November 2012

John Lennox: Warum der neue Atheismus nicht trifft

Wenn man Richard Dawkins und anderen glauben soll, dann hat die moderne Wissenschaft Gott in die Ecke gestellt, »umgebracht« und schließlich begraben. Der Atheismus sei die einzig legitime Denkposition und die Vorstellungen von einem Schöpfer- und Erhaltergott eine verzichtbare Hypothese, die die Wissenschaft nur behindert. In seinen VortrĂ€gen lĂ€dt der bekannte Mathematiker John Lennox ein, solche Thesen ernsthaft zu ĂŒberdenken. Gott passt viel besser in die moderne Wissenschaft, als es sich manche Ideologen trĂ€umen lassen.

Professor Lennox ist wirklich ein kluger Kopf und angenehmer Mensch. Er wird – vermute ich – die VortrĂ€ge sogar in deutscher Sprache halten. Wer in der NĂ€he von MĂŒnchen wohnt, sollte sich das nicht entgehen lassen.

Mittwoch, 5. Dezember 2012, 19.30 Uhr
St. MatthĂ€us-Kirche (U-Bahn Sendlinger Tor) Nußbaumstraße 1
80336 MĂŒnchen

ïżŒ

 

John Lennox VS.jpg

Abraham Kuyper (Schluß)

 

Abraham Kuyper: Der reformierte Denker 

Denkerischer Ausgangspunkt fĂŒr Kuyper ist das Bekenntnis zur absoluten SouverĂ€nitĂ€t Gottes. Dieser Glaube an die allumfassende Königsherrschaft von Jesus Christus (engl. Lordship Principle) bedeutete ihm, dass der Calvinismus als eine Lebensanschauung (engl. Life-System) anzusehen ist, die jeden Bereich der Wirklichkeit berĂŒhrt. Die Herrschaft von Jesus Christus ĂŒber die gesamte Wirklichkeit konkretisiert sich in drei Ordnungen, die jeweils unmittelbar Gott unterstellt sind, nĂ€mlich Staat, Gesellschaft und Kirche (Abraham Kuyper, Lectures on Calvinism, Grand Rapids, MI: Erdmans, Reprint 2002, S. 79). 
 
Einerseits verteidigte Kuyper große (Wieder-)Entdeckungen der Reformatoren wie die tiefe SĂŒndhaftigkeit aller Menschen, die Glaubensgerechtigkeit oder die ErwĂ€hlung, andererseits gab er dem Calvinismus ein aufgeschlossenes und der Welt zugewandtes Gesicht. Gelingen konnte ihm das durch die gleichzeitige Betonung von Antithese und allgemeiner Gnade.
 
Mit der Antithese hebt Kuyper den Gegensatz von Kirche und Welt heraus. Die Kinder Gottes leben versöhnt nach dem Glauben zur Ehre Gottes. Die Kinder der Welt richten sich nach ihrem eigenen verdorbenen Herzen und rebellieren gegen Gott. Diese vorausgesetzte Antithese fĂŒhrt allerdings nicht in den Kulturpessimismus, dem Kuyper die „allgemeine Gnade“ gegenĂŒberstellt. 
 
WĂ€hrend die spezielle Gnade die erwĂ€hlten Menschen erleuchtet und mit Gott versöhnt, schenkt uns die allgemeine Gnade, was wir zum Leben benötigen und begrenzt die sĂŒndhaften und destruktiven MĂ€chte dieser gefallenen Welt. Von der allgemeinen Gnade profitieren also alle Menschen. Gott versprach im Noahbund, die Erde trotz der Bosheit der Menschen zu erhalten (vgl. Gen 8,21). „Solange die Erde wĂ€hrt, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ Gen 8,22). Gott „lĂ€sst seine Sonne aufgehen ĂŒber Böse und Gute und lĂ€sst regnen ĂŒber Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,45). Die allgemeine Gnade gibt den Ebenbildern Gottes das Mandat fĂŒr die Erforschung und Gestaltung dieser Welt. FĂŒr die Christen heißt das, dass sie zusammen mit den Heiden kulturschaffend tĂ€tig sind. Sie arbeiten, sie engagieren sich fĂŒr Gerechtigkeit und Wohlfahrt, sie sind kĂŒnstlerisch tĂ€tig oder treiben Sport. All das verbindet sie nicht nur mit den Christen, sondern auch mit ihren unglĂ€ubigen Freunden und Nachbarn, deren Leistungen sie wertschĂ€tzen. Eine besondere Stellung rĂ€umte Kuyper ĂŒbrigens der Wissenschaft ein, indem er sie in der Schöpfung ansiedelte. „Ohne SĂŒnde“, schrieb Kuyper, „gĂ€be es weder einen Staat noch die christliche Kirche, aber die Wissenschaft“ (Wisdom & Wonder, Grand Rapids, Michigan, 2011, S. 35). 
 
Im niederlĂ€ndischen Protestantismus erntete der Neo-Calvinismus mitunter scharfe Kritik. Kuyper wurde und wird vorgeworfen, er habe das reformierte Christentum von der ĂŒberlieferten reformierten Theologie entfremdet. TatsĂ€chlich verĂ€nderte sich unter ihm das „reformierte SelbstverstĂ€ndnis“. 
 
Kuyper verlor beispielsweise vertraute Mitstreiter, als er eine Korrektur des NiederlĂ€ndischen Glaubensbekenntnisses (lat. Confessio Belgica) einforderte. Er störte sich am Artikel 36, wo zur Bestimmung des Staates gesagt wird, dass dieser nicht nur fĂŒr die bĂŒrgerliche Verfassung zu sorgen hat, sondern auch darum bemĂŒht sein soll, „dass der Gottesdienst erhalten werde, aller Götzendienst und falscher Gottesdienst entfernt werde, das Reich des Antichrists zerstört, Christi Reich aber ausgebreitet werde. Endlich ist es ihres Amtes zu bewirken, dass das heilige Wort des Evangeliums ĂŒberall gepredigt werde und dass jeder Gott auf reine Weise nach Vorschrift seines Wortes frei verehren und anbeten könne“. Kuyper sah hier eine unzulĂ€ssige VerknĂŒpfung von Staat und Kirche und deshalb eine Verletzung der „SouverĂ€nitĂ€t im eigenen Kreis“. Er war ĂŒberzeugt, dass Familie, Staat und Kirche jeweils eigene DomĂ€nen sind, die sich gegenseitig nicht „hineinregieren“ sollten. R. S. de BruĂŻne (1869–1941) hat diese kuypersche „SphĂ€rensouverĂ€nitĂ€t“ einmal markant formuliert: „Es ist unsere Überzeugung, dass es nicht zur Berufung des Staates gehört, das soziale Leben von oben zu kontrollieren und es in vorgefertigte Bahnen zu pressen 
 Wir unterscheiden mehrere Kreise: den Staat, die Gesellschaft, die Kirche und die Familie, um nur einige zu nennen. Diese haben alle ihre eigene Natur, ihre eigene AutoritĂ€t und Verantwortung. (zitiert nach: Joop M. Roebroek, The Imprisoned State, 1993, S. 55). FĂŒr Kuyper war es unertrĂ€glich, wenn der Staat kirchliche Aufgaben ĂŒbernahm oder die Institution Kirche versuchte, Politik zu machen. Seine BemĂŒhungen, die Korrektur des Artikels durchzusetzen, traf auf harten Widerstand (vgl. dazu: Peter Heslam, Creating a Christian Worldview: Abraham Kuyper‘s Lectures on Calvanism, 1998, S. 162–164). Schlussendlich wurde die Passage 1905 von den Reformierten Kirchen aber aus dem Bekenntnis gestrichen (Dirk van Keulen, „Der niederlĂ€ndische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, S. 356). 
 
Noch ein Beispiel: Vor Kuyper bestritten die Reformierten zwar nicht, dass Christen den Auftrag haben, Gesellschaft zu gestalten. Betont wurde aber vor allem die Erlösung von SĂŒndern. Die Predigten befasste sich meist mit den großen biblischen Themen wie Buße, Glaube, Wiedergeburt, Rechtfertigung, Heiligung usw. Durch Kuyper verschob sich der Schwerpunkt hin zur Weltverantwortung. Die Frage, was der Heilige Geist in den Herzen der SĂŒnder durch das Wort wirkt, wurde zwar nicht ausgeblendet, aber oft von dem ĂŒberlagert, was Christen tun sollten, um Gesellschaft und Kultur zu prĂ€gen (vgl. Cornelius Pronk, „Neo-Calvinism“, S. 49). 
 
Gern wird Kuyper deshalb heute fĂŒr die sogenannte „transformative Kulturauffassung“ oder „Gesellschaftstransformation“ in Anspruch genommen. Demnach sind Christen dazu beauftragt, sich in gesellschaftliche Prozesse einzumischen und diese auf Mikro-, Meso- und Makroebene zu verĂ€ndern. Ist diese Vereinnahmung von Kuyper berechtigt? Ja und nein. TatsĂ€chlich wollte Kuyper den Protestantismus entprivatisieren und entwickelte eine „öffentliche Theologie“, die viele neue AnstĂ¶ĂŸe fĂŒr die parteiische Einmischung und Weltverantwortung lieferte. 
 
Damit ĂŒberwand er die von Immanuel Kant (1724–1804) angestoßene und noch heute gefragte Aufspaltung der Vernunft in einen öffentlichen und einen privaten Gebrauch. Es bedĂŒrfe der Freiheit, „von seiner eigenen Vernunft in allen StĂŒcken öffentlich Gebrauch zu machen“, sagte Kant (Kant, „Beantwortung der Frage: Was ist AufklĂ€rung?“, 1974, S. 11). Er kontrastiert den öffentlichen Gebrauch der Vernunft mit dem privaten. Unter öffentlichem Gebrauch versteht er „denjenigen, den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht“ (Ibid., S. 9). Der Privatgebrauch der Vernunft könne dagegen eingeschrĂ€nkt sein (Ibid., S. 11). Kuyper holte den Glauben, der sich auf Offenbarung berief, wieder
in den öffentlichen Diskurs zurĂŒck. Sein Ansatz hob dabei entschieden vom liberalen Kulturprotestantismus ab, der Evangelium und Kultur durchmischte. Zugleich unterschied er – wie oben bereits angesprochen –, scharf zwischen allgemeiner und rettender Gnade. Um es anders auszudrĂŒcken: Kuyper verwechselte die Erhaltungsethik nicht mit dem Aufbau von Gottes Reich. Darum wissend, dass das geistliche Reich nicht von dieser Welt ist (vgl. Joh 18,36), schrieb er (A. Kuyper, „Common Crace“ zitiert aus: David VanDrunen, Natural Law and The Two Kingdoms, 2010, S. 295):
 
Wir mĂŒssen zwischen zwei Dimensionen dieser Manifestation der Gnade unterscheiden. 1.a. eine rettende Gnade, die am Ende SĂŒnde abschafft und ihre Folgen vollstĂ€ndig rĂŒckgĂ€ngig macht; und 2. eine zeitliche zurĂŒckhaltende Gnade, die die Wirkung der SĂŒnde abmildert und aufhĂ€lt. Die erste 
 ist ihrer Natur nach eine besondere und auf die AuserwĂ€hlten Gottes begrenzt. Die zweite 
 erstreckt sich auf das gesamte menschliche Leben.
 
Die Frucht der besonderen Gnade, die Menschen mit Gott durch Jesus Christus versöhnt, war eindeutig das Herzensanliegen von Kuyper (vgl. S.U. Zuidema, Common Grace und Christian Action in Abraham Kuyper, S. 6). Die Kirche als Institution sollte deshalb treu das Evangelium verkĂŒndigen. KulturprĂ€senz wird erreicht, da die Kirche als Organismus in der Welt wohnt.
 
Kuypers Wirkung ist ambivalent. Er stĂ€rkte das nachmoderne Christentum auf dem Weg zu einem kulturprĂ€senten Christsein und inspirierte herausragene christliche Vordenker, unter ihnen Herman Bavinck (1854–1921), Hermann Dooyeweerd (1894–1977), Hans Rookmaaker (1922–1977) oder Francis Schaeffer (1912–1984). Doch auch Bewegungen wie der „Christian Reconstructionism“ von Rousas J. Rushdoony (1916–2001) und Greg L. Bahnsen (1948–1995) oder der „shalom-Neo-Calvinismus“, wie er von Alvin Plantinga (* 1932) und Nicholas Wolterstorff (* 1932) vertreten wird, sind von Kuyper inspiriert. Interessanterweise ist der „Christian Reconstructionism“ anti-sozialistisch ausgerichtet und hebt die „Antithese“ zwischen christlichem und weltlichem Denken heraus (vgl. dazu: Thomas Schirrmacher, Anfang und Ende von Christian Reconstruction (1959–1995), 2001). Der „shalom-Neo-Calvinismus“ ist demgegenĂŒber sozialistischen Idealen aufgeschlossen und neigt dazu, die Immanenz Gottes und die KontinuitĂ€t zwischen der jetzigen und der zukĂŒnftigen Welt zu idealisieren (vgl. dazu: Williams Dennison, „Dutch Neo-Calvinism and the Roots for Transformation“, JETS 42 (1999), Nr. 2, S. 271–291). Gelegentlich wird von den „Transformisten“ deshalb eingestanden, dass sie sich mehr mit dem Beispiel als mit den inhaltlichen Anliegen des niederlĂ€ndischen Theologen identifizieren (z.B. Phillip Morgen, „Abraham Kuyper: Christ Transforming Culture, Helwys Society Forum, URL: http://www.helwyssocietyforum.com).
 
Alles in allem leitete Kuyper vor ungefĂ€hr einhundert Jahren eine notwendige und begrĂŒĂŸenswerte Renaissance des reformierten Denkens ein. Wir dĂŒrfen dankbar sein, dass er die christliche Weltdeutung aus der Defensivhaltung herausfĂŒhrte und zahlreiche Christen ermutigte, den ideologischen Götzendienst des Modernismus zu dekonstruieren und christliches Denken einzuĂŒben. Wer Jesus Christus nachfolgt, sieht die ganze Welt mit anderen Augen. Wir können und sollten viel von ihm lernen.
 

„Wir leben in einer Welt der Salami-Ethik“

Frank Ulrich Montgomery gilt als Pragmatiker. Der neue PrĂ€sident der BundesĂ€rztekammer will sich in die Gesundheitspolitik „hörbar einmischen“. Im FAZ-Interview spricht er ĂŒber Selektion durch PID und Wunder in der Medizin.

Ich bin ein Gegner der bewussten Selektion durch den Menschen nach willkĂŒrlich aufgestellten Kriterien. Die Gefahr ist, dass man am Ende die Fragen nach dem Designerbaby und dem Retterbaby nicht mehr zurĂŒckweisen kann. Das Risiko besteht, dass die PID fĂŒr immer mehr FĂ€lle angewandt wird. Wir leben in einer Welt der Salami-Ethik, wo StĂŒckchen fĂŒr StĂŒckchen abgeschnitten wird. Heute werden 95 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben.

Mehr: www.faz.net.

VD: JS

Gott glauben – Vortragsreihe an der Ev. Akademie Berlin

Als ich heute einen DLF-Kurzbericht ĂŒber eine Vortragsreihe der Evangelischen Akademie Berlin hörte, ĂŒberkam mich das GefĂŒhl, dass dort Schleiermacher und Bultmann immer noch hoch im Kurs stehen. Worum geht es im Glauben? Worin liegt der Wahrheitsgehalt des christlichen Bekenntnisses? Was sagt uns beispielsweise das Buch Genesis? Wir finden dort den „Niederschlag einer Selbstdeutung“, Aussagen von Menschen, die ein GefĂŒhl fĂŒr sich selbst entwickelt haben. Es geht eben – so sagte es Professor Notger Slenczka –, um ein „SelbstgefĂŒhl“, ein GefĂŒhl fĂŒr die „UnselbstverstĂ€ndlichkeit des Lebens“.

Wer das anders sieht, wird – wie kann es anders sein – ĂŒbrigens gleich in die NĂ€he radikal-fundamentalistischer Kreise gerĂŒckt. Kindergarten!

Hier der Bericht:

Abraham Kuyper (Teil 3)

 

Abraham Kuyper: Der Wissenschaftler

ZurĂŒck in Holland, geht er weder in die Politik noch in den Pfarrdienst, sondern widmet sich zwei anderen immensen Herausforderungen: „Einerseits die Entwicklung des Calvinismus sowohl als Theologie wie als Lebensanschauung in einem System, das in den neuen Kontext des 19. Jahrhunderts paßt, und andererseits die Ausbildung junger Menschen, die dieses Programm theoretisch auszubauen und in die Praxis umzusetzen gewillt sind“ (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 296). Er sah kaum Chancen, diese ambitionierten PlĂ€ne an bestehenden UniversitĂ€ten umzusetzen, da er sich dort hĂ€tte mit dem akademischen Establishment arrangieren mĂŒssen. Er griff den bereits 1875 geĂ€ußerten Gedanken einer UniversitĂ€tsgrĂŒndung wieder auf und beabsichtigte die Bildung einer LehrstĂ€tte auf Grundlage einer reformierten Weltanschauung. Kuyper wollte nicht nur das reformierte Bekenntnis gegenĂŒber Liberalismus, Modernismus und Vermittlungstheologie behaupten, sondern offensiv den „christlichen Glauben fĂŒr alle FakultĂ€ten fruchtbar machen“ (Johannes Schick, Das Denken des Ganzen: Eine vergleichende Studie zu den Wirklichkeitsanschauungen Karl Heims und Herman Dooyeweerds angesichts der Herausforderungen durch Postmoderne und neue Metaphysik, Göttingen: Vandehoeck & Ruprecht, S. 89). 1880 wurde die Freie UniversitĂ€t Amsterdam (hollĂ€nd. „Vrije Universiteit Amsterdam“, abgekĂŒrzt VU) eröffnet. „Frei“ bedeutet in diesem Fall, dass die Hochschule „frei“ von Kirche und Staat arbeitet und ausschließlich von privaten TrĂ€gern finanziert wird. Die Hochschule verfolgte das erklĂ€rte Ziel, „die reformierten Studenten zur Übernahme verantwortlicher gesellschaftlicher Positionen vorzubereiten“ (D. van Keulen, „Der niederlĂ€ndische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, S. 34). „Hier kommt das Ideal einer Wissenschaft zum Ausdruck, die ‚souverĂ€n im eigenen Bereich‘ bleibt und weder unter der Vormundschaft des Staates noch unter kirchlichem Kuratel sich ihrer eigenen Art entfremdet‘. Im Jahre 1880 hatte sie 5 Studenten, 1885 zĂ€hlte sie 50 und 1900 126, davon studierten 76 Theologie. Sie hat ihrer Aufgabe jedoch erfĂŒllt, zur Entwicklung einer einheitlichen Geistesart der reformierten Volksschicht beigetragen und die nötigen fĂŒhrenden Köpfe geliefert“ (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 296).

Kuyper wird Professor an der VU und lehrt vor allem Dogmatik, EnzyklopĂ€die der Theologie, niederlĂ€ndische Sprachwissenschaft, Linguistik und Ästhetik. In dieser Zeit schreibt er seine grĂ¶ĂŸten theologischen BĂŒcher (Eine umfassende Bibliographie ist 2011 erschienen als: Kuipers, Tjitze, Abraham Kuyper: An Annotated Bibliography 1857–2010, Leiden : Brill ; Biggleswade: Extenza Turpin, 2011). Das einzige wissenschaftliche Werk im engeren Sinn bildet seine drei BĂ€nde umfassende EnzyklopĂ€die der Theologie. Schon im Vorwort dieser Schrift macht er deutlich, dass er eine Wiederbelebung des reformierten Glaubens beabsichtigt. Kuyper will den kraftlos gewordenen Calvinismus, der teilweise sektiererische ZĂŒge mit starken Absonderungstendenzen aufwies, aus seiner Enge herausfĂŒhren und fĂŒr einen lebendigen Dialog mit der Gegenwartskultur zurĂŒsten. Er beabsichtigt keine „Repristination des ursprĂŒnglichen Calvinismus. Vielmehr gelte es, diesen ‚in BerĂŒhrung [zu] bringen mit dem menschlichen Bewusstsein, wie sich dieses am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt hat‘“ (D. van Keulen, „Der niederlĂ€ndische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, S. 345–346). Zu seinen anderen bedeutenden Werken gehören seine Pneumatologie (3 Bde.), die ErklĂ€rungen zum Heidelberger Katechismus (4 Bde.), eine Ausarbeitung zur Allgemeinen Gnade (3 Bde.) sowie eine Veröffentlichung zur reformierten Liturgie. All diese Publikationen sind Sammlungen von AufsĂ€tzen, die ursprĂŒnglich in der Wochenzeitschrift „Der Herold“ erschienen sind.

PrĂ€sident Mursi will „Islamische Republik Ägypten“

Die Internationale Gesellschaft fĂŒr Menschenrechte (IGFM) befĂŒrchtet, dass Ägyptens PrĂ€sident Mursi auf eine „Islamische Republik Ägypten“ zusteuert. In den vergangenen Tagen sind in Kairo die AnhĂ€nger der Mursi nahestehenden Moslem-Bruderschaft erstmals gemeinschaftlich und mit intensivem Gewalteinsatz gegen liberale und sĂ€kulare Demonstranten vorgegangen. Hunderte sind dabei verletzt worden, mehrere verloren ihr Augenlicht. Könnte diese Entwicklung nicht mehr aufgehalten werden, seien nach EinschĂ€tzung der IGFM die christliche Minderheit und die Frauen Ägyptens am hĂ€rtesten getroffen.

GegenwĂ€rtig befinden sich die christlichen Kirchen Ägyptens in einer Art „Schreckstarre“. Der Widerstand und die Proteste gegen eine neue Diktatur unter islamischen Vorzeichen ist vor allem von liberalen und sĂ€kularen Jugendbewegungen getragen, die bereits die Initiatoren der Revolution gegen das Mubarak-Regime waren. Die Kopten schweigen bisher.

Widerstand gegen Mursi erwacht nach Beobachtungen der IGFM inzwischen auch in einigen Regionen OberĂ€gyptens. Die EnttĂ€uschung darĂŒber, dass sich PrĂ€sident Mursi außenpolitisch profiliere aber darĂŒber die zahlreichen Probleme im Inneren ignoriere, ist groß. Nach einem katastrophalen ZugunglĂŒck der völlig vernachlĂ€ssigten Ă€gyptischen Bahn am 17. November ist die Stimmung in Teilen der Bevölkerung gegen Mursi umgeschlagen.

Die wichtigsten SĂ€ulen des alten Mubarak-Regimes – Polizei, Geheimdienst und MilitĂ€r – sind nach wie vor nicht unter der Kontrolle der Muslimbruderschaft. Es scheint, dass die maßgeblichen EntscheidungstrĂ€ger sich entschlossen hĂ€tten, auf der „Seite der Macht zu bleiben“ und sich mit PrĂ€sident Mursi arrangiert hĂ€tten. Gleichzeitig seien Kompetenzstreitigkeiten zwischen MilitĂ€r und Polizei aufgebrochen, die in mindestens einem Fall auch mit Waffengewalt ausgetragen wurden, so die IGFM weiter. Die wichtigsten verbliebenen Machtfaktoren wĂŒrden sich so gegenseitig binden. „Gerade durch diese Situation ist die drohende Gefahr noch grĂ¶ĂŸer geworden, dass Mursi eine unter der Scharia stehende Islamische Republik tatsĂ€chlich durchsetzten kann, so wie sie von Salafisten und weiten Teilen der MuslimbrĂŒder gefordert werden“, beton IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin.

Jede zweite Ehe zerbricht in Deutschland

In Deutschland wird bereits jede zweite Ehe geschieden, sagen die Statistiker. Damit ist die Scheidungsrate höher als je zuvor. Wer heute ĂŒberhaupt noch heiratet, wird stark von romantischen Motiven zum Altar getrieben und spĂ€ter bitter enttĂ€uscht.

Allerdings:

Die Vorstellung, in der nĂ€chsten Ehe werde alles besser, ist ĂŒbrigens ein Trugschluss. Zwei Drittel aller Geschiedenen fragen sich rĂŒckblickend, ob es all das Geld und den Stress wert war, sich zu trennen – das jedenfalls schĂ€tzen Paartherapeuten.

Mehr hier: www.welt.de.

Abraham Kuyper (Teil 2)

Abraham Kuyper: Der Prediger, Journalist und Politiker

ZunĂ€chst bemĂŒhte sich Kuyper darum, die im Traditionalismus erstarrte „Hervormde Kerk“ zu erneuern. Die Kanzel war ein geeigneter Ort, um durch leidenschaftliche Predigten die KirchgĂ€nger zum geistlichen Leben anzuspornen. „Kuyper ĂŒbte auf seine Zuhörer einen magischen Einfluss aus. Der Zulauf war enorm: Bisweilen riefen seine Predigten einen regelrechten Volkslauf hervor“ (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 293). Allerdings gab sich Kuyper mit der Kanzel nicht zufrieden. Er engagierte sich in der Politik und ĂŒbernahm 1871 das in Schwierigkeiten geratene Wochenblatt „Der Herold“ (hollĂ€nd. „De Heraut“). Schnell stellte sich heraus, dass Kuyper ein begnadeter Kolumnist war. Zu seinen Lebzeiten galt er als der bedeutendste Journalist der Niederlande und ĂŒbernahm fĂŒr einige Zeit den Vorsitz der Journalistenvereinigung. „Kuyper erweist sich mit seinem prĂ€zisen und zugleich bildhaften Schreibstil als ein Meister der Sprache“ (D. van Keulen, „Der niederlĂ€ndische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, S. 344). Ein Jahr spĂ€ter grĂŒndete er zusĂ€tzlich die Tageszeitung „Der Standard“ (hollĂ€nd. „De Standaard“) und wurde ihr Chefredakteur. Kuyper schrieb nicht nur ĂŒber theologische oder kirchenpolitische Themen, sondern – und das sollte typisch fĂŒr ihn werden –, zu Fragen aller Lebensbereiche auf der Grundlage einer christlichen Weltsicht. C. Augustijn schreibt ĂŒber diese Zeit (Abraham Kuyper“, S. 293):

Im Mittelpunkt von ‚De Standaard‘ standen die Politik und das ganze gesellschaftliche Leben. In allen Bereichen, sei es Staatspolitik, Schule oder [sic! die] Soziale Frage, wollte Kuyper die Prinzipien des Calvinismus zur Geltung bringen. Mit seinen eigenen Worten: „Es gibt auf dem ganzen Hof unseres menschlichen Lebens nicht eine winzige Ecke, wo nicht der Ruf Christi, der der SouverĂ€n aller Menschen ist, erschallt: Mein.“

Kuyper fragte nicht nur nach der angemessenen Gestalt der Kirche, sondern schenkte auch den christlichen Schulen verstĂ€rkte Aufmerksamkeit. Die reformierten Schulen wurden 1806 in öffentliche Einrichtungen umgewandelt. „In ihnen sollte die Erziehung ‚zur Bildung aller christlichen und gesellschaftlichen Tugenden‘ dienen“, wie es das Schulgesetz von 1857 spĂ€ter formulierte (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 293). Kuyper nahm an der Verchristlichung staatlicher Schulen Anstoß und plĂ€dierte fĂŒr die Errichtung konfessioneller Schulen. Neben den staatlichen wurden so auch protestantische und katholische Schulen eingerichtet, die freilich erst ab 1920 im Rahmen der „Gleichstellung“ fiskal den staatlichen Schulen gleichgestellt wurden.

Durch sein Interesse an der Schulpolitik lernte Kuyper den von ihm sehr geschĂ€tzten niederlĂ€ndischen Historiker Guillaume Groen van Prinsterer persönlich kennen und wurde von ihm in die Politik eingefĂŒhrt. 1874 erfolgt die Wahl als Abgeordneter in die zweite Kammer des niederlĂ€ndischen Parlaments. Da Geistliche keine Parlamentsmitglieder sein durften, musste er seinen Pastorenberuf aufgeben. Groen und Kuyper machten sich fĂŒr eine Reformierung der niederlĂ€ndischen Gesellschaft im calvinistischem Sinne stark und bekĂ€mpften gegen den als Übel ihrer Zeit angesehenen Geist der Französischen Revolution. Auf diese Weise entstand die „erste wirklich organisierte politische Partei der Niederlande, die ‚AntirevolutionĂ€re‘ oder ‚Christlich-Historische Partei‘, deren GrundsĂ€tze Kuyper 1878 mit dem Manifest ‚Ons Program‘ aufstellte und durch ausfĂŒhrliche ErklĂ€rungen erlĂ€uterte“ (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 295). Kuyper wollte die katholischen und liberalen EinflĂŒsse in den Niederlanden keinesfalls leugnen, stellt aber den durch die Reformation erlangten besonderen Charakter im Volke heraus.

Zu seiner großen EnttĂ€uschung konnte er allerdings als Parlamentsmitglied nur wenig bewirken. Die Aufgaben im Parlament und die große publizistische AktivitĂ€ten ĂŒberforderten ihn. Er erlitt 1876, – wie schon 1862 –, wegen Überarbeitung einen dramatischen SchwĂ€cheanfall und musste sich fĂŒr ein Jahr bei einem Auslandsaufenthalt in der Schweiz, in Italien und in Frankreich regenerieren. Er selbst schrieb, dass er in dieser Zeit der Krise „zur Entschiedenheit der entschiedenen und tiefgreifenden Religion“ seiner Vorfahren gefĂŒhrt wurde (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 296). SpĂ€ter, in den Jahren 1901 bis 1905, wurde er allerdings MinisterprĂ€sident der Niederlande und griff so nochmals aktiv in die Politik ein.

Abraham Kuyper (Teil 1)

Kuyper.jpgHeute starte ich eine kleine Reihe ĂŒber das Leben von Abraham Kuyper. Teil 1 der vierteiligen Reihe ist seiner Jugend und Ausbildung gewidmet.

Abraham Kuyper: Der MeisterschĂŒler

Im Europa des 19. Jahrhunderts erwachte ein neuerliches Interesse am reformierten Glauben. Der sogenannte „Neo-Calvinismus“ spielte dabei eine maßgebliche Rolle. Der „Neo-Calvinismus“ als Bezeichnung fĂŒr eine reformierte Weltanschauung ist unlösbar mit dem Namen des NiederlĂ€nders Abraham Kuyper (1837–1920) verbunden.

Abraham Kuyper wurde am 29. Oktober 1837 als Sohn des reformierten Pfarrers Jan Fredrik Kuyper und von Henriette Huber, die schweizerische Vorfahren hat, in Maassluis (SĂŒdholland) geboren. Obwohl in der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Niederlanden die meisten PfarrhĂ€user wohlhabend waren, wuchs er in eher bescheidenen VerhĂ€ltnissen auf. Um das Schulgeld zu sparen, wurde der Grundschulunterricht zu Hause erteilt. Als Abraham mit zwölf Jahren das erste Mal eine Schule betrat, zĂ€hlte er schnell zu den besten SchĂŒlern.

Ab 1855 studierte er in Leiden Theologie und Sprachwissenschaften. Er galt als exzellenter Akademiker mit großem Interesse fĂŒr systematische und historische Theologie. Die UniversitĂ€t war zu jener Zeit eine Hochburg der liberalen Theologie. Ihr prominentester Gelehrter an der theologischen FakultĂ€t, der Systematiker J.H. Scholten (1811–1885), gilt als MitbegrĂŒnder des Modernismus.

In den Jahren 1859/60 befasste sich Kuyper akribisch mit dem Kirchenbegriff des polnischen Reformators Johannes a Lasco (1499–1560) und verglich ihn mit dem KirchenverstĂ€ndnis bei Calvin (1509–1564). Anlass war ein Preisausschreiben der UniversitĂ€t Groningen. Kuypers Untersuchung mit dem Titel „Commentatio“ erhielt den Siegespreis. Der erster Teil dieser Schrift wurde 1862 von der UniversitĂ€t Leiden als Dissertation mit „summa cum laude“ angenommen.

1863 heiratete Abraham seine langjĂ€hrige Verlobte Johanna Hendrika Schaaij. Das frisch vermĂ€hlte Paar zog in das kleine Dorf Beesd in der Betuwe, wo Kuyper eine Pfarrerstelle innerhalb der Reformierten Kirche antrat. Die Abkehr vom liberalen Modernismus und Hinwendung zum Calvinismus fallen mutmaßlich in diese Schaffensperiode. Die genauen VorgĂ€nge lassen sich nicht mehr rekonstruieren. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Kuyper ĂŒbertrieb, wenn er seinen Aufenthalt in Beesd als Wendepunkt fĂŒr seine theologischen Entwicklung herausstrich (Dirk van Keulen, „Der niederlĂ€ndische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, in: Marco Hofheinz, Wolfgang Lienemann u. Martin Sallmann (Hg.), Calvins Erbe: BeitrĂ€ge zur Wirkungsgeschichte Johannes Calvins, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2011, S. 338–359, hier S. 341–342. ). Wahrscheinlich geht sein Sinneswandel auf den Einfluss der ungebildeten aber gottesfĂŒrchtigen Dame Pietje Baltus zurĂŒck (Cornelius Pronk, „Neo-Calvinism“, Reformed Theological Journal, Nov. 1995, S. 45–46).

„Bei den sehr einfachen Leuten in der Gemeinde auf dem Lande“ begegneten Kuyper Ideen, „die ihm zwar durch seine Calvinstudien gelĂ€ufig waren, die aber in der damaligen Kirche kaum noch lebten“ (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 291.) Vier Jahre nach seinem Pfarrdienst in dem Dorf Beesd wird Kuyper nach Utrecht berufen. Obwohl diese reformierte Kirche als orthodox galt, ist der junge Pfarrer von der oberflĂ€chlichen Volksfrömmigkeit sehr enttĂ€uscht. Er spricht von der „LĂŒge in der Kirche“ und hat „tiefgreifende Bedenken und formuliert ernsthafte theologische EinwĂ€nde gegen die institutionalisierte Volkskirche“ (D. van Keulen, „Der niederlĂ€ndische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, S. 342). Hier festigt sich sein Augenmerk fĂŒr eine Bekenntniskirche, die sich an die reformierten Bekenntnisse des 16. und 17. Jahrhunderts bindet. Schon nach drei Jahren verlĂ€sst Kuyper Utrecht und nimmt eine Amsterdamer Pfarrstelle in der grĂ¶ĂŸten reformierten Gemeinde des Landes an (ca. 130.000 Mitglieder). SpĂ€testens ab 1876/77 ist Kuyper ein durch und durch ĂŒberzeugter Calvinist (vgl. C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 291).

AKREF-Nachrichten

AKREF steht fĂŒr den „Arbeitskreis Religionsfreiheit – Menschenrechte – Einsatz fĂŒr verfolgte Christen“ der Deutschen Evangelischen Allianz. Ulrike C. Nyboer stellt seit vielen Jahren Nachricht ĂŒber Christenverfolgung und entsprechende Gebetsanliegen zusammen. Diese Meldungen können regelmĂ€ĂŸig per E-mail empfangen werden.

Wer den Newsletter bestellen möchte, findet hier weitere Informationen: www.ead.de.

Nach oben scrollen
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner