Lektionen von Francis A. Schaeffer

Douglas Groothius hat vor einigen Monaten sieben Lektionen über Francis Schaeffer zusammegestellt und mir freundlicherweise die Erlaubnis erteilt, diese auf Deutsch zu veröffentlichen.

Lektionen von Francis A. Schaeffer (1912–1984)

Nachdem ich kürzlich einige Werke von Francis A. Schaeffer erneut gelesen hatte, habe ich einige Punkte zusammengetragen, die bibeltreue Christen (und andere) von ihm lernen können. Schaeffer war Pastor, produktiver Autor, prophetischer Universalist, Apologet und vor allem ein Evangelist. Er selbst hat sich üblicherweise als Letzteres beschrieben. Schaeffer hat eine ganze Generation von Evangelisten – mich eingeschlossen – dazu inspiriert, der Herrschaft von Christus im gesamten Leben die Ehre zu geben und sich um des Reiches Gottes willen auf den Verstand und die Kultur zurückzubesinnen.

(1) Schaeffer besaß eine große Leidenschaft für Gott und die Wahrheit. Diese entwickelten sich durch seine verstandesmäßige Bekehrung im Teenageralter, nachdem er sowohl griechische Literatur als auch die Bibel gelesen hatte, aber auch durch seine intellektuelle Krise, die ihn nach über einem Jahrzehnt des geistlichen Dienstes ereilte. Weil er die Wirklichkeit der christlichen Liebe und das Werk des Heiligen Geistes nicht erfahren hatte, stellte er viele Monate lang alles in Zweifel. Geistlich und mental gestärkt kehrte er schließlich zu seinen Aufgaben zurück. Die Früchte dieser Krise zeigten sich in einer echten Spiritualität und einer geistlichen Erneuerung.

(2) Schaeffer war um die Verlorenheit des modernen Menschen sehr besorgt. Nichtchristen waren für diesen Mann Gottes keine »Objekte« sondern Menschen, die das Bild Gottes in sich trugen und die ohne Evangelium von Jesus Christus keine Hoffnung hatten. Schaeffer konzentrierte sich bei seiner Kulturkritik auf Aspekte, die diesen Mangel an Hoffnung und Sinn freilegten. In seinen apologetischen Diskussionen verschonte er seine Gesprächspartner zwar nicht, versuchte aber, sie mit Liebe und Vernunft zur Wahrheit zu führen – nicht ohne Tränen, wie er oft sagte. Schaeffer hat in seinem Buch Das Kennzeichen des Christen (Brockhaus, 1971) den Vorrang der Liebe für ein christliches Leben und dessen Auftrag beschrieben.

(3) Schaeffer war ein kompromissloser Universalist in der Sache Christi. Er studierte die Bereiche, die er im Bezug auf Dienst und Berufung der Kirche seiner Tage für sachdienlich hielt. Während manche seine Aussagen fälschlicherweise für das letzte Wort hielten, waren sie tatsächlich fast immer ein erster entscheidender Hinweis und Aufruf zum Weiterstudium sowie zum prophetischen Einsatz in der Welt unter Christus.

(4) Schaeffer rührte nicht die Werbetrommel in eigener Sache, sondern suchte im Leben und im Dienst vor allem Gott. Die L‘Abri-Arbeit für Apologetik, Evangelisation und Weiterbildung in den Schweizer Alpen entwickelten sich, als Francis und seine Frau Edith auf die Bedürfnisse der fragenden Studenten reagierten. Francis wurde später in seinem Dienst manchmal zu sehr verehrt. Das war wahrscheinlich das Verschulden seines Sohnes Franky, der die Filmserien »Wie können wir den Leben« und »Bitte laß mich leben« produzierte. Schaeffer hatte nie vorgehabt, Bücher zu schreiben. Er schrieb sie, weil seine Vorträge und Diskussionen gut angenommen und Bücher gewünscht wurden.

(5) Schaeffer liebte Kunst, konnte gute Ästhetik auch in nichtchristlicher (oder antichristlicher) Kunst erkennen und hatte christlichen Künstlern den Auftrag und die Vision für künstlerische Betätigung gegeben. Siehe dazu das Buch Kunst und die Bibel (Hänssler, 1981), das in Nordamerika vor kurzem mit einem Vorwort des Musikers und Autors Michael Card neu veröffentlicht wurde. Schaeffer sprach oft davon, »Schönheit« in das christliche Leben zu bringen.

(6) Schaeffer verfügte über gründliche Fachkenntnisse und hatte ein große Liebe zur Heiligen Schrift. Für diesen Mann war die Bibel eine lebendige Realität. In Gott ist keine Illusion (Brockhaus, 2. Taschenbuchaufl. 1991) schrieb er, wir sollten täglich in der Bibel lesen, um Nichtgläubigen von der Wahrheit erzählen zu können. Er selbst las täglich mindestens drei Kapitel aus dem Alten Testament und eins aus dem Neuen. Seine Schriften strahlen biblische Wahrheit und Weisheit aus. Lasst es uns ebenso machen (vgl. Apg 17,11).

(7) Schaeffer war »ein Mann der Reformation«, der nichtsdestotrotz mit seinem Kalvinismus weder schulmeisterlich noch stolz auftrat. Schaeffer erkannte, dass die Reformation nicht nur unumgänglich war, sondern auch, dass wir eine reformierte Kirche sein müssen, »die sich selbst immer wieder reformiert«. Auch wenn die Reformatoren nicht perfekt waren, haben sie es geschafft, die Bibel wieder in den Mittelpunkt zu rücken und dazu viele soziale und kulturelle Wunder im Westen auszulösen. Darauf hatte Schaeffer schon in Wie können wir denn leben? (Brockhaus, 1975) und in A Christian Manifesto (Crossway, 1982) hingewiesen. Während Schaeffer an das Westminster Bekenntnis glaubte und es auch lehrte, reichte seine Anziehungskraft weit über die reformierten und presbyterianischen Kreise hinaus.
In einer Zeit, in der manche emergente Autoren, wie z. B. Brian McLaren, dazu aufrufen, »Post-Protestanten« zu sein, sollte dies gesagt und gehört werden. Die fünf »solas« der Reformation sind keine Optionen für das Christentum, sondern sie sind sein Lebenselixier. Trotzdem sollten diejenigen, die sich wie ich an die fünf Punkte des Kalvinismus (TULIP) halten, das aus Überzeugung und mit Demut tun. Die Fünf-Punkte-Kalvinisten können und sollten mit Christen anderer Glaubensrichtungen zusammenarbeiten, so lange die wesentliche Botschaft des Evangelium erhalten bleibt. (Ich glaube, auf manche Formen der Arminianismus trifft dies zu.)

Lesen Sie deshalb die Werke von Francis A. Schaeffer wieder und wieder. Ich empfehle, The Complete Works (Crossway, 1982) zu kaufen und sie zur Ehre Gottes, zum Gewinn für die Kirche und zur Förderung des Reiches Gottes durcharbeiten. Wenn Sie meinen, für so etwas keine Zeit zu haben, dann nehmen Sie sich bitte Zeit dafür. Vermeiden Sie Ablenkungen und vertiefen Sie sich in diese Bücher.

Prof. Dr. Douglas Groothius

Die Übersetzung und Wiedergabe des Beitrages erfolgte mit freundlicher Genehmigung des Autors. Abey Chacko und Tanja Omenzetter haben bei der Übersetzung geholfen. Vielen Dank!

Der Beitrag kann – mit einigen Erklärungen versehenen – auch in einer PDF-Version herunter geladen werden: lektionenfs3.pdf.

Die Grenzen der Philosophie

Herman Bavinck im Jahr 1904:

Von diesem hohen und erhabenen Standpunkt, auf den uns die christliche Weisheit stellt, fällt schließlich ein überraschendes Licht auf das Verhältnis zwischen Religion und Philosophie. Die Verwandtschaft beider wird durch alle großen Denker gefühlt und anerkannt. Aber Hegel wird durch seine dialektische Methode zu der Auffassung geführt, dass Religion primitive Philosophie, in Allegorie gehüllte anschauliche Metaphysik des Volks, und die Philosophie deshalb die in Begriffe um gesetzte Religion des Denkers sei. Damit aber kommt das Wesen bei der, besonders der Religion, zu kurz. Denn sei es auch, dass die Philosophie eine vollständige Erklärung der Welt und einen vollständig reinen Begriff von Gott geben könnte, der Mensch würde darin doch kein Genüge finden. Sein Herzensdurst verlangt nicht zuerst nach einem reinen Gottesbegriff, sondern nach dem lebendigen Gott selbst. Der Mensch findet keine Ruhe, bevor Gott sein Gott und sein Vater gewor den ist. Mag nun auch die Philosophie einen noch so hohen Beruf und eine noch so hohe Aufgabe haben, Gott selbst finden wir unter ihrer Leitung nicht. Zu ihm nähern wir uns nur, mit ihm treten wir nur in Gemeinschaft auf dem Wege der Religion. Auch für den tiefsten Denker gibt es keine Rechtfertigung durch den Begriff, sondern allein durch den Glauben. Jesus sprach nicht die Weisen und Verständigen, sondern die Kinder, die Kinder auch unter den Philosophen, selig. Besser war dann noch die Anschauung Schleiermachers, der Religion und Philosophie aus zwei ganz verschiedenen Bedürfnissen und Funktionen der menschlichen Natur ableitete und deshalb beiden eine dauernde Bedeutung im menschlichen Leben sicherte. Aber auch dieser Dualismus befriedigt nicht. Denn die Philosophie beschränkt sich nicht auf das Endliche und kommt deshalb auch mit Gott, als der letzten Ursache aller Dinge, in Berührung. Und die Religion, welche den Menschen in erster Linie in Gemeinschaft mit Gott bringt, bestimmt dadurch auch sein Verhältnis zu allen Geschöpfen. Sie erschöpft sich nicht in Gefühlen, sondern schließt sehr konkrete Vorstellungen in sich ein und enthält stets den Keim einer ganzen Weltanschauung.

Antony Flew kritisiert das Buch: Der Gotteswahn

Den britischen Philosophen Antony Flew kannten die Gelehrten lange Zeit als Vertreter eines aggressiven Atheismus. Im Jahre 2004 erregte er einiges Aufsehen, als er sich öffentlich dazu bekannte, aus intellektuellen Gründen von der Position des Atheismus abgerückt zu sein, um eine Variante des Deismus zu vertreten (vgl. hier).

In einem seiner letzten schriftlichen Beiträge (»last article«) hat Flew sich zu Richard Dawkins‘ Buch Der Gotteswahn (The God Delusion) geäußert. Auszüge seiner Stellungnahme gebe ich hier wieder:

Der Fehler, den Dawkins als Akademiker gemacht hat, war seine skandalöse und offensichtlich absichtliche Weigerung die Lehre darzulegen, die er glaubt unwiderruflich widerlegt zu haben. Wir finden zum Beispiel in seinem Stichwortverzeichnis vier Verweise auf Einstein. Sie kommen im Gewande Einsteins daher und befassen sich damit, was er über Moral, einen persönlichen Gott und die Situation der Menschheit denkt und über seine Ansicht, dass der Mensch für andere Menschen und vor allem für die da ist, von deren Wohlergehen unsere Lebensfreude abhängt. Aber (und es fällt mir schwer, moderat über diese verdunkelnde Weigerung Dawkins´zu schreiben) er erwähnt Einsteins wichtigste Folgerung überhaupt nicht: nämlich dass die integrale Komplexität der Welt der Physik ihn davon überzeugt hat, dass hinter den Dingen eine göttliche Intelligenz stehen muss. wenn dieses Argument auf die Welt der Physik angewendet werden kann, finde ich persönlich es offensichtlich, dass es noch viel bedeutsamer sein muss, wenn man es auf die unermesslich kompliziertere Welt der Biologie anwendet.

Die ganze Angelegenheit lässt nur zu deutlich werden, dass Dawkins nicht an Wahrheitsfindung interessiert ist, sondern dass es ihm hauptsächlich darum geht, einen ideologischen Gegner mit allen Mitteln in Verruf zu bringen. Das alleine wäre schon Grund genug anzunehmen, dass die ganze Unternehmung The God Delusion nicht, wie sie zumindest vorgab, ein Versuch war, Wissen über die Existenz oder Nicht-Existenz Gottes aufzudecken und zu verbreiten, sondern eher ein – extrem erfolgreicher – Versuch, die Überzeugungen des Autors in diesem Gebiet zu verbreiten. Ein weniger wichtiger Punkt, der an dieser Stelle gemacht werden sollte, ist, dass obwohl das Verzeichnis von The God Delusion sechs Verweise auf den Deismus beinhaltet, es keine Definition des Wortes »deism« liefert. Dies ermöglicht es Dawkins, in seinen Verweisen auf den Deismus die Deisten als eine Ansammlung von Leuten darzustellen, die an alles Mögliche glauben. Tatsache ist, und das hätte Dawkins wissen müssen, bevor dieses Buch in den Druck ging, dass Deisten an die Existenz eines Gottes glauben, aber nicht an einen Gott, der sich in irgendeiner Form offenbart hätte.

Das Christentum ist eine emanzipatorische Erzählung

9378968c5f.jpg

Für den Philosophen James K. A. Smith ist die in evangelikalen Kreisen verbreitete Lesart der Lyotardschen Metaerzählung ein Mißverständnis. Eine sorgfältige Untersuchung dessen, was Lyotard zum Metanarrativ geschrieben habe, könne zeigen, dass Lyotards Kritik der großen Erzählungen das Christentum überhaupt nicht treffe. Im Gegenteil: Christen sollten in Lyotard nicht einen Gegner sondern einen Verbündeten sehen. So gibt Smith mit seiner These der »Emerging Church« bedeutende Inspirationen.

In einer kleinen Untersuchung bin ich der Frage nachgegangen, ob sich Smith tatsächlich auf François Lyotard berufen kann. Das Ergebnis überrascht, da der französische Philosoph ausdrücklich das Christentum als große Erzählung bezeichnet und verarbeitet. Lyotard greift auf Albert Camus zurück, ohne ihn ausdrücklich zu nennen. Camus behauptet in Der Mensch in der Revolte, dass der Marxismus eine säkularisierte Figur der christlichen Teleologie ist. Für den Philosophen des Absurden stammt die Geschichtsphilosophie überhaupt aus dem jüdisch-christenlichen Weltbild. »Die Christen haben als erste das menschliche Leben und die Folge der Ereignisse als eine Geschichte angesehen, die sich von einem Ursprung einem Ende entgegen entwickelt und während welcher der Mensch sein Heil gewinnt oder sich seine Strafe verdient. Die Philosophie der Geschichte ist aus einer christlichen Vorstellung entsprungen …« (Camus, Der Mensch in der Revolte, S. 16).

Lyotard kann dieser Geschichte von der Emanzipation des Menschen wenig abgewinnen. »Das im römischen Weltreich zu tragender Bedeutung gekommene christliche Denken versucht nicht von ungefähr, seit Augustin, die Erlösungsverheißung als die Geschichte (großgeschrieben), als große Erzählung, zu verriegeln« (Lyotard & Gruber, Ein Bindestrich zwischen Jüdischem und Christlichem, S. 108). So kann nach Lyotard das Christentum im Sinne von Paulus und Augustin der Menschheit nur Gewalt antun.

Die kleine Untersuchung ist freundlicherweise von Richard McClary ins Amerikanische übersetzt worden und kann hier herunter geladen werden: mbstexte093.pdf. In deutscher Sprache gibt es den Text auch: mbstexte085.pdf.

Die Dekonstruktion der Geschlechterkategorien

Jacques Derrida hat die Dekonstruktion als systematische Subversion der europäischen Metaphysik aufgefasst. Dekonstruktivisten interessieren sich für die (Zer)Störung von Strukturen. Sie glorifizieren die Sinnvariabilität von Objekten oder Texten und erklären binäre Gegensätze wie gut/böse, Zentrum/Rand, normal/unnormal, drin/draußen, männlich/weiblich oder Gott/Teufel für obsolet.

Anita Mörth beschreibt in ihrer Diplomarbeit den Aufbruch der strukturierenden Zweigeschlechtlichkeit und erarbeitet ein handlungsorientiertes pädagogisches Konzept für die »Geschlechter-Dekonstruktion als Prinzip in der universitären Lehre«: da_anitamoerth.pdf.

An Evangelical Manifesto

Os Guinness hat die Formulierung eines Evangelical Manifesto angeregt, das schließlich am 7. Mai 2008 in Washington D. C. vorgestellt wurde. Al Mohler hat in seinem Blog eine Rezension über das Manifest publiziert und in einer Radiosendung mit Guinness über das Dokument gesprochen.

Der Mitschnitt der Radiosendung kann hier als Stream gehört oder als mp3 herunter geladen werden: www.albertmohler.com. Das Interview beginnt ab der 11. Minute.

Schmerzliche Niederlagen für den Lebensschutz

Die 1984 gegründete Juristen-Vereinigung Lebensrecht e. V. (JVL) hat ihren Sitz in Köln und tritt für den wirksamen Schutz des menschlichen Lebens in all seinen Phasen ein. Nachfolgend gebe ich das Eingangsreferat wieder, das der Vorsitzende Bernward Büchner am 2. Mai 2008 anlässlich eines Symposiums zum Lebensschutz gehalten hat. Richter a. D. Büchner diagnostiziert sehr scharf, wie durch eine schleichende sprachliche Neubesetzung der Lebensrechtsthemen die Gesellschaft auf einen Bewusstseinswandel vorbereitet wird.

In den letzten Wochen mussten wir zwei schmerzliche Niederlagen für den Lebensschutz in Deutschland und Europa erleben: die Entscheidung des Bundestags vom 11. April, den im Stammzellgesetz festgelegten Stichtag für den möglichen Import menschlicher embryonaler Stammzellen um 5 Jahre hinauszuschieben, und wenige Tage später dann die Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg vom 16. April zum angeblichen »Recht auf Abtreibung«.

Dem Stammzell-Beschluss des Bundestags ist eine lebhafte und intensive öffentliche Debatte vorausgegangen, an der sich die Lebensrechtsorganisationen rege beteiligt haben, insbesondere der Bundesverband Lebensrecht, dessen Vorsitzende, Frau Dr. Claudia Kaminski, ich bereits begrüßen konnte. Auf Initiative des BVL fand in Berlin ein Hearing statt und wurde mit dem Internet-Portal www.deine-stammzellen-heilen.de eine Kampagne gestartet, mit der eine hervorragende Information geleistet wurde und in deren Rahmen sich eine große Zahl namhafter und sachverständiger Persönlichkeiten zu Wort gemeldet haben. Bei einer vom BVL in Auftrag gegebenen, repräsentativen Meinungsumfrage von Infratest haben sich etwa zwei Drittel der Befragten gegen eine Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken und für die Forschung und Therapie mit adulten Stammzellen ausgesprochen. Eine ganz große Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands will also nicht, was der Bundestag beschlossen hat.

Auch unsere Vereinigung hat sich in der Stammzell-Debatte wiederholt zu Wort gemeldet. Dabei haben wir insbesondere betont, dass es verwerflich ist, sich die Früchte einer Unrechtshandlung selbst für Heilungszwecke zunutze zu machen, und dass bereits die – wenn auch eingeschränkte – gesetzliche Erlaubnis des Imports menschlicher embryonaler Stammzellen, die nur durch Tötung von Embryonen gewonnen werden können, gegen die Pflicht zur Achtung der Menschenwürde verstößt. Insbesondere Herr Professor Hillgruber, stellvertretender Vorsitzender unserer Vereinigung, hat diesen Standpunkt in der NJW, in der FAZ und bei einer Anhörung des Bundestages dezidiert vertreten. Von dieser Grundposition ausgehend haben wir ein Import- und Forschungsverbot für embryonale Stammzellen gefordert.

Die beschlossene Verschiebung des Stichtags ist angesichts der Fülle und des Gewichts der Gegenargumente unverständlich und zumindest, was die Höhe des Abstimmungsergebnisses betrifft, nicht zu erwarten gewesen. Insbesondere die CDU/CSU-Fraktion bot dabei ein Bild der Zerrissenheit. Nur 89 Unionsabgeordnete votierten für ein Forschungsverbot, 102 für die Verschiebung des Stichtags, nur 113 dagegen und 31 Fraktionsmitglieder stimmten sogar für die völlige Streichung des Stichtags.

Eine besonders unrühmliche Rolle spielte die Forschungsministerin Schavan. Es lohnt sich, noch einmal nachzulesen, wie sie ihren forschungsfreundlichen Standpunkt in der abschließenden Parlaments-Debatte begründet hat. Die embryonalen Stammzelllinien, sagte sie, würden aus solchen Embryonen gewonnen, »bei denen die Entscheidung bereits getroffen wurde, sie nicht für eine Schwangerschaft einzusetzen, also solche, denen die Voraussetzung zum Leben bereits genommen ist«. In derselben Rede erklärte Frau Schavan, das Embryonenschutzgesetz stehe nicht zur Diskussion. Es sei unbestritten. Das sei der umfassendste Schutz der Embryonen. Dabei bleibe es. Damit täuscht sie darüber hinweg, dass ihre zuvor wiedergegebene Argumentation einem Rückfall hinter den Erkenntnisstand gleichkommt, der dem Embryonenschutzgesetz zugrunde liegt. Danach darf es menschliche Embryonen, die künstlich für einen anderen Zweck erzeugt wurden als die Einführung in die Gebärmutter zur Herbeiführung einer Schwangerschaft während eines Zyklus’, also die so genannten überzähligen Embryonen, von denen Frau Schavan sprach, gar nicht geben. Eine Forschungsministerin, die derart schillernd argumentiert, verdient nicht das Vertrauen, dass bei ihr der Embryonenschutz in guten Händen ist. Sie wird immer Wege finden, um der Forschung auch künftig einen »Korridor« auf Kosten dieses Schutzes offen zu halten. Auch dafür wird dann wieder das eigene Gewissen bemüht werden. Die inflationäre Berufung auf das Gewissen vermag die vernunftgeleitete Argumentation jedoch nicht zu ersetzen, wie Professor Sala kürzlich in einem Leserbrief zu Recht bemerkte.

Eine nicht geringere Katastrophe als der Stammzell-Beschluss des Bundestags ist die bereits erwähnte, gegen die Stimmen der Abgeordneten der EVP verabschiedete Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Diese Resolution behauptet ein »Recht auf sicheren und legalen Zugang zur Abtreibung« und soll Mitgliedsstaaten dazu anhalten, die Abtreibung vollends zu legalisieren. Die Tötung Ungeborener wird dabei als selbstverständliche ärztliche Dienstleistung verstanden, zu der Ärzte verpflichtet sein sollen. Die dabei angewandte Taktik ist von internationalen Konferenzen längst bekannt. Nun ist wohl erstmals in einem parlamentarischen Dokument von einem »Recht auf Abtreibung« die Rede.

Vermutlich haben bisher nicht alle Anwesenden von dieser Resolution erfahren. Denn in den Medien war von ihr kaum die Rede. Und Kritik an ihr war meines Wissens nur seitens der katholischen Kirche und aus unseren Reihen zu vernehmen. Warum dieses verbreitete Schweigen? Ist der Bewusstseinswandel inzwischen bereits so weit voran geschritten, dass die Behauptung eines »Rechts auf Abtreibung« kaum noch Anstoß erregt oder gar als selbstverständlich empfunden wird? Dabei versteht es sich doch eigentlich von selbst, dass es im Einklang mit dem Menschenrecht auf Leben ein Recht auf Abtreibung, d. h. ein Recht zum Töten, nicht geben kann. Wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1993 ausdrücklich heißt, ist es nicht möglich, ein Recht zum Schwangerschaftsabbruch einzuräumen, »weil Schwangerschaftsabbruch immer Tötung ungeborenen Lebens ist«. Sicher ist eine Abtreibung insofern, als sie für das ungeborene Kind den sicheren Tod bedeutet. Von einer für die Frau sicheren Abtreibung kann nur sprechen, wer ihre häufigen physischen und psychischen Folgen ausblendet.

In der Debatte über die Änderung des Stammzellgesetzes ist von einer »ethischen Wanderdüne« die Rede gewesen. Eine solche Wanderdüne ist auch bezüglich der Abtreibung zu beobachten. Der so genannte gesellschaftliche Kompromiss fand in der Formel »straffrei, aber rechtswidrig« seinen Ausdruck. Inzwischen ist die Rechtswidrigkeit einer Abtreibung nahezu in Vergessenheit geraten. Wie sollte es auch anders sein angesichts des Angebots des tötenden Eingriffs in einem flächendeckenden Netz von Einrichtungen als Staatsaufgabe und seiner nahezu ausnahmslosen Finanzierung aus den Länderhaushalten? Das nächste Ziel auf dem Weg der Wanderdüne ist die Verfestigung des Bewusstseins von der Abtreibung als Recht. Nicht die Behauptung eines solchen Rechts wird kritisch hinterfragt. Vielmehr muss sich rechtfertigen, wer es bestreitet. Den Veranstaltern des Christivals in Bremen z. B. wird in der jüngsten Ausgabe des »Spiegel« vorgeworfen, sie machten mobil auch »gegen das Recht auf Abtreibung« [Anmerkung R. K.: Der Spiegel 18/2008, S. 38].

Wenn die Leben schützende Wirkung des gesetzlichen »Beratungskonzepts« ganz wesentlich auch eine Frage des Bewusstseins ist, wie die Karlsruher Richter meinten, müssten sich alle an einem wirksamen Lebensschutz Interessierten längst Gedanken darüber gemacht haben, wie es zu diesem negativen Bewusstseinswandel kommen konnte und wie ihm zu begegnen wäre. Wo – bitte sehr – wird diese Frage gestellt? Und wo sind die Verfechter des gesetzlichen Konzepts, die heute noch bereit sind, dessen Grundbedingungen in Erinnerung zu rufen?

Zeichen eines neuen Nachdenkens gibt es dennoch, besonders in der jungen Generation, auch innerhalb der Kirchen, wie kürzlich eine Erklärung des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising zur Abtreibungsmentalität und -praxis mit dem Titel »Zeit zum Umdenken«. Dieses Nachdenken zu wecken und zu fördern, ist eine bleibende Aufgabe für uns. Das unablässige und geduldige Arbeiten an dieser Aufgabe, wird uns so bald keine spektakulären Erfolge bescheren. Doch auf Dauer wird es nicht vergeblich sein.

Wiedergabe des Beitrags mit freundlicher Genehmigung von VRiaVG a. D. Bernward Büchner, Vorsitzender der JVL.

Herman Bavinck: Christliche Weltanschauung

BavinckCov.jpgDer Niederländer Herman Bavinck (1854–1921) beschäftigte sich sein ganzes Leben lang mit dem Spannungsfeld von christlichem Glauben und moderner Kultur. Nach einer kurzen Tätigkeit als Pastor einer Gemeinde in Friesland wurde Herman Bavinck 1882 als Professor der Systematischen Theologie an die Theologische Hochschule nach Kampen berufen. 1902 wechselte er nach Amsterdam und lehrte dort als Professor der Theologie an der freien Universität. Heute gilt Bavinck zusammen mit Abraham Kuyper als Hauptvertreter der ersten Generation der neo-calvinistischen Theologie.

Eine im Jahre 1904 gehalten Rektoratsrede mit dem Titel »Christliche Weltanschauung« wurde jetzt in einer deutschen Ausgabe neu herausgegeben. Bavinck behandelt darin drei große Fragen der Philosophie: Wie verhalten sich Denken und Sein und wie Sein und Werden zueinander? Und: Welche Normen gibt es für rechtes Handeln? Bavinck trägt seine Ausführungen mit der Überzeugung vor, dass allein der christliche Glaube befriedigende Antworten auf diese Hauptthemen menschlichen Lebens anzubieten hat.

Vor über einhundert Jahren, als die Dichter und Gelehrten im deutschen Sprachraum noch mit der Verarbeitung des Nietzsche-Schocks beschäftigt waren, beschrieb der gläubige Theologe das gesellschaftliche Denkklima mit folgen Worten:

Gemeinsam aber … ist die Abkehr von dem allgemeinen, ungezweifelten christlichen Glauben. Worin man auch im einzelnen voneinander abweichen möge, es steht fest, dass die Zeit des historischen Christentums vorbei ist. Es passt nicht mehr zu unserer kopernikanischen Weltanschauung, zu unserer Kenntnis der Natur und ihrer unveränderlichen Gesetze. Es passt nicht mehr zu unserer modernen Kultur, zu der »Diesseitigkeit« unserer Lebensauffassung, zu unserer Wertschätzung der materiellen Güter. Die Gedankenwelt der Schrift lässt sich in den Zyklus unserer Vorstellungen nicht mehr einfügen. Das ganze Christentum mit seiner Trinität und Inkarnation, mit seiner Schöpfung und seinem Sündenfall, mit seiner Schuld und Versöhnung, mit seinem Himmel und seiner Hölle gehört in eine veraltete Weltanschauung und ist mit dieser endgültig abgetan. Es hat unserem Geschlecht nichts mehr zu sagen und ist durch eine tiefe Kluft von modernem Denken und Leben geschieden. Die Schlagwörter Gott, Seele, Unsterblichkeit, sagt Meyer-Benfey, haben ihren Sinn für uns verloren. Wer fühlt heute noch das Bedürfnis, über das Dasein Gottes zu disputieren? Wir brauchen Gott nicht mehr, für ihn ist auf unserer Welt kein Raum mehr. Möge der greise Einsiedler in seiner Klause sitzen und seinen Gott verehren. Wir, Jünger des Zarathustra, wir wissen, dass Gott tot ist und nicht mehr auferstehen wird.

Das Buch ist beziehbar als:

  • Herman Bavinck, Christliche Weltanschaung, neu hrsg. von Thomas K. Johnson u. Ron Kubsch, Bonn: VKW, 2008, ISBN: 978-3-938116-38-8, 91 S., Preis € 8,00.

Korrespondenz zwischen Tony Jones & Collin Hansen

Christianity Today publiziert einen Briefwechsel zwischen Tony Jones und Collin Hansen über reformiertes und emergentes Christsein. Hansen, der für Christianity Today arbeitet, stellt die reformierte Sicht dar und versucht eine inhaltliche Diskussion in Gang zu bringen. Jones, Koordinator des Emergent Village und Mitherausgeber des Buches An Emergent Manifesto of Hope, hat sich allerdings (wieder einmal) für die Beziehungsebene entschieden. Dieses »Hauptsache wir sind nett zueinander und bleiben im Gespräch« kann ja Mal sehr entspannend und erfrischend wirken. Auf die Dauer ist es langweilig, unproduktiv und frustrierend.

Hier die Links auf dies ersten beiden Beiträge des Austausches: Tag 1, Tag 2. Entwickelt sich vielleicht doch noch eine inhaltliche Debatte?

Die teuflische Rethorik des Gutmenschen

Norbert Bolz ist einer der wenigen unangepassten Denker in Deutschland, den zu lesen es sich lohnt. Nun hat er rhetorisch wieder zugeschlagen. Es tut weh, ist aber heilsam (Focus 17/2008):

Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass wir immer tiefer in den Staatsgötzendienst steuern – und jede Menge Theologen sind bereit, aus Gründen der Anpassung an dieser Sozialoffenbarung mitzuwirken. Das Traurige ist eben, dass solche Ersatzreligionen gerade von denen praktiziert und vorangetrieben werden, von denen man eigentlich erwarten sollte, dass sie denken können. Sowohl die Grünen als auch die Ich-Religiösen, als auch die Staatsgötzendiener sind eigentlich Intellektuelle. Offensichtlich brauchen Menschen eine Möglichkeit, sich irgendwelchen Imperativen zu unterwerfen. Angesichts dessen ist eigentlich das christliche Angebot das freiheitlichste und souveränste und auch intellektuell befriedigendste, weil diese Unterwerfung es ermöglicht, allem anderen gegenüber souverän zu sein während diejenigen, die den Gott nicht haben, sich sofort in einer gnadenlosen Knechtschaft wiederfinden. Die Frage ist nur: Welche Verknechtung ist die jammervollste? Ist es diese neuheidnische Naturidolatrie der Grünen, die ich in ganz besonderer Weise lächerlich finde? Oder ist es die Anbetung des Staates, die wenigstens eine gewisse Tradition hat. Oder ist es das Ich-Götzentum? (S. 181)

»Soziale Gerechtigkeit« ist die Maske des Neids, »Teamfähigkeit« ist die Maske des Hasses auf die Ehrgeizigen und Erfolgreichen, »Dialog der Kulturen« ist die Maske der geistigen Kapitulation. Überhaupt: Das, was man Political Correctness nennt, ist die aktuelle Rhetorik des Antichristen. (S. 182)

Bundestag verabschiedet Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen

Der Deutsche Bundestag hat das »Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls« einstimmig beschlossen. Damit sollen Familiengerichte künftig zum Schutz vernachlässigter oder misshandelter Kinder frühzeitiger eingreifen können.

Bislang musste Eltern ein konkretes Erziehungsversagen nachgewiesen werden. Da dies aber in der Praxis schwierig gewesen sei, seien die Jugendämter oft davor zurückgeschreckt, die Justiz einzuschalten. Künftig muss dieser Nachweis nicht mehr geführt werden. Das Familiengericht kann tätig werden, wenn das Wohl des Kindes aus der Sicht der Behörden gefährdet ist und die Eltern diese Gefahr nicht abwenden wollen oder können.

Mit einem Katalog konkreter Maßnahmen stellt das Gesetz klar, dass das Gericht eine Reihe von Schritten anordnen darf, ohne gleich das Sorgerecht zu entziehen. So kann es Eltern verpflichten, an einer Erziehungsberatung oder einem Anti-Gewalt-Training teilzunehmen, ihr Kind in den Kindergarten zu geben oder für einen regelmäßigen Besuch der Schule zu sorgen. Mit der Auflistung solcher Handlungsmöglichkeiten sollen Jugendämter ermutigt werden, die Familiengerichte frühzeitiger einzuschalten.

Kritikern der Gesetzesänderung wird mitgeteilt, die Debatte über eine Entmachtung der Eltern sei »virtuell; denn diejenigen, die ihre Sorge dadurch zum Ausdruck bringen, dass sie den Teufel an die Wand malen, haben sich die Gesetzesänderungen, … nicht angeschaut« (Leutheusser-Schnarrenberger).

Kinderschutzpräsident Heinz Hilgers ist sich sicher, dass das neue Gesetz weder das Leben von Lea-Sophie, Kevin, Jessica oder anderen verhungerten oder zu Tode misshandelten Kinder hätte retten können, berichtet die sozialistische Tageszeitung Neues Deutschland: www.neues-deutschland.de.

Das vollständige Protokoll der Beratung über das »Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls« kann hier herunter geladen werden: Gefährdung des Kindeswohls. Außerdem gibt es den Link zur dazugehörigen Drucksache 1606815.pdf.

Postmoderne in dreißig Minuten

Den Slogan »In nur 2 Stunden wissen Sie Bescheid!« mit der Postmoderne in Verbindung zu bringen, provoziert. Jetzt wird’s allerdings noch verrückter: Ich biete einen nur dreißigminütigen Vorlesungsmitschnitt über »Emerging Church« an, in dem ich ›Leitgedanken‹ der Postmoderne kurz skizziere. Die Tonqualität ist leider nur suboptimal.

Den Podcast aus dem Jahr 2007 gibt es hier: podcast2008:1.mp3. Die Folie dazu kann ebenfalls herunter geladen werden: leitbegriffe-der-postmoderne.pdf.

[podcast]http://theoblog.de/wp-content/uploads/2008/04/podcast2008%3A01.mp3[/podcast]

No Intelligence Allowed

expel-300x250_NowPlaying.jpgDer Dokumentarfilm »Expelled«, der sich kritisch mit der Polemik gegen ›Intelligent Design‹ auseinandersetzt und die Diskriminierung evolutionskritischer Wissenschaftler problematisiert, ist inzwischen in den Kinos.

Ben Stein, ein amerikanischer Journalist und Entertainer, der durch das Programm führt, wurde von Christianity Today interviewt: www.christianitytoday.com.

Außerdem hat das Journal eine Filmkritik publiziert: www.christianitytoday.com.

Douglas Groothuis hat sich den Film ebenfalls angeschaut und in seinem Blog Stärken und Schwächen kommentiert: heconstructivecurmudgeon.blogspot.com.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner