N.T. Wright

Die Rechtfertigungslehre überdacht

Die nachfolgende Besprechung des Buches:

wird in der nächsten Ausgabe von Glaube und Denken heute vollständig und mit ausführlichem Fußnotenapparat erscheinen. Hier also eine Vorschau:

NewImageAls Stephen Westerholm in den späten 70er Jahren für ein schwedisches Journal E. P. Sanders Werk Paul and Palestinian Judaism (1977) besprach, bemerkte er sofort, dass dieses Buch Zerrbilder des Judentums ausräumen und die Paulusforschung umstülpen wird. Tatsächlich formierte sich unter dem Eindruck von Sanders insbesondere im angelsächsischen Raum eine intensive Diskussion über die Theologie des Apostels. Dieser Wandel in der Paulusexegese, der heute unter dem Leitbegriff „The New Perspective“ zusammengefasst wird, ist von namhaften Gelehrten wie William Wrede (1859–1906), Albert Schweizer (1875–1965) oder Hans-Joachim Schoeps (1909–1980) vorbereitet worden. Aber erst durch Krister Stendal, E. P. Sanders, James Dunn, Heikki Räisänen, Michael Bachmann oder auch N. T. Wright hat die neue Sichtweise so viel Fahrt aufgenommen, dass man nicht mehr an ihr vorbei kommt.

Womit löste E. P. Sanders das Erdbeben aus? Er widerlegte nach eingehender Sichtung der rabbinischen Literatur die insbesondere seit Ferdinand Weber oder Paul Billerbeck gefestigte Auffassung, das Judentum sei eine Religion der Werkgerechtigkeit gewesen. Kennzeichnend für die Rabbinen ist – so Sanders – nicht das Leistungsdenken, sondern die Struktur des „Bundesnomismus“. Die Erfüllung des Gesetzes darf nicht als eine menschliche Vorleistung für den Eintritt in den Bund Gottes verstanden werden („getting in“), sondern lediglich als eine Bedingung für das Bleiben im Bund („staying in“). Der Mensch, so Sanders über die jüdische Soteriologie, gelangt zum Heil durch Gottes Gnade (die sich in der Erwählung zeigt) und verbleibt im Heil durch die Werke (bzw. Reue und Inanspruchnahme von Sühnemitteln nach dem Sündigen).

Unter diesen Voraussetzungen erhielte die Rechtfertigungslehre eine andere Bestimmung als in der reformatorischen Theologie. Paulus habe mit ihr nicht die jüdische Heilslehre, sondern den jüdischen Nationalismus angegriffen („Wir, und zwar nur wir, sind das auserwählte Volk.“). Er plädiert für eine „Ausweitung des Bundes auf die nichtjüdischen Nationen, dies aber gemäß dessen ursprünglicher und in der Tora selbst niedergelegten Intention“ (Strecker. „Paulus aus einer ‚neuen Perspektive‘“, S. 3–18, hier S. 13). Die paulinische Rechtfertigungstheologie zielt demzufolge nicht auf das Heil des Einzelnen ab, sondern ist vielmehr ethnisch ausgerichtet. N. T. Wright, der diese Neuinterpretation aufgreift, beschreibt ihr Anliegen beispielsweise so

„Bei der ‚Rechtfertigung‘ ging es im  1. Jahrhundert nicht darum, wie man eine Beziehung zu Gott aufbauen kann. Es ging um Gottes eschatologische gegenwärtige und zukünftige Definition derjenigen, die tatsächlich zu seinem Volk gehörten. In der Begrifflichkeit von Sanders: Es ging nicht so sehr um das ‚Hineingelangen‘ (getting in), auch nicht um das ‚Darinverbleiben‘ (staying in), sondern vielmehr darum, ‚wie man unterscheiden konnte, wer drin war‘. In der üblichen Theologensprache: Es ging nicht so sehr um Soteriologie, sondern um Ekklesiologie; nicht so sehr um Erlösung, sondern um die Kirche.“ (N. T. Wright. Worum es Paulus wirklich ging. 2010. S. 148)

Die NPP hat Westerholm seit seiner „Begegnung“ mit Sanders nicht mehr losgelassen. Frühzeitig erkannte der Kanadier den Stellenwert des „Paradigmenwechsels“, hat sich gründlich in das Themengebiet eingearbeitet und mit einigen Büchern und Aufsätzen substantiell zur Kontroverse beigetragen. Sein bisher umfangreichstes Buch, Perspectives Old and New On Paul aus dem Jahr 2004, gilt der Fachwelt als wichtiges Referenzwerk. Westerholms jüngster Band Justification Reconsidered fasst nun den Ertrag seiner bisherigen Arbeiten zur Rechtfertigungslehre zusammen. Es enthält Teile seines großen Buches sowie zwei bereits veröffentlichte Aufsätze.

Er beginnt seine Ausführungen mit der Kritik an einer prominenten These des schwedischen Exegeten Krister Stendahl (S. 1–22). Dieser behauptete 1963 in seinem Aufsatz „The Apostle Paul and the Introspective Conscience of the West“, dass unser Paulusverständnis zu Unrecht von der Rechtfertigungslehre vereinnahmt worden ist. „Einige Christen meinen“ – so Stendahl – „die Lehre von der Rechtfertigung aus Glauben sei die Antwort auf die Frage des geplagten Gewissens: Wie kann ich der Gnade Gottes gewiss sein? Antwort: durch Glauben. Aber das war nicht Paulus‘ Gedanke. Paulus hatte in diesem Sinn nie ein Problem mit dem Gewissen. Er wusste, dass er gemäß dem Gesetz vollkommen war“ (K. Stendahl, Das Vermächtnis des Paulus, 2004, S. 37). Der paulinische Begriff von „der Rechtfertigung aus Glauben war keine Antwort auf die Frage, wie bekomme ich einen gnädigen Gott“ (K. Stendahl, Das Vermächtnis des Paulus, 2004, S. 37). Hauptthema des Apostels sei die Hereinnahme der Heiden in die Heilsgeschichte, nicht die Rettung des Einzelnen. Sein Verdienst sei der Gedanke, Heiden können Vollmitglieder der Gottesgemeinde werden, ohne dabei an die mosaischen Gesetzesbestimmungen gebunden zu sein.

Westerholm fragt nun, ob diese Interpretation dem paulinischen Befund näher kommt als die der „Alten Perspektive“. Bei seinen Erörterungen kommt eine Stärke der „Kurzfassung“ besonders zum Tragen: Der Autor verliert sich nicht in den Details der ausgedehnten Debatte, sondern befragt Bibeltexte. Er will wissen: Geht es Paulus um Missionstheologie und Ekklesiologie oder geht es ihm um die Frage, die Luther später so zuspitzte: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? (vgl. S. 5).

Westerholm konsultiert den Ersten Thessalonicherbrief und die Korintherbriefe und landet schließlich beim Galater- und Römerbrief (knapp auch bei dem Philipperbrief). Das Ergebnis ist für Westerholm unstreitig: „‚Erlösung‘ meint im Thessalonicherbrief die Rettung vor dem Zorn Gottes und dem Gericht; es meint genau das ebenfalls im Korintherbrief“ (S. 7). Die grundsätzliche Stoßrichtung von Paulus‘ Mission ist es, Sünder von dem verdienten Gericht zu retten. „Wenn Paulus über die Rechtfertigung des Sünders spricht, ob im Galaterbrief oder in anderen Briefen, spricht er darüber, wie Sünder als gerecht erfunden werden können“ (S. 15). „Paulus’ Botschaft der Rechtfertigung adressiert nicht nur die Not einiger Heiden, sondern die Not aller Menschen – die von Juden wie Petrus und Paulus nicht weniger als die der Heiden in Galatien – da nämlich alle Sünder sind“ (S. 15).

Im zweiten Kapitel (S. 23–34) befasst sich Westerholm mit der Auffassung, Rechtfertigung aus Glauben sei bei den Juden vor und nach Jesus eine Selbstverständlichkeit gewesen. „An dem Punkt, bei dem viele den entscheidenden Kontrast zwischen Paulus und dem Judentum gefunden haben – nämlich bei dem von Gnade und Werke“, schreibt Sanders 1977, „befindet sich Paulus in Übereinstimmung mit dem palästinensischen Judentum … Errettung geschieht durch Gnade, aber das Gericht erfolgt gemäß der Werke; Werke sind die Bedingung dafür, „drin“ [also im Bund, R. K.] zu bleiben, bringen jedoch keine Errettung“ (E. P. Sanders, Paul and Palestinian Judaism, 1977, S. 543).

Wieder fragt Westerholm, ob das behauptete symbiotische Verhältnis von Gnade und Werken bei Paulus wirklich vorliegt. Er arbeitet die These hauptsächlich am Römerbrief ab. Was meint der Apostel, wenn er beispielsweise in Röm 11,6 schreibt: „Wenn aber durch Gnade, dann nicht mehr aufgrund eigenen Tuns, da die Gnade sonst nicht mehr Gnade wäre“? Sanders – so Westerholm – hat zurecht auf die bedeutsame Stellung der Gnade im Alten Testament verwiesen. Doch während Sanders davon ausgeht, dass der Mensch grundsätzlich fähig ist, zu tun, was Gott verlangt, spricht Paulus dem Menschen diese Fähigkeit gerade ab. Die Werke eines Menschen können also das Bleiben im Bund nicht sichern. Die Lage des Menschen wird bei Paulus verzweifelter beschrieben, als die Rabbinen sich das vorstellen konnten (vgl. S. 32–33).

Schwerpunkt des vierten Kapitels ist die Rechtfertigungslehre von N. T. Wright (S. 51–74). Für Wright müssen die Begriffe „Gerechtigkeit“ und „Rechtfertigung“ bundestheologisch verstanden werden. Er unterstreicht seine Auffassung durch den Verweis auf die Gerichtssprache, der Paulus die Schlüsselbegriffe entnommen habe. „Gerechtigkeit, dikaiosynē, ist der Status der Bundesmitglieder. Der Unterton stammt selbstverständlich von der Position her, die einem Angeklagten zukommt, nachdem das Gericht ihn oder sie freigesprochen hat (N. T. Wright, Justification, 2009, S. 113). Ein Gerechtfertigter ist also jemand, der von einem Gericht durch einen Sprechakt für unschuldig erklärt wird, unabhängig von seiner tatsächlichen moralischen Qualität. Die Vorstellung, man brauche eine fremde moralische Gerechtigkeit (denken wir beispielsweise an Luthers „fröhlichen Wechsel“), um vor Gott bestehen zu können, entstammt nach Wright nicht der Bibel, sondern den Kategorien der scholastischen Theologie.

Westerholm erkennt an, dass Wright insgesamt einen eindrucksvollen Gesamtentwurf geliefert hat, in dem alle Paulustexte ihren Platz finden (vgl. S. 59). Allerdings ist Wrights Interpretation der Gerechtigkeit auf dem Hintergrund des alttestamentlichen und paulinischen Gebrauchs unhaltbar. Wenn das Alte Testament von „Gerechtigkeit“ spricht, kann schwerlich die Mitgliedschaft im Bund Gottes gemeint sein. So wird beispielsweise Noah für gerecht erklärt, bevor die Bibel überhaupt von einem Bund spricht (vgl. 1Mose 6,9). „‚Gerechtigkeit‘ meint nicht und kann naturgemäß nicht die Mitgliedschaft in einem Bund bezeichnen. Genauso meint sie nicht und kann naturgemäß nicht den Status bezeichnen, der durch eine Gerichtsentscheidung herbeigeführt wird“ (S. 63). Bundestreue kann durchaus Ausdruck von Gerechtigkeit sein, sollte aber nicht mit ihr selbst verwechselt werden (vgl. S. 71). „Die Betonung Wrights auf Christus als die Erfüllung göttlicher Verheißungen, die Abraham und seinen Nachkommen gegeben wurden, steht ganz in der Linie von Paulus‘ Lehre (Röm 15,8). Aber wir können sogar noch weitergehen. Heutzutage sollten christliche Gelehrte so frei sein, in dem, was Paulus über die Rechtfertigung lehrte, einen Grund zu finden, warum niemand aufgrund seiner Ethnie, seiner Klasse, seines Geschlechtes oder einer anderen Eigenschaft vor Gott bestehen kann. Paulus’ Sicht ist letzten Endes, dass menschliche Wesen jeglicher Couleur schuldhaft vor Gott sind und dass Gott jeden für gerecht erklärt, der glaubt. Das Ergebnis unserer Diskussion ist allerdings, dass Paulus mit seiner Rechtfertigungslehre das vertreten hat, was dann auch Augustinus, Luther und andere vertreten haben: Nur durch den Glauben an Jesus Christus können Sünder vor Gott gerechtfertigt werden“ (S. 73–74).

So hilfreich ich die Ausführungen Westerholms in diesem Kapitel finde, ich hätte mir eine etwas gründlichere Erörterung über das Verhältnis von forensischer und effektiver Rechtfertigung gewünscht.

Das fünfte Kapitel (S. 75–85) ist dem Syntagma „Werke des Gesetzes“ (griech. ἔργα νόμου [erga nomou]) gewidmet. Luther war es ein Herzensanliegen, die Glaubensgerechtigkeit vor jeglicher Vermischung mit den Werken zu schützen. Obwohl überzeugt, dass wahrhaftiger Glaube selbstverständlich Frucht und damit auch Werke hervorbringt, sollten die guten Taten nie als Grund für die Rechtfertigung erscheinen, da allein der Glaube an Jesus Christus rettet. Doch gerade an diesem Punkt fordern die Vertreter der NPP die „Entlutherisierung“ der Glaubensgerechtigkeit. Luther, so der Vorwurf, habe seine eigene Gewissensnot auf den Befund projiziert, also nicht Exegese, sondern Eisegese betrieben. E. P. Sanders formuliert zum Beispiel ähnlich wie Krister Stendahl

„Luther war von der Tatsache überwältigt, daß er, wiewohl Christ, sich gleichwohl als ‚Sünder‘ empfand: Er litt unter Schuld. Paulus dagegen litt nicht unter einem Gewissen, das sich schuldig fühlte. Vor seiner Bekehrung zum Apostel Christi war er, wie wir sahen, ‚untadelig‘ hinsichtlich der ‚Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert‘ (Phil. 3,6). Als Apostel konnte er sich nicht vorstellen, daß beim Jüngsten Gericht irgend etwas gegen ihn vorgebracht werden könnte, obgleich er die Möglichkeit offenließ, daß Gott einen Tadel an ihm finden würde (1. Kor. 4,4). Luther, von Schuld gepeinigt, interpretierte die paulinischen Stellen über ‚Gerechtigkeit aus dem Glauben‘ so, als würde Gott einen Christen für gerecht erachten, selbst wenn er oder sie ein Sünder ist. Luther verstand ‚Gerechtigkeit‘ juristisch, als eine Unschuldserklärung, doch auch als fiktiven Status, der Christen ‚durch bloße Zurechnung‘ zugeschrieben wird, weil Gott gnädig ist … Luthers Betonung des fiktiven, bloß zugerechneten Charakters der Gerechtigkeit ist, wiewohl oft als inkorrekte Interpretation des Paulus erwiesen, einflußreich geworden, weil sie einem weitverbreiteten Gefühl der Sündhaftigkeit entspricht und mit ihrem individualistischen und introspektiven Akzent ein wesentliches Element des abendländischen Persönlichkeitsbegriffs bildet. Luther suchte und fand Entlastung von Schuld. Doch seine Probleme waren nicht die paulinischen, und wir interpretieren Paulus falsch, wenn wir ihn mit Luthers Augen sehen.“ (E. P. Sanders, Paulus, 1995, S. 63–65. Dass Sanders weder die Theologie des Paulus noch die von Luther in ihren Tiefenstrukturen verstanden hat, zeigt Wilfried Härle in: W. Härle. „Paulus und Luther: Ein kritischer Blick auf die ‚New Perspective‘“. ZThK, Bd. 103 (2006). S. 362–393).

Um was ging es Paulus dann, wenn er von den „Werken des Gesetzes“ spricht? Die Exegeten, die der NPP nahe stehen, können sich nicht auf eine positive Bestimmung einigen. Unstreitig ist aber für sie, dass Paulus mit den Gesetzeswerken nicht das bezeichnet, was in der Auslegungsgeschichte so lange angenommen worden ist, nämlich „gute Werke“. Es gehe im Kern darum, die Rolle der jüdischen Gesetzesbestimmungen (auch Halakhot genannt) im Blick auf das Verhältnis von Juden- und Heidenchristen zu klären. James Dunn meint beispielsweise, dass Paulus, wenn er von Gesetzeswerken spricht, an Abgrenzungsbestimmungen (engl. ‚boundery markers‘) denkt, die die Juden von den Heiden trennen. Es war einer von James Dunns großen Durchbrüchen in der Entwicklung der „Neuen Perspektive“ – schreibt N. T. Wright –, als er erkannte, dass die „Werke des Gesetzes“, vor denen Paulus warnte, „nicht gute moralische Taten waren, um Rechtfertigung (oder Erlösung) zu empfangen, sondern konkrete Gebote und Bestimmungen, welche Juden und Heiden voneinander trennten“ (N. T. Wright, Justification, 2009. S. 148).

Im Galaterbrief trennt vor allem die Beschneidung. Paulus ging es folglich nicht um eine Abhandlung zur Soteriologie, sondern um das Niederreißen von kultischen und nationalen Grenzzäunen (also ein Thema, das eher in die Ekklesiologie gehört). Er wollte klarstellen, dass der Christusglaube alle Jünger zusammenbringt und somit die Beschneidungspraxis oder kultische Speisevorschriften die Gemeinschaft nicht weiter beeinträchtigen dürfen.

Westerholm stimmt dahin gehend zu, dass im Galaterbrief die Stellung der Werke entlang der Beschneidungsthematik diskutiert wird. Aber das, worauf Paulus letztlich abzielt, wenn er von den Gesetzeswerken spricht, kommt Luthers guten Werken näher als den Grenzmarkierungen Dunns. „Im Römerbrief wie im Galaterbrief gebraucht Paulus die ‚Werke des Gesetzes‘ (Röm 3,20a.28) austauschbar mit dem ‚Gesetz‘ (3,20b.21), um von dem Weg zur Gerechtigkeit zu sprechen, den er ablehnt und er zeigt weiter (wie im Galaterbrief), weshalb das Gesetz als solches nicht zum Segen Gottes führen kann“ (S. 79). Paulus beantwortet also nicht die Frage, ob Heidenchristen ohne Gesetzesobervanz Tischgemeinschaft mit den Judenchristen haben können, sondern zeigt, dass das Gesetz als Weg zur Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht taugt.

Vor dem letzten Kapitel, das die Ergebnisse der Untersuchung zusammenfasst, geht Westerholm noch kurz auf die apokalyptische Lesart des Neuseeländers Douglas Campbell ein (S. 87–94). In seinem 1200 Seiten umfassenden Werk Deliverance of God nimmt Campbell die traditionelle Rechtfertigungslehre, von ihm lieber als „Rechtfertigungstheorie“ bezeichnet, ins Visier. Für Campbell sind in ihr biblische Schlüsselbegriffe auf verhängnisvolle Weise fehlinterpretiert worden. Besonders die reformatorische Rechtfertigungslehre sei rationalistisch und individualistisch verengt und fördere mit ihren juridischen Kategorien Formen eines christlichen Faschismus. Campbell bemüht diesen Begriff nicht nur im allegorischen Sinn, sondern lässt die Anfrage gelten, ob nicht Auschwitz auch die Frucht einer reformatorisch interpretierten Glaubensrechtfertigung sein könne.

Bezug nehmend auf Einsichten der NPP, bemüht sich Campbell um eine rhetorisch-apokalyptische Neuinterpretation insbesondere des Römerbriefes. Sein Gegenentwurf hebt hervor, dass Rechtfertigung ein von Gott gewirktes völlig bedingungsloses Befreiungshandeln ist. Die so präsentierte Soteriologie kommt – wenig überraschend – dann auch ohne stellvertretende Sühne aus.

Das Buch von Stephen Westerholm habe ich mit großem Gewinn gelesen und kann es Anhängern wie Gegnern der Alten Paulusperspektive sowie Unentschiedenen ans Herz legen. Für Experten, die sich bereits in die Debatte vertieft haben, wird es wenig Neues bringen. Allerdings haben sich – so jedenfalls mein Erfahrungswert – nur wenige Christen eingehend mit der Alten Perspektive beschäftigt. Der Kreis jener, die mit den Neuen Perspektiven vertraut sind, dürfte so insbesondere in Deutschland überschaubar sein.

Die Auswirkungen der Verschiebung sind jedoch überall zu sehen. Es lässt sich, überzogen, aber nicht entstellend, auf folgende „Formel“ bringen: So, wie aus der Sicht der NPP die „Hauptsünde“ des jüdischen Volkes nicht die fehlende Liebe zu Gott, sondern die fehlende Wertschätzung der Schöpfung und der heidnischen Völker gewesen ist, erscheint heute die dürftig Weltgestaltung unter der Herrschaft des Königs Jesus als „Hauptsünde“ der Kirche. Dabei muss es – wie das Westerholm zeigt – diesen Dualismus gar nicht geben. Kirche, als mit Gott durch Jesus Christus versöhnte Gemeinschaft der Heiligen, lässt sich sehr wohl in die Weltverantwortung rufen. Sie weiß aber darum, dass es ihr wichtigster Auftrag ist, an Christi statt zur Versöhnung mit Gott aufzurufen (2Kor 5,20) und alle Völker zu Jüngern zu machen (Mt 18,20).

Schließen will ich mit einem Zitat von Simon Gathercole, der unter James Dunn seine Dissertation geschrieben hat und heute als Neutestamentler an der Universität in Cambridge lehrt. Er empfiehlt das Buch mit folgenden Worten: „Das Lesen von Stephen Westerholms Skizze der paulinischen Rechtfertigungslehre ist eine Pflicht und eine Freude. Dieser Band führt Studenten klar und elegant in das Thema ein. Und er wirft den Vertretern der Neuen Perspektive die Fehdehandschuhe vor. Wie werden sie antworten?“

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N.T. Wright

Jason Byassee hat für CT eine Titelstory über N.T. Wright geschrieben. Es mangelt nicht an Übertreibungen und Superlativen, z.B. wenn behauptet wird, N.T. Wright sei inzwischen bedeutsamer als Rudolf Bultmann. Natürlich ist er ein Genie. Sonderlich ist folgende Beobachtung: „Wenn Wright spricht, predigt oder schreibt, sagen die Leute, dass sie Jesus sehen; und ihr Leben wird transformiert.“ Ich vermute, der Schlusssatz ist unfreiwillig offenbarend. Dort schreibt Byassee nämlich:

Das Reich Gottes ist eindeutig dasjenige, was Wright in allem, was er tut, motiviert. Und wegen Wright’s eigener Treue zum Gott des Universums; und zu seiner geliebten Kirche auf Erden, motiviert es nun noch viele weitere Menschen.

Leider kommt zu kurz, dass nicht nur D.A. Carson & Co. die Neue Paulusperspektive kritisieren, sondern sich insgesamt im Blick auf die vielen neuen Perspektiven – übrigens aus exegetischen und methodischen Gründen – Ernüchterung breitmacht.

Der Artikel ist dennoch lesenswert.

Hier: www.christianitytoday.com.

Podiumsdiskussion mit N.T. Wright

Ich habe kürzlich auf die Tagung „Der gekreuzigte Messias“ mit N.T. Wright in der Schweiz hingewiesen. Die Podiumsdiskussion der Konferenz, in der es insbesondere um die Sühnetheologie, die Überbetonung des Exil- und Exodusmotives sowie die Israelfrage geht, kann hier nachgehört werden:

Die Rechtfertigungslehre von N.T. Wright

Justification2Die neue Ausgabe des CREDO-Magazins (Vol. 4, 1/2014) bringt einige sehr gute Beiträge zum Thema „Rechtfertigung“, unter anderem ein Gespräch mit Michael Horton, Brian Vickers, J.V. Fesko, Guy Waters, Korey Maas, and Philip Ryken.

Thomas Schreiner hat N.T. Wrights neues Paulusbuch besprochen und dabei auch die Frage der „Glaubensgerechtigkeit“ analysiert. Er bringt es gut auf den Punkt:

Wright’s statement about individual assurance raises another question. He insists rightly that justification isn’t a process. One doesn’t become more justified as time passes, and those who are justified are assured of final salvation. On the other hand, Wright also says that final justification is based on works. If final justification is based on works, then how can believers have assurance that they will be justified on the final day? Wright never answers or attempts to answer that question. I would suggest along with many others that it is better to conceive of works as the fruit or evidence of justification. Wright knows the distinction posited here but finds it to be unhelpful. Still, the language of basis should be rejected, for it suggests that works are the foundation of our right- standing with God, but how can that be the case if justification is by grace? And how can we truly have assurance if justification is based in part on works? Paul grounds justification on the death and resurrection of Jesus Christ. Just as Jesus was declared to be in the right at his resurrection, so too all those who are united with Christ by faith also stand in the right because they belong to the one who has been vindicated by God.

Das CREDO-Magazin kann hier heruntergeladen werden: Justification2.pdf.

Tagung mit N.T. Wright: Der gekreuzigte Messias

Die Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie, das Theologisches Seminar St. Chrischona und die Staatsunabhängige Theologische Hochschule Basel veranstalten in der Zeit vom 25.–27. Januar 2014 Studientage mit N.T. Wright in der Schweiz.

Auf einer dafür eingerichteten Internetseite schreibt Rainer Behrend zu N.T. Wright:

N.T. Wright ist gleichzeitig ein konservativer, innovativer und auch provokativer Theologe, dessen Gesamtwerk sich durch eine nicht oft zu findende, gut durchdachte erkenntnistheoretische Grundlage und eine fruchtbare Hermeneutik auszeichnet. Faszinierend ist dabei, wie sich seine Erkenntnistheorie und Hermeneutik in seiner exegetischen und theologischen Arbeit praktisch auswirken. So basiert z. B. der Grundaufbau seines großen Jesusbuches Jesus und der Sieg Gottes auf den weltanschaulichen Grundkategorien seiner Erkenntnistheorie. Es geht also um die Storys, die Praxis, die Symbole und die Fragen im Judentum z. Zt. Jesu und um Jesu Umgang mit diesen.

Wright liest die Bibel als dramatische Story in fünf Akten (Schöpfung, Fall, Israel, Jesus, Gemeinde). Er sieht den Anfang des 5. Aktes im NT beginnen. Die Rolle der Christenheit in der Zeit nach dem NT (also auch unsere heutige Rolle) sieht er darin, dass wir das begonnene Drama „weiterspielen“ (um in der Metapher zu bleiben), und dass uns dazu die Darstellung der fünf Akte in der Bibel als Autorität dienen. Diese Autorität definiert Wright in Analogie zur Autorität eines unvollständigen Shakespeare-Stückes, das erfahrenen Schauspielern gegeben wird, die es zu Ende spielen sollen: Sie müssen den Plot der ersten Akte verstehen und verinnerlichen, dürfen im letzten Akt nicht irgendetwas aufführen, was vor dem Hintergrund des Plots und der Charakterentwicklung der ersten Akte völlig unsinnig erscheint, aber sie dürfen im letzten Akt auch nicht immer nur einfach Wort für Wort Abschnitte aus den ersten Akten wiederholen. Es geht also um ein dynamisches Reagieren auf die Autorität Gottes, die er auf ganz verschiedene Weise durch die verschiedene Textgattungen der Bibel ausübt; es geht um die Autorität Gottes, die uns letztlich zu Akteuren in der Story Gottes mit der Welt macht.

Erfreulicherweise sollen auf dieser Veranstaltung auch Kritiker von N.T. Wrights Ansatz und der „Neuen Paulusperspektive“ zu Wort kommen. So ist geplant, dass Prof. Jacob Thiessen, der gerade die Publikation Gottes Gerechtigkeit und Evangelium im Römerbrief. Die Rechtfertigungslehre des Paulus im Vergleich zu antiken jüdischen Auffassungen und zur „Neuen Paulusperspektive“ für eine Veröffentlichung beim Peter Lang Verlag vorbereitet, an einer Podiumsdiskussion teilnimmt.

VD: WB

Moo kommentiert N.T. Wrights Paulinische Theologie

NewImageDer Neutestamentler Douglas Moo (Wheaton College, USA) hat N.T. Wrights neues voluminöses Werk über die Theologie des Paulus:

gelesen und für TGC rezensiert.

Hier ein Auszug:

God’s people are reconfigured around Messiah, who, by virtue of his faithfulness, accomplishes the task of rectifying the sin of Adam—a task first given to Abraham and one Abraham’s descendants failed to carry out. Paul’s reconfiguring of the Jewish concept of election is the way into his soteriology (912). Among the various elements of soteriology, Wright gives particular attention to justification: both because he views the juridical language of justification as “basic and nonnegotiable” (1039; incontrast to “subsidiary crater” views) and because it’s been controversial (e.g., the debate with John Piper). I strongly endorse Wright’s clear and convincing case for a strictly forensic sense of justification against those who would expand the concept to include transformation or (the more recent buzz word) “theosis” (956-59). Wright forthrightly argues a “Reformation-style” “faith alone” view of initial justification, claiming it’s the basis for our assurance and arguing the verdict announced now by faith will be confirmed on the last day (954-55; 1031-32). He also continues to stress a future justification that will be “according to the fullness of the life that has been led” (941; formally about “judgment,” but Wright clearly sees judgment and future justification as interchangeable) or “on the basis of the totality of the life led” (1028). I sympathize with Wright’s desire to accommodate the emphasis Paul puts on obedience, and I think he’s right to find a future aspect of justification in Paul. But little words are very important here; I agree future justification is “according to” the life lived but not “on the basis” of the life lived. I also continue to think Wright puts too much emphasis on the “covenant” side of justification at the expense of the forensic (he emphatically includes both in his view) and shifts the emphasis in Paul a bit by tying justification to the question of “How can we tell who are God’s people?” rather than “How can we become God’s people?”

Wright’s treatment of Paul’s eschatology is in keeping with his concern to read the apostle in terms of the Old Testament/Jewish “story.” He therefore stresses again the “return to Zion” theme and focuses special attention on Israel’s role in the eschaton, devoting more than a hundred pages to a careful, step-by-step interpretation of Romans 9-11 (1156-1258). In addition to a lot of good exegesis, there’s much to like here. Noting the climactic nature of 10:1-13 for the whole section, with its clear claim that salvation is tied to Christ, Wright convincingly rebuts the “two-covenant,” “post-supercessionist” reading that’s gaining currencytoday: “A moment’s reflection on the central passage 10:5-13, with its statement about Jesus and about faith and salvation, will reveal that it is straightforwardly impossible to read Romans 9-11 as anything other than a statement firmly and deeply grounded in christology (in the sense of Paul’s belief about the Messiah)” (1163). Much of Wright’s energy is directed toward defending his controversial claim that “Israel” in 11:26 refers to all Messiah’s people; and, while I am not convinced, I can identify with Wright’s admission to considerable wrestling over these chapters and acknowledge the strength of the case he makes.

Es freut mich, dass Wright (laut Moo) diesmal klarer zum Thema „Glaubensgerechtigkeit“ Stellung genommen hat. Es überrascht, dass er sich erneut für eine futuristische Rechtfertigung „nach der Fülle des Lebens, das geführt worden ist“ oder „auf der Grundlage der Gesamtheit des gelebten Lebens“, ausspricht. Wie in den Kommentaren zur Buchbesprechung vermerkt, distanzierte sich Wrigth auf der ETS Jahreskonferenz 2010 von seiner eigenen Formulierung: „Rechtfertigung auf Grundlage des Lebens“. Da nun eine ähnliche Formulierung in seinem Opus magnum zu finden ist, werden die Diskussionen weitergehen.

Hier die vollständige Rezension: thegospelcoalition.org.

N.T. Wright stellt sein Magnum Opus zu Paulus vor

Mike Bird hat mit N.T. Wright über sein großes Paulusbuch Paul and the Faithfulness of God gesprochen. Das Werk mit über 1800 Seiten wird in Europa im Oktober 2013 erscheinen.

Gegen Ende des Gesprächs fragt Mike nach der paulinischen Rechtfertigungslehre. Wright’s Antwort ist konsistent mit dem, was er anderswo dazu gesagt hat. Er schätz die Dinge ganz gut ein: „I have reframed those topics.“

Hier geht’s zum Video: www.youtube.com.

VD: DB

N.T. Wright: Wie Gott König wurde

201204120533.jpgIn seinem neusten Buch How God Became King: The Forgotten Story of the Gospels votiert N.T. Wright für ein radikales Überdenken des Evangeliums. „Seit Jahren habe ich zunehmend den Eindruck, dass der Großteil der westlichen christlichen Tradition einfach vergessen hat, was die Evangelien sind“ (S. vii), schreibt er in dem für ihn charakteristisch selbstsicheren Stil. Wo liegt das Problem? Während die Glaubensbekenntnisse den Schwerpunkt darauf legen, dass Jesus Gott ist, zeigen die Evangelien, wie Gott König wird (vgl. S. 20). Es gilt, die politische Dimension des Evangeliums zu entdecken. Wright wird sehr politisch. Warum mussten wir bloß 2000 Jahre warten, bis endlich jemand erklärt, wie das Evangelium zu verstehen ist?

Matthew Barrett und Michael A.G. Haykin schreiben in ihrer Rezension:

God’s kingdom is not only in heaven but on earth. Therefore, Christianity cannot be just a religion. At the climax of his argument is this simple truth: first-century Jews would have balked at the separation of church and state. Consequently, though this is a word many fear, Wright believes we need to resurrect the word theocracy if we are to make proper sense of the Gospels and the reign of King Jesus on earth. Wright says, “It is, of course, the absence of any equivalent to Temple or Torah in our contemporary culture that makes our own way of posing the political questions so very different from those of the Jews of Jesus’s day” (173). And again, “Theocracy, a genuine Israel-style theocracy, will occur only when the other ‘lords’ have been overthrown” (206). A “new empire,” a “new theocracy” has been inaugurated that trumps Caesar’s empire. Exactly what this theocracy should look like, however, is undefined. Wright is clear, however, that it has no barriers between church and state and no government that bears the sword. But the divine right of rulers is reinstated.

In other words, for Wright the cross is not so much about vicarious substitution for the forgiveness of sins but bringing to earth social justice and a new and improved political agenda. “Those who are put right with God through the cross are to be putting-right people for the world. … From this there flows both a new missiology, including an integrated political theology, and the new ecclesiology that will be needed to support it, a community whose very heart will be forgiveness” (244). However, the NT never advocates such an “integrated political theology” supported by the church. To the contrary, the primary application of the cross is about “how to have your sins forgiven” (Acts 2:38). The gospel Christians proclaim to the nations is not a political one, but a message of salvation for sinners (Mark 16:15).

To conclude, Wright does a lot of blaming. The early church fathers, the orthodox creeds, evangelicals, democracy, Western Christianity, and others all get blamed for messing up Jesus. But fear not, Wright has come to the rescue after 2,000 years of misunderstanding and butchering Jesus to show us the true meaning of the life of Jesus that we have all missed. One begins to get the feeling by the end of the book that in Wright’s mind, everyone else has got it wrong. However, as this review has briefly sought to demonstrate, Wright’s way of looking at Jesus and the kingdom is not so much a return to the biblical text but the agenda of an Anglican churchman seeking to apply a political theology to the Gospel narratives.

Hier: thegospelcoalition.org.

Die ferne Vision des N.T. Wright

Mark Seifrid kritisiert in der aktuellen Ausgabe des JETS die Rechtfertigungslehre von N.T. Wright scharf. Luther habe seit seiner reformatorischen Entdeckung das Rechtfertigungsverständnis zurückgewiesen, welches Wright vertritt. Wright steht für Seifrid in der Tradition des Tridentinums (1545– 1563).

As Wright’s recent work again makes clear, his vision of justification is predicated on a confusion of »faith« and »faithfulness.« On the one hand, Wright is able to speak in relatively traditional terms of Abraham’s faith as »the sign of a genuine humanity, responding out of total human weakness and helplessness to the grace and power of God.« On the other hand, he immediately follows this description with the assertion that: »›faithfulness‹ has all along (so it seems) been the thing that God requires from his people.« The divine plan »has been fulfilled by the Messiah’s faithfulness (pistis),« so that »the badge of the covenant people from then on will be the same: pistis, faith, confessing that Jesus is Lord. Faith of this sort is the true-Israel, true-human sign, the badge of God’s redeemed people.« Questions naturally arise out of this confusion. Is faith to be equated with faithfulness? If »faith« is to be equated with »faithfulness,« shall we say that we are »justified by faithfulness«? If so, how much »faithfulness« is necessary for us to be justified at the final judgment? It is hard to see any difference between Wright’s correlation of »faith« and »faithfulness« and the Thomistic and Tridentine emphasis on »faith formed by love« (fides caritate formata) that finally saves, in contrast to »unformed faith« (fides informis).

In joining »faith« to »faithfulness« Wright construes faith as fundamentally active. For this reason, »faith« for him serves as a »sign,« »emblem,« or »badge,« a visible mark of the Christian. Precisely here Wright sets himself at odds with the apostle, for whom faith remains fundamentally passive and hidden, even though it is operative in the whole of life. God alone sees the hidden Jew and the circumeision of the heart (Rom 2:29). The obedience of faith is an obedience of reeeption that no longer seeks to secure life and righteousness by Performance, but simply grasps the divine word that announces the Christ who is present in the Gospel. All distance between God and the human being, between our present state and final justification, has been spanned by the crueified and risen Lord. Ironically, in his active coneeption of faith that sets distance between the human being and God, Wright meets his bete noire, Rudolf Bultmann. While Bultmann internalizes faith in existential decision, Wright externalizes it in the outward badge of faith(fulness). For Paul, faith is God’s creation. Both Wright and Bultmann turn faith into a moral demand that must be actualized, and thereby lose God’s absolute, unqualified gift of himself to us in Christ. Consequently, neither of them has a taste for the cross as a »great pleasure of our existence.«

Der Artikel »The Near Word of Christ and the Distant Vision of N.T. Wright« (JETS, Vol. 54, No. 2) wird in Kürze hier für einige Monate einsehbar sein.

Marcus Borg und sein erwachsener Glaube

N.T. Wright, der zusammen mit seinem Freund Marcus Borg ein Buch herausgegeben hat, verblüffte im Jahr 2006 in einem Interview die Öffentlichkeit mit der Bemerkung:

Marcus Borg glaubt tatsächlich nicht, dass Jesus Christus leiblich vom Tod auferstanden ist. Ich kenne Marcus gut. Er liebt Jesus und glaubt leidenschaftlich an ihn. Die philosophische und kulturelle Welt, in der er groß geworden ist, hat es ihm sehr sehr schwer gemacht, an die leibliche Auferstehung zu glauben.

Um die Dinge klar beim Namen zu nennen: Marcus Borg glaubt nicht an den Jesus von Nazareth, der von den Toten auferstanden ist. Für Borg ist der nachösterliche Jesus eine Metapher, ein Bild, das uns hilft, spirituelle Veränderungsprozesse zu durchlaufen. Tod, Auferstehung und Wiedergeburt sind christliche Symbole für religiöse Transformationen, wie es sie in vielen Religionen gibt. Borg (Heute Christ sein: Den Glauben wieder entdecken, Düsseldorf: Patmos Verlag, 2005, S. 126):

Dieser Prozess der persönlichen spirituellen Verwandlung – was wir Christen Wiedergeburt nennen, mit Christus sterben und auferstehen, Leben im Geist – ist also wesentlich für die Weltreligionen. Um das zur Beteuerung des Johannes, dass Jesus »der Weg« ist, in Beziehung zu setzen: Der Weg, den Jesus verkörpert, ist ein universeller Weg, kein exklusiver Weg. Jesus ist die Verkörperung, die Fleischwerdung des Pfades der Veränderung, wie ihn die Religionen kennen, die die Zeit überdauert haben.

Diese Gemeinsamkeit zwischen dem Weg Jesu und den Wegen der Weltreligionen erscheint manchen Christen beunruhigend angesichts der Geschichte unserer Vorstellung von Jesus als »dem einzigen Weg«. Aber die Gemeinsamkeit ist ein Grund zur Freude, nicht zur Sorge. Es bedeutet nicht nur, um auf eine Aussage in der Apostelgeschichte anzuspielen, dass der Geist auch auf Muslime, Buddhisten, Juden, Hindus … ausgegossen wurde, sondern es verleiht auch dem Christentum mehr Glaubwürdigkeit. Wenn der christliche Pfad als absolut einzigartig gesehen wird, ist das fragwürdig. Wenn jedoch Jesus als die Verkörperung eines universellen Pfades gesehen wird, über den auch anderswo gesprochen wird, dann erhält der Pfad, den wir in ihm erkennen, große Glaubwürdigkeit.

Hier ein kurzes Skript zum Osterverständnis von Marcus Borg, das ich 2009 schon mal im Blog verlinkt habe: marcusborg.pdf

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