Der DLF hat zwei Beiträge über den Theologen Petrus Abaelard (1079–1142) ausgestrahlt. Die Qualität der Beiträge ist wie gewohnt hoch und ich kann sie denen, die sich für Theologiegeschichte interessieren, empfehlen.
Leider erfährt die kritische Auseinandersetzung mit dem Subjektivismus Abaelards zu wenig Aufmerksamkeit. Abaelard war zweifellos ein atemberaubend kluger und mutiger Denker, der bereits im 12. Jahrhundert schwere Einwände gegen Ablasshandel und die sklavische Hörigkeit gegenüber den Kirchenvätern äußerte. Petrus Abaelard trat für den Wert der Vernunft nicht nur in der Philosophie, sondern auch in Glaubensfragen ein. Mit diesem Ansatz gehört er zu den Begründern der mittelalterlichen Scholastik und führte den Begriff der „Theologie“ in das Christentum ein. Gleichzeitig hat sich die zu seiner Zeit ansetzende Urbanisierung und Individualisierung in seiner Gesinnungsethik niedergeschlagen. Bei Abaelard wird – und dadurch wirkt er so modern –, die innere Wahrnehmung (das Gewissen) zum Maßstab für den ethische Wert einer Handlung. Ob eine Tat gut oder schlecht ist, ist keine objektiv beantwortbare Frage, sondern bemisst sich an der Gesinnung des Handelnden.
Auch der Sündenbegriff wird bei Abaelard subjektiviert. Sünde ist für ihn die freiwillige Zustimmung eines Menschen zu einer Absicht, die von ihm selbst als Unrecht eingestuft wird. Mit diesem Sünden- und Freiheitsverständnis hat sich Abaelard betont von der Ursündentheologie Augustins abgesetzt. Für Augustinus ist Sündigen nicht reflektierte Zustimmung zum Bösen, sondern Ausdruck einer tiefen Verstrickung unter die Macht der Sünde. In der Tat spricht das Neue Testament von der Sünde als einer den Menschen versklavenden Herrschaftsgewalt. „Jeder, der tut, was die Sünde will, ist ein Sklave der Sünde“, sagt Jesus (Joh 8,34). Paulus spricht von einem „Gesetz der Sünde“, dass die Menschen beherrscht und sie sogar dann vom Guten abhält, wenn sie es wollen (vgl. Röm 7,15–24). Ein Mensch, der so sehr in das Böse verstrickt ist, kann nur durch Gott selbst befreit werden. Gott rettet Menschen durch die von Jesus Christus erwirkte Sühne von der versklavenden Herrschaft der Sünde. Anders bei Abaelard. Nach ihm hat Jesus Christus keine objektive Versöhnung erwirkt. Jesus ist Vorbild, wird zum Anstifter für eine von Hingabe und Liebe geprägt Gesinnung. Subjektivismus, Kritik an der Sühneopfertheologie und eine Gesinnungsethik, die sich auf Jesus beruft. Abaelard war also in einem gewissen Sinn sehr modern.
Nachtrag vom 08.01.2013: Die Audiodateien wurden entfernt. Hier noch eine Textmeldung: www.dradio.de.
Frank Schäffler von der FDP hat gestern im Bundestag besorgt den geplanten Fiskalpakt kommentiert und den „kollektiven Rechtsbruch“ in Europa scharf verurteilt:
Die Staats- und Regierungschefs der EU haben aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ein Instrument zur Gemeinschaftshaftung für Banken in der Euro-Zone gemacht. Das ist unglaublich, kommentiert Holger Steltzner für die FAZ. Die Bundeskanzlerin ist in eine Falle getappt.
Der Bundestag hat sich auf die Zustimmung zu einem dauerhaften Krisenfonds zum Herauspauken von Schuldensündern in der Währungsunion vorbereitet, den es in der beschlossenen Form jedoch nicht geben wird. Denn in der Nacht zuvor haben die Staats- und Regierungschefs der EU auf einem denkwürdigen Euro-Krisengipfel aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ein Instrument zur Gemeinschaftshaftung für Banken in der Euro-Zone gemacht. Das ist unglaublich. Vielleicht denken die Regierungschefs, wenn sie die nach EU-Vertrag verbotene Haftung für die Schulden anderer durch den Bailout-Fonds ESM auf den Kopf stellen können, dann dürfen sie auch die Regeln eines Vertrags in Frage stellen, bevor dieser Vertrag überhaupt in Kraft ist.
In einem frechen politischen Erpressungsmanöver haben Italiens Ministerpräsident Monti und Spaniens Ministerpräsident Rajoy ihre Zustimmung zu dem vom französischen Präsidenten Hollande geforderten Wachstumspakt davon abhängig gemacht, dass der ESM künftig direkt Banken finanziert. Italien und Spanien drohten damit, die Annahme des auch für sie geschnürten Wachstumspakets zu verweigern, wenn ihnen nicht ohne lästige Auflagen und vor allem ohne Beteiligung des Internationalen Währungsfonds geholfen wird.
Sinclair Ferguson gehört zu den führenden reformierten Theologen der Gegenwart. In diesem Video (ca. 40 Minuten) spricht der Schotte darüber, wie er Christ wurde und gibt so manchen weisen Rat:
Dass die Quotenregelung „entfreit“, haben kürzlich die Jusos eines Regionalverbandes in München erfahren müssen. Da ziehen Frauen an Männern vorbei, obwohl sich ihr Interesse arg in Grenzen hält.
Wie schnell es gehen kann, dass Frauen wegen einer Quote an Männern vorbeiziehen, hat er bei der Vorstandswahl seines Jusos-Regionalverbands München Nord erlebt. Weil von vier Stellen zwei mit Frauen besetzt werden müssen, sind zwei junge Sozialdemokratinnen gewählt worden, die am Tag der Wahl zum ersten Mal bei einer Sitzung erschienen seien. Es standen nur drei Frauen zur Wahl. „Für die Posten der beiden Männer hätten sich dagegen wesentlich mehr Kandidaten interessiert, die schon seit ihrer Schulzeit bei den Jusos aktiv sind.“
Johannes Meiners fordert, dass mehr nach den Bedürfnissen der Männer gefragt wird. Er setzt sich für eine Entdämonisierung des Mannes ein, der häufig als gewaltbereit dargestellt werde und in der Familie oft nur ein Zaungast sei. Frauen sollten aufhören, den Mann automatisch in die Versorger-Rolle zu drängen, indem sie nur nach den erfolgreichen Alphamännchen schielen – so wie es das Zitat von Kaye suggeriert.
Der Arzt, der die Beschneidung vornahm, wurde vom Vorwurf der Körperverletzung zwar freigesprochen. Doch nach dem Urteil des Landgerichts Köln sind Beschneidungen von Kindern aus religiösen Gründen künftig strafbar. Die FAZ berichtet über den Rechtsstreit:
Ein vom Gericht bestellter medizinischer Gutachter kam zu dem Schluss, es gebe „jedenfalls in Mitteleuropa keine Notwendigkeit, Beschneidungen vorbeugend zur Gesundheitsvorsorge vorzunehmen“. Entscheidend aber ist, dass das Landgericht eine Beschneidung, die ein Arzt nach Einwilligung der Eltern ordnungsgemäß an einem „nicht einwilligungsfähigen Knaben“ vornimmt, als Körperverletzung wertet. Anders als das Amtsgericht kommt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit die Grundrechte der Eltern überwiege.
Die Beschneidung sei insbesondere nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt, weil sie „weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfelds noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts“ dem Wohl des Kindes entspreche. Der Körper des Kindes werde durch die Beschneidung dauerhaft und irreparabel verändert. „Diese Veränderung läuft dem Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können, zuwider. Umgekehrt wird das Erziehungsrecht der Eltern nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie gehalten sind abzuwarten, ob sich der Knabe später, wenn er mündig ist, selbst für die Beschneidung als sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zum Islam entscheidet.“
Hier der vollständigen FAZ-Beitrag zum Beschneidungsverbot: www.faz.net.
Der katholische Philosoph Josef Bordat macht in einem Kommentar darauf aufmerksam, dass der Entscheid des Landgerichts für Juden einem Religionsausübungsverbot gleichkommt (VD: TL):
Wer sich nicht beschneiden lässt bzw. wer nicht dafür sorgt, dass seine männlichen Nachkommen nach Gen 17, 12 ordnungsgemäß beschnitten werden, hat – nach jüdischem Verständnis – den Bund mit Gott gebrochen und wird für andere Juden untragbar. Damit kommt das Beschneidungsverbot für Juden einem vollständigen Religionsausübungsverbot gleich, denn die jüdische Religion ist ohne „Bund mit Gott“ und ohne die Identifikation mit dem „Stammesverband“ nicht denkbar. In der Konsequenz stellt das Landgericht Köln also nicht die Beschneidung als traditionelles, im Grunde aber lässliches „Ritual“ unter Strafe, sondern einen ganz wesentlichen Aspekt der jüdischen Identität, ohne den es schlicht und einfach nicht möglich ist, Jude zu sein. Das Landgericht Köln verbietet mit seinem Urteil in letzter Konsequenz das Judentum selbst. In Deutschland. Das sollte man wissen, bevor man das Urteil „fortschrittlich“ nennt.
Die Rassentrennung gehörte für den Südlichen Baptistenbund zum Gründungsfundament. Mit der Wahl eines Afroamerikaners zu ihrem Präsidenten setzen sie ein Zeichen für die Versöhnung. Matthias Rüb berichtet für die FAZ über die Wahl:
Gegen vier Uhr nachmittags wird in der Halle B des Ernest-N.-Morial-Kongresszentrums zu New Orleans Geschichte geschrieben. Man könnte auch sagen, dass um diese Zeit der Allmächtige direkt in den Geschichtsprozess eingreift. So sehen es jedenfalls Fred Luter und die knapp 8.000 Delegierten der Jahrestagung der „Southern Baptist Convention“ (SBC). Die Delegierten heißen hier offiziell „Boten“ – auf ihren Namensschildchen steht das Wort „Messenger“ -, und nach der Wahl von Pastor Luter zum Kirchenpräsidenten durch Akklamation springen sie von ihren Klappstühlen auf, werfen die Arme in die Höhe und rufen: „Halleluja!“
Es fließen viele Tränen. Oben auf dem Podium kommt der frisch gewählte Kirchenpräsident Fred Luter, der von seinem Vorgänger Bryan Wright umarmt wird, mit seinem Taschentuch kaum nach. Und auch unten auf dem Betonboden von Halle B geht manches Auge über. Wer sagt, dass Gott an einem schwülen Frühsommertag nicht in einer schmucklosen Messehalle im Süden von Louisiana gegenwärtig sein kann?
Martin Reakes-Williams aus dem E21-Leitungskreis habe ich hier schon einmal interviewt. Martin hat Humor, feiert das Thronjubiläum des Oberhaupts der Anglikanischen Kirche und ist zudem fern mit der Königin verwandt.
John Warwick Montgomery gehört seid fünfzig Jahren zu den bedeutendsten christlichen Apologeten. Vor wenigen Tagen hat er einen umfangreichen Essayband publiziert (Christ As Center und Circumference: Essay Theological, Cultural and Polemic, Bonn, VKW, 2012, 650 S., hier das Inhaltsverzeichnis), für den Michael Horton überaus lobende Worte gefunden hat: „Sogar dort, wo jemand nicht zustimmt, wird die Klarheit, Logik und unerbittliche Strenge seiner Argumente Feuer entfachen …“
Theoblog hatte vergangene Woche die Gelegenheit, kurz mit Professor J.W. Montgomery zu sprechen:
Christus als Mitte und Peripherie
Interview mit dem Apologeten John Warwick Montgomery
Professor John Warwick Montgomery
Theoblog: Wer Ihre letzten Bücher gelesen hat, der wird schnell erkannt haben, dass Sie immer noch jede Menge Freude an der apologetischen Arbeit haben. Was hält Sie bei dieser bleibenden Freude?
J.W. Montgomery: Der Apostel Petrus mahnt uns, „allezeit bereit zur Verantwortung gegenüber jedermann zu sein, der Rechenschaft [gr. „apologia“] fordert über die Hoffnung [in Christus], die in [uns] ist“. Es ist eine Freude, dies zu tun – ganz besonders deshalb, weil keine andere Religion hinlänglich genügende und objektive Beweise für ihre Gültigkeit anführen kann. Da zwei einander widersprechende Weltanschauungen nicht gleichzeitig wahr sein können und die Gründe für das Christentum auf solider Basis stehen, sollte die Apologetik ein schlagkräftiges Werkzeug sein, Nicht-Christen von ihrem religiösen oder philosophischen Standpunkt abzubringen und sie ans Kreuz Christi zu führen – wo sie eine lebensverändernde Entscheidung treffen sollen, die nicht nur zeitliche, sondern ewige Konsequenzen hat.
Theoblog: Apologetische Fragen werden ja sehr stark vom Zeitgeist beeinflusst. Worin besteht der Unterschied zwischen heute und den 60ern und 70ern?
J.W. Montgomery: Heute haben wir weniger gründliche Ausbildung, dafür mehr Subjektivismus (der Reiz der östlichen Religionen, des „New Age“ und des Okkulten) und Narzissmus (jeder schafft sich seine eigene Religion, jeder ist sein eigener „Gott“). Das Ergebnis: der Ungläubige tut sich schwerer mit dem logischen Denken und dem Einschätzen von Beweisen. Aber es hat ja immer „dunkle Zeitalter“ gegeben. Wir sind verpflichtet, Nicht-Christen zu vermitteln, dass Gleichgültigkeit in Sachen Religion genauso fatal ist, wie wenn man verkennt, dass das eigene Haus in Flammen steht und es nur einen Ausweg gibt. Jesus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“ – und der Apostel fügt hinzu: „Es ist kein anderer Name [als der Name Jesus] unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem wir gerettet werden sollen!“
Theoblog: Das Buch Christian Center and Circumference enthält Aufsätze verschiedener Zeiten. An wen ist das Buch gerichtet?
J.W. Montgomery: An jeden, der Freude an gründlichem Denken in verschiedenen Disziplinen hat, sei es Theologie, Philosophie, Naturwissenschaft, Geschichte, Rechtswissenschaft, Computerwesen, Musik – ja selbst an der Kochkunst! Das zugrundeliegende Motiv: Nur durch Christus können wir all diesen Lebens- und Denkbereichen wirklich Bedeutung abgewinnen!
Theoblog: Was würden Sie intelligenten, jungen Christen auf den Weg mitgeben, die Interesse zeigen, später auf dem Gebiet der christlichen Apologetik tätig zu werden?
J.W.Montgomery: Auf jeden Fall eine Anmeldung für die „Academy of Apologetics, Evangelism and Human Rights“, die jährlich in den beiden mittleren Juliwochen in Straßburg stattfinden! Informationen dazu finden Sie auf URL: http:www.apologeticsacademy.eu.
Theoblog: Danke für das Gespräch!
Christ As Centre and Circumference
Interview with the apologist John Warwick Montgomery
Theoblog: By reading your most recent books, a reader can quickly recognize that you still derive a lot of joy from doing apologetic work. What inspires this continuing joy?
J.W. Montgomery: The Apostle Peter enjoins us „always to give a reason [Gk. apologia] for our hope in Christ. It is a joy to do this–especially because no other religious option offers sufficient objective evidence of its validity. Since two contradictory world views cannot both be true, and the case for Christianity is solid, apologetics should be a powerful means of moving the non-Christian away from other religious and philosophical options to the cross of Christ–there to make a life-changing decision that will impact both time and eternity.
Theoblog: Apologetic issues are very much influenced by the „Zeitgeist“. What is different today than in the 60s or 70s?
J.W.Montgomery: Today, there is more subjectivism (appeal of Eastern religions, New Age, the occult), more narcissism (creating one‘s own religion, being one‘s own „god“), and less rigorous education. Result: the unbeliever has more difficulty thinking logically and evaluating evidence. But there have always been „dark ages.“ We must help the non-Christian to see that religious indifference is as deadly as refusing to recognise that one‘s house is on fire and that there is only one escape route. Jesus asserts that he is „the way, the truth, and the life; no one comes to the Father but by me“–and the Apostles declare, „There is no other name under heaven [except the name of Jesus] by which we must be saved.“
Theoblog: The book „Christian Center and Circumference“ contains works from different periods. Who is the intended audience for this book?
J.W. Montgomery: Anyone who enjoys rigorous thinking in a diversity of disciplines: theology, philosophy, science, history, law, literature, computing, music–even cuisine. The underlying theme is that only through Christ can we make sense of all these areas of life and thought.
Theoblog: How would you advise bright, young Christians who are interested in working in the field of Christian apologetics?
Montgomery: By all means register for our International Academy of Apologetics, Evangelism and Human Rights, held the middle two weeks of July every year in Strasbourg, France! For information, go to the Academy website: URL: http://www.apologeticsacademy.eu.
Theoblog: Thank you for your time.
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John Warwick Montgomery is Emeritus Professor of Law and Humanities, University of Bedfordshire, England, Distinguished Research Professor of Apologetics and Christian Thought, Patrick Henry College, Virginia (USA), and Director of the International Academy of Apologetics, Evangelism & Human Rights in Strasbourg (France).