Europa

Politik

EU: Ohne Recht keinen Frieden

Der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof sieht in der EU-Krise eine Krise des Rechts. Deutschland sei auf dem Weg in die Illegalität, wenn weiterhin privatwirtschaftlicher Schaden auf die Allgemeinheit abgewälzt werde. In seinem memorablen Beitrag „Verfassungsnot!“ (FAZ vom 12.07.2012, Nr. 160, S. 25) plädiert er für Rechtssicherheit: „Eine Instabilität des Rechts wiegt schwerer als eine Instabilität der Finanzen. Wer das nicht begreift, dem hilft auch keine Zentralgewalt mehr.“

Wir spielen mit dem Feuer, wollen selbstverständlich niemals den großen Brand. Doch dieser droht ernstlich. Manche Euro-Mitgliedstaaten stehen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit, weil das Recht missachtet worden ist. Im Wirtschaftsleben scheidet ein insolventes Unternehmen aus dem Markt aus, die Konkurrenten übernehmen seine Aufgaben und Kunden. Dieses Prinzip der „schöpferischen Zerstörung“ gilt für Staaten nicht. Jedem Staat ist durch die Vereinten Nationen seine Existenz garantiert. Er bleibt gleichwertiges Mitglied der Völkerrechtsgemeinschaft. Das Staatsvolk hat einen Anspruch darauf, sich selbst Organe zu geben, die für dieses Volk Recht setzen und durchsetzen, sich in einem eigenen Staat die Rahmenbedingungen seines selbstbestimmten Gemeinschaftslebens zu schaffen. Doch die weiterhin zahlungsfähigen, aber hochverschuldeten Staaten geraten in Abhängigkeit vom Finanzmarkt, verlieren Souveränität, büßen in der Abhängigkeit vom Kapitalgeber einen Teil ihrer demokratischen Legitimation, ihrer Kraft zum ausschließlichen Handeln nach Gesetz und Recht, damit ihrer Vertrauenswürdigkeit ein.

Hier: www.faz.net.

VD: JS

Politik

Ein denkwürdiger Euro-Krisengipfel

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ein Instrument zur Gemeinschaftshaftung für Banken in der Euro-Zone gemacht. Das ist unglaublich, kommentiert Holger Steltzner für die FAZ. Die Bundeskanzlerin ist in eine Falle getappt.

Der Bundestag hat sich auf die Zustimmung zu einem dauerhaften Krisenfonds zum Herauspauken von Schuldensündern in der Währungsunion vorbereitet, den es in der beschlossenen Form jedoch nicht geben wird. Denn in der Nacht zuvor haben die Staats- und Regierungschefs der EU auf einem denkwürdigen Euro-Krisengipfel aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ein Instrument zur Gemeinschaftshaftung für Banken in der Euro-Zone gemacht. Das ist unglaublich. Vielleicht denken die Regierungschefs, wenn sie die nach EU-Vertrag verbotene Haftung für die Schulden anderer durch den Bailout-Fonds ESM auf den Kopf stellen können, dann dürfen sie auch die Regeln eines Vertrags in Frage stellen, bevor dieser Vertrag überhaupt in Kraft ist.

In einem frechen politischen Erpressungsmanöver haben Italiens Ministerpräsident Monti und Spaniens Ministerpräsident Rajoy ihre Zustimmung zu dem vom französischen Präsidenten Hollande geforderten Wachstumspakt davon abhängig gemacht, dass der ESM künftig direkt Banken finanziert. Italien und Spanien drohten damit, die Annahme des auch für sie geschnürten Wachstumspakets zu verweigern, wenn ihnen nicht ohne lästige Auflagen und vor allem ohne Beteiligung des Internationalen Währungsfonds geholfen wird.

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Allgemein, Gesellschaft, Politik

E. Weede: Pläydoyer für Freiheit

Erick Weede, Soziologe und renommierter Konfliktforscher, hat ein Plädoyer für die Freiheit verfasst, dass jedem Schüler und Studenten als Pflichtlektüre verschrieben werden sollte. Politische Korrektheit verlangt, Europas Einheit als Wert an sich anzusehen. Doch dass die Folgen der Einheit immer positiv sein müssen, kann nur glauben, wer Europa-Politiker für Übermenschen hält. Europas Uneinigkeit war ein Glück. Wir brauchen mehr Hayekianer!

„Ein Vereinigtes Europa der Narren?“, ein großartiger Text (FAZ vom 03.02.2012, Nr. 29, S. 12):

Unter politischer Korrektheit kann man das Bedürfnis nach Übereinstimmung mit der Masse der Mitmenschen verstehen, auch um den Preis der Ausschaltung der eigenen Vernunft, wobei meist das Bekenntnis zu Werten und Zielen das Nachdenken über geeignete Mittel in den Hintergrund drängt. Wer Konsens für einen Wert an sich hält, für den ist eigenes Nachdenken – wie es die Kanzlerin im Zusammenhang mit der Sarrazin-Debatte so schön sagte – „nicht hilfreich“.

In der Europa-Politik äußert sich die politische Korrektheit in lautstarken Bekenntnissen zu Europas Einheit als Wert an sich in der unreflektierten Behauptung, dass Europas Einheit den europäischen Frieden sichere. Unreflektiert ist diese Behauptung, wenn man sich weigert, Alternativen für die Erklärung des europäischen Friedens auch nur in Erwägung zu ziehen. Ich will hier nur eine Alternative andeuten: Die Nato oder die dort institutionalisierte amerikanische Hegemonie könnte für den Frieden Europas verantwortlich sein.

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Gesellschaft, Politik

Die Entdemokratisierung Europas

Die Idee einer losen Währungsunion ist gescheitert, die Finanzmärkte spielen verrückt – jetzt soll die Wirtschaftsunion kommen. Weil sie nicht organisch entstehen wollte, wird sie eben zentral von oben durchgesetzt. Hier ein wichtiger Kommentar von Thomas Gutachter:

Und trotzdem sind es lauter Paukenschläge, mit denen die Staats- und Regierungschefs ihr Wetterten seit einem Jahr orchestrieren. Nicht mehr Beethovens Hymne an die Freiheit, sondern Richard Strauss‘ titanisch-dröhnende Eröffnung des Zarathustra ist der Sound der Zeit. Die Wettretter bauen an einer Europäischen Union, genauer: einer Euro-Union, die nichts zu tun hat mit all den Verträgen, um die sie zwanzig Jahre lang so mühsam gefeilscht haben. Nachdem die Idee einer losen Währungsunion gescheitert ist und die Finanzmärkte verrückt spielen, soll jetzt die Wirtschaftsunion kommen, aber richtig.

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Allgemein

Vertrauensverlust

Nicht nur Gottesglaube, sondern auch Geldwährungen oder Aktienwerte haben viel mit Vertrauen zu tun. Das Vertrauen gegenüber Währungen kann nicht durch Denk- oder »Rating«-Verbote verordnet werden. Währungen bekommen das Vertrauen, das sie verdienen. Trotzdem reagiert die europäische Politik gegenüber der Kritik am Euro in der Regel sehr empfindlich und setzt auf starke Argumente: Ohne Euro gibt es keinen Frieden! Ohne Euro gibt es kein Europa! Ganz wichtig: Mit dem Euro braucht man für das Taxi in Paris keine Franc.

Ein schlagkräftiges Argument für die derzeitige Euro-Rettungs-Union, nämlich der Verweis darauf, dass kein Land so viel vom Euro profitiert wie Deutschland, wird seit einigen Jahren nüchtern unter die Lupe genommen. Matthias Kullas, Forschungsreferent am Centrum für Europäische Politik (CEP) in Freiburg, kommt zum Beispiel zu folgendem Ergebnis:

Während der zwölf Jahre seit Beginn der Währungsunion hatte Deutschland das zweitniedrigste Wachstum im Euroraum (siehe Grafik). Die These, Deutschland sei der Hauptprofiteur des Euro gewesen, erscheint fragwürdig. Und es scheint auch mehr als zweifelhaft, dass die enormen Kosten der Rettungspakte damit gerechtfertigt werden können.

Hier seine Argumente: www.faz.net.

Religionsfreiheit

Europa: Das Kreuz mit dem Kreuz

Der DLF hat einen aufschlussreichen Beitrag über das Kreuzessymbol im Urteil des Europäischen Gerichtshofs gesendet. Der Göttinger Juraprofessor Michael Heinich stellt fest, dass die Kirchen sich zu wenig für den eigentlichen Sinngehalt des Kreuzes einsetzen. Der Staat habe, so Heinich, die positive wie die negative Religionsfreiheit (d.i. das Recht, keiner Religion anzugehören) zu schützen. Der öffentliche Raum im Staat solle gerade nicht religionsfrei sein, da sonst der Staat religiös werde.

Hier:
[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2011/03/18/dlf_20110318_0946_ba08faaa.mp3[/podcast]

Ethik, Gesellschaft

Lebensrechtler atmen auf: Europarat schützt Gewissensfreiheit

Lebensrechtler können aufatmen: Der Europarat hat mit knapper Mehrheit das Recht bekräftigt, die Mitwirkung bei Abtreibungen, Euthanasie oder Sterbehilfe aus Gewissensgründen zu verweigern (siehe auch hier u. hier).

Idea schreibt:

56 Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung stimmten am 7. Oktober in Straßburg für eine entsprechende Resolution, 51 waren dagegen und vier enthielten sich. Verworfen wurde ein von der englischen Labour-Politikerin Christine McCafferty eingebrachter Bericht, der die Gesundheitsdienste verpflichten wollte, allen Frauen uneingeschränkten Zugang zu allen in einem Land erlaubten medizinischen Dienstleistungen zu gewähren. Dabei dürften religiöse oder ethische Bedenken keine Rolle spielen, etwa im Blick auf Schwangerschaftsabbrüche, Euthanasie, Beihilfe zum Selbstmord, Verpflanzung embryonaler Stammzellen oder Sterilisierung, hieß es in dem Bericht. Diese Empfehlung hätte Christen gezwungen, gegen ihr Gewissen bei Abtreibungen mitzuwirken. Dagegen hatten unter anderem die Deutsche Evangelische Allianz, die »Christdemokraten für das Leben« (CDL) und die Organisation »Ärzte für das Leben« protestiert.

Mehr bei idea: www.idea.de.

Ethik

Zukunft der Gewissensfreiheit in Europa

Der Europarat stimmt am 7. Oktober über einen Bericht zur Gewissensfreiheit ab. Der Bericht heißt: »Women’s access to lawful medical care: the problem of unregulated use of conscientious objection«. Viele Christen in Europa sind besorgt, da eine Annahme dieses Berichts für Christen und christlich-orientierte Krankenhäuser ein Problem darstellen könnte.

Die katholische Organisation Europa4Christ hat folgende möglichen Probleme aufgeführt:

  1. Die Gewissensfreiheit soll nur für Individuen gelten. Krankenhäuser müssten alles anbieten, was im jeweiligen Land erlaubt ist, also z.B. Abtreibung, Euthanasie, Beihilfe zum Selbstmord, Verpflanzung embryonaler Stammzellen, Sterilisierung, etc. Das würde für christlich-orientierte Krankenhäuser heißen, dass sie zusperren … oder ihre christliche Orientierung aufgeben müssten.
  2. Für einzelne Ärzte und Krankenpersonal soll die Gewissensfreiheit eingeschränkt werden durch eine Hinweis- und Begleitungspflicht bei der Vornahme des Eingriffs durch andere. Auch das ist für Christen oft moralisch nicht möglich.! Es könnte sein, dass Christen dann nur mehr schwer im medizinischen Dienst arbeiten könnten.
  3. Es soll ein Verzeichnis geschaffen werden, in dem alle, die bestimmte Dinge nicht machen wollen, erfasst werden. Eine schwarze Liste sozusagen, die diese Ärzte und Pfleger an den Pranger stellen könnte.
  4. Der Bericht stellt den »Zugang zu rechtmäßiger medizinischer Versorgung« mit dem Grundrecht auf Gewissensfreiheit gleich. Das ist rechtlich falsch – und schafft zum Beispiel ein indirektes »Recht auf Abtreibung«.

Weitere Informationen und Handlungsempfehlungen sind hier zu finden: www.europe4christ.net.

Nachtrag vom 29.09.2010: IdeaSpektrum-Meldung zum Thema.

Gesellschaft, Religionsfreiheit

Kruzifix im Klassenzimmer

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat mit Urteil vom 3. November 2009 im Anbringen eines Kruzifixes im Klassenzimmer einer staatlichen italienischen Schule einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gesehen.

Dr. Martin Lampert hat für die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages eine Erklärung veröffentlicht. Zur Begründung des Urteils heißt es dort:

In den tragenden Entscheidungsgründen führte der EGMR zunächst aus, dass das Vorhandensein des Kruzifixes in den Klassenräumen nicht zu übersehen sei und von Schülern jeden Alters unschwer als religiöses Symbol wahrgenommen werden könne. Dadurch entstehe bei ihnen der Eindruck, in ihrer schulischen Umgebung im Geist einer bestimmten Religion erzogen zu werden. Dies könne für katholische Schüler zwar unterstützend wirken, für Schüler anderer Glaubensrichtungen, besonders religiöser Minderheiten, oder atheistische Schüler störend sein. Die Freiheit, an keine Religion zu glauben, werde von der Religionsfreiheit der EMRK umfasst und beschränke sich nicht auf das Fehlen von Gottesdienst und Religionsunterricht. Sie beziehe sich auch auf Handlungsweisen und Symbole, die einen Glauben, eine Religion oder Gottlosigkeit ausdrückten. Diese Freiheit verdiene besonderen Schutz, wenn der Staat dadurch einen bestimmten Glauben zum Ausdruck bringe und der Einzelne in eine Situation gebracht werde, der er nicht oder nur durch unverhältnismäßige Opfer oder Anstrengungen ausweichen könne. Der Staat habe von Glaubensbekundungen in Räumlichkeiten abzusehen, die Personen zwangsläufig betreten müssten. Besonders im Bereich der öffentlichen Erziehung habe der Staat religiöse Neutralität zu wahren, weil der Schulbesuch ungeachtet einer Religionszugehörigkeit zwingend sei und bei den Schülern kritisches Denken gefördert werden solle. Der EGMR betonte ausdrücklich, dass das Zeigen eines Symbols, das »vernünftigerweise« nur mit dem katholischen Glauben in Verbindung gebracht werden könne, in Klassenräumen staatlicher Schulen nicht einer pluralistischen Erziehung diene, wie sie zur Erhaltung einer demokratischen Gesellschaft wesentlich sei.

Der der Augsburger Bischof Walter Mixa hat übrigens kürzlich zu dem Urteil gesagt:

Über 85 Prozent der Europäer sind Christen. Das Kreuz enthält keine Drohbotschaft, sondern ist ein Zeichen der Liebe und des Friedens, wichtig für eine positive Lebensgestaltung. Das dürfen wir uns nicht nehmen lassen! Denken wir auch daran: Fünf der sieben Richter, die dieses Skandalurteil gefällt haben, haben einen kommunistischen Hintergrund!

Hier die Information aus dem Deutschen Bundestag: kruzifix_im_klassenzimmer.pdf.

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