Oktober 2016

Die Bibel in bunt

In Washington (USA) entsteht ein gewaltiges Bibelmuseum – unter der Verantwortung des Heidelberger Theologen David Trobisch. Finanziert wird das gigantische Projekt zu großen Teilen von Evangelikalen. 

DLF hat über den Museumsaufbau informiert. Der skeptische Unterton darf nicht fehlen. Verdächtig macht allein die Tatsache, dass der größte Finanzier aus einer evangelikalen Gemeinde kommt. Die kritischen Anfragen hat der Sammlungsleiter David Trobisch jedoch glänzend gemeistert.

Hier:

Thomas Müntzer und seine radikale Reformation

Thomas Müntzer war anfangs Luthers Bruder im Geiste. Doch dann trennten sich ihre Wege, weil Müntzer sich aus Luthers Sicht der Schwärmerei zuwandte. Tatsächlich kämpfte Münzer gegen zwei Grundfeiler der reformatorischen Theologie an, nämlich gegen das „sola scriptura“ – „allein durch die Schrift“ und das „sola fide“ – „allein aus Glauben“. Zwei Themen, die auch heute von großer Bedeutung sind. (Was würde wohl Luther zur protestantischen Christenheit der Gegenwart sagen?)

Dass wir viel aus dem Streit zwischen Luther und Müntzer lernen können, geht aus dem großartigen DLF-Beitrag über Thomas Müntzer hervor (auch wenn die Sympathien für Müntzer im Beitrag überwiegen):

Teil 1: Reformation ohne Kompromisse

 

Teil 2: Die Gewalt dem „gemeinen Volk“ geben:

 

Die „evangelische Verzweiflung“

Hans Joachim Iwand (Glaubensgerechtigkeit, München: Kaiser, 1980, S. 83–84):

Luthers Gegner haben immer wieder geltend gemacht, diese Lehre vom Gesetz und der Sünde, die keinen Rest unverdorbener Natur dem Menschen mehr zubilligt, zerstöre den Grundansatz alles sittlichen Lebens und ende in der Verzweiflung. Nun hat Luther wohl gewußt, daß es zwar eine solche Verzweiflung gibt, die den Menschen untüchtig und unfähig macht zu allem guten Werk, aber er lehrt, daß es zweierlei Verzweiflung gibt, denn beide, „der Satan und Christus, brauchen das Gesetz, um den Menschen zu erschrecken, aber ihre Ziele sind grundverschieden, ja entgegengesetzt“. Denn der Satan will, daß die Menschen an Gott, an seinem Erbarmen, an seiner Vergebung verzweifeln; er sucht die Menschen so zu verblenden, daß sie an die Vergebung nicht mehr zu glauben wagen, als gäbe es nur Gesetz für sie und als wäre das Evangelium für sie nicht da. Die diabolische Verzweiflung ist darum im Grunde immer Verzweiflung an Christus, weil eben der Mensch Gesetz und Evangelium nicht auseinanderhält. Die „evangelische Verzweiflung“ hingegen ist etwas ganz anderes. Das Evangelium gebraucht wie ein guter Arzt das Gesetz als ein „Gegengift“ gegen jene „verruchte Sicherheit, die so tief in allen Menschen drin sitzt, daß sie nichts erschüttern kann als Gottes Gesetz“. Aber das Ziel ist gerade umgekehrt: das Ziel ist das Leben, das Ziel ist das Offenwerden des Menschen für das Wort der Vergebung, das er erst hier, wenn das Gesetz ihn verklagt, als ein rettendes, helfendes Wort vernimmt.

„Krieg zur Zerstörung der Ehe“

Papst Franziskus hat mit überraschend deutlichen Worten die Gendertheorie verurteilt. Sie werde in französischen Schulen unterrichtet, obwohl sie gegen die Ordnung der Natur sei. Die FAZ berichtet:

Papst Franziskus hat auf dem Rückflug vom Kaukasus die „hinterlistige Indoktrinierung mit der Gendertheorie“ kritisiert. In seiner fliegenden Pressekonferenz berichtete er am Sonntagabend von einem französischen Vater, der ihm erzählt habe, wie der zehnjährige Sohn eines Tages auf die Frage, was er einmal werden wolle, geantwortet habe: „Ein Mädchen.“ Da sei dem Vater klar geworden, „dass in Schulbüchern weiterhin die Gendertheorie unterrichtet wird, obwohl diese gegen die natürliche Ordnung ist“, sagte der Papst und warf den Schulen den Willen zur „Änderung der Mentalitäten“ und eine „ideologische Kolonisierung“ vor. Die Gendertheorie geht davon aus, dass Geschlechter lediglich soziale Konstruktionen sind.

Mehr: www.faz.net.

Bildungsreform: Gefühle jetzt als Lösungen für Mathe-Aufgaben akzeptiert

Sylvia Löhrmann (Grüne), Schulministerin in NRW, will noch mehr Bildung. Die Halbtagsschule alter Prägung – so gab sie bekannt – lehne ihre Partei ab. Sie will den Ganztag „weiter ausbauen, denn dadurch kann individuelleres Lernen viel besser gestaltet werden“. Die Schule müsse dringend stärker an die Befindlichkeiten der Kinder angepasst werden. „Kinder sollen im Mittelpunkt stehen, nicht das System“, erklärte Löhrmann während ihres Interviews mit der Tageszeitung DIE WELT.

Ich kann Schulministerin Löhrmann nur empfehlen, sich an der progressiven Bildungsinitiative in den USA zu orientieren. Wie heute bekannt wurde, soll der Bildungsstandard „Common Core“ in Zukunft Gefühle als Lösungen für mathematische Aufgaben akzeptieren. Ein leitender Mitarbeiter von „Common Core“ erklärte gegenüber Journalisten:

Jede Emotion, jedes Gefühl, jede Aussage oder jeder Slogan wird im Neuen Mathematik-Standard als akzeptable Lösung für fast alle Aufgaben anerkannt werden. Was wir als Lehrer von den Schülern erwarten, ist, dass sie aufrichtig, echt, authentisch und sich selbst treu bleiben, wenn sie die Aufgabe lösen.

Die vollständige Pressemitteilung ist bei The Babylon Bee zu lesen: babylonbee.com.

Achtung: Satire! 

„Der Mensch stammt vom Affen ab, also müssen wir einander lieben.“

41ahQ6vWBwL SX320 BO1 204 203 200In dem Buch Making Sense of God: An Invitation to the Skeptical (Viking, 2016) schreibt Tim Keller  (S. 42–43):

Der russische Philosoph Wladimir Solowjow gab folgende sarkastische Zusammenfassung des ethischen Denkens des säkularen Humanismus: „Der Mensch stammt vom Affen ab, also müssen wir einander lieben.“ Der zweite Teil des Satzes folgt nicht aus dem ersten. Wenn es früher natürlich war, dass die Starken die Schwachen gefressen haben, warum dürfen die Menschen das dann heute nicht mehr? (. . .) Angesichts der säkularen Sichtweise auf das Universum ist die Schlussfolgerung der Liebe oder der sozialen Gerechtigkeit nicht logischer als die Schlussfolgerung, zu hassen oder zu zerstören. In einem konsequent-naturwissenschaftlichen Materialismus und in einem liberalen Humanismus passen diese beiden Überzeugungen einfach nicht zueinander. Das eine Überzeugungsgebilde widerlegt das andere. Viele würden das eine zutiefst inkohärente Weltanschauung nennen.

Weiter Zitate aus dem Buch und eine PDF-Datei mit dem ersten Kapitel sind bei Evangelium21 zu finden: www.evangelium21.net.

Prozess der Entwirklichung

Die FAZ hat einen guten Beitrag über den Einfluss des Smartphones publiziert. Das Smartphone bringt unser Leben zum Leuchten, jeder wird zum Regisseur und spinnt sich sein Netz der Anerkennung. Ein Artikel über die Psychologie einer großen Illusion.                                         

Die Bilder, die von ihren Freundinnen bei Whatsapp täglich auf sie einprasseln, seien eine „Beschränkung der Freiheit“, schrieb die Schweizer Autorin Claudia Mäder kürzlich in der „Neuen Zürcher Zeitung“. Das klang nach einer großen These, war aber ganz einfach gemeint: Sie wolle sich lieber einen schönen Garten vorstellen, als Bilder von kümmerlichen Pflänzchen zu sehen, und auch auf die Impressionen von kaffeetrinkenden Freundinnen oder bergsteigenden Kollegen auf weißen Gipfeln könne sie verzichten. All diese Bilder empfindet sie als „Eindringlinge in die Sphäre der mentalen Imagination“.

Daniel Salber erkennt in dem Prozess der Entwirklichung, den die sozialen Netzwerke mit sich bringen, eine Strukturanalogie zur Spekulationsblase der Finanzkrise von 2008. Der Wunsch, ohne Aufwand reich und glücklich zu werden, werde durch die Struktur der sozialen Medien befördert: Keine Anstrengung, kein Scheitern, permanente Selbstmaximierung und Perfektion nach außen – erwünscht ist das makellose Dasein in einer glatten Welt, die nichts mehr dem Zufall überlässt.

Ich bin, was ich erlebe. Ich zeige, was ich erlebe. Ich erlebe, was ich kaufe.

Hier: www.faz.net.

Heiligkeit und Liebe

Zwei Jahre vor seinem Tod sprach Francis Schaeffer in einem Interview über das Verhältnis der Christen zur Kultur (New Wine, Vol. 14 no., 2 Feb, 1982, S. 4-9). Er sprach dabei auch über die Demonstration von Gottes Heiligkeit und Liebe:

Die Schrift sagt deutlich, dass Gott ist heilig und Gott die Liebe ist. Unsere Aufgabe ist also, diese beiden Eigenschaften in allen unseren Beziehungen zu demonstrieren, auch in unseren persönlichen Kämpfen, in unserem theologischen Ringen, bei den Problemen, die in unseren lokalen Kirchengemeinden entstehen und in den Situationen, mit denen wir als Ganzes in unserer Gesellschaft konfrontiert werden.

Nach langen Kämpfen, damals in den Jahren als L’Abri gegründet wurde, sah ich, dass man sagen könnte, du demonstrierst die Heiligkeit Gottes und du würdest nur hart und derb sein. Auf der anderen Seite könnte man sagen, dass du die Liebe Gottes zeigtest und du kompromittiertest dich nur. Ich sah auch, dass du humanistische Nachahmungen jeder dieser Eigenschaften erbringen könntest. Was man jedoch nicht in eigener Kraft tun kann – noch nicht einmal auf schlechte Weise – ist, sowohl die Liebe Gottes als auch seine Heiligkeit gleichzeitig zu demonstrieren. Das kann nur durch das Wirken des Heiligen Geistes in unserem Leben getan werden.

Hier das vollständige Interview: www.samizdat.qc.ca.

Tatum über Wrights „Rechtfertigung“

41gD9TbQ9BL SX332 BO1 204 203 200Dass ein katholischer Theologe Βegründungsversuche einer forensischen Rechtfertigungslehre mit größter Skepsis wahrnimmt, ist verständlich. Aber diese Kritik an N.T. Wrights groß angelegtem Unternehmen, die Lehre der Glaubensrechtfertigung in seinem Paul and the Faithfulness of God (PFG) bundestheologisch zu verankern, hat es in sich. Gregory Tatum resümiert:

Wright wrote PFG to provide a new foundation for forensic justification (understood as a change in legal status and nothing more) in terms of a grand covenantal narrative. This grand covenantal narrative is built on sand – the select Abraham texts of Gal 3 and Rom 4 disconnect the promise/heir schema from the covenantal life of pre-Messianic Israel (circumcision and Torah). Wright’s reading of the Abrahamic promises collapses the New Covenant into the Old and eradicates the Torah and Israel-according-to-the-flesh both inside and outside the κοινονία of the New Covenant.

Hier bin ich – für einige sicher überraschend – doch geneigt, Wright in Schutz zu nehmen. Die eigentliche Innovation in PFG findet Gregory Tatum übrigens in Wrights Exegese zu Römer 2,5–13. Gerade die Auslegung von Röm 2 finde ich bei Wright alles andere als überzeugend.

Das Buch:

  • Christoph Heilig, J. Thomas Hewitt u. Michael F. Bird (Hg.), God and the Faithfulness of Paul: A Critical Examination of the Pauline Theology of N.T. Wright, Bd. 413, WUNT 2, Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

hat viel zu bieten!

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