Juli 2017

Roberto Simanowski: Fröhliche Wissenschaft – Abfall

415yLbNuxnL SX263 BO1 204 203 200Der Germanist Roberto Simanowski erzählt in seinem Buch Abfall die Algorithmisierung der Welt als Erbe der Aufklärung. Den Tod Gottes setzt er voraus. Trotzdem liefert er – dem Erbe der Postmoderne verpflichtet (große Antworten gibt es nicht mehr) – ein Buch mit geistreichen Beobachtungen und Denkanstößen.

Hier vier Zitate:

Das anfängliche Lob der (individuellen) Freiheiten und (demokratischen) Möglichkeiten des Internet ist der Kritik seiner Negativposten gewichen: Überwachung, Narzissmus, kollektive Einsamkeit, Self-Tracking, Filter Bubble, algorithmische Regulation –ganz zu schweigen von so gefährlichen Nebenwirkungen wie hyper-attention, power browsing, der Sucht nach instant gratification und der »fear of missing out« (FOMO). Dieser Abfall von den Utopien des Beginnens ist wohl die schmerzlichste Lesart des Titels, den dieses Buch über die neuen Medien trägt. (Kindle-Position 94)

Quantität ist die Währung des Populären, das im Reiche Facebook herrscht. Man bemisst den Wert der Menschen und Beiträge, auf die man hier trifft, nach ihrer Anzahl an Freunden, Shares und Likes. Die Frage ist nicht, welche Freunde man hat und wofür es Likes gab, sondern wie viele. Die Möglichkeit sprachlicher Kommentare hilft da wenig, denn 1. erschöpfen sich diese zumeist auf wenige Worte, 2. verblasst ihre Menge jeweils vor der Fülle an Klickbewertungen und 3. weiß jeder, der auf Facebook mal einen nuancierten Text angeboten hat, wie wenig das dort geliket wird. Die numerische Bewertung ist der Standard auf Facebook mit politisch bedenklichen Folgen. (195)

Der numerische Populismus ist dem postfaktischen Emotionalismus verwandt: begründungslose Likes sind die technische Variation der gebetsmühlenhaften Wiederholung haltloser Slogans. So wie im realen Leben eine Lüge, die oft genug erzählt wird, für viele Wahrheit ist, so gewinnt eine Meldung auf Facebook dadurch an Gewicht, dass sie Gewicht hat: Man klickt immer auf die Angebote mit der höchsten Zahl und befestigt so ihre Spitzenposition. Die Zahl ist ein Appell ans Gefühl, denn so viele können nicht irren, schon gar nicht, wenn meine besten Freunde darunter sind. (196)

Drei Jahrhunderte vor Lennon schrieb der französische Philosoph Blaise Pascal, dass die Menschen deswegen unglücklich seien, weil sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen. Mit sich allein gelassen würde der Mensch über die Mühen des Lebens und über seine Sterblichkeit nachdenken, »so dass er nun, wenn ihm das fehlt, was man Zerstreuung nennt, unglücklich ist«. Deswegen gehe man raus und jage Hasen; nicht weil man hungrig ist, sondern um die Zeit totzuschlagen. Ein Jahrhundert nach Pascal war das Zimmerproblem gelöst: Mit einem Buch konnte man sich in den eigenen vier Wänden zerstreuen, mit einer Lampe noch lange nach Sonnenuntergang. Mit dem Fernsehen ging das auch ohne extra Licht, seit den Privatsendern sogar durch die ganze Nacht. Und durchs Leben! Denn darauf kam es im 20. Jahrhundert immer mehr an. Pascal warb nicht für die Hasenjagd, sondern für Gott. In Gott finde das Sein zum Sinn, in der frohen Botschaft weiche die Angst vor der Stille dem Gefühl der Geborgenheit. Pascal fehlte noch deutlich die dreiste Leichtigkeit der Beatles. Was aber, wenn Gott tot ist, wie Nietzsche zwei Jahrhunderte nach Pascal verkündete? Was wenn auch keine philosophischen und politischen Erzählungen mehr den Sinn geben, den sie vor dem Aufstieg der Postmoderne und dem Niedergang des Realsozialismus noch beanspruchen konnten? Dann gibt es drei Möglichkeiten: Man richtet sich in der Aussichtslosigkeit ein, man reanimiert Gott oder man sucht nach einem Narkotikum, das sicher durch Nacht und Leben bringt. (1468-1480)

Die Hasenjagd des 21. Jahrhunderts findet im Verbund der sozialen und mobilen Medien statt. Die Alternative zum Priester ist der Programmierer. Die Moderne kann ihr Projekt, das mit der Rückkehr der Religion scheitern würde, nur durch die Flucht ins Technische retten: Indem sie »Rückbindung« in »Religion« als »Link« übersetzt und zum heilbringenden Medium nicht die Kanzel kürt, sondern das soziale Netzwerk. Dort ereignen sich die Begegnungen unserer Zeit im schwindelerregenden Takt der Updates. Dort feiert sich, in Anbetung unentwegter Gegenwart, die ewige Wiederkunft des Gleichen. Der Facebook-User entkommt, solange er das Kommunikationskarussell am Leben hält, nicht der Weltbejahung. (1510-1516)

Wenn Gott tot ist, wartet der Nihilismus oder die Zerstreuung via Facebook & Co. Was aber, wenn Gott ist?

Hier eine Besprechung des DLF:

 

Günter Rohmoser: Höher als alle Vernunft

51g9afG89rL SX354 BO1 204 203 200Harald Seubert hat aus dem Nachlass des Kulturphilosophen Günter Rohrmoser (1927–2008) ein Buch mit zwei außergewöhnlichen Vorlesungsreihen vorgelegt. Rohrmoser, der Philosoph und Theologe war, hielt eine große Paulusvorlesung, der sich eine Vorlesung über Luther anschloss.

Die Kernbereiche der Lutherrezeption Rohrmosers stellen dabei die Römerbriefvorlesung, die Vorlesung zum Galaterbrief und vor allem die in einer breiteren Öffentlichkeit fast völlig vergessene, aber für Luthers Theologie zentrale Streitschrift „Vom unfreien Willen“ (De servo arbitrio) dar. Rohrmoser zeichnet unter kraftvollem Rückgriff auf Luthers Feder in brillanter Weise die von Paulus beschriebenen Heilslinien nach und klärt, hier Philosoph im besten Sinne des Wortes, über die Entwicklungen des aktuellen Zeitgeschehens im Lichte der biblischen Offenbarung auf. Mit erstaunlicher Sensibilität hat Rohrmoser vor über zwei Jahrzehnten theologische und geschichtliche Entwicklungen kommen sehen und sie mit geradezu prophetischer Scharfsicht vorweggenommen kommentiert. Das ganze Buch ist so ein Ruf zum Einsatz von Glauben und Vernunft als Diagnosemittel über den Zeichen dieser Zeit und damit, für den Philosophen, der davon überzeugt war, es gäbe nur die Alternative zwischen Christentum oder Barbarei, ein Ruf zum Wort Gottes, zum Kreuz, zu Christus.

Nachfolgend einige Zitate aus dem Buch:

Luther wusste, dass die Kirche, die eigene Kirche und Gemeinde, immer die schwerste Form der Anfechtung für den Christen bedeutet. Wir haben diese tiefe Einsicht im Allgemeinen vergessen und durch eine modische Friedlichkeit ersetzt. Luther hätte sich über Zustände wie die heutigen gar nicht gewundert, denn er hat vielfältig zum Ausdruck gebracht, dass der Antichrist die Neigung hat, seine Herrschaft gerade in der Mitte der Kirche zu errichten. Wir dürfen nicht vergessen, dass Luther den Kampf gegen die damalige Gestalt der Kirche als den Kampf gegen die Herrschaft des Antichristen in der Kirche geführt hat. (S. 20)

Die Zukunft in unserer Welt wird jenen Mächten gehören, die von ihrer Wahrheit am überzeugtesten sind und am konsequentesten für sie einstehen. Wenn das Christentum aus dem deutschen Volk weichen sollte und aufhören sollte, eine geschichtliche, öffentlich wirksame, ja politische Kraft zu sein, wird dieses Vakuum nicht leer bleiben. Wir werden die liberalen Champagnerarien nicht noch weitere Jahrzehnte singen können, sondern werden Missionsland außereuropäischer Religionen werden, zuletzt wahrscheinlich Jünger Allahs. Wenn die Kirchenleitungen heute meinen, den Begriff Mission streichen zu müssen, werden wir von anderen erfolgreich missioniert werden. Wenn wir meinen, unsere Freiheit sei nicht mehr mit der Furcht Gottes zu vereinbaren, werden andere uns wieder zur Gottesfurcht zurückführen. Die Furcht Gottes ist aller Weisheit Anfang. Wenn sie nicht am Anfang steht, werden wir alle kleine Götter. (S. 21)

Was lag Luther am Evangelium? Er wusste, dass es die Wurzel der Freiheit ist. Es ist die Gabe und Kraft Gottes, die den Menschen befreit, ja die Freiheit des Menschen selbst erst befreit. Nur das Evangelium kann die natürlichen, intellektuellen, bürgerlichen Freiheiten des Menschen freisetzen und zur wirklichen Freiheit für den Menschen machen. Die ganze moderne Welt, auch mit ihren Häresien und Ideologien, steht und fällt damit, ob sie begreift, was Luther mit dieser Freiheit gemeint hat. Er hat nichts anderes gemeint, als dass die lebendige Kraft des Evangeliums die Menschen von Sünde, Tod und Teufel frei macht. (S. 22)

Das ganze Problem besteht darin, dass wir diese Sprache nicht mehr verstehen. Es ist kein Problem der Sache. Die Geistmächtigkeit unserer Theologen müsste sich darin erweisen, dass sie diese Mächte, Sünde, Tod und Teufel, heute als reale und uns versklavende Mächte unter uns aufdeckten. Das Christentum hat sich in der antiken Welt durchgesetzt und deren absterbende Kultur überwunden, weil seine Mitte die Botschaft der Auferstehung war. Auferstehung heißt, dass die Christen von einer Macht herkommen, die den Tod überwunden hat! „Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“ Unter den Christen ist heute dieser Lebensmut erstorben, der damals die niedergehende Kultur erneuerte. Das ganze orthodoxe Christentum ist bis heute, wo es lebendig ist, eine einzige Siegesfeier auf den Ruf „Christ ist erstanden!“. Aus dieser Kraft hat das russische Volk letztlich auch die grauenhaften Jahre des Sozialismus überstanden. (S. 22)

Der eigentliche Stein des Anstoßes bei Paulus, den Luther überdeutlich erfasst hat, ist der Begriff der Sünde. Die moderne Welt kann sich nahezu alle Elemente des Christentums aneignen, nicht aber die Lehre von der Sünde, dem peccatum. Auf dem Standpunkt der Autonomiethematik und des Autonomiepostulates des modernen Menschen ist der theologische Begriff der Sünde schlechterdings nicht assimilierbar. Das Autonomiepostulat steht dem entgegen. Es setzt voraus, dass das Ziel der Welt-und Menschheitsgeschichte größtmögliche Autonomie und menschliche Selbstverwirklichung ist. Mit diesem Ansatz des Autonomiepostulates ist der Begriff der Sünde unvereinbar, auch der unausgetragene Konflikt zwischen der Tradition des Christentums und der modernen Welt. (S. 51)

Mit dem Gericht rechnet heute keiner mehr. Mit dem Wegfall der Gerichtsvorstellung verblasst auch der Gedanke der Verantwortung. Nietzsche hat aber festgehalten, dass ohne Gericht der Ernst aus dem menschlichen Leben verschwindet. Nachdem die Aufklärung sehr erfolgreich die Gerichtsvorstellung eliminiert hat, fielen die Menschen anderen Menschen in die richtenden Hände, sie haben zwar das göttliche Gericht verneint, aber damit nahm die Geschichte selber die Form eines permanenten Gerichtes an, in dem wechselnde Menschen über andere permanent zu Gericht sitzen. „Tribunalisierung der Wirklichkeit“ ist dies treffend genannt worden (O. Marquard). Unsere Wirklichkeit ist so, dass jeder jeden jederzeit zur Rechenschaft ziehen kann und dass über ihn gerichtet wird. Nachdem die Aufklärung die Höllenvorstellung entfernt hat, ist sie in den Konzentrationslagern und den Gulagsystemen des 20. Jahrhunderts höchst konkret verwirklicht worden! (S. 241)

  • Günter Rohrmoser, Höher als alle Vernunft …: die Aktualität der Reformation heute, hrsg. von Harald Seubert, Windsbach: Logos Editions, 2017, S. 304, € 19,90

Südafrika: Verpflichtende Registrierung?

Aus Südafrika gibt es beunruhigende Nachrichten. Die Politik des Landes reagiert auf – zugegebenermaßen hochproblematische Entwicklungen in der religiösen Szene mit Einschränkungen der Religionsfreiheit und will die religiösen Gemeinschaften und Amtsträger stärker kontrollieren.

Am 11. Juli 2017 präsentierte die Kommission für die Förderung und den Schutz von kulturellen, Religions- und Sprachgemeinschaften („Commission for the Promotion and the Protection of the Rights of Cultural, Religious and Linguistic Communities, kurz CRL) ihren Bericht zum Thema „Kommerzialisierung der Religion und Missbrauch des Glaubens“. Anlass waren unter anderem Fälle von finanzieller Ausbeutung, Machtmissbrauch, gesundheitsgefährdende Praktiken sowie Gesetzesverstöße wie mangelnde Buchführung.

Die Vorschläge der CRL an den Gesetzgeber umfassen unter anderem eine verpflichtende Zulassung von Pastoren, „religiösen Praktikern“, traditionellen Heilern, etc. sowie die verpflichtende Registrierung von Religionsgemeinschaften als Bedingung für die Betätigung, wobei alle zugelassenen Gemeinschaften einem akkreditierten Dachverband angehören müssen. Auch eine Begutachtung durch Kollegen („Peer Review“) ist vorgesehen. Darunter versteht CRL eine Begutachtung durch einen „Ausschuss oder sonstige Körperschaft, welche die jeweilige Religion versteht bzw. wie diese funktionieren sollte“, und die feststellen kann, ob eine Lehre oder Praxis „für uns normal“ oder ungewöhnlich ist. Jede Religion soll über ein Peer Review Komitee verfügen. Das Christentum (alle Konfessionen) soll über ein einziges gemeinsames Komitee verfügen. Dies ist ein massiver Eingriff in die Religionsfreiheit und das legitime Recht der einzelnen Gemeinschaften auf Selbstregulierung. Die CRL selbst beabsichtigt, in den Peer Review Komitees vertreten zu sein und diese durch Bereitstellung von „Forschung, rechtlicher Unterstützung, des Sekretariats und sonstiger notwendiger Dienste“ de facto betreiben und auch zu finanzieren. Die Finanzierung soll unter anderem aus von den Gemeinschaften und Funktionsträgern zu entrichtenden Zulassungsgebühren kommen. Damit untersteht jedes Peer Review Committee – sollten die Vorschläge verwirklicht werden – der CRL. Die endgültige Entscheidungsgewalt soll beim Rechtsausschuss der CRL liegen. Damit würde die CRL über die Kontrolle über alle Religionsgemeinschaften verfügen.

Die Hauptaufgabe der Peer Review Committees wäre die Einrichtung und Zulassung von Dachorganisationen, deren Aufgabe es wäre, Kirchen und Gemeinden fachlich zu unterstützen, zu beraten, die Aufsicht über sie zu führen und sie bei der personellen Entwicklung zu unterstützen. Damit würde die CRL Entscheidungen treffen, ob eine Doktrin oder Praxis akzeptabel ist, was in direktem Widerspruch zum verfassungsmäßigen Recht auf Religionsfreiheit steht.

Die CRL besteht darauf, dass alle Pastoren, „religiösen Praktiker“ und Gottesdienststätten einem zugelassenen Dachverband ihrer Wahl angehören müssen, womit die Macht der Zulassung oder Nichtzulassung verbunden ist. Dies ist ein Verstoß gegen die Religions- und Versammlungsfreiheit, die als Menschenrecht auch für Gemeinschaften gilt, die sich nicht registrieren lassen.

Die CRL ist eine staatliche Institution, deren Mitglieder vom Staatspräsidenten ernannt werden. Das heißt, dieser Vorschlag läuft auf staatliche Kontrolle der Religionsausübung hinaus. Der gesetzliche Auftrag der CRL ist, die religiösen Rechte von Gemeinschaften zu fördern und zu schützen, niemals jedoch diese zu kontrollieren. Als „Chapter 9 Institution“ (nach Kapitel 9 der südafrikanischen Verfassung eingesetzte Institution zum Schutz der Demokratie) verfügt die CRL nicht über Exekutivbefugnisse. Zahlreiche Religionsgemeinschaften in Südafrika haben sich gegen diese Vorschläge ausgesprochen und weisen darauf hin, dass Missbräuche durch bestehende Gesetze abgestellt werden können. So wurde ein sogenannter Pastor, der als „Prophet of Doom“ bekannt ist, nach bestehenden Gesetzen mit einer Gefängnisstrafe bedroht, sollte er weiterhin Anhänger mit Insektiziden besprühen („Doom“ ist sowohl das englische Wort für Untergang bzw. Verdammungsurteil als auch der Handelsname eines in Südafrika verbreiteten Insektizids). Finanzielle Unregelmäßigkeiten können leicht durch bestehende Gesetze geahndet und abgestellt werden. Eine wichtige Aufgabe der CRL ist auf jeden Fall, sicherzustellen, dass religiöse Leiter und ihre Organisationen ihre gesetzlichen Verpflichtungen verstehen und ihnen nachkommen. Viele Missstände sind auf mangelnde Erfüllung von Vorschriften aufgrund von Unkenntnis zurückzuführen. Dabei muss man bedenken, dass Schätzungen zufolge nur etwa 5 % der in Südafrika tätigen Pastoren (darunter viele in kleinen Hausgemeinden) über eine Ausbildung verfügen. Daher kann die CRL eine wertvolle Rolle bei der Verbesserung des Bildungsniveaus und der Kapazitätsbildung in den Religionsgemeinschaften spielen. Es gibt derzeit praktische und leistbare Initiativen, die breite Unterstützung in religiösen Kreisen genießen. Die CRL kann und sollte auch an einem Konsultationsprozess zur Erarbeitung eines Ethikcodes mitwirken.

Quellen: HRWF (Human Rights without Frontiers), Brüssel Council for the Protection and Promotion of Religious Rights and Freedoms, Südafrika FOR SA (Freedom of Religion South Africa). Übersetzung: AKREF Österreich.

Wer bestimmt, was Kinder lernen?

Erziehungsrecht der Eltern und Erziehungsauftrag des Staates stehen gleichberechtigt nebeneinander. Aber was passiert, wenn die Schule etwas lehrt, das den Eltern missfällt – vor allem, wenn es um Sexualität und Religion geht? Volker Kitz, Jurist und Autor von Ratgeberbüchern, hat in der FAZ dazu Stellung bezogen und zunächst einmal sachlich festgestellt:

Die Schule darf die Kinder nicht indoktrinieren, nicht ein bestimmtes Verhalten befürworten oder ablehnen. Der Unterricht muss offen sein für unterschiedliche Wertungen. Zum anderen muss die Schule den Eltern die Möglichkeit geben, auf das zu reagieren, was ihre Kinder dort lernen. Die Eltern sollen die Sexualerziehung begleiten können, auch kritisch. Deshalb haben sie einen Anspruch darauf, dass die Schule sie rechtzeitig und umfassend informiert, über Inhalt und didaktischen Weg. Auch wenn Eltern und Schule sich gegenseitig nichts vorschreiben können, sollen sie sich abstimmen, auf Kritik und Probleme hören, Erfahrungen und Fragen in Elternversammlungen diskutieren. Das entschied das Bundesverfassungsgericht 1977 im Fall der Fünftklässlerin, und diese Grundsätze gelten bis heute.

Dann aber kommt ein Satz, der es wirklich in sich hat:

Was passiert, wenn eintritt, was das Bundesverfassungsgericht für die religiöse Betätigung als Ausnahmeerscheinung sah? Dass unterschiedliche Wertvorstellungen zu Schlägereien führen? Dass der Schulfriede an der Frage zerbricht, wie „natürlich“ Homosexualität oder Transsexualität ist? Muss die Schule dann, um des Schulfriedens willen, die Finger vom Thema lassen? Das legt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum Schulgebet nahe.

Aber vielleicht ist der Gedanke nicht zu Ende gedacht. Vielleicht muss der Staat notfalls aufrüsten und mit Gewalt die Toleranz und Vielfalt verteidigen, die er vermitteln will. 

Falls ich das richtig verstehe, will der Autor damit sagen: Notfalls muss eben der Staat die „Akzeptanz der sexuellen Vielfalt“ mit Gewalt durchsetzen. Anders formuliert: Die Bürger sollen gezwungen werden, das Konzept der sexuellen Vielfalt zu bejahen.

Hier der vollständige Artikel: www.faz.net.

„Pilgerreise“ wird verfilmt

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John Bunyan: Eines Christen Reise nach der seligen Ewigkeit, Titelseite der Züricher Übersetzung von 1765. Bild: Wikipedia.

Der bekannte christliche Roman Pilgerreise zur seligen Ewigkeit des englischen Predigers John Bunyan soll verfilmt werden. Der Regisseur verspricht einen Glaubensfilm.

Das Medienmagazin PRO schreibt:

Das Buch, das nun für einen Film als Vorlage dient, erschien 1678 unter dem Titel „A Pilgrim’s Progress“ („Der Fortschritt eines Pilgers“). Der Autor, der englische Baptistenprediger John Bunyan, unterstellte sich nicht der anglikanischen Staatskirche und wurde deswegen 1660 während eines Gottesdienstes verhaftet. In der zwölf Jahre währenden Haft schrieb er mehrere Bücher. Drei Jahre nach seiner Entlassung wurde er erneut inhaftiert – wegen Missachtung des Predigtverbots. In dieser Zeit schrieb er sein Hauptwerk, die „Pilgerreise zur seligen Ewigkeit“.

Erst am Ende seines Lebens hörten die Banachteiligungen wegen seines Glaubens auf. Im Jahr 1687, ein Jahr vor Bunyans Tod, gab der englische König Jakob II. den zuvor unterdrückten Glaubensgemeinschaften mehr Freiheiten. John Bunyan starb am 31. August 1688, er wurde in London beerdigt.

Seine „Pilgerreise“ wurde inzwischen in 200 Sprachen übersetzt und gehört zu den bedeutendsten Werken der englischen christlichen Literatur. Manche Theologen sagen, die Pilgerreise sei nach der Bibel das am zweithäufigsten gelesene christliche Buch. Es gab bereits 1912, 1978 und 2008 Versuche, den Stoff zu verfilmen.

Die Hauptperson mit dem Namen Christ (im Original Christian) ist auf dem Weg aus der „Stadt der Zerstörung“ (als Allegorie auf die irdische Welt) in die „Himmlische Stadt“ Zion. Doch die Sünde sowie andere Umstände behindern seine Reise. Der Protagonist begegnet einer Reihe von Personen, die allegorisch für die Herausforderungen im Leben eines Christen stehen, also etwa den Männern Simpel, Faul und Dünkel sowie dem Palast Schönheit und dem Tal der Demütigung.

Mehr: www.pro-medienmagazin.de.

Stephan Lange: Begründet glauben

51i9Bx7cJ7L AC US436 QL65Ist es eigentlich vernünftig, an Gott zu glauben? Kann beim Thema Glauben überhaupt von Vernunft gesprochen werden? Oder handelt es sich dabei nicht vielmehr um ein Gefühl, welches sich schwer beschreiben und noch schwerer begründen lässt?

Stephan Lange, Autor eines neuen Buches zur christlichen Apologetik, vertritt die Ansicht, dass es durchaus vernünftige Gründe für den Glauben und die Existenz Gottes gibt. In Begründet glauben. Denkangebote für Skeptiker und Glaubende legt er dar, warum er meint, dass es sich beim Glauben an Gott nicht um reine Gefühlsduselei oder um Weltflucht handelt. Schritt für Schritt veranschaulicht Stephan Lange, welche ernstzunehmenden (natur-)wissenschaftlichen Hinweise vorliegen, die eine Existenz Gottes wahrscheinlich machen, auch wenn sie sich trotzdem nicht endgültig beweisen lässt. „Wenn etwas (wie zum Beispiel Atome oder Gravitationswellen) existieren kann, auch wenn es sich nicht naturwissenschaftlich nachweisen lässt, warum sollte dann nicht auch Gott existieren können?“, schreibt er auf S. 24. Von dieser Ausgangsfrage her nimmt er den Leser mit auf einen Exkurs, auf dem er vielen kritischen Fragen, wie zur Existenz Gottes, zum Leid in der Welt oder zur Auferstehung, nachgeht. Dabei gibt er sowohl Nichtgläubigen als auch Gläubigen viel Stoff und gute Argumente zum Nachdenken und lädt dazu ein, sich mit den bohrenden Fragen zu Gott und zum Glauben einmal neu auseinander zu setzen.

Stephan Lange befasst sich auf seinem Blog mitdenkend.de mit kritischen Fragen zum christlichen Glauben. Er schreibt für das Hochschulmagazin „bedacht“ und ist deutschlandweit als Referent für Vorträge und Workshops unterwegs.

Agent*In

Da haben sich die Grünen wieder was einfallen lassen: Die Agent*In – ein Antifeminismus-kritisches Online-Lexikon. Das ganze Projekt läuft unter dem Dach der Heinrich-Böll-Stiftung und wird – so darf vermutet werden – mit öffentlichen Geldern gefördert.

Und worum geht es inhaltlich? Die Antwort der Betreiber:

Die gesellschaftliche Polarisierung zwischen autoritär orientierten Parteien und Gruppierungen und emanzipatorischen Kräften, die eine offene und liberale Gesellschaft mit all ihren Errungenschaften verteidigen wollen, nimmt zu. Mittendrin können wir seit Jahren Antifeminismus beobachten, der als verbindendes Element, als Kitt zwischen (national)konservativen, rechtspopulistischen bis hin zu rechtsextremen Einstellungen und Politiken fungiert und die Brücke in die sogenannte Mitte der Gesellschaft bildet. In dieser sind antifeministische Positionen gleichfalls verankert. Islamfeindlichkeit, Homophobie und Ablehnung von ‚Gender-Ideologie‘ verbinden eine bunte Mischung von Rechtsaußenparteien, Gruppierungen und fundamentalistischen Bewegungen in ganz Europa und über die Grenzen Europas hinaus. In Deutschland gehören zu diesem Spektrum u.a. die AfD, Pegida, HogeSa, Besorgte Eltern, Demo für alle, die Zivile Koalition, sogenannte Lebensschützer oder christlich-fundamentalistische Organisationen und Gruppierungen der Neuen Rechten. Diese antifeministischen, geschlechtskonservativen und mitunter rassistischen Kreise mobilisieren z.T. schon seit Jahren auf europäischer und nationalstaatlicher Ebene gegen Gleichstellungspolitik und emanzipative Geschlechterbewegungen wie auch gegen die Geschlechterforschung. Durch Demonstrationen, sprachliche Subversion und Aktionen, die sich z.B. gegen „Gender-Wahn“ oder die „Frühsexualisierung unserer Kinder“ richten sowie gezielte Tabubrüche wollen sie Einfluss auf den öffentlichen Diskurs nehmen. Unterstützung erhalten diese Gruppierungen u.a. von (ultra)konservativen Publizist_innen. Der Blick auf Leitmedien, Talkshows und Bestsellerlisten zeigt, dass der Einfluss von Anti-Feminist*innen in den letzten Jahren stärker geworden ist. Egal ob es sich um die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in der Gesellschaft, in Schulen oder in den Gender Studies handelt oder um Familien- und Rollenvorstellungen – der Protest richtet sich stets gegen post-essentialistische Sexualitäts- und Genderkonzepte.

Aufgebaut ist das wie eine „Täterdatei“. Hat jemand gegen Gender-Mainstream Stellung bezogen, etwa in einem Vortrag oder einem Buch, wird das im „Lexikon“ entsprechend vermerkt. Zu finden sind beispielsweise Einträge zur Rolf Hille, Stephan Holthaus, Daniel von Wachter oder auch das Netzwerk für „Bibel und Bekenntnis“. Sogar Harald Marteinstein, ein langjähriger Wähler der Grünen, wurde als NPD-nah eingestuft, weil er sich in der ZEIT kritisch zum Gender-Mainstream geäußert hatte.

Eine Stellungnahme gegen Abtreibung oder die Frühsexualisierung in den Schulen wird so als „gezielter Tabubruch“ hingestellt. Bedeutungsumkehr. Wir merken: Es geht nicht um den Austausch von Argumenten, sondern um eine neue Form der Inquisition. Ich frage mich, ob der Tag kommen wird, an dem die Aktivistinnen Leute dazu verpflichten wollen, einen Sticker zu tragen, weil sie antifeministische Positionen vertreten.

Rollenbilder in Werbung verbieten

Die Selbstregulierung der Werbebranche in Großbritannien setzt Anzeigen auf einen Index, die althergebrachte Rollenbilder vermitteln. Ballerina-Träume für Mädchen, Ingenieurskarriere für Jungs gelten künftig als unzeitgemäß.

Als Selbstkontrolle der Industrie kann die ASA keine Geldstrafen verhängen, aber sie kann Online-Anzeigen, die gegen die Regeln verstoßen, entfernen lassen. Auch die britischen Rundfunk- und Fernsehanstalten haben sich verpflichtet, sich an die Regeln der ASA zu halten.

Ein Bann der Darstellung von Geschlechterrollen sei mit den neuen Regeln ausdrücklich nicht vorgesehen, stellte Smillie klar. Aber ein Motiv, das Familienmitglieder zeigt, die eine heillose Unordnung anrichten, während eine Frau alleine verantwortlich zeichnet, wieder Ordnung zu schaffen, sei nicht länger akzeptabel, heißt es in den ASA-Empfehlungen.

Das gelte auch für Werbung, die den Eindruck vermittle, gewisse Aktivitäten seien ungeeignet für Mädchen oder Jungs, da sie traditionell mit dem anderen Geschlecht in Verbindung gebracht würden.

Hier mehr: www.welt.de.

„Freiheit bedeutet die Freiheit, zu sagen, daß zwei und zwei vier ist. Gilt dies, ergibt sich alles übrige von selbst“, heißt es in George Orwells 1984. Das Buch ist eine gute Empfehlung für die Urlaubslektüre. Sehr aktuell!

Eugene Petersons „Wenden“

Einen Tag, nachdem Eugene Peterson gegenüber dem Religion News Service geäußert hatte, die gleichgeschlechtliche Ehe zu begrüßen, ist der Bestsellerautor wieder zurückgerudert und sagte: „Um es klar zu machen, ich bejahe eine biblische Sichtweise auf die Ehe: ein Mann mit einer Frau. Ich bejahe eine biblische Sicht auf alles “ (Einzelheiten bei CT).

Denny Burk hat dieses Hin und Her klug kommentiert: 

As I tweeted earlier, I am grateful to see Peterson retract what he said in his interview with Merritt. He confesses that he succumbed to the pressure of the moment when being interviewed and that what he said to Merritt does not reflect his actual views. That he was willing to say so and to do a complete about-face is rare and remarkable. Peterson says, “I affirm a biblical view of marriage: one man to one woman.” That is a faithful affirmation.

Having said that, I do believe that Peterson has left some pretty fundamental questions unanswered. How does he square this “biblical view of marriage” with admitting practicing gay people into church membership? How is his view of marriage consistent with bringing openly gay persons onto his ministerial staff? These are the pastoral practices of one who affirms homosexual relationships, not of one who opposes them. Peterson raised more questions in his interview yesterday than he answered in his retraction today.

Hier mehr: www.dennyburk.com.

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