Rezensionen

Why does God care who I sleep with? 

Joseph McMahon hat für Evangelium21 das Buch Why does God care who I sleep with? rezensiert. In dem Buch wagt Sam Allberry den Dialog mit der Kultur der sexuellen Freizügigkeit und votiert für eine biblische Sicht auf die menschliche Geschlechtlichkeit. 

Joseph McMahon schreibt: 

Allberry gelingt es nicht nur, die biblische Sicht auf das Thema Sexualität präzise auf den Punkt zu bringen – er wagt auch den Dialog mit der sexuellen Freizügigkeit unserer Zeit. Dabei zeigt er zwei Dinge auf: Sexuelle Freizügigkeit ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern etwas, das es schon zur Zeit des Neuen Testaments gab. Und: Echte sexuelle Freizügigkeit existiert überhaupt nicht. Dieser Dialog stellt eine besondere Stärke seines Buches dar. Er bildet den Anknüpfungspunkt für jeden Leser und führt zur Beantwortung der Kernfrage: „Warum interessiert es Gott, mit wem ich schlafe?“

In seiner Auseinandersetzung mit der Sexualethik unserer Kultur widerlegt Allberry den Mythos der sexuellen Freizügigkeit, indem er aufzeigt, dass alle Menschen Grenzen sowohl für ihre eigene Sexualität wie auch für die Sexualität von anderen Menschen intuitiv festlegen. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung analysiert er auch die Sexualethik der Antike. Die sexuelle Freizügigkeit der Antike wie auch der Moderne versprechen sexuelle Erfüllung, halten das Versprechen aber nicht ein, argumentiert Alberry überzeugend. Diesem unerfüllten Versprechen stellt Allberry die biblische Sicht auf das Thema Sexualität gegenüber. Dabei macht er deutlich, dass das, was Gottes Wort über dieses Thema sagt, revolutionär ist. Durch dieses Vorgehen holt er den Leser sehr gut ab. Er schafft es, den Leser neugierig zu machen, was Gottes Wort über Sexualität zu sagen hat um die Neugierde anschließend zu stillen.

Mehr hier: www.evangelium21.net.

Für welche Lehrmeinungen sollen wir wirklich kämpfen?

Ortlund Finding the right hills jpgWie gehen wir richtig mit unterschiedlichen theologischen Lehrmeinungen um? Für welche Lehren lohnt es sich zu kämpfen? Auf diese Fragen geht Gavin Ortlund in einem neuen Buch ein. Timon Kubsch hat das Buch Finding the Right Hills to Die On rezensiert und schreibt: 

Dieses kleine Buch mit seinen gerade einmal 152 Seiten leistet einen wichtigen Dienst. Ortlund spricht ein Thema an, dass wohl für alle Christen und für jede Gemeinde relevant ist: Wie gehen wir mit unterschiedlichen theologischen Meinungen um? Dabei schafft er es, durch die demütige Anwendung der theologischen Triage eine gute Mitte zu finden. Er betont einerseits die Wichtigkeit der Einheit unter Christen, indem er deutlich macht, dass es nicht nur darum geht, für die Wahrheit zu kämpfen, sondern auch darum, wie wir kämpfen. Andererseits macht er deutlich, dass niemandem geholfen ist, wenn wir theologische Differenzen ignorieren oder unter den Teppich kehren. Dadurch kann keine echte Einheit entstehen. Ortlund bietet mit diesem Buch keine einfachen oder allgemeingültigen Lösungen für spezifische Lehrstreitigkeiten, vielmehr bringt er den Leser zum Nachdenken darüber, wie er selbst mit theologischen Meinungsunterschieden umgehen sollte. Es ist ein Buch, dass nicht für Akademiker, sondern für jeden Christen geschrieben wurde, dem die gesunde Lehre und die Einheit der Gemeinde am Herzen liegt. Dementsprechend ist das Englisch auch gut verständlich. Ich kann dieses Buch daher jedem wärmstens ans Herz legen, der sich von der englischen Sprache nicht abschrecken lässt. Es bietet wichtige Impulse zum Weiterdenken.

Die vollständige Rezension gibt es hier: www.evangelium21.net.

Rob Bell – der Mann ohne Geheimnisse

41Dk+yk9R3L SX311 BO1 204 203 200Wieder einmal habe ich mir ein Buch von Rob Bell besorgt, da ich vorhatte, eine Besprechung über Die Bibel – faszinierend, einzigartig und voller Geheimnisse zu verfassen.

Daraus wird nun aber nichts. Das Buch ist derartig platt und blutleer, dass ich meine Zeit mit nützlicheren Dingen verbringen werde. Geschrieben ist es – kaum überraschend und sowas von durchsichtig – nach dem Motto: „Gott hat gesprochen; macht mit der Heiligen Schrift, was ihr wollt.“ Postmoderne Hermeneutik – leicht verständlich.

Ein Beispiel soll genügen:

Jesus sagt seinen Jüngern einmal, was sie binden werden, wird gebunden, und was sie lösen werden, wird gelöst sein.

Wovon redet er da?

Binden und Lösen – das war eine im ersten Jahrhundert übliche Weise, um über Interpretation zu sprechen. Jesus fordert seine Nachfolger auf, dass sie jetzt selbst entscheiden sollen, wie sie die Bibel interpretieren.

Es ist, als wollte er sagen:

Ihr habt gesehen, wie ich es mache.
Jetzt seid ihr dran.

Findet raus, was es bedeutet, den Worten Fleisch und Blut zu verleihen.

An eurem Ort,
in eurer Zeit,
in eurer Welt,
findet es raus.

Einmal sagt er, das sei so, wie wenn jemand aus seinem Vorratslager immer neue Schätze birgt.

Wie in:

Du kratzt gerade erst an der Oberfläche.
Da steckt noch so viel mehr drin.
Du bist gerade erst am Anfang.

Einmal sagt er sogar:
Ihr werdet Größeres tun als dies.

Klare Empfehlung: Spart euch diesen Kauf!

Der Glaube an Gott im säkularen Zeitalter

Nachfolgend eine Rezension zu dem Buch (zuerst erschienen in Glauben und Denken heute, 1/2020, Nr. 25, S. 69–71):

  • Gerhard Kardinal Müller. Der Glaube an Gott im säkularen Zeitalter. Freiburg, Basel u. Wien: Verlag Herder, 2020. 495 S., 58,00 Euro.


Gerhard Kardinal Müller, von 1982 bis 2002 Professor für Dogmatik an der Universität München, von 2002 bis 2012 Bischof von Regensburg und von 2012 bis 2017 Präfekt der Kongregation für Glaubenslehre, ist einer der bedeutendsten katholischen Denker der Gegenwart. Viele nicht-katholische Theologen kennen ihn durch seine Dogmatik, die inzwischen in zehn Auflagen bei Herder erschienen und in mehrere Sprachen übersetzt worden ist. Der kürzlich verstorbene Neutestamentler Klaus Berger, der übrigens nach eigener Aussage bis 1995 kein Lehrbuch der Systematischen Theologie besessen hat, bezeichnete das Lehrwerk als „ein didaktisch gelungenes Buch“ mit „gediegenen Informationen, die stets das Wesentliche bieten“ (FAZ, 12.04.1995, Nr. 87, S. 11). Ich greife genau aus diesen Gründen gern auf das kompakte Lehrbuch zurück. Entsprechend groß waren meine Erwartungen, als ich mit der Lektüre von Der Glaube an Gott im säkularen Zeitalter begonnen habe.

Der Band geht auf Vorlesungen sowie frühere Beiträge, die aktualisiert wurden, zurück. Auf Einladung der Katholischen Universität Lublin in Polen unterrichtete Kardinal Müller vom 7. bis 21. Oktober 2018 für Hörer aller Fakultäten. Viele Studenten und Professoren erbaten im Anschluss die hier besprochene Veröffentlichung, die übrigens nicht als systematisches Lehrbuch oder geschlossene Monographie verstanden werden darf (vgl. S. 19–20). In einer Zeit, in der der Glaube nur noch ein Angebot unter anderen ist, möchte Müller zu zentralen Fragen und neuralgischen Punkten Stellung nehmen. Er schreibt dabei auch als Seelsorger, der die Fragen und Nöte der Menschen kennt (vgl. S. 22).

Müller trägt seine Apologetik auf der Grundlage der katholischen Gnaden- und Erkenntnislehre vor, wie wir sie eingängig etwa bei Thomas von Aquin finden. Er steht methodisch also in der Schuld Aristoteles’, dessen Philosophie „ihrem Wesen nach nicht heidnisch, also vom Götterglauben durchdrungen, sondern vernünftig und darum geeignet“ ist, „sich argumentativ mit der durch die Vernunft erfassten Wirklichkeit von Mensch, Welt und Gott auseinanderzusetzen“ (S. 291).

Da der thomistische Ansatz bei der Behandlung konkreter Sachverhalte vorausgesetzt wird, sei er kurz skizziert: Unser Wissen von Gott kann nicht aus der Gottesidee logisch deduziert und damit rationalisiert werden. Wir können uns aber durch die Vernunft der Existenz Gottes versichern und sie vermittels seiner Wirkungen argumentativ darstellen, wenn er sich „im ‚Gleichnis des Seins‘ durch die Werke der Schöpfung (Röm 1,10 [vermutlich Röm 1,20, Anm. R. K.]) und im Urteilsspruch des Gewissens (Röm 2,16 [vermutlich Röm 2,15, Anm. R. K.])“ kundtut, ohne „dass er sein Wesen und Sein kund macht, so dass er mittels der Begriffsbildung unter die Herrschaft einer endlichen Vernunft geraten und somit verdinglicht werden könnte“ (S. 62–63). „Dem Glauben des Menschen an Gott geht die Liebe Gottes zu ihm voraus, die unser Herz öffnet und den Geist empfänglich macht, so dass der Glaube an Gott im Menschen nichts weniger als die antwortetende Liebe ist“ (S. 64). Der Mensch erkennt den sich offenbarenden Gott nicht „kraft des eigenen Lichts seines natürlichen Denkvermögens (lumen naturale), sondern durch das eingegossene Licht des Glaubens (lumen fidei)“ (S. 64). Wir Menschen können also mit der Vernunft die Welt denkend erkennen und durchdringen. Gotteserkenntnis braucht hingegen die Unterstützung von „Gnade und Offenbarung“, die quasi die natürliche Reichweite unendlich steigert (vgl. S. 64). Die Aufgabe der Theologie ist es, die „innere Vernünftigkeit aufzuzeigen, die sich aus der Selbstmitteilung Gottes als ‚Gnade und Wahrheit‘ (Joh 1,17) ergibt, um zum rechten Handeln in Kirche und Welt anzuleiten“ (S. 65). Versuche, den Glauben rationalistisch, also mit der natürlichen Vernunft begründen zu wollen, bedeuteten nur, den christlichen Glauben „dem Spott der Ungläubigen auszusetzen“ (S. 65–66). „Der Glaubende ist gehalten, jedem der nach dem Logos des Glaubens fragt (1Petr 3,15), eine rationale Antwort (= Apo-Logia) zu geben und Schwierigkeiten seiner freien Annahme zu überwinden. Der Glaube bleibt aber frei und kann nicht durch Vernunftgründe logisch erzwungen werden oder rationalistisch ad absurdum geführt werden. Der theologale Glaube ist von Seiten Gottes ein Geschenk seiner Gnade; aber von Seiten des Menschen eine Sache des freien Willens – credere est voluntatis“ (S. 289). Die natürliche Vernunft erkennt maximal, dass Gott ist. Wer Gott ist, kann aus dem Seienden nicht erschlossen werden. Kardinal Müller beruft sich hier auf Gedanken, die Dietrich Bonhoeffer in seiner Habilitationsschrift Akt und Sein (1931) geäußert hat: „Einen Gott, den ‚es gibt‘, gibt es nicht; Gott ‚ist‘ im Person-bezug, und das Sein ist sein Personsein“ (S. 67–68). Die Offenbarung Gottes durch Jesus Christus in seinem Wort geht über die Wirkungen der Schöpfung hinaus und vermittelt uns Menschen diese personale Beziehung zu Gott dank der inneren Kraft des Heiligen Geistes (vgl. S. 67).

Von diesen Voraussetzungen ausgehend nähert sich Müller nun den verschiedenen Anfragen, mit denen der christliche Glauben im säkularen Zeitalter konfrontiert wird. Wenn er vom säkularen Zeitalter spricht, dann bezieht er sich vor allem auf die Analyse des kanadischen Philosophen Charles Taylor, nach der der Glaube nicht mehr die alles bestimmende Wirklichkeit, sondern nur eine Option ist.1 „Gott darf im öffentlichen Leben, im Staat und allen Kulturinstitutionen, den Wissenschaften, dem öffentlichen Recht, der Moral, der Wirtschaft und Politik, der Schule und Erziehung, der Kunst und Literatur nicht mehr vorkommen. Er gilt nicht mehr fraglos als gemeinsamer Bezugspunkt der Wirklichkeitserschließung und Lebensbewältigung“ (S. 96).

Kardinal Müller erörtert insgesamt 20 Themen. Der Band wird mit einem Beitrag über Polen, ein Land, das die Freiheit liebt und einen christlichen Humanismus hervorgebracht hat, eröffnet. Es folgen Kapitel über die Gotteslehre, die kirchliche Tradition, die Selbstsäkularisierung des Christentums, Glaube und Vernunft, die Dreieinigkeitslehre, die Theodizee und so fort. Er kritisiert Atheismus, Posthumanismus, Relativismus und die Genderideologie. Stellenweise deckt der Kardinal den totalitären Anspruch atheistischer oder positivistischer Strömungen rigoros auf: „Gegenwärtig erleben wir im ‚Westen‘ eine neue Phase der De-Christianisierung von Gesellschaft, Kultur, der Wissenschaften, Erziehung und den Medien. Sie wird vorangetrieben durch demokratisch nicht legitimierte überstaatliche Organisationen“ (S. 371). Gleich anschließend schreibt er:

Der nihilistische Atheismus hat unübersehbare Konsequenzen für das im Glauben an Gott den Schöpfer und Erlöser gründende christliche Menschenbild. Wo er sich als Staatsideologie und in kämpferischen Atheistenclubs unter den [sic!] Slogan ‚Religion ist Privatsache‘ die Vernichtung der Kirche Christi oder ihre Marginalisierung zum erklärten Ziel gesetzt hat, bewirbt er sich als neuer selbsterlöserischer Humanismus im Namen von Vernunft und Wissenschaft, Freiheit und Fortschritt in der Technik. Sein Ziel ist die restlose Kontrolle über die Natur und die Gesellschaft und über die Sprache und die innersten Gedanken und das Gewissen jedes einzelnen und aller Menschen. Wir stehen in einer totalen Gesinnungsdiktatur, wie sie die Welt noch nicht kannte oder lückenlos durchsetzen konnte. (S. 372)

Stark ist sein Verweis auf das Selbstmissverständnis, dass jede Theologie oder Epoche der Theologiegeschichte „sich der jeweils vorherrschenden philosophischen Richtung oder einem Systemdenker kritiklos“ anschließt (S. 310). Der Mahnung, dass ein Theologe die Welt in Kultur und Wissenschaft nicht sich selbst als „Raum des Unglaubens und der Gottlosigkeit“ überlassen darf, werden viele christliche Sozialethiker gern zustimmen (S. 366). Brillant auch die – aus seiner Sicht von Thomas herkommende – Überzeugung, dass nicht nur konkrete Evidenzen säkularen Denkens beantwortet werden müssen, sondern auch ihre Entstehungszusammenhänge auszuloten sind: Die Theologie „muss vielmehr die soziologischen und intellektuellen Bedingungen des Geisteslebens der modernen Welt in den Blick nehmen, um aus ihnen heraus den Zugang zur Tatsache der Selbsterschließung Gottes in Jesus Christus als das Heil jedes Menschen offenzuhalten. (S. 368)

Wer das Buch Der Glaube an Gott im säkularen Zeitalter genau liest, wird freilich schnell merken, dass der Titel eigentlich für „Der katholische Glaube an Gott im säkularen Zeitalter“ steht. Die vorgetragene Apologetik richtet sich nämlich nicht nur gegen gottlose Denkwege, sondern fernerhin gegen die Theologie der Reformation. Das folgende Zitat ist dafür programmatisch:

Die reformatorischen Formal- und Materialprinzipien (solus Christus, sola fide et gratia, sola scriptura) erfassen das Gott-Menschverhältnis dialektisch als eine Widerspruchs-Einheit auf [sic.]. Die katholische Theologie geht von einer analogen Vermittlung aus, so dass Vernunft und Glaube, Natur und Gnade, menschliche Empfänglichkeit und göttliche Gabe eher als Synthese gedacht werden, die in der Annahme der menschlichen Natur durch das göttliche Wort ihr tragendes Fundament und das Prinzip ihres Erkenntniswerdens hat. Die Analogia entis ist die Voraussetzung der Analogia fidei. Daraus ergibt sich das katholische et-et; aber in der unumkehrbaren Reihenfolge: Christus und die Kirche, Glaube und Vernunft, Gnade und Sakramente, Gottesliebe und Nächstenliebe (gute Werke). (S. 402)

Die Apologetik der katholischen Theologie blitzt da auf, wo Gerhard Müller die Heiligenverehrung verteidigt (S. 58) oder unter Berufung auf Stefan Zweig dem Genfer Reformator Johannes Calvin vorwirft, die grausame Hinrichtung des Miguel Serveto betrieben zu haben (vgl. S. 36–37). Müllers Sicht auf Calvin verwundert, hat doch die Forschung bereits vor vielen Jahren nachgewiesen, dass Zweig Castellio gegen Calvin in agitatorischer Absicht verfasste und Calvin nicht der Hauptverantwortliche für die Hinrichtung von Serveto war.2

Die weitreichende Differenz zwischen katholischer und protestantischer Apologetik tritt vor allem dort offen zutage, wo Müller herausstreicht, dass nach katholischer Ursündenlehre die Fähigkeiten der natürlichen Vernunft nicht gravierend betroffen sind, auch nicht im Blick auf den theologischen Horizont der Ontologie, also „der Erkenntnis der Existenz Gottes durch die natürliche Vernunft“ (S. 312). Hier grenzt er sich drastisch von der reformatorischen Erkenntnislehre ab, nach der die menschliche Vernunft keinen Weg zu Gott findet, da sie selbst erlösungsbedürftig ist. Reformatorische Theologie deutet den Menschen nicht als ein Geschöpf, das seinen Schöpfer sehnsüchtig sucht und ihn hören will (vgl. dagegen S. 74), sondern als „Feind Gottes“ (Röm 5,10; Kol 1,21; Eph 2,16) und „Gotthasser“ (Röm 1,30). Der Mensch lebt im Stand der Sünde eben nicht im neutralen Raum auf die Gnade wartend, sondern im aktiven Widerspruch gegen Gott. Es braucht einen göttlichen Eingriff, der ihn in die Krise stürzt und zugleich zu neuem Leben erweckt.

Gerhard Kardinal Müller hat mit Der Glaube an Gott im säkularen Zeitalter einen respektablen Sammelband zur Fundamentaltheologie vorgelegt. Er formuliert seine Argumente erwartungsgemäß präzise und glänzt stellenweise mit seiner Kritik des Zeitgeistes. Dass er als ehemaliger Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre ein durch und durch katholisches Buch geschrieben hat, wird ihm niemand vorwerfen. Vor allem katholische Christen werden daher gern auf das Buch zurückgreifen. Protestanten können von der Lektüre ebenfalls profitieren, da es solide und aktuell in die konfessionelle Fundamentaltheologie einführt und die Unterschiede zwischen thomistischer und reformatorischer Verteidigung des Glaubens veranschaulicht.

Hat Augustinus die abendländische „Ursünde“ erfunden?

Wilson AugustinusMit Interesse habe ich das Buch War Augustin der erste Calvinist? gelesen. Autor ist der Nordamerikaner Ken Wilson. Arzt von Beruf, begeistert er sich gleichermaßen für theologische Fragen und studierte deshalb obendrein Theologie. Im Jahr 2012 wurde er von der Theologischen Fakultät Oxford (England) mit der Untersuchung Augustines Conversion from Traditional Free Choice to „Non-free Free Will“, A Comprehensive Methodology promoviert. Inzwischen lehrt Wilson als Professor für Kirchengeschichte und Systematische Theologie an der Grace School of Theology in The Woodlands (Texas, USA).

Die Grace School of Theology hat in ihrer theologischen Erklärung ausdrücklich den Passus aufgenommen, dass „der anfängliche Glaube, der zur Rechtfertigung und Erneuerung führt“, „kein Geschenk Gottes“ ist. Der Mensch kann nach Wilson aus eigenem Vermögen glauben. In dieser theologischen Schule stehend, bemüht er sich beharrlich darum, die Freiheit des Menschen zu schützen. Seine besondere Wertschätzung für die griechischen Kirchenväter überrascht daher nicht. Mehrfach würdigt er Origenes (185–ca. 254 n. Chr.), der wie manch anderer klar erkannt habe, dass Glaube menschlich sei: „Der erste Glaube kommt vom Menschen, er ist nicht göttliche Gabe. ‚Die Apostel, nachdem sie einmal verstanden haben, dass der Glaube, der nur vom Menschen kommt, nicht vollendet werden kann, es sei denn, dass das, was von Gott kommt, hinzugefügt wird, sagen zu ihrem Erlöser: ‚Mehre unseren Glauben!‘ (Com. Rom. 4.5.3)“ (S. 54).

Das Buch bietet dementsprechend allen, die noch immer Glaube als Geschenk verstehen, eine Ausfahrt an: „Es gibt Alternativen. Alle anderen Hauptzweige der Christenheit – der römische Katholizismus, die östliche Orthodoxie und alle nicht-calvinistischen Protestanten [wirklich?] – halten sich an die Perspektive der Willensfreiheit, so wie sie in den ersten vierhundert Jahren der Christenheit einstimmig und einmütig vertreten wurde“ (S. 148). Deshalb der abschließende Appell: „Folgen Sie bitte nicht einem heidnischen Gott, der Sie erst hypnotisiert und dann Ihren Geist manipuliert, sondern schließen Sie sich stattdessen dem liebenden Gott der Christen an, der Sie einlädt, eine freie Wahl zu treffen“ (S. 150).

Falls jemand mit Epheser 2,8–9 dagegenhält, wo Paulus davon spricht, dass die Errettung durch Glauben eine Gabe Gottes ist, steht er nach Wilson unter dem Einfluss des gnostischen Manichäismus. Der manichäische Priester Fortunatus habe diesen Text in dem Sinn verstanden, dass der Glaube ein göttliches Geschenk sei. Das aber könne so nicht sein, da ja dann die Antwort des Menschen auf den göttlichen Ruf etwas wäre, was Gott selbst schenkt. Die Errettung, nicht der Glaube, ist für Wilson Gottes Geschenk. „Sie geschah aus der Gnade Gottes durch den Glauben der Menschen (vgl. Eph 2,8)“ (S. 62).

Wie aber fand der Gnostizismus Eingang in die abendländische Theologie? Für Wilson liegt es auf der Hand. Der Kirchenvater Aurelius Augustinus (354–430 n. Chr.) habe die christliche Theologie mit heidnischen Glaubensvorstellungen korrumpiert und auf diese Weise der gesamten westliche Theologie eine verhängnisvolle Ausrichtung gegeben. Die reformatorische Theologie, die bekanntlich in weiten Teilen Augustinus für sich in Anspruch nimmt, sei diesem groben Missverständnis besonders drakonisch auf den Leim gegangen.

Die Fragen, die Ken Wilson diskutiert, sind keine einfachen. Ich habe viel Verständnis dafür, dass sie gestellt werden. Vielleicht kann ich in den nächsten Monaten eine ausführliche Besprechung des Buches ausfertigen und der Grundthese, dass nämlich der „augustinische Calvinismus“ ein Synkretismus aus Stoizismus, Neuplatonismus und Manichäismus sei, genauer nachgehen. Dafür ist allerdings viel zu lesen und es braucht Zeit. 

Eine Behauptung Wilsons möchte ich freilich schon jetzt hinterfragen. Er behauptet wiederholt, dass sich die Kirchenväter bei den Themen rund um Erbsünde, Vorsehung und Vorherbestimmung sowie Willensfreiheit weitgehend einig waren. Erst mit Augustinus (354–430 n. Chr.) seien heidnischen Ideen von Erbsünde, Determinismus und dem unfreien Willen in die christliche Theologie eingedrungen. Das klingt dann etwa so (S. 62):

In einer scheinbar seltenen theologischen Einstimmigkeit, über Hunderte von Jahren hinweg und durch den gesamten Mittelmeerraum hindurch, herrschte eine christliche regula fidei der Willensfreiheit. Origenes plädierte dafür, diese nicht als eine Regel des Glaubens zu betrachten, sondern als die Regel des Glaubens schlechthin.

Ich wähle noch ein weiteres Zitat (S. 138–139): 

Augustins einzigartige und völlig überzogene Reaktion auf den Pelagianismus setzte erst im Jahre 412 n. Chr. ein und ließ ihn in ein Fahrtwasser geraten, das dem Christentum bis dahin unbekannt gewesen war. Er fügte die verdammenswerte Schuld zur Erbsünde hinzu und verlangte, dass eine radikale manichäische Gnade die tote Seele mittels göttlich eingeflößtem Glauben zum Leben erwecken müsse. Nicht ein einziger Autor vor Augustin hatte gelehrt, dass die Menschen bereits in einem verdammten Zustand geboren wurden und es deshalb nötig war, dass Gott zuerst die gefallene Natur einer Person verändern und mittels Glauben und Gnade erneuern müsse, bevor dieses Individuum in der Lage war, auf Gott zu reagieren. Alle vorherigen Autoren hatten gelehrt, dass Gott allen hilflosen Menschen in der Person Christi bereits ausreichend Gnade zur Verfügung gestellt hatte. Die Menschen mussten nur Gottes Geschenk der Errettung in Christus annehmen, und dies konnten sie mit Hilfe ihres eigenen ihnen verbliebenen Anteils an gottgegebener Gottesebenbildlichkeit, der Willensfreiheit.

Obwohl ich infrage stelle, dass die Einigkeit unter den Kirchenvätern in diesen Dingen so überwältigend war, wie Wilson das vorgibt (siehe dazu weiter unten), bin ich von der Einsicht, dass die Alte Kirche darum bemüht war, die natürliche Freiheit des Menschen zu verteidigen, nicht sonderlich überrascht. Die Alte Kirche hatte anderes im Blick als der späte Augustinus in seinem Konflikt mit Pelagius (ca. 350–418 n. Chr.). Otto Hermann Pesch, ein großer Kenner der Gnadentheologie, schreibt in der Theologischen Realenzyklopädie

Die Schriften der griechischen Kirchenväter sind zur Frage der Willensfreiheit nicht ergiebig, was neue Gesichtspunkte angeht. Der einfache Grund: Die Theologen verarbeiten das paulinische Erbe nicht, weil sie andere Probleme haben und in anderen Auseinandersetzungen stehen. … Wenn dennoch die Willensfreiheit einmal thematisiert, gar als wichtiges Problem wahrgenommen wird (s. o. I.1.1.), so sind die Gegner nicht eine Lehre von der Vorherbestimmung auf der Linie des Paulus, sondern gnostische und manichäische Lehren, die das Böse nicht auf die Wahlentscheidungen des Menschen, sondern auf ein widergöttliches böses Prinzip zurückführen.

Lassen wir noch einen großen reformierten Theologen zu Wort kommen. Bei Herman Bavinck ist nachzulesen: 

In der frühen Kirche, zu einer Zeit, als sie mit heidnischem Fatalismus und gnostischem Naturalismus zu kämpfen hatte, konzentrierten sich ihre Vertreter ausschließlich auf die moralische Natur, Freiheit und Verantwortung des Menschen und konnten daher der Lehre der Schrift über den Ratschluss Gottes nicht gerecht werden. Obwohl die Menschen mehr oder weniger durch die Sünde korrumpiert worden waren, blieben sie frei und konnten die angebotene Gnade Gottes annehmen. Die Lehre der Kirche enthielt keine Lehre von umfassender Prädestination und unwiderstehlicher Gnade. Der Ratschluss Gottes bestand in Vorauswissen und der Festlegung von Belohnung oder Strafe, die von diesem Vorauswissen abhing. Gott überlässt diejenigen, von denen er im Voraus weiß, dass sie nicht glauben werden, ihrem Unglauben und wählt diejenigen aus, deren Verdienste er vorhergesehen hat. Im Wesentlichen ist dies die Position der orthodoxen Kirche geblieben. Die Menschheit ist durch die Sünde geschwächt und sterblich geworden. Dennoch kann der Mensch immer noch das natürlich Gute wählen und die im Evangelium angebotene Gnade annehmen oder ablehnen (vorauslaufende Gnade). Wenn Menschen sie annehmen, werden sie von dieser Gnade unterstützt (kooperative Gnade) und müssen bis zum Ende durchhalten, denn sie können immer noch abfallen. Diejenigen, die diese Gnade annehmen und ausharren, sind für die Erlösung vorhergesehen und vorherbestimmt. Die anderen – auch wenn Gott durch einen vorausgegangenen Willen die Errettung aller will – sind in ihrem gefallenen Zustand belassen und zum Verderben vorherbestimmt.

Einer der letzten bedeutenden reformierten Theologen, der in Deutschland gewirkt hat, sah sehr klar, dass die patristischen Quellen trübe sind. Er behauptet im Grunde das Gegenteil von dem, wofür Ken Wilson steht. Nicht Augustinus habe die paganen Einflüsse in die Theologie hineingetragen. Umgekehrt habe er (unvollkommen) dazu beigetragen, die Theologie von den schon vorliegenden paganen Beeinflussungen zu befreien. Adolph Zahn (1834–1900) schrieb: 

Im großen und ganzen ist die Theologie der Kirchenväter ein mit christlichen Fetzen geschmücktes Heidentum, aus dem sich durch Gottes Providenz dennoch die vielen großen Wahrheiten Augustins von Prädestination, Sünde und Gnade und die logisch wahren Bestimmungen über die beiden Naturen in Christus herausgerettet haben: brauchbare Grundsäulen für die Zukunft.

Noch etwas: Augustinus ist schon zu seinen Lebzeiten mit den Vorwürfen konfrontiert worden, die Ken Wilson vorträgt. Dem afrikanischen Bischof wurde vorgehalten, dass seine Sichtweise den Lehren der Väter widerspreche. Augustinus reagierte gescheit darauf. Er zeigte nämlich zunächst, dass sich die Väter hinten anzustellen haben, da es vor allem auf das ankommt, was in der Heiligen Schrift steht. Gleichwohl hat er sich dann die Mühe gemacht, akribisch Väterzitate zusammenzustellen, die die seiner Meinung nach biblische Auffassung stützen. Sicher, er hat sich dabei durchaus hin und wieder vertan. Er war eben ein Mensch. Wie sorgfältig er jedoch aufs Ganze gesehen gearbeitet hat, wird m. E. aus dem folgenden Zitat des Kirchenhistorikers Michael Fiedrowicz ersichtlich:

Hatte Augustinus bislang also primär die Väterzeugnisse seiner Gegner zu widerlegen versucht, ohne das patristische Argument selber voll zu entfalten, so fand dieses nun auch bei ihm reiche Anwendung in der Kontroverse mit Julian von Eclanum, der nicht nur Vernunftargumente und Schriftbeweise, sondern insbesondere die griechische Vätertradition gegen Augustinus (c. Jul. 1,29) ins Feld zu führen suchte. Prägnant fasste Augustinus (c. ep. Pel. 4,20) die Intention seines eigenen Väterbeweises zusammen: „Es sollen solche, die an den Wert der Worte dieser Männer glauben, darauf hingewiesen werden, wie in diesen Dingen schon vor jenem leeren Gerede katholische Bischöfe den göttlichen Worten folgten. Sie sollen wissen, dass von uns der rechte und von alters her grundgelegte katholische Glaube gegen die neue verhängnisvolle Anmaßung der häretischen Pelagianer verteidigt wird.“ Hatte Julian von Eclanum Augustinus der Erfindung der Erbsünde bezichtigt, so hielt ihm der Bischof von Hippo (c. Jul. 1,5–35; c. Jul. imp. 1,52) die Autorität acht abendländischer Väter (Irenäus, Cyprian, Reticius, Olympius, Hilarius, Ambrosius, Innozenz I., Hieronymus) und mehrerer Vertreter der griechischen Kirche (Basilius, Gregor von Nazianz, Johannes Chrysostomus) entgegen. Selbstbewusst konnte Augustinus (c. Jul. 1,30; 2,37) darauf verweisen, dass seine Ansichten nicht, wie Julian es hinzustellen versuchte, auf einem „Komplott verrufener Männer“ und einer unbewältigten manichäischen Vergangenheit beruhten, sondern in völligem Einklang mit den Überzeugungen jener waren, „die in der katholischen Kirche durch ihre Bemühungen um die gesunde Lehre hervorleuchteten“ und die universale Kirche sowohl chronologisch wie geographisch zu repräsentieren vermochten. Im einhelligen Zeugnis der Väter artikulierte sich also der Glaube der Kirche selbst (c. Jul. 1,34). Augustinus bemühte sich, die von ihm zitierten Autoren durch jeweilige Angabe ihres Bischofssitzes als authentische Glaubenslehrer zu erweisen, insofern sie als Amtsträger zeitlebens in Gemeinschaft mit der Kirche standen und diese repräsentierten. Dass diese Väter vor dem Aufkommen der aktuellen Kontroverse lebten, qualifizierte sie in besonderer Weise, da „sie über die Sache zu einem Zeitpunkt entschieden, wo niemand behaupten kann, sie hätten die eine Partei benachteiligt, die andere begünstigt“ (c. Jul. 2,34). Augustins Väterbeweis ist nicht nur durch ein klares Methodenbewusstsein gekennzeichnet, das verifizierbare, objektiv-korrekte und eindeutige Belege verlangte. Darüber hinaus ist auch das Verhältnis zwischen Schriftautorität und Väterargument von ihm bedacht worden. Als Ausleger der Bibel (divinarum scripturarum tractatores: Aug., pecc. mer. 3,12) werden die Theologen dieser untergeordnet. Allein ihr kommt die canonica auctoritas (pecc. mer. 3,14) mit dem Anspruch der Irrtumslosigkeit zu.

Schließlich soll ein konkretes Beispiel belegen, dass Wilson in dem patristischen Befund eine Übereinkunft sieht, die es so nicht gegeben hat. Es ist nur ein kleines Beispiel und es greift sein Hauptargument allein nicht an. Aber es zeigt, dass auch er nur ein Mensch ist. 

Wilson schreibt: „Kein anderer Autor vor ihm hatte gelehrt, dass Säuglinge aufgrund von Adams erster Sünde schuldig und verdammt waren und die Wassertaufe zur Errettung benötigten“ (S. 86). Das Thema „notwendige Taufe“ klammern wir hier mal aus. Ich selbst bin ein Kritiker der augustinischen Tauftheologie. Aber stimmt es, dass die christliche Theologie bis zu Augustinus keine strenge Lehre von der Ursünde kannte, nach der die Menschen unter dem Fall verloren waren? Ich denke, so einfach ist das nicht und kann mit mindestens einem Zitat belegen, dass der patristische Befund mehrdeutiger ist als Wilson das suggeriert. Melito von Sardes (gest. Um 180 n. Chr.) schrieb in seiner heilsgeschichtlichen Osterpredigt Vom Passa:

Dieser aber [gemeint ist Adam], nachdem er sehr zahlreich und alt geworden war, dadurch, daß er vom Baume gekostet und sich ausgebreitet hatte auf Erden – von ihm wurde ein Erbe hinterlassen seinen Kindern; er hinterließ nämlich seinen Kindern nicht Züchtigkeit, sondern Unzucht; nicht Unvergänglichkeit, sondern Vergängnis; nicht Ehre, sondern Unehre; nicht Freiheit, sondern Knechtschaft; nicht Königsherrschaft, sondern Tyrannei; nicht Leben, sondern Tod; nicht Heil, sondern Verderben. Unerhört und schrecklich wurde auf Erden das Verderben der Menschen. Dieses nämlich fiel ihnen zu: Von der tyrannischen Sünde wurden sie unterjocht und wurden in die Wogen der Begierden geführt, in die sie von den unersättlichen Lüsten hineingetaucht wurden durch Ehebruch, durch Hurerei, durch Schwelgerei, durch Geiz, durch Morden, durch Blutschuld, durch Tyrannei der Schlechtigkeit, durch Tyrannei der Gesetzlosigkeit; der Vater zog gegen den Sohn den Dolch und der Sohn legte Hand an den Vater; und der Frevler schlug die nährenden Brüste, und Bruder tötete den Bruder, und Gast tat dem Gaste Unrecht und Freund mordete den Freund und Mensch schlachtete den Menschen mit tyrannischer Rechten hin; alle waren sie entweder Menschenmörder oder Brudermörder auf Erden geworden. Aber noch schlimmere und schrecklichere Dinge wurden erfunden: Ein Vater legte Hand an sein eigenes, von ihm gezeugtes Fleisch; eine Mutter legte Hand an jene, die sie mit ihren Brüsten genährt; sie vergrub die Frucht ihres Schoßes im Schoße und die unglückliche Mutter wurde ein schreckliches Grab, da sie das Kind verschlang, das sie getragen hatte.

Diese Schilderung des Lebens unter dem Fall erinnert doch stark an das, was der Apostel Paulus über die Herrschaft der Sünde geschrieben hat. Nicht die Tatsünden machen uns zu Sündern, sie sind Ausdruck der über den Menschen herrschenden tyrannischen Sünde. Nachfolger Adams sind keine unschuldigen Menschen mit dem Potential zur Sünde. Nein, sie haben den Zustand der Verdorbenheit geerbt.

Nun weiß ich, dass Ken Wilson in seinem großen Buch Melitos Sichtweise kurz erörtert und sich dort der Deutung von Stuart G. Hall anschließt, der Melito so versteht:

Einmal im Gefängnis, ist der Mensch der Tyrannei der Sünde und seinem Kollegen, dem Tod, ausgesetzt, beides höchst personifizierte Figuren. Auf diese Weise hinterlässt Adam seinen Nachkommen ein unangenehmes Erbe, aber obwohl Paulus die Verbindung des Todes mit der Sünde verfolgt, gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Sündhaftigkeit selbst den Nachkommen Adams weitergegeben wird, wie in der späteren augustinischen Lehre.

Handfeste Begründungen für diese Interpretation fehlen. Dass es hingegen gute Indizien dafür gibt, Melito anders zu verstehen, ist beispielsweise bei dem katholischen Dogmatiker Leo Scheffczyk nachzulesen:

Melito sieht die Wirkung des Todes Christi in der Befreiung der Menschheit von dem durch Adam verursachten Verderben, der „hinausgeworfen wurde in diese Welt wie ein Verurteilter ins Gefängnis“ (§ 48). Im Lichte der Erlösungstat Christi beurteilt er nun auch den vorhergehenden Zustand der Menschheit und schildert ihn sehr drastisch und in dunklen Farben. Bemerkenswert ist an der Formulierung, daß hier erstmals die Folgen der Adamstat als Erbe (κληρονομια) bezeichnet werden, […]. Hiernach ist Adam offensichtlich der Stammvater aller Menschen, dessen Tat eine universale Unheilswirkung verursachte. Daß die Tat eines einzelnen am Anfang der Geschichte solches vermochte, wird genau so wenig als problematisch empfunden wie auf der Gegenseite die universale Effizienz der Heilstat Christi.

Ganz zum Schluss: Wer nicht durch Gott von der Herrschaft der Sünde befreit und in den Dienst gestellt wird, mag in der Lage sein, zivil zu leben. Gott lieben und zu seiner Ehre leben kann nur, wer erkannt hat, dass in seiner eigenen Natur nichts Gutes wohnt, noch nicht einmal das Vermögen, zu glauben. Wer nicht von Gott berufen wird, kann die Freude, die der Heiligen Geist jenen schenkt, die sich von ihm regieren lassen, nicht finden. Gott hat uns die Gnade erwiesen, dass wir an Christus glauben (vgl. Phil 1,29). Jesus ist der Anfänger und Vollender des Glaubens (vgl. Hebr 12,2). Der kostbare Glaube wird – wie ein Geschenk – empfangen (vgl. 2Petr 1,1). Apostelgeschichte 3,16 spricht sogar davon, dass der Glaube an Christus ein Glaube ist, der durch Christus selbst gewirkt wird (δίδωμι = gegeben, gewährt).

Führt der Glaube, dass der Glaube ein göttliches Geschenk ist, in den Fatalismus oder in die Passivität? Der Kompatibilismus, die Annahme also, dass Gott souverän regiert und der Mensch zugleich für sein Handeln verantwortlich ist, hat diesen Verdacht vehement zurückgewiesen. Ich behaupte nicht, dass dies einfach zu verstehen ist. Der kürzlich verstorbene Althistoriker Albrecht Dihle hat es nüchtern einmal so gesagt: „Im ganzen Alten Testament ist der Glaube an die Macht Jahwes, der alles Geschehen bestimmt und lenkt, ebenso lebendig wie die Überzeugung, daß der Mensch in seinem Tun und für sein Tun darum verantwortlich sei.“

So viel dazu von mir in aller Kürze und unsortiert. Vielleicht melde ich mich ja noch einmal sortiert zu Wort. 

– – –

Als PDF-Datei gibt es diesen Text auch mit Fußnoten: Wilson_Augustinus.pdf.

Wer ist Susannah Spurgeon?

41t62l6IwEL SX339 BO1 204 203 200Fast jeder Christ hat schon einmal etwas über Charles Haddon Spurgeon (1834– 1892) gehört. Spurgeon war ein englischer Baptistenpastor und der wohl bekannteste Prediger des 19. Jahrhunderts. Man bezeichnet ihn gern den Predigerfürsten, weil er leidenschaftlich das Evangelium verkündigte und viele Menschen zum Glauben gerufen hat oder sie im Glauben stärkte. Als ich noch ein junger Mann war, mussten wir sein Buch Ratschläge für Prediger: 22 Lektionen für die Verkündigung der Heiligen Schrift lesen. Wir nannten das Buch damals „Schläge für Prediger“, weil es für junge Pastoren ziemlich herausfordernd ist.

Aber wer kennt seine Ehefrau Susannah? Über sie ist wenig geschrieben worden. Sogar eingefleischte Spurgeon-Leser wissen kaum etwas über diese Frau an der Seite des bekannten Mannes. Ray Rhodes, ein Spurgeon-Kenner, hat vor einigen Jahren gründliche Recherchen zu Susannah Spurgeon angestellt und 2018 die Ergebnisse in dem Buch Susie: The Life and Legacy of Susannah Spurgeon veröffentlicht.

Das Buch ist für Spurgeon-Leser bahnbrechend. Es gibt Einblick in die Ehe und den Dienst der Spurgeons und hilft, zu verstehen, wie sie ihren Weg trotz schwerer Prüfungen, körperlicher Leiden und sanfter Formen von Verfolgung konsequent gegangen sind.

Susannah ermutigte ihren Mann oft, indem sie sagte: „Schau auf Jesus!“. Genau dazu ermutigt das von Ray Rhodes geschriebene Buch. Es ist inspirierend, ehrlich und stellt uns eine Frau vor, die mit Hingabe Jesus Christus gedient hat. 

Es wird sicher etwas dauern, bis das Buch in deutscher Sprache erscheint (wenn es überhaupt übersetzt wird). Deshalb verweise ich auf ein anderes kleines Buch, nämlich: Susannah Spurgeon: Die Frau an der Seite des Predigerfürsten. Der herausgebende Betanien Verlag schreibt dazu:

Diese kurzgefasste, warmherzig geschriebene und von Liebe zum Herrn geprägte Biografie über Susannah Spurgeon (1832–1903) ist eine Ermutigung für (Ehe-) Frauen, dem Herrn zu dienen. Es ist die Geschichte einer Liebe und Ehe, die viel Frucht hervorgebracht hat. Im Zentrum steht die für alles sorgende Gnade Gottes, die Susannah Spurgeon auch inmitten einer beschwerlichen chronischen Krankheit half, dem Herrn zu dienen. Besonders herausgestellt wird der Bücherfonds, den Susannah Spurgeon gründete und leitete. Durch diesen Dienst wurden Tausenden von Gemeindehirten und Predigern unentgeltlich gute Bücher zur Verfügung gestellt, die sehr hilfreich für ihren Dienst waren. 

Das Buch kann direkt beim Betanien-Verlag bezogen werden. Für jene, die gern englische Literatur lesen, sei das Buch:

empfohlen.

„Unverschämt schamlos“ – Das neue Buch von Nadja Bolz-Weber bringt keine Befreiung

Mehrfach habe ich im TheoBlog über Thesen der in emergenten Kreisen so beliebten Nadia Bolz-Weber berichtet (vgl. hier u. hier). Im Frühjahr 2019 ist ihr Buch Unverschämt schamlos im Brendon-Verlag erschienen. Michael Pieper hat das Buch gelesen und stellt hier seine Buchbesprechung freundlicherweise zur Verfügung. Vielen Dank!

Nadja Bolz-Weber, „Unverschämt schamlos – mein Plädoyer für eine sexuelle Reformation“

Bolz WeberNadja Bolz-Weber fordert in Unverschämt schamlos schon im Titel eine sexuelle Reformation. Mit dieser Anspielung auf die protestantische Reformation vor über 500 Jahren stellt sie sich auf die Seite der Guten.

Sie beginnt mit dem „scheußlichen Gesetz“. North Carolina hat beschlossen, dass jeder auf die Toilette gehen muss, die seinem Geschlecht zugeordnet werden kann. Hilfsweise das Geschlecht, welches im Führerschein eingetragen ist. Sie erzählt viele Geschichten aus dem Leben ihrer Gemeindemitglieder, einer Kirche mit Namen „House for all Sinners and Saints“ in Denver. Da ist beispielsweise Cecilia, die mit dem Sex bis zur Ehe wartete – so hatte sie das in ihrer Kirche gelernt – und dann an den Falschen geriet. Dieser Mann betrog sie und sie betrog ihn daraufhin ebenfalls – um besser mit seinem Betrug klar zu kommen. Bolz-Weber spricht Cecilia von aller Schuld frei: „Da ist überhaupt nichts Falsches dran.“ Was sich anhört wie eine drittklassige TV-Soap, ist so ziemlich genau das Muster, das sich in „Unverschämt-schamlos“ andauernd wiederholt. Die Namen ändern sich, die sexuelle Orientierung der Protagonisten auch. Schämen muss sich in ihrem Buch eigentlich nur derjenige, der noch glaubt, die Bibel gebe irgendeinen Rahmen für Sexualität.

Eine biblische Sexualethik, wie sie in konservativen Gemeinden zum Teil noch vertreten werde, zerstöre Menschen. So könnte man ihr Buch kurz zusammenfassen. Das Wort Sexualethik impliziert hier allerdings fälschlicherweise, dass es Schranken oder gar Verbote bei Bolz-Weber gäbe; ich habe allerdings keine gefunden. Doch auch die Autorin erkennt, dass dies nicht möglich ist, ohne die Bibel in weiten Teilen umzudeuten. So findet man auf Seite 96 eine Szene, in der sie mit ihrer lesbischen Freundin gemeinsam Seiten aus der Bibel reißt und verbrennt, um mit sich selbst wieder versöhnt zu sein.

Für sie sei der Sündenfall eine Erfindung Augustinus’, weil dieser eine Erektionsstörung in einem römischen Bad hatte (vgl. S. 59). „Augustinus hätte nämlich Scham empfunden über seine eigenen sexuellen Neigungen wie auch Reue über sein ausschweifendes Verhalten vor seiner Bekehrung zum Christentum.“ Das sei „Psychokacke eines einzigen Mannes“. Erstaunlich, dass sie als Quelle einen Artikel im „New Yorker“ vom 19.7.2017 angibt. Nicht gerade theologische Fachliteratur! Wer in diesem Buch eine ordentliche, in Ansätzen wissenschaftliche Auseinandersetzung erwartet, bleibt leider schwer enttäuscht.

Grundproblem sei die Hegemonie des Mannes, die in häretischer Weise mit dem 1. Buch Mose begründet werde. Diese Häresie definiert sie mit einem Zitat von Schleiermacher: „Was den Schein des Christentums wahrt und dennoch seinem Wesen widerspricht.“ „Jeden Tag erdulden Frauen unzählige Arten von Akten männlicher Dominanz“ (S. 56). Frauenrollen in konservativen Gemeinden seien reduziert auf „schön aussehen für den Ehemann“ und „Dienerin sein“.

Sehr spannend ist die sogenannte Denver-Erklärung (S. 126), die von ihr und ihren queeren Gemeindemitgliedern als Antwort auf die Nashville Erklärung geschrieben wurde. So schreibt sie z.B.:

  • „Wir bekräftigen, dass Gott uns als sexuelle Wesen in endloser Vielfalt geschaffen hat. Wir lehnen ab, dass die einzige Erscheinungsform der Sexualität, die als heilig angesehen werden kann, die eines cis-gender und heterosexuell orientierten Ehepaars ist, das mit dem Sex bis zur Heirat wartet.“
  • „Wir bekräftigen, dass Christus uns zur Freiheit befreit hat … (hier stehen wir; wir können nicht anders) … Wie lehnen ab, dass es Sünde ist, queere Identitäten zu befürworten und dass eine solche Befürwortung eine essenzielle Abkehr von christlicher Treue und christlichem Zeugnis darstellt.“

Geht man weg von einer biblisch fundierten Sexualethik, hat das Auswirkungen auf die Frage nach dem Menschsein und dem Wert des Menschen. Fast konsequent erkennt man das an ihrer Haltung zur Abtreibung, die sie befürwortet. Sie selbst hat abgetrieben. Einerseits erinnert sie sich: „Manchmal rechne ich. Wie alt wäre das Kind …“ Letztlich kommt sie aber doch zu dem Schluss: „Zutiefst wahr ist, dass ich nie, selbst nachdem ich Kinder hatte, selbst nachdem ich Pastorin geworden bin, auch nur eine einzige Minute lang meine Entscheidung bereut habe. Sie war richtig“ (S. 146). So richtig glauben kann man ihr das nicht.

Sehr spannend sind auch ihre historischen Ausflüge, denen zufolge Evangelikale eigentlich immer für Abtreibung gewesen seien. Abtreibung sei erst ab 1968 zum politischen Kampfthema gemacht worden. Man suchte einfach ein neues, einendes Thema, nachdem man politisch nicht verhindern konnte, dass Schwarze die christlichen Privatschulen besuchen.

Es macht tieftraurig, dieses Buch zu lesen. Die Sorge, dass sich junge Evangelikale der immer lauter schreienden hedonistischen Gegenwartskultur anpassen werden, ist sicherlich nicht unbegründet.

Mein Kommentar zu Unverschämt schamlos auf der Shopseite des SCM ist fast sechs Wochen gesperrt und erst nach einem persönlichen Anschreiben an die Geschäftsführung veröffentlicht worden. Es ist erstaunlich, dass ein christlicher Verlag, der Brendow-Verlag, dieses Buch herausgegeben hat und ein christlicher Büchershop es sogar mit dem Versprechen eines „befreiten Lebens“ bewirbt.

Michael Pieper

Tiefer graben

Manche sind vielleicht noch auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk. Ich möchte das Buch: 

sehr herzlich empfehlen. Mit dem Buch bekommt der Leser insgesamt 16 Werkzeuge an die Hand, mit deren Hilfe er sich Bibeltexte sachgemäß erschließen kann. Die Werkzeuge helfen auf sehr praktische Weise, Bibeltexte besser zu verstehen. Tanja Bittner schreibt in einer ausführlichen Buchbesprechung, die in der nächsten Ausgabe von Glauben und Denken erscheinen wird:

Tiefer graben cover  1Besonders sympathisch war mir auf Anhieb Werkzeug 15: Das „Wer bin ich?“-Werkzeug wirkt gegen das „Ich-bin-Mose-Syndrom“, nämlich unsere Tendenz, uns unmittelbar mit der Hauptfigur einer Erzählung zu identifizieren. Das kann zwar manchmal richtig sein, muss es aber nicht zwangsläufig. Immerhin füllten Mose & Co. einzigartige Rollen in Gottes Heilsgeschichte aus: Niemand von uns ist am brennenden Dornbusch damit beauftragt worden, Gottes Volk aus der Sklaverei Ägyptens zu führen. Einem derartigen Text werden wir nicht gerecht, wenn wir solche Begebenheiten kurzerhand als „Metapher für unsere Psycho-Erfahrungen“ in unsere persönliche kleine Welt herüberholen (im Stil von: Welche Brennender-Busch-Erfahrungen hast du schon erlebt? S. 146–147). Der Leser bekommt mit diesem kleinen Buch also eine gefüllte Werkzeugkiste an die Hand, um die Schätze der Bibel zu heben. Da die Autoren die Verwendung der Werkzeuge jeweils gleich an Bibeltexten demonstrieren, gibt es aber bereits beim Lesen von Tiefer graben solche Schätze zu entdecken. Quasi nebenbei begegnet der Leser einer beachtlichen Fülle an biblischen Wahrheiten und Einsichten. Beispielsweise, wenn anhand von Röm 1,14–18 gezeigt wird, wie wichtig es ist, das Bindewort „denn“ zu Anfang von Vers 18 nicht zu übersehen (S. 88–89): Weil gottlose Menschen unter Gottes Zorn stehen, brauchen sie Rettung. Menschen können die Botschaft unserer Evangelisationen nicht verstehen, wenn wir ihnen nicht mitteilen, wovor sie gerettet werden müssen (und natürlich ist es keine gute Idee, die Thematik eigenmächtig abzuwandeln in eine Erlösung aus der Einsamkeit oder von der inneren Leere). Abschließend sei noch erwähnt, dass auch die grafische Gestaltung des Covers wirklich gelungen ist: eine liebevoll gezeichnete Schatzkarte mit Wimmelbild-Flair. Selbst hier lohnt es sich, genauer hinzusehen – und noch viel mehr natürlich beim Bibelstudium. Tiefer graben sei also jedem Bibelleser als überaus nützliche Werkzeugkiste ans Herz gelegt – ein wertvolles Buch mit starkem Inhalt, das sich auch gut verschenken lässt!

Vorher bestimmt? Eine Buchbesprechung von D.A. Carson

Lennox vorher bestimmtD.A. Carson hat das Buches Vorher bestimmt? Die Souveränität Gottes, Freiheit, Glaube und menschliche Verantwortung von John Lennox rezensiert. Hier ein Auszug:

Erstens: Dieses Buch ist einfach geschrieben und daher leicht verständlich. Diese Einfachheit ist teils auf den reduktionistischen Umgang mit etlichen der Argumente zurückzuführen, teils jedoch auch auf den attraktiven Schreibstil des Autors, der zweifellos das Ergebnis jahrelanger populärer Vorträge in sehr unterschiedlichen Kontexten ist.

Zweitens: Lennox hat eines der wichtigsten Axiome ernsthafter polemischer Theologie übersehen. Wenn man möglichst viele Gegner gewinnen will, muss man sich als fähig erweisen, die Position des jeweiligen Gegners mindestens so kenntnisreich und überzeugend zu verstehen und zu artikulieren wie er oder sie selbst −, um sie erst dann zu widerlegen. Wenn hingegen nur wenige deiner Gegner ihren eigenen Standpunkt in deiner Beschreibung (Karikatur?) desselben wiedererkennen, wirst du wahrscheinlich kein aufmerksames Gehör bei jenen finden, die es deinem Verständnis nach bräuchten. An dieser Front, so fürchte ich, wird das Buch ein wenig enttäuschen.

Mehr bei Evangelium21: www.evangelium21.net.

Nadia Bolz-Weber: Unverschämt schamlos

419UtxiqmGL SX327 BO1 204 203 200Ich habe im Februar unter „Warum Pastorin Nadia Bolz-Weber für das Abtreibungsrecht kämpft“ den Verdacht geäußert, dass ihr desaströses Buch über die Sexuelle Revolution im Christentum bald in Deutschland erscheinen wird. Nun ist es soweit. Unverschämt schamlos ist im christlichen Brendow-Verlag erschienen und wird mit folgenden Worten beworben:

Sex sollte etwas Besonderes und Erfüllendes sein. Doch ständig scheinen Christen irgendein Problem mit dem Thema zu haben. Oder anders gefragt: Wenn der Kirche Sex so wichtig ist, warum scheitert sie so oft daran, Menschen darin zu begleiten und zu unterstützen? Und warum erzählt sie so wenig von der leidenschaftlichen Seite der Sexualität, wie sie im Hohelied der Bibel beschrieben ist? Stattdessen scheinen Christen geradezu besessen davon zu sein, im Umgang mit dem eigenen und anderen Geschlecht nur ja alles richtig machen zu wollen mit oft verheerenden seelischen Folgen für die Betroffenen. Schamlos erzählt Nadia Bolz-Weber von ihren eigenen Erfahrungen und lässt Menschen zu Wort kommen, denen aufgrund ihrer Gefühle, Empfindungen oder sexuellen Vorstellungen Scham und Schuld auferlegt wurde. Sie will aufklären, welche Schaden all diese Moralvorstellungen angerichtet haben und fordert eine Reformation der Kirche in Sachen Sex.

Das Medienmagazin Pro hat eine hilfreiche Rezension veröffentlicht. Darin heißt es:

Nadia Bolz-Weber ist so etwas wie der Star der Emergenten und progressiven Evangelikalen – und zwar vor allem wegen ihres Umgangs mit dem Thema Homo- und Transsexualität. Die US-Pastorin hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht, in denen sie über ihre Bemühungen berichtet, LGBTI-Menschen in die christliche Gemeinde zu integrieren. Sie selbst stammt aus einem streng religiösen Elternhaus, kritisiert eine Gesetzlichkeit der Evangelikalen, bemüht sich aber auch um eine Verbindung der frommen und ihrer eigenen liberalen lutherischen Lebenswelt.

Und weil die volltätowierte Theologin gerne aneckt, ja, unter anderem deshalb sogar gefragte Rednerin und Buchautorin geworden ist, dürfte es niemanden wundern, dass sie nun das wohl heißeste Eisen anfasst, dass bei Christen im Feuer liegt: Sex. Zunächst auf Englisch hat sie Ende Januar ein Buch veröffentlich, das nicht weniger fordert als eine sexuelle Reformation. Der Autorin geht es darum, Sex aus der Verbotszone christlicher Gemeinden herauszuholen. Ihr Plädoyer kann so zusammengefasst werden: Was im Schlafzimmer von Christen geschieht, soll nicht dort bleiben. Es braucht einen offenen Umgang mit Sexualität und eine Abschaffung althergebrachter und fälschlicherweise als biblisch verstandener Ideen wie der Ablehnung von gleichgeschlechtlicher Liebe oder Sex vor der Ehe.

So einfach ist das. Mit der Verletzung eines Tabus lässt sich – zumindest im frommen Raum – immer noch gutes Geld verdienen.

Mehr: www.pro-medienmagazin.de.

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