Erziehung

„Die Krippenlüge“

Junge Familien, die ihre Kinder noch selbst erziehen oder erst nach dem 3. Lebensjahr in den Kindergarten schicken, geraten oft unter Druck. Dabei gibt es sehr starke Gründe dafür, Kinder nicht zu früh in die Fremdbetreuung zu entlassen. Die Psychologin und ehemalige Kita-Leiterin Anke Ballmann schildert für DIE WELT die drastischen Zustände in der Betreuungskrise. Besonders für Kleinkinder drohten dadurch langfristige Entwicklungsstörungen.

Hier zwei Zitate:

Anke Ballmann fährt gerade im Großraum München von Kita zu Kita und nimmt im Auftrag des bayerischen Sozialministeriums Prüfungen für Quereinsteigerinnen ab, die sich im Schnellverfahren zur pädagogischen Fachkraft ausbilden lassen. In den vergangenen 20 Jahren hat sie als Ausbilderin die Tagesabläufe in mehreren Hundert Kitas verfolgt. Qualitativ gute Kitas seien leider die Ausnahme, schreibt sie in ihrem Buch „Die Krippenlüge“ und fordert, Eltern besser aufzuklären darüber, was besonders eine frühkindliche Betreuung von Kindern unter schlechten Bedingungen anrichten kann.

Erst im dritten Lebensjahr beginnen Kinder, Beziehungen zu Gleichaltrigen zu entwickeln. Vorher spielen sie eher nebeneinander – Parallelspiel–, lernen dabei aber schon durch Beobachtung. Richtiges Miteinander-Spielen, Aushandeln, Teilen und Konfliktlösen entwickelt sich erst im Vorschulalter. Das heißt: Der viel zitierte Sozialisationsvorteil einer sehr frühen Krippenbetreuung ist ein Mythos. Für die soziale Kompetenz ist entscheidend, dass ein Kind zunächst ausreichend Sicherheit, Sprache und Selbstregulation entwickelt.

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Teuer erkaufte Ruhe

Immer öfter bekommen schon Kleinkinder ein Smartphone in die Hand. Doch Experten warnen vor der Ruhigstellung durch Bildschirme.

Wo früher noch Kinderbücher, Kuscheltiere und Kartenspiele zum Einsatz kamen, greifen viele Eltern heute zu einem Trick, den die moderne Technologie ihnen seit ein paar Jahren ermöglicht: zur Smartphone-Hypnose.

Die Situationen sind beliebig austauschbar. Ein Besuch im Restaurant, das Warten an einer Bushaltestelle, eine längere Reise mit dem Auto oder ähnliches – immer häufiger haben schon die Allerkleinsten ein Handy in der Hand. Margarete Bolten von der Uniklinik in Basel ist Psychologin und leitet eine Sprechstunde für Säuglinge und Kleinkinder. Sie beobachtet den Hypnose-Trick auch bei sich im Wartezimmer. „Ich sehe das auch hier bei uns in der Klinik, dass Eltern teilweise eintreten mit ihrem Kind und nichts dabei haben. Kein Spiel, keine Spielsachen, kein Buch, gar nichts, einfach nur das Gerät. Damit werden dann teilweise sechs Monate alte Kinder beim Warten bespaßt.“

„Wenn ich vergleiche, was ich früher als Kind konsumiert habe und was die Kinder heute konsumieren, dann ist das diametral beschleunigt“ – so beschreibt Prof. Dr. Christian Montag die Situation. Er ist Professor für Molekulare Psychologie an der TU Darmstadt und forscht seit Jahren zu Medienkonsum und Pädagogik bei Kindern und Jugendlichen.

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Wenn elterliche Ängste die Kinder prägen

Der Psychologe Rüdiger Maas erklärt in einem FAZ-Interview, was passiert, wenn Ältere den Kindern ihre Ängste vorleben: 

Wir leben die Ängste ganz stark vor. Als ich ein Kind war, hatten wir Tschernobyl, den Jugoslawienkrieg, sauren Regen, HIV. Jedes Jahr war eine Krise. Aber wir hatten keine panischen Eltern, die jeden Tag den Kindern eingeredet haben, wie schlimm alles ist. Die Uni Zürich hat analysiert, dass etwa 90 Prozent der heutigen Eltern alle Unwägbarkeiten ihrer Kinder ergoogeln. Von denen gehen allerdings 90 Prozent davon aus, dass die Google-Treffer gar nicht stimmen. Es herrscht komplette Verunsicherung. Wir haben seit 2010 mehr Erwachsene, die keine Kinder haben, als Erwachsene mit Kindern. Dadurch habe ich in meiner Peergroup weniger Leute, auf die ich zurückgreifen kann, wenn ich mich frage, warum mein Kind schreit. Wir verunsichern uns selbst und nehmen den Jüngeren dadurch die Hoffnung.

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Wie sehr Bildschirme Kindern schaden

Der Neurobiologe Martin Korte erklärt im WELT-Interview, warum Kinder unter dem 10. Lebensjahr möglichst nicht vor einem Bildschirm sitzen sollten:

Menschen lernen die Welt am besten zu interpretieren, wenn sie selber dabei aktiv sind. Interaktion ist sehr wichtig. Wenn wir die Umwelt passiv sehen, bleiben viele Signale unverstanden. Das führt dazu, dass Stressreaktionen ausgelöst werden. Und es kann gestört werden, wie sich unsere Wahrnehmung mit dem Gefühlszentrum verbindet. Eine chinesische Studie hat fünf- bis zehnjährige Kinder untersucht, die mehrere Stunden täglich mit Smartphones, Tablets und Fernseher verbracht hatten. Man hat Entwicklungsdefizite im Sprachzentrum des Gehirns nachgewiesen. Bei einem sich stark entwickelnden Gehirn muss man deutlich restriktiver mit der Bildschirmzeit umgehen als bei älteren Gehirnen.

Bewegungsreize sind starke Entwicklungsreize für das Gehirn; es werden Stoffe ausgeschüttet, die dazu führen, dass das Gehirn sich besser vernetzt. Wenn Kinder sich nicht bewegen, können Entwicklungsdefizite eintreten. Bei Kleinkindern, die angeschnallt auf dem Rücken der Eltern liegen, wie das bei einigen afrikanischen Stämmen lange der Fall war, hinkt die kognitive Entwicklung um Jahre hinterher. Man kann das beobachten: Wenn Kinder anfangen zu laufen, fängt der Spracherwerb an, die kognitive Revolution geht los. Die Kinder machen einen Entwicklungssprung und begreifen die Welt im wahrsten Sinne des Wortes besser; in der Sprache verstehen sie komplizierte Zusammenhänge und aus Ein-Wort-Äußerungen werden 2-4-Wortsätze mit beginnender Grammatik. 

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Folgen der Bildschirmzeit bei Kindern

Kleine Kinder unter drei Jahren sollten keine Zeit vor Bildschirmen und Fernsehern verbringen. Dennoch passiert es. US-Forscher haben die Auswirkungen untersucht. Die Ergebnisse sind beunruhigend – und sollten Eltern alarmieren. DIE WELT schreibt:

Bei einjährigen Kindern führte jede Bildschirmaktivität zu einer um 105 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit, „starke“ sensorische Verhaltensweisen anstelle von „typischen“ zu zeigen – verglichen mit Kindern, die nicht fernsahen. Die „starke“ Sinneswahrnehmung war bei den knapp drei Jahre alten Kindern bereits mit einer Wahrnehmungsstörung verbunden.

Bei zweijährigen Kindern führte jede zusätzliche tägliche Stunde vor dem Bildschirm zu einer 20 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit, nach 33 Monaten eine „hohe“ Sensationslust oder ausgeprägte Sinnesvermeidung zu entwickeln.

Die Liste der Beeinträchtigungen ist lang. Forscher beobachten bei Säuglingen und Kleinkindern in diesem Zusammenhang Schlafstörungen, verminderte Aufmerksamkeit und Sprachverzögerung; Probleme werden von ihnen nur verzögert gelöst. Auf die Entwicklung von ADHS und Autismus, so die Vermutung, kann sich verstärkte Bildschirmzeit ebenfalls auswirken.

Laut einer wissenschaftlichen Recherche verbrachten im Jahr 2014 Zweijährige und Jüngere in den USA täglich durchschnittlich drei Stunden und drei Minuten pro Tag vor dem Bildschirm. 1997 hatte die Zahl noch bei 79 Minuten gelegen. Die American Academy of Pediatrics (AAP) rät bei Kindern unter zwei Jahren davon ab, vor dem Bildschirm zu sitzen oder liegen. Live-Video-Chat wird von der AAP als möglich erachtet, da die stattfindende Interaktion einen eventuellen Nutzen bringt, etwa im Austausch mit Großeltern.

Die wichtigste Aussage lautet meines Erachtens: „Nicht nur die Zeit vor dem Bildschirm wirkt sich entscheidend auf die Wahrnehmungsfähigkeiten der Kinder aus. Sondern ebenso, dass sie dabei alleine sind, ohne Eltern und Interaktion mit der realen Welt. Die mangelnde Beschäftigung mit Bezugspersonen schadet den Kleinkindern ebenfalls. Etwas fehlt.“

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Liebe der Eltern zahlt sich aus

Wer in der Kindheit elterliche Zuneigung erhält, hat später seine Finanzen besser im Griff. Das haben Forscher in einer aktuellen Studie gezeigt. Die FAZ teilt mir: 

Dem südkoreanischen Wissenschaftler Tae-Young Pak und seiner Kollegin Lu Fan ist das gelungen. Sie haben sich ein Forschungsfeld ausgesucht, auf dem es aus Sicht vieler Laien eigentlich nicht allzu viel zu forschen gibt: die Liebe der Eltern zu ihren Kindern. Dass elterliche Warmherzigkeit den Kindern besser durchs Leben hilft, ist so offensichtlich, dass die wissenschaftliche Beschäftigung damit überflüssig erscheint.

Doch weit gefehlt. Denn die beiden Forscher können in einer aktuellen Studie nachweisen, dass die Zuneigung der Eltern selbst dann noch einen positiven Effekt hat, wenn die Kinder längst erwachsen sind und schon viele Jahre im Berufsleben stehen. Wer nämlich in seiner Kindheit mehr elterliche Liebe erfahren hat, kann davon bis ins höhere Alter zehren – und zwar auch in finanzieller Hinsicht: Positive Kindheitserfahrungen helfen dabei, später weniger Schulden zu machen, ein größeres Vermögen aufzubauen und insgesamt ein Leben in größerer finanzieller Zufriedenheit zu führen. 

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Wenn Kinder auf der Strecke bleiben

Reden wir über Vereinbarkeit von Familie und Karriere, geht es meist um Elternwünsche und den Druck im Job. Was aber brauchen die Kinder? Mehr Zeit mit Mama und Papa vielleicht? Ein guter FAZ-Beitrag von Julia Schaaf über die Grenzen einer vergesellschaftlichten Erziehung:

Sabine Andresen ist Kindheitsforscherin. Seit vielen Jahren untersucht die Professorin an der Universität Frankfurt am Main das Wohlergehen von Kindern, und dafür spricht sie auch mit Jungen und Mädchen direkt. Im Rahmen der Kinderstudien des Hilfswerks World Vision zum Beispiel fragt sie Kinder, ob ihre Eltern genügend Zeit für sie haben. Ergebnis: Sofern ein Elternteil nicht oder nur in Teilzeit arbeitet, ist die überwältigende Mehrheit der Sechs- bis Elfjährigen zufrieden. Wenn Mütter und Väter beide Vollzeit machen, finden Kinder häufiger, dass die gemeinsame Zeit nicht reicht.

Offenbar stehen wir vor einem Dilemma: „Was gut ist für das Kind, ist nicht immer gut für die Befreiung aus traditionellen Rollen von Müttern und Vätern“, sagt Andresen. Und: „Vielleicht neigen wir im Moment dazu zu tabuisieren, dass Kinder es womöglich nicht so toll finden, den ganzen Tag außerhalb von zu Hause betreut zu werden.“ Kein Wunder, dass die Professorin so vorsichtig formuliert. Noch immer müssen sich Mütter – und nur Mütter! –, die Vollzeit arbeiten, vor Teilzeitfrauen und konservativen Männern permanent für ihr Lebensmodell rechtfertigen.

Mehr: www.faz.net.

„Murat spielt Prinzessin“

Eine vom Berliner Senat finanzierte Broschüre schult Erzieher im Umgang mit Homo- oder Transsexualität. Das Heft „Murat spielt Prinzessin, Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben“ setzt voll auf Vielfalt und erwartet von Bezugspersonen und Pädagogen, dass diese sich durch punktuelle Empfindungen von Kindern leiten lassen.

Vorausgesetzt wird dabei:

„Männlich und weiblich sind nur die Endpunkte auf einer Geschlechterskala, zwischen denen es unendlich viele Varianten gibt. Intersexualität zu verstehen, erfordert die Bereitschaft, sich vom überkommenen polaren Denken zugunsten pluraler Geschlechterdifferenzen zu lösen.“ Katrin Ann Kunze (FREITAG, Ausgabe vom 25.10.2002)

Hier eine Handlungsanweisung für Erzieher im Kindergarten:

Wenn also ein Kind sich einen anderen Namen gibt und wiederholt äußert, dass es eigentlich kein Junge bzw. Mädchen sei, wie im Fallbeispiel von Lisa gezeigt, dann sollten Fachkräfte im Gespräch mit dem Kind eine unterstützende und wertschätzende Haltung einnehmen. Im Kita-Alter sind Kinder meist bereit, offen über Gefühle und alles, was sie erleben, zu berichten. Es ist gut möglich, mit ihnen gemeinsam zu erkunden, wie sie ihre Geschlechtszugehörigkeit erleben und sich ihr Leben vorstellen. Wer aufmerksam zuhört, kann überraschend konkrete und vielfältge Zukunftsvorstellungen kennenlernen, wie sie etwa in den Fallbeispielen der Berliner Elterninitatve Trans-Kinder-Netz nachzulesen sind. Diese Vorstellungen müssen nicht unbedingt biologischen Gegebenheiten oder gängigen binären Geschlechterkonzepten entsprechen, sie zeigen aber viel von der Gewissheit, die manche Kinder in Bezug auf ihre Geschlechtsidenttät schon in jungen Jahren besitzen. Von Erwachsenen unterstützt und wertgeschätzt zu werden, kann eine entscheidende Weichenstellung für ihren weiteren Lebensweg sein.

Die Bröschüre ist ein Inlkusionshammer: QF-Kita-Handreichung-2018.pdf.

Mehr Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern

Solche „Rechnungen“ kommen heraus, wenn die fiskalische Perspektive den Blick auf die Familie dominiert:

Würden die Betreuungszeiten so stark ausgeweitet, dass Eltern von Grundschulkindern bis abends und samstags arbeiten gehen könnten, so ergäben sich dem Gutachten zufolge je Familie sieben zusätzliche Arbeitsstunden in der Woche. Das führe zu Mehreinnahmen für die Sozialversicherungen in Höhe von ungefähr 2900 Euro im Jahr und zu Steuermehreinnahmen von 3260 Euro im Jahr. Hochgerechnet auf 330.000 Ganztagsschulplätze kommen die hohen Einnahmen von 2,1 Milliarden Euro heraus.

Einseitig. Traurig. Staatlich. Ein kleines Studium der Bindungstheorie könnte die Perspektive weiten.

Hier der Artikel: www.faz.net.

„Falsches Leben“ als Norm

Hans-Joachim Maaz war 28 Jahre lang Chefarzt einer psychosomatischen Klinik in Halle. Obgleich sie in der DDR offiziell verpönt war, wandte er sich früh der Psychoanalyse zu. In seinem 1990 erschienenen Buch „Der Gefühlsstau“ untersuchte Maaz den Einfluss staatlicher und familiärer Repression auf die Psyche der DDR-Menschen und diagnostizierte bei ihnen eine emotionale Verkrüppelung.

In einem Interview mit dem TAGESSPIEGEL kritisiert er nun die Vergesellschaftung der Erziehung in den Kindergärten. Zudem ist er der Auffassung, dass die ganze Gesellschaft in eine falsche Richtung läuft und spricht von Normopathie: Wenn die Fehlentwicklung des Einzelnen zu einem Massenphänomen wird, dann erscheint „falsches Leben“ als Norm.

Wenn die Fehlentwicklung des Einzelnen zu einem Massenphänomen wird, dann erscheint „falsches Leben“ als Norm. Heute ist die narzisstische Störung nahezu zur Bedingung geworden, um erfolgreich zu sein. Wenn etwa die Frühbetreuung von Kindern durch die Eltern für weniger wichtig gehalten wird als die Fremdbetreuung durch Kitas oder Krippen, dann halte ich das für absolut falsch. Es gibt Belege dafür, dass Kitas Kindern schaden.

Mehr: www.tagesspiegel.de.

 

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