Esoterik in der Kirche

Es ist erfreulich, dass die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen das Thema mal auf den Tisch bringt. Wenn die Kraft des Evangeliums im Raum der Kirche sich mangels Verkündigung nicht mehr entfalten kann, wenden sich die Kirchgänger allen möglichen verschmutzen Quellen zu. Sogar hauptamtliche Mitarbeiter der Kirchen suchen sich Hilfe bei der Esoterik.

Kai Funkschmidt schreibt („Je nach Religion ändert sich der Götterhimmel und die Requisiten und so“, EZW-Texte 244, S. 17–18):

Spannend wird es nun, weil sich zunehmend nicht nur Gemeindeglieder und Bildungseinrichtungen für Esoterik begeistern. Sondern gelegentlich integrieren auch Pfarrer esoterische Themen in ihre Arbeit beziehungsweise in ihre persönliche Frömmigkeit. Damit kommt das Phänomen im institutionellen Kern der Kirche an. Der prominenteste Fall ist der des seit 2010 emeritierten ehemaligen Fernsehpfarrers Jürgen Fliege, ordinierter Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland. Dokumentiert sind außerdem viele weitere Fälle, zum Beispiel der eines sächsischen Pfarrers, der die Genehmigung einer Nebentätigkeit alsTai-Chi-Lehrer beantragte, oder der eines hessischen Studentenpfarrers, der Kundalini-Yoga anbietet. Einige Krankenhausseelsorger bedienen sich schamanischer Techniken oder praktizieren als Geistheiler, Gemeindepfarrer nutzen das auf indianischen Initiationsritualen beruhende „Vision Quest“ in Jugendarbeit und Konfirmandenunterricht, andere beschäftigen sich mit Reiki, einem Angebot der Heilung mit einer kosmischen Energie, das wegen seiner scheinbaren weltanschaulichen Neutralität und seiner niedrigen Zugangsschwelle (meist reichen zwei bis drei Kurse, um den Meistergrad zu erlangen) attraktiv erscheint. In der Evangelischen Kirche im Rheinland gab es einen jahrelangen Streit um die „Tätigkeit einer Pfarrerin als Feng-Shui-Lehrerin, der schließlich disziplinarrechtlich gelöst wurde und mit ihrem Ausscheiden aus dem Dienst endete.

Spätestens in dem Moment, wo sich das Verkündigungsamt einer religiösen Organisation für esoterische Ansätze öffnet, stellen sich die theologischen Fragen nach Identität und Kern der eigenen Botschaft in aller Schärfe. Trotz großer Skepsis von Kollegen und kirchenleitenden Stellen sind kirchenjuristische Herangehensweisen (Disziplinär- und Lehrzuchtverfahren) unbefriedigend und auf eine Handvoll Extremfälle beschränkt. Dennoch bleibt der Weg, esoterische Anreicherungen in die eigene Glaubens- und Berufspraxis aufzunehmen, konfliktbehaftet, insbesondere dann, wenn er nicht im Verborgenen, sondern offen geschieht. Häufig erklären Pfarrer, die sich auf diesen Weg begeben, dass ihr Interesse zunächst im privaten Bereich geweckt wurde, als sie zufällig merkten: „Es funktioniert“ (Geistheilung, Wünschelrutengehen etc.). Auslöser war also nicht ein empfundener Mangel in der Seelsorgepraxis, obwohl später v. a. in diesem Bereich esoterische Vollzüge als Perspektivenerweiterung eingesetzt werden.

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7 Jahre zuvor

„als sie zufällig merkten: „Es funktioniert“ (Geistheilung, Wünschelrutengehen etc.). “
– und hier ist die Schwäche der Kirche – die Schlange – bzw. der Stab – Aarons fraß die Schlangen der Zauberer Ägyptens. Die Kirche braucht ihre (Gottes) Kraft zurück-. Auch mit Heilungen, Zeichen und Wundern.
Nicht Wunder um jeden Preis, nicht Wunder um den Preis der Wahrheit nicht auf Kosten der Botschaft. Sondern als selbstverständlichen Stempel Gottes auf das von ihm autorisierte Evangelium. Da, wo in Gemeinden Nichtchristen zu Christen werden, passiert das häufiger. Gott gefällt es, allen gefällt es.
http://jesus-blog.de/christliche-gemeinde-beschaeftigt-sich-selbst/
Es wird Zeit, dass Gemeindeleiter ! (nicht nur die jeweils 3 Schäfchen der Gemeinde) gemeindeübergreifend Gott anflehen hier neues Leben zu geben in einer bußfertigen Haltung. Auch nicht dieses Tun irgendwelchen „nervigen“ Leuten ihrer Gemeinde überlassen, sondern wirklich gemeindeübergreifend unter Tränen vorangehen und zu zweit zu dritt (oder mehr!!) als Leiter regelmäßig vor Gott treten mit diesem Anliegen.
Es geht um Alles.

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