Glaube

„Vergib uns unsere Gewissheit“

Heute gibt es fast keine größere Sünde als die der „Gewissheit“. Wer sich einer Sache sicher ist, erfüllt damit fast schon ein wichtiges Merkmal des Fundamentalismus. Tatsächlich gibt es falsche Gewissheiten und hier und da auch einfach Denkfaulheit. Doch muss ein gewisser Glaube gleich ein arroganter Glaube sein? Es war Martin Luther, der gesagt hat: „Der Heilige Geist ist kein Skeptiker, der nur Zweifel oder bloße Meinungen in unseren Herzen erweckte, sondern er bestätigt gewiss in unserem Gewissen, so dass der Mensch dafür steht und stirbt.“

Mike Ovey schreibt in „Du sollst nicht gewiss sein“:

Natürlich sind Menschen manchmal nicht vertrauenswürdig, sodass Unsicherheit hinsichtlich ihrer Worte und Versprechen durchaus berechtigt ist. Aber der biblische Gott ist jemand, dessen Wort das bewirkt, was er beabsichtigt, und der nicht lügen kann (vgl. Tit 1,2). Das Problem radikaler Ungewissheit besteht darin, dass sie uns davon abhält, Gott zu vertrauen.

Aus geistlicher Perspektive ist dies äußerst gefährlich: Es entehrt Gott und verleitet uns dazu, uns auf uns selbst oder unsere Götzen zu verlassen. Leider ist dies auch äußerst verlockend, denn ich ziehe es vielleicht vor, mich auf mich selbst zu verlassen (mit all der Kontrolle und Selbstbehauptung, die Selbstvertrauen mit sich bringt) anstatt Gott zu vertrauen (mit der Demut und Abhängigkeit, die ein solches Vertrauen mit sich bringt).

Drittens verleitet mich radikale Ungewissheit dazu, an Jesus zu zweifeln: Sie lässt mich daran zweifeln, dass er ein vollkommener Gott ist, der Mensch geworden ist und behauptet, mir Dinge – insbesondere den Namen seines Vaters (vgl. Joh 17,6) – offenbart zu haben. Er hat uns vielleicht nicht alle Dinge im Himmel und auf Erden offenbart, aber er behauptet, offenbart zu haben, wer Gott ist.

Ist es eine Sünde, Gewissheit über Jesus zu haben? Definitiv nicht. Ist es eine Sünde, sich dafür zu entscheiden, hinsichtlich seiner Person, seiner Worte und seines Willens in Ungewissheit zu verharren? Ganz bestimmt. Natürlich kann Gewissheit an sich eine Sünde sein. Aber das gilt auch für vorsätzliche Ungewissheit. Das ist eine ebenso reale und – so fürchte ich – größere Gefahr.

Mehr: www.evangelium21.net.

Was ist rettender Glaube für John Piper?

John Piper betont in seinen Schriften seit vielen Jahren das Gefühlsleben des gläubigen Christen. Er steht mit dieser Pointierung in der Tradition von Jonathan Edwards. Ich war und bin dankbar für die damit verbundenen Impulse für das Glaubensleben.

In seinem Buch What Is Saving Faith? (#ad, dt. Was ist rettender Glaube?) untersucht Piper die Beziehung zwischen dem rettenden Glauben und der Liebe zu Christus genauer. Anhand von Dutzenden von Stellen aus dem Alten und Neuen Testament und unter Berücksichtigung des Zeugnisses führender reformierter Theologen vertritt er die umstrittene These, dass die Wertschätzung Christi zum Wesen des rettenden Glaubens gehört. Während der rettende Glaube im Protestantismus traditionell notitia (Wissen), assensus (Zustimmung) und fiducia (Vertrauen) einschließt, ergänzt Piper diese Anatomie also durch Affekte (oder die Liebe).

Pipers Glaubensanatomie nähert sich damit dem katholischen Verständnis an. Das dürfte auch ein Grund dafür sein, dass er sich explizit von der katholischen Lehre von der fides caritate formata abgrenzt. Fides caritate formata ist ein lateinischer Ausdruck, der in der katholischen Theologie eine zentrale Rolle spielt. Wörtlich übersetzt bedeutet er „Glaube, der durch die Liebe geformt ist“. Im Unterschied zum ungeformten Glauben (fides informis) schließt der geformte Glaube Hoffnung und Liebe mit ein. Zu finden ist diese Glaubensanatomie etwa im Konzil von Trient, wo das Wesen der Rechtfertigung beschrieben wird (Kap. 7, DH 1528–1531):

Daher erhält der Mensch in der Rechtfertigung selbst zusammen mit der Vergebung der Sünden durch Jesus Christus, dem er eingegliedert wird, zugleich alles dies eingegossen: Glaube, Hoffnung und Liebe. Denn wenn zum Glauben nicht Hoffnung und Liebe hinzutreten, eint er weder vollkommen mit Christus, noch macht er zu einem lebendigen Glied seines Leibes. 

Ist Piper die Abgrenzung von Trient überzeugend gelungen? Schon Harrison Perkins hat in seiner Rezenion von What Is Saving Faith? darauf hingewiesen, dass Piper etwas in den Glauben hineinzieht, was im reformierten Lager als Frucht des Glaubens verstanden wurde und wird. Auch die von ihm herangezogenen historischen Befunde helfen nicht weiter, denn:

Da Piper Glaubensakte als konstitutive Aspekte des Glaubens und nicht als dessen Auswirkungen oder Ergebnisse definiert, unterstützen nur sehr wenige seiner historischen Zitate seinen Standpunkt – wenn überhaupt. Sicherlich enthalten sie seine Formulierungen, aber sie erörtern in der Regel affektive Glaubensakte als Ergebnisse des Glaubens. 

Guy P. Waters ist in seiner wertschätzenden Buchbesprechung ähnlich skeptisch. Weder können Pipers exegetische Untersuchungen der einschlägigen biblischen Begründungstexte überzeugen, noch ist die notwendige Unterscheidung von Glaube und Liebe gelungen:

Piper hat völlig Recht, wenn er darauf besteht, dass Glaube und Wertschätzung Christi niemals voneinander getrennt werden dürfen. Aber es gibt einen anderen Fehler, dem WSF [What Is Saving Faith?] verfällt, nämlich die Vermischung von Glaube und Liebe. Das heißt, an einigen Stellen verwischt WSF tatsächlich die Grenzen zwischen Glaube und Liebe. Auf diese Weise versäumt es WSF, die biblische Integrität beider Gnaden zu wahren.

Diese Unschärfe hat Auswirkungen auf unser Verständnis der biblischen Lehre über die Rechtfertigung. Piper besteht zu Recht und wiederholt darauf, dass der Sünder allein auf der Grundlage der Gerechtigkeit Christi gerechtfertigt wird, die dem Sünder zugerechnet und allein durch den Glauben empfangen wird, unabhängig von den Werken des Gesetzes. Aber die Einführung der Wertschätzung Christi bzw. der Liebe zu Christus als ein Element des rettenden Glaubens, wie es WSF fordert, kompromittiert diese aufrichtig vertretene Überzeugung. Und während Piper sich bewusst und lobenswerterweise von der römischen Rechtfertigungslehre distanziert, distanzieren sich die These und die Argumentation von WSF weder ausreichend von Rom, noch stützen sie die reformatorischen Überzeugungen von WSF.

Der beste Weg ist, Glaube und Liebe weder zu trennen noch zu vermischen, sondern Glaube und Liebe zu unterscheiden. Der Gläubige muss Christus über alles schätzen, aber als notwendige Frucht und Beweis des rettenden Glaubens. Dieser Weg dient als heilsames Korrektiv für das seelsorgerliche Dilemma, das Piper zu Recht Sorgen bereitet, nämlich den weit verbreiteten Irrtum, man könne an Jesus Christus glauben, aber Jesus Christus nicht über alles lieben. Und er untermauert Pipers reformatorische Überzeugung, dass der Sünder allein durch den Glauben gerechtfertigt wird, unabhängig von den Werken. 

Freud – jenseits des Glaubens

Soweit ich weiß, sind sich Sigmund Freud (1856–1939) und C.S. Lewis (1898–1963) nie persönlich begegnet. Was aber wäre passiert, wenn sie miteinander über den Glauben diskutiert hätten? Der Film „Freud – jenseits des Glaubens“ sucht genau darauf eine Antwort. Dietmar Dath schreibt in seiner Filmbesprechung: 

Die professionelle Umgebung macht Hopkins sichtlich gute Laune: „I spent most of my life examining fantasies“, raunzt sein Freud, jetzt werde es Zeit „to make sense of . . . reality“, was immer das sei, die Wirklichkeit. Lewis kennt sie auch nicht, er gehört schließlich zu einer besonders realitätsresistenten Autorengruppe, den Inklings, genau wie Tolkien, der einen kurzen Gastauftritt hat. Hopkins hätte ihm gefallen, denn der genießt mit exquisit moribunder Betonung das Wörtchen „spooky“, als hätte er es soeben erfunden.

Die Redeschlacht zwischen Lewis und Freud leidet etwas darunter, dass die einschlägigen Positionen der historischen Vorbilder durch allgemeinmenschliche Motivationen ersetzt sind (Verbitterung, Hoffnung und so weiter). Als Lewis behauptet, per biblischem Quellenstudium zu seinem Bekenntnis gefunden zu haben, erwidert Freud keineswegs mit dem für ihn naheliegenden Verdacht, es könne sich um das handeln, was er „Rationalisierung“ getauft hat. Umgekehrt fällt Lewis, als Freud obstinat die bittere Impraktikabilität des Nächstenliebegebotes anprangert, verblüffenderweise die soteriologisch korrekte Antwort nicht recht ein: Eben weil niemand so selbstlos und gut ist wie der barmherzige Samariter, brauchen wir Christi Sühnopfer und können uns nicht durch Werke selbst erlösen.

Hier mehr und ein Trailer: 

Geerhardus Vos: Das Reich Gottes

Der in den Niederlanden geborene Geerhardus Vos (1862–1947) war von 1893 bis 1932 Professor für Biblische Theologie am Princeton Theological Seminary (USA). Er ist bekannt geworden für seine Pionierarbeit im Bereich der sogenannten „Biblischen Theologie“, als deren „Vater“ er gelegentlich bezeichnet wird. Er gehört zu jenen Theologen, die an die vollständige Inspiration der Heiligen Schrift glaubten und ihr die höchste Autorität in allen Fragen einräumten und zugleich akademisch auf dem höchsten Niveau arbeiteten. Vos zeigte und begründete in seinen Vorlesungen und Schriften, dass Gottes erlösende Offenbarung als ein sich organisch entfaltender historischer Prozess erfolgt und das diese Einsicht für die Auslegung der Schrift sehr bedeutsam ist.

Bis vor Kurzem sind nach meinen Wissen keine Schriften von Geerhardus Vos in deutscher Sprache erschienen. Umso erfreulicher ist es, dass der Betanien Verlag inzwischen das kleine Buch Das Reich Gottes und die Gemeinde publiziert hat. Im Vorwort zur deutschen Ausgabe heißt es (S. 8–10):

Das vorliegende Buch schrieb Vos im zweiten Jahrzehnt seiner Professur in Princeton im Jahre 1903 und somit ist es eines seiner früheren Werke. Es entstand zu einer Zeit, als er und seine Frau Catherine nach neun Ehejahren endlich ihr erstes Kind bekamen und er tägliche Mittagsspaziergänge mit Benjamin B. Warfield unternahm, denen sich oft auch weitere Princeton-Theologen wie J. Gresham Machen anschlossen. Kurz zuvor hatte Vos begonnen, neben seiner akademischen Tätigkeit auch allgemeinverständliche Artikel für eine breite Zielgruppe zu schreiben und in einem neuen Journal namens „The Bible Student“ zu veröffentlichen, das ein bibeltreues Schriftverständnis unter Christen fördern sollte. Seine Schriftauslegung in diesen Artikeln hatte dabei einen starken heilsgeschichtlichen Fokus. „Das Reich Gottes und die Gemeinde“ ist die Weiterentwicklung einiger Artikel und Rezensionen, die Vos in „The Bible Student“ veröffentlich hatte. Er wollte mit diesen Artikeln damals aufkommende irrige Sichtweisen des Reiches Gottes korrigieren, die insbesondere aus deutschsprachiger Richtung die bibeltreue Theologie zu beeinflussen begannen: So verbreitete der deutsche Theologe Wilhelm Lütgert (ein Schüler Adolf Schlatters) eine allein diesseitige Sicht des Reiches Gottes; der Schweizer Paul Wernle publizierte ein Buch über seine rein eschatologische Auffassung des Reiches. Andere jüngere theologische Richtungen vertraten eine strikte Trennung zwischen Reich Gottes und Gemeinde, insbesondere der von John Nelson Darby eingeführte Dispensationalismus, der auch unter den Old-School-Presbyterianern, denen Vos angehörte, Anklang fand. Die Darstellung und Kritik falscher Auffassungen nimmt jedoch nicht sonderlich viel Raum in diesem Buch ein; Vos legt den Schwerpunkt auf eine konstruktive Darlegung dessen, was der Herr Jesus ganz in Harmonie mit dem AT und mit Paulus über Gottes Königsherrschaft lehrt. Da das Thema Reich Gottes einer der ganz großen „roten Fäden“ der biblischen Heilsgeschichte ist – wenn nicht sogar das eine große vereinende Thema der Bibel kommt Vos’ theologische Brillanz als Experte für heilsgeschichtliches Verständnis hier besonders gut zum Ausdruck.

Geerhardus Vos soll noch selbst zu Wort kommen. Über den Glauben sagt er, dass letztlich Gott diesen im Menschen wirkt, er also ein Geschenk von oben ist. Leider muss das innerhalb der evangelikalen Szene heute wieder herausgestellt werden, da in ihr die Anschauung verteidigt wird, der Glaube sei ein Werk des Menschen. Vos schreibt (S. 110):

In letzter Analyse ist Glaube gemäß Jesu Aussage eine Gabe Gottes. Glaube muss das Werk Gottes im Menschen sein, denn nur so lässt er sich mit der Erkenntnis in Einklang bringen, dass wir alles dem Wirken Gottes für uns und in uns verdanken. Der Vater ist es, der den unmündigen Kindern das offenbart, was er „vor Weisen und Verständigen verbirgt“ (Mt 11,25). Jesus betet für Petrus, dass sein Glaube nicht aufhört. Gebet ist also ein Anerkennen, dass das, wofür wir beten, abhängig ist vom Willen und Wirken Gottes. Als Petrus bekannte: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16), antwortete Jesus, dass nicht Fleisch und Blut ihm dies offenbart haben, sondern der Vater im Himmel.

Im Johannesevangelium werden in den Reden Jesu einige wichtige Punkte seiner Lehre über den Glauben klarer und ausdrücklicher herausgestellt als bei den Synoptikern. Glaube ist hier durchweg Glaube an Jesus, und nicht nur an Jesus als Werkzeug Gottes, sondern an ihn als Ebenbild und Inkarnation Gottes, so dass an ihn zu glauben heißt, an Gott zu glauben. Folglich wird dieser Glaube an Jesus auch eindeutig dargestellt als umfassender Glaube an ihn als Retter in Sachen Leben und Tod, für Zeit und Ewigkeit, und nicht nur als Glaube an Jesus als Helfer in einer konkreten Notsituation. Ja mehr noch, unser Herr beschreibt hier vorausschauend, in welcher Beziehung Glaube zu seinem Sühnetod und seiner Auferstehung stehen wird, und wie dieser Glaube zu einem Glauben an den himmlischen, verherrlichten Christus wird (Joh 3,14; 6,51; 7,29.38; 11,25; 15,7.16; 16,23–24). Weil das Selbstzeugnis Jesu in diesem Evangelium so viel umfassender und reichhaltiger ist, wird der Glaube hier stärker mit Erkenntnis gleichgesetzt (Joh 6,69; 8,24.28; 14,9–10.20; 16,30). Doch wie bereits gesagt, bedeutet Erkenntnis hier weit mehr als intellektuelle Einsicht. Sie beinhaltet praktische Kenntnis, Vertrauen und Liebe (Joh 10,4.14.15; 17,25.26). Und schließlich: Unser Herr äußert sich hier viel deutlicher zu den Ursachen von Glauben und Unglauben als in den synoptischen Evangelien. Glaube und Unglaube sind praktische Zustände und Handlungen, anhand derer die gesamte geistliche Verfassung des Einzelnen ans Licht kommt. Nicht zu glauben ist die große Hauptsünde, weil die tiefe, innewohnende Sündigkeit des Herzens in der Sünde des Unglaubens ihren wahren Charakter der Feindschaft gegen Gott zeigt (Joh 9,41; 15,22.24; 16,8–9).

Das Buch kann direkt beim Verlag Betanien bestellt werden: www.cbuch.de.

Ohne Glaubenssubstanz keine Mission

Missionarischer Gemeindeaufbau braucht einen klaren theologischen Kompass, meint  Philipp Bartholomä und schreibt:

Dekonstruktion ist ein zentraler Ansatz unserer heutigen postmodernen Zeit. So ist es auch nicht mehr nur in Kreisen üblich, die man herkömmlicherweise als „theologisch liberal“ bezeichnet hat, zentrale theologische Wahrheiten zu „dekonstruieren“, also zu hinterfragen, umzudeuten und gegebenenfalls ganz aufzugeben. Auch unter Evangelikalen sind früher unantastbare Glaubensinhalte nicht mehr selbstverständlich. Theologisch steht vieles zur Disposition, wie etwa die Inspiration, Wahrheit und Einheit der Heiligen Schrift, die vollkommene Sündhaftigkeit des Menschen, die Jungfrauengeburt, das stellvertretende Sühneopfer des Mensch gewordenen Gottessohnes, der doppelte Ausgang des Endgerichts zu ewigem Leben mit Gott oder ewiger Trennung von Gott.

Auch im ethischen Bereich kommt es zu grundlegenden Neubewertungen, beispielsweise im Blick auf vorehelichen Geschlechtsverkehr oder Homosexualität. Man müsse, so häufig die Argumentation, traditionelle theologische Deutungen im Licht heutiger Erkenntnisse neu beurteilen. Durch einen solch „neuen Blick“ auf bisher missverstandene oder falsch angewendete biblische Texte könnte man dann auch angemessener auf die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen reagieren und somit die Relevanz des Glaubens wieder deutlicher machen. In dieser Hinsicht sei es vielfach notwendig, sperrige, unbequeme und mit vorherrschenden kulturellen Empfindungen in Konflikt stehende Aussagen der Heiligen Schrift auszublenden, umzudeuten oder der beschriebenen Neubewertung zu unterziehen.

Dass die Kontextualisierung biblischer Inhalte notwendig ist, um intellektuelle wie emotionale Brücken zu bauen und den kulturellen Abstand zu denen zu verringern, die wir erreichen wollen, steht außer Frage. Problematisch wird es dann, wenn die theologische Substanz und damit zentrale Glaubensinhalte in ihrem Kern verändert werden. Oft kann man den Eindruck gewinnen, dass nicht mehr biblische Einsichten für Fragen des Glaubens und der Lebensgestaltung maßgeblich sind, sondern postmoderne Befindlichkeiten und Überzeugungen.

Demgegenüber wird in der Bibel immer wieder deutlich: Es schadet dem Volk Gottes, wenn Gottes Wort infrage gestellt, verdreht oder gar bewusst ignoriert wird:

„Dies ist’s, was ich dir heute gebiete: dass du den HERRN, deinen Gott, liebst und wandelst in seinen Wegen und seine Gebote, Gesetze und Rechte hältst, so wirst du leben und dich mehren, und der HERR, dein Gott, wird dich segnen in dem Lande, in das du ziehst, es einzunehmen. Wendet sich aber dein Herz und du gehorchst nicht, sondern lässt dich verführen, dass du andere Götter anbetest und ihnen dienst, so verkünde ich euch heute, dass ihr umkommen und nicht lange in dem Lande bleiben werdet, in das du über den Jordan ziehst, es einzunehmen.“ (5Mo 30,16–18, vgl. Jer 44,4–6; Neh 9,29–30; Ps 89,31–33 u.v.a.)

„Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß.“ (Mt 7,24–27)

Jesus hat oft davon gesprochen, dass die Liebe zu ihm und der Gehorsam gegenüber seinen Geboten zusammengehören, wie zwei Seiten einer Medaille. Wer ihm nachfolgt und ihn liebt, soll sich nicht dadurch auszeichnen, dass er göttliche Maßstäbe allzu leicht relativiert, sondern dass er sie gern befolgt, auch wenn einem der gesellschaftliche Gegenwind ins Gesicht bläst:

„Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. … Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist’s, der mich liebt.“ (Joh 14,15.21; vgl. 1Joh 5,3 u.a.)

Schließlich findet sich im Neuen Testament die eindringliche Mahnung, an der Schrift als glaubwürdigem und autoritativem Wort Gottes festzuhalten und Gottes Wahrheit nicht an zeitgenössische Meinungen und kulturelle Trends anzupassen:

„Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist; du weißt ja, von wem du gelernt hast und dass du von Kind auf die Heilige Schrift kennst, die dich unterweisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Christus Jesus. Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt. … Denn es wird eine Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden; sondern nach ihrem eigenen Begehren werden sie sich selbst Lehrer aufladen, nach denen ihnen die Ohren jucken, und werden die Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Fabeln zukehren.“ (2Tim 3,14–16 und 4,3–4; vgl. Offb 3,8.10 u.a.)

Mehr: www.evangelium21.net.

Nochmal: Glauben, lieben, hoffen

Glauben. Lieben. Hoffen heißt das neues Buch, das derzeit für Diskussionen sorgt. Eine Besprechung von Markus Till wurde hier im TheoBlog.de bereits gepostet. Das Buch ist deshalb so brisant, weil es einige grundlegende christliche Überzeugungen in Frage stellt und Pastoren des EFG- und FEG-Bundes daran mitgewirkt haben. Worum geht es genau und was zu tun ist, besprechen die Pastoren Matthias Mockler und Matthias Lohmann im nachfolgenden Pastoren-Podcast:

„Der christliche Glaube war für Lewis wie eine Linse“

51YCPOQqATL SY264 BO1 204 203 200 QL40 ML2Alister McGrath über die erkenntnistheoretische Bedeutung des Glaubens für C.S. Lewis (Der Gottesplan, Geißen: Brunnen, 2014):

„Ich glaube an Christus, so wie ich glaube, dass die Sonne aufgegangen ist, nicht nur, weil ich sie sehe, sondern weil ich durch sie alles andere sehen kann“ (C. S. Lewis). Diese sorgsam gewählten Worte drücken Lewis’ tiefe Überzeugung von der Vernünftigkeit des christlichen Glaubens aus. Lewis (1898–1963) kam zum Glauben an Gott unter anderem über seine sich vertiefende Überzeugung, dass Gott mit einer intellektuellen Sonne verglichen werden müsse, welche die Landschaft der Wirklichkeit erhellt. Der christliche Glaube war für Lewis wie eine Linse, die es ermöglicht, dass man die Dinge klar und deutlich sehen kann. Seine Fähigkeit, die Wirklichkeit zu erhellen und ihr Sinn abzugewinnen, war, so behauptete er, ein Anzeichen (wenn auch kein Beweis) seiner Wahrheit. Nicht jedes Geheimnis werde gelöst; für Lewis blieb die Frage nach dem Leid ein Hauptthema intellektuellen Unbehagens, besonders in seinen späteren Jahren. Sein Glaube an Gott bot ihm jedoch einen archimedischen Punkt, von dem aus er den Rätseln und Ungereimtheiten der Welt Sinn abgewinnen konnte.

Warum dankt Paulus Gott für den Glauben?

Warum dankt Paulus seinem Gott für den Glauben der Christen in Rom? Müsste er nicht eigentlich seinen Geschwistern für ihren Glauben danken? Er dankt Gott, da Er der Geber ihres Glaubens ist. Römer 1,8 bringt sehr schön zum Ausdruck, dass der Glaube eine gute Gabe Gottes ist: „Als Erstes möchte ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle danken, denn in der ganzen Welt spricht man von eurem Glauben.“

Johannes Calvin schreibt in seinem Kommentar: 

Zuerst ist nun der Aufmerksamkeit wert, dass er [also Paulus] ihren Glauben lobt und ihn dennoch als Geschenk Gottes betrachtet. Daraus lernen wir, dass der Glaube eine Gabe Gottes ist. Denn wenn Danken die Anerkennung einer Wohltat bedeutet, so gesteht jemand, dass der Glaube von Gott kommt, wenn er ihm dafür dankt. Wenn wir nun sehen, dass der Apostel seine Lobsprüche immer mit einem Dank beginnt, sollen wir damit ermahnt werden, dass alles Gute, das wir haben, Gottes Wohltat ist.

Mit einer solchen [festen] Redeweise möchte er uns daran gewöhnen, dass wir so immer mehr dazu gebracht werden, Gott als den Spender alles Guten anzuerkennen und andere zur selben Betrachtung zu ermutigen. Wenn dies schon bei den Gaben beachtet werden soll, dann umso mehr beim Glauben, der keine unbedeutende oder gewöhnliche Gnade Gottes ist.

Wir haben also keinerlei Grund, auf unseren Glauben stolz zu sein. Er ist nicht belohnungswürdige menschliche Leistung, sondern ein zutiefst persönliches Vertrauen, welches uns Gott durch seinen Geist schenkt. Deshalb schreibt Paulus an anderer Stelle (2Thess 2,13):

Für euch hingegen, vom Herrn geliebte Geschwister, können wir Gott immer nur danken, denn ihr gehört zu den Erstgeborenen seiner neuen Schöpfung. Er hat euch dazu erwählt, durch das heiligende Wirken seines Geistes und durch den Glauben an die Wahrheit gerettet zu werden.

VD: TW

Auf Gottes Einladung antworten

John Stott schreibt in einem Buch Die große Einladung über die Freiheit (Brunnen, 2004, S. 138–139):

Jeder ist auf der Suche nach Ruhe, nach Frieden, nach Freiheit. Und Jesus sagt uns, wo wir sie finden können – indem wir am Kreuz unsere Last abwerfen und indem wir uns der Autorität seiner Lehre unterordnen. Freiheit finden wir in der Tat dadurch, dass wir unsere Last niederlegen; aber wir finden sie ganz bestimmt nicht dadurch, dass wir hinterher auch die Last Christi abwerfen. Das Paradox des christlichen Lebens ist: Unter dem Joch Christi finden wir Ruhe, und in seinem Dienst finden wir Freiheit. Indem wir uns verlieren, finden wir uns selbst, und wenn wir unserer Selbstsucht absterben, fangen wir an zu leben.

Warum also bin ich Christ? Es ist wohl klar geworden, dass es dafür nicht den einen, alles entscheidenden Grund gibt, sondern eher ein Bündel von Gründen. Manche davon haben mit Jesus Christus selbst zu tun – mit den außergewöhnlichen Behauptungen, die er über sich selbst aufstellte und die ich nicht entkräften kann; mit seinem Leiden und seinem Tod, die mir das Problem des Schmerzes erhellen; und mit der Unerbittlichkeit, mit der er, der „himmlische Jagdhund“, mich verfolgte und mich nicht entkommen ließ. Andere Gründe haben mehr mit mir zu tun als mit ihm: Er hilft mir, mich selbst im Paradox meiner menschlichen Natur zu verstehen und Erfüllung für mein grundlegendes menschliches Streben zu finden. Ein weiterer Grund für meine Entscheidung, Christ zu werden, ist die Notwendigkeit, auf Gottes Einladung zu reagieren und zu ihm zu kommen, um Freiheit und Ruhe zu finden.

Um es in einem einzigen Satz zusammenzufassen: Jesus Christus, der von sich sagt, er sei sowohl der Sohn Gottes als auch der Erlöser und Richter der Menschheit, steht nun vor uns und bietet uns Erfüllung, Freiheit und Ruhe an, wenn wir nur zu ihm kommen. Eine solche Einladung von einer solchen Person kann man nicht einfach übergehen. Er wartet geduldig auf unsere Antwort. „U. A. w. g.!“ [Um Antwort wird gebeten!].

Es ist schon viele Jahre her, dass ich Christus damals im Schlafsaal der Schule kniend meine Antwort gegeben habe. Ich habe es nicht bereut. Denn ich habe erfahren, was Lord Reith (der erste Generaldirektor von BBC London) einmal „das Mysterium und die Magie des innewohnenden Christus„ nannte.

Ich frage mich, ob Sie, liebe Leserin und lieber Leser, wohl ebenfalls bereit sind, diesen Schritt zu tun? Wenn ja, dann hilft es Ihnen vielleicht, sich allein irgendwohin zurückzuziehen und das folgende Gebet zu Ihrem eigenen zu machen:

Herr Jesus Christus, ich weiß, dass du schon lange auf verschiedenste Weise auf der Suche nach mir bist. Ich habe gehört, wie du an meine Tür geklopft hast.

Ich glaube, dass deine Behauptungen wahr sind; dass du am Kreuz für meine Sünden gestorben bist, und dass du auferstanden bist und über den Tod triumphiert hast.

Danke für dein liebevolles Angebot der Vergebung, für die Freiheit und für die Erfüllung.

Nun wende ich mich ab von meiner sündigen Selbstsucht.

Ich komme zu dir als meinem Erlöser.

Ich ordne mich dir unter als meinem Herrn. Schenk mir die Kraft, dir für den Rest meines Lebens zu folgen.

Amen.

Der christliche Glaube in Nordamerika

Was glauben die Menschen in den USA über Gott, Jesus Christus, Sünde und Ewigkeit? Ligonier’s „State of Theology“- Umfrage hilft, Antworten auf diese Fragen zu finden. Alle zwei Jahre messen Ligionier und LifeWay-Research die theologischen Überzeugungen in den Vereinigten Staaten, um Christen zu helfen, die heutige Kultur besser zu verstehen.

Die Ergebnisse der Umfrage 2018 wurde vor einigen Tagen veröffentlicht. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse kann hier heruntergeladen werden: Ligonier-State-of-Theology-2018.pdf.

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