Der Ausbruch aus Schablonen

Der Artikel ist m.W. schon etwas älter. Aber ich möchte noch einmal Thomas Wolf zitieren:

Man stelle sich nur vor, in einer Talkshow zum Thema Kitas würde ein Grüner nicht nur über die Selbstverwirklichung der Eltern reden, sondern auch das Bedürfnis der Kinder, in einem behüteten Zuhause aufzuwachsen, thematisieren. Ein Genosse würde nicht nur die Steuerhinterziehung anprangern, sondern auch über die horrenden Sätze bei der Erbschaftsteuer sprechen, die Familienunternehmen beim Eigentümerwechsel zu schaffen machen. Oder – statt gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass starke Schultern mehr zu tragen hätten als schwache – über die Wachstumseffekte eines einheitlichen, niedrigen Steuersatzes reflektieren.

Stattdessen legen sich politisch korrekte Phrasen wie Mehltau übers Land. Medienwissenschaftler Norbert Bolz zieht ein ernüchterndes Fazit: „Der Jammer der deutschen Situation ist der, dass ausgerechnet die Linken zu den großen Tabumächten geworden sind. Also die, die früher Aufklärung betrieben haben, die früher gekämpft haben für freie Meinung – überhaupt für Freiheit: Das sind die großen Tabumächte unserer Zeit.“

Wo es einst um die Utopie von einer Welt ohne Repressionen ging, herrscht heute eine Atmosphäre der Unterstellung und Verdächtigung, der Anpasserei und des Duckmäusertums, gegen die der angebliche Mief der 50er-Jahre wie Frischluft anmutet. Peter Sloterdijk bilanziert: „Wir haben uns – unter dem Deckmantel der Redefreiheit und der unbehinderten Meinungsäußerung – in einem System der Unterwürfigkeit, (. . .) der organisierten sprachlichen und gedanklichen Feigheit eingerichtet, das praktisch das ganze soziale Feld von oben bis unten paralysiert.“ Kein Wunder, dass der Mann als politisch unkorrekt gilt.

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