November 2012

John Lennox: Warum der neue Atheismus nicht trifft

Wenn man Richard Dawkins und anderen glauben soll, dann hat die moderne Wissenschaft Gott in die Ecke gestellt, »umgebracht« und schließlich begraben. Der Atheismus sei die einzig legitime Denkposition und die Vorstellungen von einem Schöpfer- und Erhaltergott eine verzichtbare Hypothese, die die Wissenschaft nur behindert. In seinen Vorträgen lädt der bekannte Mathematiker John Lennox ein, solche Thesen ernsthaft zu überdenken. Gott passt viel besser in die moderne Wissenschaft, als es sich manche Ideologen träumen lassen.

Professor Lennox ist wirklich ein kluger Kopf und angenehmer Mensch. Er wird – vermute ich – die Vorträge sogar in deutscher Sprache halten. Wer in der Nähe von München wohnt, sollte sich das nicht entgehen lassen.

Mittwoch, 5. Dezember 2012, 19.30 Uhr
St. Matthäus-Kirche (U-Bahn Sendlinger Tor) Nußbaumstraße 1
80336 München

 

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Abraham Kuyper (Schluß)

 

Abraham Kuyper: Der reformierte Denker 

Denkerischer Ausgangspunkt für Kuyper ist das Bekenntnis zur absoluten Souveränität Gottes. Dieser Glaube an die allumfassende Königsherrschaft von Jesus Christus (engl. Lordship Principle) bedeutete ihm, dass der Calvinismus als eine Lebensanschauung (engl. Life-System) anzusehen ist, die jeden Bereich der Wirklichkeit berührt. Die Herrschaft von Jesus Christus über die gesamte Wirklichkeit konkretisiert sich in drei Ordnungen, die jeweils unmittelbar Gott unterstellt sind, nämlich Staat, Gesellschaft und Kirche (Abraham Kuyper, Lectures on Calvinism, Grand Rapids, MI: Erdmans, Reprint 2002, S. 79). 
 
Einerseits verteidigte Kuyper große (Wieder-)Entdeckungen der Reformatoren wie die tiefe Sündhaftigkeit aller Menschen, die Glaubensgerechtigkeit oder die Erwählung, andererseits gab er dem Calvinismus ein aufgeschlossenes und der Welt zugewandtes Gesicht. Gelingen konnte ihm das durch die gleichzeitige Betonung von Antithese und allgemeiner Gnade.
 
Mit der Antithese hebt Kuyper den Gegensatz von Kirche und Welt heraus. Die Kinder Gottes leben versöhnt nach dem Glauben zur Ehre Gottes. Die Kinder der Welt richten sich nach ihrem eigenen verdorbenen Herzen und rebellieren gegen Gott. Diese vorausgesetzte Antithese führt allerdings nicht in den Kulturpessimismus, dem Kuyper die „allgemeine Gnade“ gegenüberstellt. 
 
Während die spezielle Gnade die erwählten Menschen erleuchtet und mit Gott versöhnt, schenkt uns die allgemeine Gnade, was wir zum Leben benötigen und begrenzt die sündhaften und destruktiven Mächte dieser gefallenen Welt. Von der allgemeinen Gnade profitieren also alle Menschen. Gott versprach im Noahbund, die Erde trotz der Bosheit der Menschen zu erhalten (vgl. Gen 8,21). „Solange die Erde währt, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ Gen 8,22). Gott „lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,45). Die allgemeine Gnade gibt den Ebenbildern Gottes das Mandat für die Erforschung und Gestaltung dieser Welt. Für die Christen heißt das, dass sie zusammen mit den Heiden kulturschaffend tätig sind. Sie arbeiten, sie engagieren sich für Gerechtigkeit und Wohlfahrt, sie sind künstlerisch tätig oder treiben Sport. All das verbindet sie nicht nur mit den Christen, sondern auch mit ihren ungläubigen Freunden und Nachbarn, deren Leistungen sie wertschätzen. Eine besondere Stellung räumte Kuyper übrigens der Wissenschaft ein, indem er sie in der Schöpfung ansiedelte. „Ohne Sünde“, schrieb Kuyper, „gäbe es weder einen Staat noch die christliche Kirche, aber die Wissenschaft“ (Wisdom & Wonder, Grand Rapids, Michigan, 2011, S. 35). 
 
Im niederländischen Protestantismus erntete der Neo-Calvinismus mitunter scharfe Kritik. Kuyper wurde und wird vorgeworfen, er habe das reformierte Christentum von der überlieferten reformierten Theologie entfremdet. Tatsächlich veränderte sich unter ihm das „reformierte Selbstverständnis“. 
 
Kuyper verlor beispielsweise vertraute Mitstreiter, als er eine Korrektur des Niederländischen Glaubensbekenntnisses (lat. Confessio Belgica) einforderte. Er störte sich am Artikel 36, wo zur Bestimmung des Staates gesagt wird, dass dieser nicht nur für die bürgerliche Verfassung zu sorgen hat, sondern auch darum bemüht sein soll, „dass der Gottesdienst erhalten werde, aller Götzendienst und falscher Gottesdienst entfernt werde, das Reich des Antichrists zerstört, Christi Reich aber ausgebreitet werde. Endlich ist es ihres Amtes zu bewirken, dass das heilige Wort des Evangeliums überall gepredigt werde und dass jeder Gott auf reine Weise nach Vorschrift seines Wortes frei verehren und anbeten könne“. Kuyper sah hier eine unzulässige Verknüpfung von Staat und Kirche und deshalb eine Verletzung der „Souveränität im eigenen Kreis“. Er war überzeugt, dass Familie, Staat und Kirche jeweils eigene Domänen sind, die sich gegenseitig nicht „hineinregieren“ sollten. R. S. de Bruïne (1869–1941) hat diese kuypersche „Sphärensouveränität“ einmal markant formuliert: „Es ist unsere Überzeugung, dass es nicht zur Berufung des Staates gehört, das soziale Leben von oben zu kontrollieren und es in vorgefertigte Bahnen zu pressen … Wir unterscheiden mehrere Kreise: den Staat, die Gesellschaft, die Kirche und die Familie, um nur einige zu nennen. Diese haben alle ihre eigene Natur, ihre eigene Autorität und Verantwortung. (zitiert nach: Joop M. Roebroek, The Imprisoned State, 1993, S. 55). Für Kuyper war es unerträglich, wenn der Staat kirchliche Aufgaben übernahm oder die Institution Kirche versuchte, Politik zu machen. Seine Bemühungen, die Korrektur des Artikels durchzusetzen, traf auf harten Widerstand (vgl. dazu: Peter Heslam, Creating a Christian Worldview: Abraham Kuyper‘s Lectures on Calvanism, 1998, S. 162–164). Schlussendlich wurde die Passage 1905 von den Reformierten Kirchen aber aus dem Bekenntnis gestrichen (Dirk van Keulen, „Der niederländische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, S. 356). 
 
Noch ein Beispiel: Vor Kuyper bestritten die Reformierten zwar nicht, dass Christen den Auftrag haben, Gesellschaft zu gestalten. Betont wurde aber vor allem die Erlösung von Sündern. Die Predigten befasste sich meist mit den großen biblischen Themen wie Buße, Glaube, Wiedergeburt, Rechtfertigung, Heiligung usw. Durch Kuyper verschob sich der Schwerpunkt hin zur Weltverantwortung. Die Frage, was der Heilige Geist in den Herzen der Sünder durch das Wort wirkt, wurde zwar nicht ausgeblendet, aber oft von dem überlagert, was Christen tun sollten, um Gesellschaft und Kultur zu prägen (vgl. Cornelius Pronk, „Neo-Calvinism“, S. 49). 
 
Gern wird Kuyper deshalb heute für die sogenannte „transformative Kulturauffassung“ oder „Gesellschaftstransformation“ in Anspruch genommen. Demnach sind Christen dazu beauftragt, sich in gesellschaftliche Prozesse einzumischen und diese auf Mikro-, Meso- und Makroebene zu verändern. Ist diese Vereinnahmung von Kuyper berechtigt? Ja und nein. Tatsächlich wollte Kuyper den Protestantismus entprivatisieren und entwickelte eine „öffentliche Theologie“, die viele neue Anstöße für die parteiische Einmischung und Weltverantwortung lieferte. 
 
Damit überwand er die von Immanuel Kant (1724–1804) angestoßene und noch heute gefragte Aufspaltung der Vernunft in einen öffentlichen und einen privaten Gebrauch. Es bedürfe der Freiheit, „von seiner eigenen Vernunft in allen Stücken öffentlich Gebrauch zu machen“, sagte Kant (Kant, „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“, 1974, S. 11). Er kontrastiert den öffentlichen Gebrauch der Vernunft mit dem privaten. Unter öffentlichem Gebrauch versteht er „denjenigen, den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht“ (Ibid., S. 9). Der Privatgebrauch der Vernunft könne dagegen eingeschränkt sein (Ibid., S. 11). Kuyper holte den Glauben, der sich auf Offenbarung berief, wieder
in den öffentlichen Diskurs zurück. Sein Ansatz hob dabei entschieden vom liberalen Kulturprotestantismus ab, der Evangelium und Kultur durchmischte. Zugleich unterschied er – wie oben bereits angesprochen –, scharf zwischen allgemeiner und rettender Gnade. Um es anders auszudrücken: Kuyper verwechselte die Erhaltungsethik nicht mit dem Aufbau von Gottes Reich. Darum wissend, dass das geistliche Reich nicht von dieser Welt ist (vgl. Joh 18,36), schrieb er (A. Kuyper, „Common Crace“ zitiert aus: David VanDrunen, Natural Law and The Two Kingdoms, 2010, S. 295):
 
Wir müssen zwischen zwei Dimensionen dieser Manifestation der Gnade unterscheiden. 1.a. eine rettende Gnade, die am Ende Sünde abschafft und ihre Folgen vollständig rückgängig macht; und 2. eine zeitliche zurückhaltende Gnade, die die Wirkung der Sünde abmildert und aufhält. Die erste … ist ihrer Natur nach eine besondere und auf die Auserwählten Gottes begrenzt. Die zweite … erstreckt sich auf das gesamte menschliche Leben.
 
Die Frucht der besonderen Gnade, die Menschen mit Gott durch Jesus Christus versöhnt, war eindeutig das Herzensanliegen von Kuyper (vgl. S.U. Zuidema, Common Grace und Christian Action in Abraham Kuyper, S. 6). Die Kirche als Institution sollte deshalb treu das Evangelium verkündigen. Kulturpräsenz wird erreicht, da die Kirche als Organismus in der Welt wohnt.
 
Kuypers Wirkung ist ambivalent. Er stärkte das nachmoderne Christentum auf dem Weg zu einem kulturpräsenten Christsein und inspirierte herausragene christliche Vordenker, unter ihnen Herman Bavinck (1854–1921), Hermann Dooyeweerd (1894–1977), Hans Rookmaaker (1922–1977) oder Francis Schaeffer (1912–1984). Doch auch Bewegungen wie der „Christian Reconstructionism“ von Rousas J. Rushdoony (1916–2001) und Greg L. Bahnsen (1948–1995) oder der „shalom-Neo-Calvinismus“, wie er von Alvin Plantinga (* 1932) und Nicholas Wolterstorff (* 1932) vertreten wird, sind von Kuyper inspiriert. Interessanterweise ist der „Christian Reconstructionism“ anti-sozialistisch ausgerichtet und hebt die „Antithese“ zwischen christlichem und weltlichem Denken heraus (vgl. dazu: Thomas Schirrmacher, Anfang und Ende von Christian Reconstruction (1959–1995), 2001). Der „shalom-Neo-Calvinismus“ ist demgegenüber sozialistischen Idealen aufgeschlossen und neigt dazu, die Immanenz Gottes und die Kontinuität zwischen der jetzigen und der zukünftigen Welt zu idealisieren (vgl. dazu: Williams Dennison, „Dutch Neo-Calvinism and the Roots for Transformation“, JETS 42 (1999), Nr. 2, S. 271–291). Gelegentlich wird von den „Transformisten“ deshalb eingestanden, dass sie sich mehr mit dem Beispiel als mit den inhaltlichen Anliegen des niederländischen Theologen identifizieren (z.B. Phillip Morgen, „Abraham Kuyper: Christ Transforming Culture, Helwys Society Forum, URL: http://www.helwyssocietyforum.com).
 
Alles in allem leitete Kuyper vor ungefähr einhundert Jahren eine notwendige und begrüßenswerte Renaissance des reformierten Denkens ein. Wir dürfen dankbar sein, dass er die christliche Weltdeutung aus der Defensivhaltung herausführte und zahlreiche Christen ermutigte, den ideologischen Götzendienst des Modernismus zu dekonstruieren und christliches Denken einzuüben. Wer Jesus Christus nachfolgt, sieht die ganze Welt mit anderen Augen. Wir können und sollten viel von ihm lernen.
 

„Wir leben in einer Welt der Salami-Ethik“

Frank Ulrich Montgomery gilt als Pragmatiker. Der neue Präsident der Bundesärztekammer will sich in die Gesundheitspolitik „hörbar einmischen“. Im FAZ-Interview spricht er über Selektion durch PID und Wunder in der Medizin.

Ich bin ein Gegner der bewussten Selektion durch den Menschen nach willkürlich aufgestellten Kriterien. Die Gefahr ist, dass man am Ende die Fragen nach dem Designerbaby und dem Retterbaby nicht mehr zurückweisen kann. Das Risiko besteht, dass die PID für immer mehr Fälle angewandt wird. Wir leben in einer Welt der Salami-Ethik, wo Stückchen für Stückchen abgeschnitten wird. Heute werden 95 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben.

Mehr: www.faz.net.

VD: JS

Gott glauben – Vortragsreihe an der Ev. Akademie Berlin

Als ich heute einen DLF-Kurzbericht über eine Vortragsreihe der Evangelischen Akademie Berlin hörte, überkam mich das Gefühl, dass dort Schleiermacher und Bultmann immer noch hoch im Kurs stehen. Worum geht es im Glauben? Worin liegt der Wahrheitsgehalt des christlichen Bekenntnisses? Was sagt uns beispielsweise das Buch Genesis? Wir finden dort den „Niederschlag einer Selbstdeutung“, Aussagen von Menschen, die ein Gefühl für sich selbst entwickelt haben. Es geht eben – so sagte es Professor Notger Slenczka –, um ein „Selbstgefühl“, ein Gefühl für die „Unselbstverständlichkeit des Lebens“.

Wer das anders sieht, wird – wie kann es anders sein – übrigens gleich in die Nähe radikal-fundamentalistischer Kreise gerückt. Kindergarten!

Hier der Bericht:

Abraham Kuyper (Teil 3)

 

Abraham Kuyper: Der Wissenschaftler

Zurück in Holland, geht er weder in die Politik noch in den Pfarrdienst, sondern widmet sich zwei anderen immensen Herausforderungen: „Einerseits die Entwicklung des Calvinismus sowohl als Theologie wie als Lebensanschauung in einem System, das in den neuen Kontext des 19. Jahrhunderts paßt, und andererseits die Ausbildung junger Menschen, die dieses Programm theoretisch auszubauen und in die Praxis umzusetzen gewillt sind“ (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 296). Er sah kaum Chancen, diese ambitionierten Pläne an bestehenden Universitäten umzusetzen, da er sich dort hätte mit dem akademischen Establishment arrangieren müssen. Er griff den bereits 1875 geäußerten Gedanken einer Universitätsgründung wieder auf und beabsichtigte die Bildung einer Lehrstätte auf Grundlage einer reformierten Weltanschauung. Kuyper wollte nicht nur das reformierte Bekenntnis gegenüber Liberalismus, Modernismus und Vermittlungstheologie behaupten, sondern offensiv den „christlichen Glauben für alle Fakultäten fruchtbar machen“ (Johannes Schick, Das Denken des Ganzen: Eine vergleichende Studie zu den Wirklichkeitsanschauungen Karl Heims und Herman Dooyeweerds angesichts der Herausforderungen durch Postmoderne und neue Metaphysik, Göttingen: Vandehoeck & Ruprecht, S. 89). 1880 wurde die Freie Universität Amsterdam (holländ. „Vrije Universiteit Amsterdam“, abgekürzt VU) eröffnet. „Frei“ bedeutet in diesem Fall, dass die Hochschule „frei“ von Kirche und Staat arbeitet und ausschließlich von privaten Trägern finanziert wird. Die Hochschule verfolgte das erklärte Ziel, „die reformierten Studenten zur Übernahme verantwortlicher gesellschaftlicher Positionen vorzubereiten“ (D. van Keulen, „Der niederländische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, S. 34). „Hier kommt das Ideal einer Wissenschaft zum Ausdruck, die ‚souverän im eigenen Bereich‘ bleibt und weder unter der Vormundschaft des Staates noch unter kirchlichem Kuratel sich ihrer eigenen Art entfremdet‘. Im Jahre 1880 hatte sie 5 Studenten, 1885 zählte sie 50 und 1900 126, davon studierten 76 Theologie. Sie hat ihrer Aufgabe jedoch erfüllt, zur Entwicklung einer einheitlichen Geistesart der reformierten Volksschicht beigetragen und die nötigen führenden Köpfe geliefert“ (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 296).

Kuyper wird Professor an der VU und lehrt vor allem Dogmatik, Enzyklopädie der Theologie, niederländische Sprachwissenschaft, Linguistik und Ästhetik. In dieser Zeit schreibt er seine größten theologischen Bücher (Eine umfassende Bibliographie ist 2011 erschienen als: Kuipers, Tjitze, Abraham Kuyper: An Annotated Bibliography 1857–2010, Leiden : Brill ; Biggleswade: Extenza Turpin, 2011). Das einzige wissenschaftliche Werk im engeren Sinn bildet seine drei Bände umfassende Enzyklopädie der Theologie. Schon im Vorwort dieser Schrift macht er deutlich, dass er eine Wiederbelebung des reformierten Glaubens beabsichtigt. Kuyper will den kraftlos gewordenen Calvinismus, der teilweise sektiererische Züge mit starken Absonderungstendenzen aufwies, aus seiner Enge herausführen und für einen lebendigen Dialog mit der Gegenwartskultur zurüsten. Er beabsichtigt keine „Repristination des ursprünglichen Calvinismus. Vielmehr gelte es, diesen ‚in Berührung [zu] bringen mit dem menschlichen Bewusstsein, wie sich dieses am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt hat‘“ (D. van Keulen, „Der niederländische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, S. 345–346). Zu seinen anderen bedeutenden Werken gehören seine Pneumatologie (3 Bde.), die Erklärungen zum Heidelberger Katechismus (4 Bde.), eine Ausarbeitung zur Allgemeinen Gnade (3 Bde.) sowie eine Veröffentlichung zur reformierten Liturgie. All diese Publikationen sind Sammlungen von Aufsätzen, die ursprünglich in der Wochenzeitschrift „Der Herold“ erschienen sind.

Präsident Mursi will „Islamische Republik Ägypten“

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) befürchtet, dass Ägyptens Präsident Mursi auf eine „Islamische Republik Ägypten“ zusteuert. In den vergangenen Tagen sind in Kairo die Anhänger der Mursi nahestehenden Moslem-Bruderschaft erstmals gemeinschaftlich und mit intensivem Gewalteinsatz gegen liberale und säkulare Demonstranten vorgegangen. Hunderte sind dabei verletzt worden, mehrere verloren ihr Augenlicht. Könnte diese Entwicklung nicht mehr aufgehalten werden, seien nach Einschätzung der IGFM die christliche Minderheit und die Frauen Ägyptens am härtesten getroffen.

Gegenwärtig befinden sich die christlichen Kirchen Ägyptens in einer Art „Schreckstarre“. Der Widerstand und die Proteste gegen eine neue Diktatur unter islamischen Vorzeichen ist vor allem von liberalen und säkularen Jugendbewegungen getragen, die bereits die Initiatoren der Revolution gegen das Mubarak-Regime waren. Die Kopten schweigen bisher.

Widerstand gegen Mursi erwacht nach Beobachtungen der IGFM inzwischen auch in einigen Regionen Oberägyptens. Die Enttäuschung darüber, dass sich Präsident Mursi außenpolitisch profiliere aber darüber die zahlreichen Probleme im Inneren ignoriere, ist groß. Nach einem katastrophalen Zugunglück der völlig vernachlässigten ägyptischen Bahn am 17. November ist die Stimmung in Teilen der Bevölkerung gegen Mursi umgeschlagen.

Die wichtigsten Säulen des alten Mubarak-Regimes – Polizei, Geheimdienst und Militär – sind nach wie vor nicht unter der Kontrolle der Muslimbruderschaft. Es scheint, dass die maßgeblichen Entscheidungsträger sich entschlossen hätten, auf der „Seite der Macht zu bleiben“ und sich mit Präsident Mursi arrangiert hätten. Gleichzeitig seien Kompetenzstreitigkeiten zwischen Militär und Polizei aufgebrochen, die in mindestens einem Fall auch mit Waffengewalt ausgetragen wurden, so die IGFM weiter. Die wichtigsten verbliebenen Machtfaktoren würden sich so gegenseitig binden. „Gerade durch diese Situation ist die drohende Gefahr noch größer geworden, dass Mursi eine unter der Scharia stehende Islamische Republik tatsächlich durchsetzten kann, so wie sie von Salafisten und weiten Teilen der Muslimbrüder gefordert werden“, beton IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin.

Jede zweite Ehe zerbricht in Deutschland

In Deutschland wird bereits jede zweite Ehe geschieden, sagen die Statistiker. Damit ist die Scheidungsrate höher als je zuvor. Wer heute überhaupt noch heiratet, wird stark von romantischen Motiven zum Altar getrieben und später bitter enttäuscht.

Allerdings:

Die Vorstellung, in der nächsten Ehe werde alles besser, ist übrigens ein Trugschluss. Zwei Drittel aller Geschiedenen fragen sich rückblickend, ob es all das Geld und den Stress wert war, sich zu trennen – das jedenfalls schätzen Paartherapeuten.

Mehr hier: www.welt.de.

Abraham Kuyper (Teil 2)

Abraham Kuyper: Der Prediger, Journalist und Politiker

Zunächst bemühte sich Kuyper darum, die im Traditionalismus erstarrte „Hervormde Kerk“ zu erneuern. Die Kanzel war ein geeigneter Ort, um durch leidenschaftliche Predigten die Kirchgänger zum geistlichen Leben anzuspornen. „Kuyper übte auf seine Zuhörer einen magischen Einfluss aus. Der Zulauf war enorm: Bisweilen riefen seine Predigten einen regelrechten Volkslauf hervor“ (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 293). Allerdings gab sich Kuyper mit der Kanzel nicht zufrieden. Er engagierte sich in der Politik und übernahm 1871 das in Schwierigkeiten geratene Wochenblatt „Der Herold“ (holländ. „De Heraut“). Schnell stellte sich heraus, dass Kuyper ein begnadeter Kolumnist war. Zu seinen Lebzeiten galt er als der bedeutendste Journalist der Niederlande und übernahm für einige Zeit den Vorsitz der Journalistenvereinigung. „Kuyper erweist sich mit seinem präzisen und zugleich bildhaften Schreibstil als ein Meister der Sprache“ (D. van Keulen, „Der niederländische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, S. 344). Ein Jahr später gründete er zusätzlich die Tageszeitung „Der Standard“ (holländ. „De Standaard“) und wurde ihr Chefredakteur. Kuyper schrieb nicht nur über theologische oder kirchenpolitische Themen, sondern – und das sollte typisch für ihn werden –, zu Fragen aller Lebensbereiche auf der Grundlage einer christlichen Weltsicht. C. Augustijn schreibt über diese Zeit (Abraham Kuyper“, S. 293):

Im Mittelpunkt von ‚De Standaard‘ standen die Politik und das ganze gesellschaftliche Leben. In allen Bereichen, sei es Staatspolitik, Schule oder [sic! die] Soziale Frage, wollte Kuyper die Prinzipien des Calvinismus zur Geltung bringen. Mit seinen eigenen Worten: „Es gibt auf dem ganzen Hof unseres menschlichen Lebens nicht eine winzige Ecke, wo nicht der Ruf Christi, der der Souverän aller Menschen ist, erschallt: Mein.“

Kuyper fragte nicht nur nach der angemessenen Gestalt der Kirche, sondern schenkte auch den christlichen Schulen verstärkte Aufmerksamkeit. Die reformierten Schulen wurden 1806 in öffentliche Einrichtungen umgewandelt. „In ihnen sollte die Erziehung ‚zur Bildung aller christlichen und gesellschaftlichen Tugenden‘ dienen“, wie es das Schulgesetz von 1857 später formulierte (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 293). Kuyper nahm an der Verchristlichung staatlicher Schulen Anstoß und plädierte für die Errichtung konfessioneller Schulen. Neben den staatlichen wurden so auch protestantische und katholische Schulen eingerichtet, die freilich erst ab 1920 im Rahmen der „Gleichstellung“ fiskal den staatlichen Schulen gleichgestellt wurden.

Durch sein Interesse an der Schulpolitik lernte Kuyper den von ihm sehr geschätzten niederländischen Historiker Guillaume Groen van Prinsterer persönlich kennen und wurde von ihm in die Politik eingeführt. 1874 erfolgt die Wahl als Abgeordneter in die zweite Kammer des niederländischen Parlaments. Da Geistliche keine Parlamentsmitglieder sein durften, musste er seinen Pastorenberuf aufgeben. Groen und Kuyper machten sich für eine Reformierung der niederländischen Gesellschaft im calvinistischem Sinne stark und bekämpften gegen den als Übel ihrer Zeit angesehenen Geist der Französischen Revolution. Auf diese Weise entstand die „erste wirklich organisierte politische Partei der Niederlande, die ‚Antirevolutionäre‘ oder ‚Christlich-Historische Partei‘, deren Grundsätze Kuyper 1878 mit dem Manifest ‚Ons Program‘ aufstellte und durch ausführliche Erklärungen erläuterte“ (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 295). Kuyper wollte die katholischen und liberalen Einflüsse in den Niederlanden keinesfalls leugnen, stellt aber den durch die Reformation erlangten besonderen Charakter im Volke heraus.

Zu seiner großen Enttäuschung konnte er allerdings als Parlamentsmitglied nur wenig bewirken. Die Aufgaben im Parlament und die große publizistische Aktivitäten überforderten ihn. Er erlitt 1876, – wie schon 1862 –, wegen Überarbeitung einen dramatischen Schwächeanfall und musste sich für ein Jahr bei einem Auslandsaufenthalt in der Schweiz, in Italien und in Frankreich regenerieren. Er selbst schrieb, dass er in dieser Zeit der Krise „zur Entschiedenheit der entschiedenen und tiefgreifenden Religion“ seiner Vorfahren geführt wurde (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 296). Später, in den Jahren 1901 bis 1905, wurde er allerdings Ministerpräsident der Niederlande und griff so nochmals aktiv in die Politik ein.

Abraham Kuyper (Teil 1)

Kuyper.jpgHeute starte ich eine kleine Reihe über das Leben von Abraham Kuyper. Teil 1 der vierteiligen Reihe ist seiner Jugend und Ausbildung gewidmet.

Abraham Kuyper: Der Meisterschüler

Im Europa des 19. Jahrhunderts erwachte ein neuerliches Interesse am reformierten Glauben. Der sogenannte „Neo-Calvinismus“ spielte dabei eine maßgebliche Rolle. Der „Neo-Calvinismus“ als Bezeichnung für eine reformierte Weltanschauung ist unlösbar mit dem Namen des Niederländers Abraham Kuyper (1837–1920) verbunden.

Abraham Kuyper wurde am 29. Oktober 1837 als Sohn des reformierten Pfarrers Jan Fredrik Kuyper und von Henriette Huber, die schweizerische Vorfahren hat, in Maassluis (Südholland) geboren. Obwohl in der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Niederlanden die meisten Pfarrhäuser wohlhabend waren, wuchs er in eher bescheidenen Verhältnissen auf. Um das Schulgeld zu sparen, wurde der Grundschulunterricht zu Hause erteilt. Als Abraham mit zwölf Jahren das erste Mal eine Schule betrat, zählte er schnell zu den besten Schülern.

Ab 1855 studierte er in Leiden Theologie und Sprachwissenschaften. Er galt als exzellenter Akademiker mit großem Interesse für systematische und historische Theologie. Die Universität war zu jener Zeit eine Hochburg der liberalen Theologie. Ihr prominentester Gelehrter an der theologischen Fakultät, der Systematiker J.H. Scholten (1811–1885), gilt als Mitbegründer des Modernismus.

In den Jahren 1859/60 befasste sich Kuyper akribisch mit dem Kirchenbegriff des polnischen Reformators Johannes a Lasco (1499–1560) und verglich ihn mit dem Kirchenverständnis bei Calvin (1509–1564). Anlass war ein Preisausschreiben der Universität Groningen. Kuypers Untersuchung mit dem Titel „Commentatio“ erhielt den Siegespreis. Der erster Teil dieser Schrift wurde 1862 von der Universität Leiden als Dissertation mit „summa cum laude“ angenommen.

1863 heiratete Abraham seine langjährige Verlobte Johanna Hendrika Schaaij. Das frisch vermählte Paar zog in das kleine Dorf Beesd in der Betuwe, wo Kuyper eine Pfarrerstelle innerhalb der Reformierten Kirche antrat. Die Abkehr vom liberalen Modernismus und Hinwendung zum Calvinismus fallen mutmaßlich in diese Schaffensperiode. Die genauen Vorgänge lassen sich nicht mehr rekonstruieren. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Kuyper übertrieb, wenn er seinen Aufenthalt in Beesd als Wendepunkt für seine theologischen Entwicklung herausstrich (Dirk van Keulen, „Der niederländische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, in: Marco Hofheinz, Wolfgang Lienemann u. Martin Sallmann (Hg.), Calvins Erbe: Beiträge zur Wirkungsgeschichte Johannes Calvins, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2011, S. 338–359, hier S. 341–342. ). Wahrscheinlich geht sein Sinneswandel auf den Einfluss der ungebildeten aber gottesfürchtigen Dame Pietje Baltus zurück (Cornelius Pronk, „Neo-Calvinism“, Reformed Theological Journal, Nov. 1995, S. 45–46).

„Bei den sehr einfachen Leuten in der Gemeinde auf dem Lande“ begegneten Kuyper Ideen, „die ihm zwar durch seine Calvinstudien geläufig waren, die aber in der damaligen Kirche kaum noch lebten“ (C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 291.) Vier Jahre nach seinem Pfarrdienst in dem Dorf Beesd wird Kuyper nach Utrecht berufen. Obwohl diese reformierte Kirche als orthodox galt, ist der junge Pfarrer von der oberflächlichen Volksfrömmigkeit sehr enttäuscht. Er spricht von der „Lüge in der Kirche“ und hat „tiefgreifende Bedenken und formuliert ernsthafte theologische Einwände gegen die institutionalisierte Volkskirche“ (D. van Keulen, „Der niederländische Neucalvinismus Abraham Kuypers“, S. 342). Hier festigt sich sein Augenmerk für eine Bekenntniskirche, die sich an die reformierten Bekenntnisse des 16. und 17. Jahrhunderts bindet. Schon nach drei Jahren verlässt Kuyper Utrecht und nimmt eine Amsterdamer Pfarrstelle in der größten reformierten Gemeinde des Landes an (ca. 130.000 Mitglieder). Spätestens ab 1876/77 ist Kuyper ein durch und durch überzeugter Calvinist (vgl. C. Augustijn, „Abraham Kuyper“, S. 291).

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AKREF steht für den „Arbeitskreis Religionsfreiheit – Menschenrechte – Einsatz für verfolgte Christen“ der Deutschen Evangelischen Allianz. Ulrike C. Nyboer stellt seit vielen Jahren Nachricht über Christenverfolgung und entsprechende Gebetsanliegen zusammen. Diese Meldungen können regelmäßig per E-mail empfangen werden.

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