissionskonferenz in Bankok 1972/1973 wirkte Moltmann an der Formulierung eines ganzheitlichen Heilsverständnisses mit: „Ganzheitlich verstanden wird das Heil der Welt durch eine das ganze Leben umfassende Mission der Christenheit bezeugt.“ Er sprach von vier sozialen Dimensionen des Heils: „1. Das Heil wirkt im Kampf um wirtschaftliche Gerechtigkeit gegen die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen; 2. Das Heil wirkt im Kampf um die Menschenwürde gegen politische Unterdrückung durch Mitmenschen; 3. Das Heil wirkt im Kampf um Solidarität gegen die Entfremdung des Menschen; 4. Das Heil wirkt im Kampf um die Hoffnung gegen die Verzweiflung im Leben des Einzelnen“ (in: J. Moltmann, Ethik der Hoffnung, 2010, S. 56).

Inspiriert wurde Moltmann von dem Marxisten Ernst Bloch (1855–1977) sowie von der „Kritischen Theorie“ der Frankfurter Schule, insbesondere durch Max Horkheimer (1895–1973) und Theodor W. Adorno (1903–1969) (vgl. Jürgen Moltmann, Der gekreuzigte Gott, 2. Aufl., München, 1973, S. 10). Seine „Messianische Ethik“ wurde darüber hinaus durch die amerikanischen Bürgerrechtsbewegungen und Martin Luther King angestoßen. Bezug nehmend auf Kings Traum konzipierte Moltmann die Hoffnung auf eine Welt mit gleichen Lebensverhältnissen für alle und der lebensförderlichen „Gemeinschaft der Menschen mit allen Lebewesen auf der Erde“ (Ethik der Hoffnung, Gütersloh: 2010, S. 54).

Die Weltkirchenkonferenz in Uppsala (1968) bezeichnete die Verbindung zwischen einer verheißenen Zukunft und einer erfahrenen Ankunft der Neuschöpfung aller Dinge als „Vorwegnahme des Reiches Gottes“. Im Hintergrund dieser Formulierung steht die Bloch’sche Utopie von der Umkehrung der objektiven Verhältnisse durch die Vorwegnahme des Zukünftigen (vgl. Ethik der Hoffnung, 2010, S. 54).

Heute bündelt Jürgen Moltmann diese handlungsfähige Theologie unter dem Begriff einer „Transformativen Eschatologie“. Diese Eschatologie unterscheidet sich von der lutherischen, reformierten oder täuferischen, da sie das ethische Prinzip der Weltverantwortung aufnimmt (vgl. Ethik der Hoffnung, 2010, S. 60). „Sie leitet zum transformativen Handeln an, um nach Möglichkeiten und Kräften die Neuschöpfung aller Dinge vorwegzunehmen, die Gott verheißen und Christus in Kraft gesetzt hat (Ethik der Hoffnung, 2010, S. 60) „Sie arbeitet an einer entsprechenden Umwertung der Werte dieser Welt, um der kommenden Welt Gottes gerecht zu werden“ (Ethik der Hoffnung, 2010, S. 58). „Die Befreiung der Unterdrückten, die Aufrichtung der Erniedrigten, die Heilung der Kranken und die Gerechtigkeit der Armen sind die bekannten und praktikablen Stichworte dieser transformativen Ethik“ (Ethik der Hoffnung, 2010, S. 60).

Beim Studium der neueren transformatorischen Literatur ist mir bisher nichts begegnet, was die Ethik der Hoffnung Moltmanns einholen könnte. Hinter Slogans wie „Die Welt umarmen“, „Höchste Zeit, umzudenken“, „Die Welt verändern“, „Geliebte Welt“ oder „Jesus, der König“ verbirgt sich wesentlich eine „Theologie der Hoffnung“ für Evangelikale. „Evangelisation ist nicht nur Verkündigung, sondern auch soziale Aktion und ist es immer gewesen“, schrieb Moltmann 1974, als er über die „Aufgaben christlicher Theologie heute“ nachdachte (J. Moltmann, Das Experiment Hoffnung, München, 1974, S. 18).

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Hier nun die Dokumentation:

Brian McLaren: Unterstützung für Rob Bell

Wir leben in aufregenden Zeiten. Das empfehlenswerte Blog „Sex and Culture“ gebraucht im Zusammenhang mit aktuellen ethischen Neuorientierungen das Bild der „Dammbrüche“. Das passt gut. Leider auch im Blick auf die Kirche.

In wenigen Tagen wird die EKD eine Orientierungshilfe zum Familienverständnis herausgeben. Ich rechne damit, dass sich die EKD durch die Verlautbarung ausdrücklich vom jüdisch-christlichen inspirierten Familienbegriff verabschiedet. Schon auf Seite 13 ist zu lesen (Zwischen Autonomie und Angewiesenheit, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2013):

Angesichts der Vielfall biblischer Bilder und der historischen Bedingtheit des familialen Zusammenlebens bleibt entscheidend, wie Kirche und Theologie die Bibel auslegen und damit Orientierung geben. Ein normatives Verständnis der Ehe als „göttliche Stiftung“ und eine Herleitung der traditionellen Geschlechterollen aus der Schöpfungsordnung einsprechen nicht der Breite des biblischen Zeugnisses.

Zeitzeichen fragt in der Buchvorstellung, wie es um die Segnung homosexueller Paare stehe (6/13, S. 17)?

Durch das biblische Zeugnis klinge als ,Grundton‘ vor allem der Ruf nach einem verlässlichen, liebevollen und verantwortlichen Miteinander, nach einer Treue, die der Treue Gottes entspreche. Somit „sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften (…) auch in theologischer Sicht als gleichwertig anzuerkennen“.

Diese Entwicklung in der EKD kann kaum überraschen. Doch auch im evangelikalen Raum des Protestantismus tut sich etwas. Steve Chalke wirbt für Anerkennung homosexueller Partnerschaften. Kürzlich hat sich Rob Bell ähnlich geäußert. Unterstützung hat er von Brian McLaren erhalten, der sich im April in einer Videobotschaft dem Votum von Rob Bell anschloss.

Auch dies dürfte Kenner der Szene nicht überraschen. Entscheidend für diese Neuorientierung ist das Bibelverständnis der Verantwortlichen. Sie glauben nicht mehr an die Verbindlichkeit und Kraft des Wortes Gottes und behaupten mit Nachdruck und „gewiss“, dass die Bibel nicht mehr die Norm für theologische und ethische Entscheidungen sein kann. (Ich frage mich dann immer, woher sie in dieser Frage ihre Gewissheit nehmen.) 2007 haben ich in einem factum-Artikel über McLaren dazu geschrieben (nachzulesen auch hier):

Eine konsequente Kontextualisierung des Evangeliums verlange, dass die Heilige Schrift durch die Kultur der heutigen Glaubensgemeinschaft verstanden werde. Die Botschaft der Bibel müsse zusammen mit den Methoden der Verkündigung immer wieder überdacht und modifiziert werden (McLaren, 2003: 210). So kann die Bibel nicht mehr der Maßstab aller Maßstäbe sein, sondern nur noch eine Folie von menschlichen Erfahrungen, durch die Gott sich mehr oder weniger verständlich mitteilt.

Und weiter:

Leider ist zu befürchten, dass genau das eintritt, was McLaren vermeiden will: Die Gegenwartskultur wird die Botschaft des Evangeliums mehr und mehr überdecken. Wenn es nur noch miteinander vergleichbare Kulturen gibt, kann Kultur irgendwann nicht mehr vom Evangelium unterschieden werden. So wird das Christentum mehr und mehr Zeugnis ablegen von der Kultur, die es umgibt. Der Auftrag der Kirche Gottes besteht aber darin, das überzeitliche Evangelium von Jesu Tod und Auferstehung zu bezeugen. Das Evangelium kennt kein Verfallsdatum, sondern „ist den Heiligen ein für allemal überliefert worden“ (Jud 3).

Es ist eingetreten.

McLarens neues Christentum

Brian McLaren klärt uns in seinem neuen Buch bezeichnend guruhaft Why Did Jesus, Moses, the Buddha, and Mohammed Cross the Road?: Christian Identity in a Multi-Faith World über die Essenz der Lehren von Jesus, Moses, Mohammad und Buddha auf.

Wie in einigen seiner anderen Bücher baut er seine Argumentationen auf falschen Prämissen und Dualismen auf. So behauptet er beispielsweise, traditionell würden Christen ihre Identität durch Abgrenzung und Feindseligkeit entwickeln. Mohammad, Buddha, Jesus sowie anderen religiösen Führern sei es aber darum gegangen, liebevolles Verständnis für Andersdenkende zu stimulieren (das gilt wahrscheinlich besonders für Mohammad nach seiner Auswanderung in die Stadt Medina). Bemerkenswert finde ich angesichts von Mt 28,20 die Aussage: „Wenn Jesus heute hier wäre …“

Für Rob Bell gewinnt die »Liebe«

Der charismatische Redner Rob Bell spricht im Promotionsvideo zu seinem neuesten Buch aus, was viele Emergente denken:

.

Brian McLaren schreibt dazu:

In Love Wins, Rob Bell tackles the old heaven-and-hell question and offers a courageous alternative answer. Thousands of readers will find freedom and hope and a new way of understanding the biblical story – from beginning to end.

Mir fällt dazu ein, dass an der Projektionshypothese von Ludwig Feuerbach, gemäß der »Gott« eine Projektion eigener Vorstellungen und Wünsche ist, etwas (!) dran ist (siehe auch hier).

Kevin DeYoung hat acht hilfreiche Gedanken aus dem Buch Why We’re Not Emergent zum Thema publiziert: thegospelcoalition.org.

McLaren mal barsch

Todd Fiel hat eine – zugegebenermaßen etwas sehr herbe – Persiflage auf Brian McLaren’s Theologie produziert. Die Zitate von Brian McLaren sind, soweit ich es es verfolgen konnte, allerdings authentisch.

Hier: www.youtube.com.

Brian McLaren: Eine neue Form des Christentums

Kevin DeYoung hat mit einer ausführlichen Besprechung des Buches:

begonnen.

Die Serie kann hier mitverfolgt werden: thegospelcoalition.org.

Auch Tim Challies hat das Buch gelesen und schreibt:

Er leugnet den Sündenfall, er leugnet die Ursünde, er leugnet die Verderbtheit [des Menschen], er leugnet die Existenz der Hölle …

Seine Rezension gibt es hier: www.challies.com.

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