Marcus Borg und sein erwachsener Glaube

N.T. Wright, der zusammen mit seinem Freund Marcus Borg ein Buch herausgegeben hat, verblüffte im Jahr 2006 in einem Interview die Öffentlichkeit mit der Bemerkung:

Marcus Borg glaubt tatsächlich nicht, dass Jesus Christus leiblich vom Tod auferstanden ist. Ich kenne Marcus gut. Er liebt Jesus und glaubt leidenschaftlich an ihn. Die philosophische und kulturelle Welt, in der er groß geworden ist, hat es ihm sehr sehr schwer gemacht, an die leibliche Auferstehung zu glauben.

Um die Dinge klar beim Namen zu nennen: Marcus Borg glaubt nicht an den Jesus von Nazareth, der von den Toten auferstanden ist. Für Borg ist der nachösterliche Jesus eine Metapher, ein Bild, das uns hilft, spirituelle Veränderungsprozesse zu durchlaufen. Tod, Auferstehung und Wiedergeburt sind christliche Symbole für religiöse Transformationen, wie es sie in vielen Religionen gibt. Borg (Heute Christ sein: Den Glauben wieder entdecken, Düsseldorf: Patmos Verlag, 2005, S. 126):

Dieser Prozess der persönlichen spirituellen Verwandlung – was wir Christen Wiedergeburt nennen, mit Christus sterben und auferstehen, Leben im Geist – ist also wesentlich für die Weltreligionen. Um das zur Beteuerung des Johannes, dass Jesus »der Weg« ist, in Beziehung zu setzen: Der Weg, den Jesus verkörpert, ist ein universeller Weg, kein exklusiver Weg. Jesus ist die Verkörperung, die Fleischwerdung des Pfades der Veränderung, wie ihn die Religionen kennen, die die Zeit überdauert haben.

Diese Gemeinsamkeit zwischen dem Weg Jesu und den Wegen der Weltreligionen erscheint manchen Christen beunruhigend angesichts der Geschichte unserer Vorstellung von Jesus als »dem einzigen Weg«. Aber die Gemeinsamkeit ist ein Grund zur Freude, nicht zur Sorge. Es bedeutet nicht nur, um auf eine Aussage in der Apostelgeschichte anzuspielen, dass der Geist auch auf Muslime, Buddhisten, Juden, Hindus … ausgegossen wurde, sondern es verleiht auch dem Christentum mehr Glaubwürdigkeit. Wenn der christliche Pfad als absolut einzigartig gesehen wird, ist das fragwürdig. Wenn jedoch Jesus als die Verkörperung eines universellen Pfades gesehen wird, über den auch anderswo gesprochen wird, dann erhält der Pfad, den wir in ihm erkennen, große Glaubwürdigkeit.

Hier ein kurzes Skript zum Osterverständnis von Marcus Borg, das ich 2009 schon mal im Blog verlinkt habe: marcusborg.pdf

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9 Kommentare
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13 Jahre zuvor

Mir fehlt die Kritik an Borg. Stattdessen wird sein Glaubensverständnis fast unkommentiert wiedergegeben…schade

13 Jahre zuvor

Ich habe gerade erst vor einigen Wochen Wrights „The Resurrection of the Son of God“ gelesen und kann mich einfach nicht genügend hineindenken in Leute wie Borg: Hochbrilliant … – und hochverdünnt, was sie noch an christlichem Glauben zu sich nehmen. Keine Ahnung, wie man davon leben kann.

13 Jahre zuvor

Brillant im Sinn von hochintelligent – was wohl Voraussetzung für einen Wissenschaftler dieses Formats ist. Seine Arbeiten selbst kenne ich leider noch nicht. Vielleicht wird mir das zum Verständnis helfen? Oder es sogar noch mindern? Deine Frage ist wirklich gut: „Wie harmonisiert NTW das mit seinem Worldview-Anspruch? Anders gefragt: Wie kann jemand leidenschaftlich an Jesus glauben, der selbst gar nicht an einen lebendigen Jesus glaubt und außerdem sowieso Emanation Gottes ist?“ Könnte man ihn mal fragen. Ich denke, Wright würde sagen, dass der Worldview eigentlich nicht konsistent christlich sein kann, da er elementare „basic beliefs“ vermissen lässt. Sprich: Wenn man Borgs worldview konsequent analysiert, dann findet man hinter basic beliefs, story, answers, praxis, symbols… einen anderen worldview. Problem ist nur, dass manchmal beispielsweise die Praxis nicht unbedingt _passend_ zum motivierenden Worldview ist: Leute können beten und gleichzeitig nicht an Gott glauben. Das heißt – sie können es eigentlich gerade _nicht_, aber sie tuns. So scheint’s auch bei Borg zu sein:… Weiterlesen »

13 Jahre zuvor

Die entscheidende Frage ist eben: Was ist das, was einen Menschen zum Christen macht?

Wright würde sagen: Der Glaube, dass der auferstandene Jesus Christus Herr ist.

Und diesen würde er Borg vermutlich nicht absprechen – auch wenn er ganz grundsätzliche andere Vorstellungen davon hat, was unter diesem Auferstandenen zu verstehen ist…

Man kann da natürlich zurückfragen, ob dieses Herr-Sein tatsächlich das Entscheidende ist. Aber selbst wenn: Dann würde mich doch interessieren, ob man dieses „Herr-Sein“ inhaltlich füllen kann, wie man (und Borg) will, oder ob damit doch ein fester Inhalt verbunden ist…

13 Jahre zuvor

Ach ja:
Ist zwar jetzt nicht mehr der aktuellste Blog-Beitrag, nur am Rande damit inhaltlich verbunden und obendrein ist auch etwas spät, aber Wright ist Freitag und Samstag in Marburg zu hören:

http://www.gesellschaftstransformation.de/studientag.html

Vllt. gibt’s ja doch den ein oder anderen Kurzentschlossenen, der davon noch nicht wusste…

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