Karl Barth

Barth über Stalin

Die Bekennende Kirche hat unter dem starken und mutigen Einfluss von Barth, Niemöller, Gollwitzer und vielen anderen im Dritten Reich vieles richtig gemacht. Trotzdem war der Widerstand gegen das Naziregime bei einigen mit Blindheit gegenüber der stalinistischen Diktatur gepaart. Besonders Barth sympathisierte mit dem Kommunismus. 1951 erklärte der Schweizer Theologe in Casa Locarno:

Hitler war ein Verbrecher, ein Narr, das wissen wir alle. Das kann man aber von Stalin nicht sagen. Ganz anders steht es mit Stalin! Stalin kann nicht mit Hitler verglichen werden, er ist ernstzunehmen. Seinem Kommunismus geht es ja um die soziale Frage.

Das Karl-Barth-Archiv in Basel

Internationales Museum der Reformation in Genf

Karl Barth war international einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts. In seinem ehemaligen Wohnhaus in Basel befindet sich heute das Karl-Barth-Archiv, in dem Tausende von Büchern, Aufsätzen und Briefen des evangelischen Theologen aufbewahrt werden. Seit dem 1.März 2012 hat das Haus einen neuen Leiter, Dr. Peter Zocher.

Hier ein Interview mit dem Theologen Zocher:

„Wir können Gott nicht einfach abschreiben“

Martin Walser hat Alexander Görlach ein Interview gegeben und geht mit dem Atheismus hart ins Gericht. Gleichzeitig wendet er sich gegen die beruhigende Religion der Kirche und benennt Nietzsche, Kafka und Barth als seine Kronzeugen. Walser spricht nicht als Glaubender, sondern als Zweifler, der Gott nicht einfach abschreiben kann.

Wenn man Karl Barth liest, dann fällt sicherlich nicht nur mir auf, dass wir eingeschlafen sind und die Rechtfertigung aus allen möglichen Ersatzbefriedigungen produziert haben. Natürlich kann einem die Barth-Lektüre den Anstoß dazu geben, dass man sich verbietet, einzuschlafen und sich mit Pseudo-Rechtfertigungen durch soziale, politische und sonstige biografische Erfolge zufriedengibt. Aber das allein reicht noch nicht. Deswegen ist für mich „Der Prozess“ von Kafka so wichtig. Josef K. soll an seinem dreißigsten Geburtstag im Gericht schriftlich über sein Leben Rechenschaft ablegen. Als er merkt, dass er sein Dasein mit dem, was er vorzubringen hat, nicht rechtfertigen kann, beginnen seine vergeblichen Bemühungen. Er geht zu Anwälten, zu Künstlern und schließlich in die Kirche zum Priester. Je mehr er sich um die eigene Rechtfertigung bemüht, desto klarer wird ihm, dass er nicht gerechtfertigt ist. Ihm fehlt da etwas. Wer diesen Roman von Kafka liest und sich nicht mit diesem Thema auseinandersetzt, kann ihn eigentlich überhaupt nicht fertig lesen. Es ist ein so radikales Buch. Der Schluss ist ein inszenierter Selbstmord von diesem K. Man kann das nicht bloß als Belletristik lesen.

Mehr: theeuropean.de.

VD: TB

Barth über die »Institutio«

Karl Barth hat anlässlich eines Jubiläums einen kurzen Text über Calvin und seine Institutio geschrieben, den die NZZ im Jahre 2009 wieder abgedruckt hat. Der Schweizer schreibt:

Calvin war – anders als Luther – kein Genie, dafür ein gewissenhafter Ausleger, ein strenger und gediegener Denker und zugleich ein unermüdlich um die Praxis des christlichen und kirchlichen Lebens in der Nähe und in der Ferne bemühter Theologe. Ihn in seiner Menschlichkeit und als Schriftsteller zu lieben, ist nicht eben leicht. Dafür kann man als sein Leser dankbar und respektvoll bei ihm in die Schule gehen. Er zwingt – ein guter Lehrer, wie es in der Kirche nur wenige gegeben hat – den verständigen Leser nicht, die Resultate seines Studiums zu übernehmen, wohl aber sein Studium aufzunehmen, in seiner Spur neuen Resultaten entgegen [sic!], fortzusetzen. Ein «Calvinist» kann nur ein Christ und Theologe sein, der in Calvins «Institution» gelernt hat, der Wahrheit, um die es diesem ging, unter Gebrauch seiner eigenen Augen und Ohren nachzugehen.

Das Bekenntnis: »Ihn in seiner Menschlichkeit und als Schriftsteller zu lieben, ist nicht eben leicht. Dafür kann man als sein Leser dankbar und respektvoll bei ihm in die Schule gehen.«, beschreibt übrigens trefflich mein Verhältnis zu Karl Barth.

Hier der vollständige Text: www.nzz.ch.

Die evangelische Kirche in der offenen Gesellschaft

Rüdiger Achenbach hat für den DLF mit dem Philosophen Alexander Grau und dem kirchlichen Kommunikationsexperten Günter Menne über die Evangelische Kirche und die Herausforderungen der offenen Gesellschaft gesprochen. Schleiermacher kommt – nicht überraschend – etwas besser weg als Barth. Der Christ ist ein Mensch, der die Welt anders fühlt, als der Nichtchrist.

Insgesamt ein interessantes Gespräch, welches (ernüchternde) Einblicke in religionssoziologische und theologische Überlegungen im Raum der EKD vermittelt. Also: Besser nicht mehr von Sünde, Erlösung und Reich Gottes reden, denn mit diesen Begriffen und Konzepten können Menschen von heute nicht mehr viel anfangen. Ob die Kirche als Dienstleistungsunternehmen mit einer liberalen Theologie wirklich eine Zukunft hat? Ich zweifle.

Teil 1:

[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2011/05/30/dlf_20110530_0946_87c895f0.mp3[/podcast]

Teil 2:

[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2011/05/31/dlf_20110531_0943_c8112c2f.mp3[/podcast]

Nachtrag vom 01.06.2011, Teil 3:

[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2011/06/01/dlf_20110601_0945_b8755055.mp3[/podcast]

Theozentrische Theologie

Gemeinhin gilt Karl Barth als der Theologe, der dem Spuk der Schleiermachschen Vermittlungstheologie eine Ende setzen wollte. In gewisser Weise steht Barth allerdings in der Schuld eines anderen Theologen. Erich Schaeder, ab 1918 Professor für Theologie in Breslau, hatte bereits 1909 durchschaut, dass seit Schleimacher der Mensch in den Mittelpunkt der deutschsprachigen Theologie geraten ist und keine nachhaltige geistliche Neubelebung der Kirche zu erwarten ist, solange die Theologie nicht Gott ins Zentrum rückt und ehrt. »Der Theologe«, so schreibt Schaeder, »steht vor Gott und letztlich vor niemand sonst« (S. 214). Barth steht in mancher Hinsicht Schaeder so nah, dass Pannenberg in seiner Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie verwundert bemerkt: »Angesichts der sachlichen Nähe zu Schaeder ist es eigenartig, daß Barth ihn in seinen Publikationen selten und dann nur kritisch erwähnt, ihn dagegen nie unter seinen geistigen Ahnen nannte« (1997, S. 167).

Erich Schaeder setzte gegen die Erfahrungstheologie Schleiermachers und letztlich auch gegen die dialektische Theologie Barths eine Theologie des Heiligen Geistes.

Nein, der Tatbestand, der letzte, tiefste, um den es sich hier handelt — man glaubt alle seine Schwierigkeiten zu sehen und doch muß man ihn aussprechen — ist der: was wir, was unsere Glaubensgenossen, was die Kirche von Gott haben, was wir von Gott in und durch Jesus Christus haben, das haben wir, wiewohl es in Jesus Lebensinhalt und Lebensertrag einer geschichtlichen Persönlichkeit ist, durch Gottes souverän wirkenden Geist, durch eine schlechthin freie Macht- und Gnadentat des lebendigen Gottes. »Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen usw.«

Über den Einfluss Schleiermachers schrieb Schaeder in seiner Theozentrischen Theologie (Bd. 1, hier 3. Aufl. von 1925, S. 3):

Man kann der durch Schleiermacher hervorgerufenen und beeinflußten Theologie des 19. und 20. Jahrhunderts die Kritik nicht ersparen, daß sie in verkehrter Weise anthropozentrisch ist. Sie neigt in verschiedenen Formen und Graden dahin, die offenbare Herrlichkeit Gottes durch die Rücksicht auf den Menschen und auf das Menschliche zu verkürzen oder zu lädieren. In das Zentrum ihrer Betrachtung, in das Gott gehört, schiebt sich ihr mit größerer oder geringerer Energie der Mensch, oder er droht es zu tun. Sie treibt, beeinflußt vom innersten Lebenszuge der Aufklärung, der aber in einer Vereinseitigung der Gesichtspunkte der Lutherschen Reformation eine seiner Wurzeln hat, eine verkehrte Humanität, und die richtige, notwendige Divinität kommt dabei zu kurz. Wenn es eine Weiterbildung der dogmatischen Theologie gibt, dann muß sie darin bestehen, daß ihr der theozentrische Charakter, welcher ihr zukommt, klar und entschieden aufgeprägt wird.

Zu den bekannteren Schülern von Schaeder gehört – und man merkt es, wenn man ihn liest –, Hans Joachim Iwand (vgl. hier). Die Erneuerung der Theologie bleibt jedoch weiterhin Aufgabe. Möge der Heilige Geist die jetzt noch jungen Studenten und Theologen »packen«, damit sie die Wirklichkeit und Herrlichkeit Gottes wieder in die Mitte ihres Dienstes stellen.

Dezisionismus bei Karl Barth

Wolfhart Pannenberg schreibt über die theozentrische Wende bei Karl Barth (Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 201):

Es ist ein tief ironisches Phänomen, daß gerade der entschlossene Theozentrismus Barths, der allen Anthropozentrismus und Subjektivismus der neuzeitlichen Theologie überwinden sollte, auf eine äußerste Zuspitzung eben dieses von Barth bekämpften Subjektivismus hinausläuft. Die anthropologische Begründung der Theologie bei Schleiermacher konnte immerhin noch mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit auftreten, und ähnliches gilt – wenn auch mit Einschränkungen noch von der ethischen Begründung der Wahrheit des christlichen Offenbarungsanspruchs in der Erweckungstheologie von Tholuck bis hin zu Wilhelm Herrmanns Beschreibung des »Weges zur Religion«.

Die Wurzel für diese »Entscheidungstheologie« liegt nach Pannenberg – angelehnt an Karl Löwith – in Kierkegaards »Sprung in den Glauben« (vgl. S. 204,  zum »Sprung« siehe auch hier).

Barth über die Entstehung der Barmer Erklärung

Warum heißt die »Barmer Erklärung« eigentlich nicht »Barmer Bekenntnis«? Die Antwort gab Karl Barth am 2. März 1964 in einem Gespräch mit Tübinger Stiftlern.

Hier ein Mitschnitt:

[podcast]http://www.karlbarth.unibas.ch/fileadmin/downloads/mp3/EntstehungDerBarmerErklaerung.mp3[/podcast]

Ein herzliches Dankeschön geht an das Karl Barth-Archiv Basel, das das Tondokument zur Verfügung stellt.

Grenzgänger der Liebe: Karl Barth und Paul Tillich

Dogmatik und Ethik gelten als Geschwister. Wer ein hochgelehrter Theologe ist, muss aber noch lange nicht üblichen Konventionen genügen. Zwei prominente Theologen des 20. Jahrhunderts, Karl Barth und Paul Tillich, waren verheiratet, fühlten sich aber gleichzeitig von anderen anderen Frauen angezogen. Sie lebten mit diesen mehr oder weniger offen auch in Beziehungen. Ein Widerspruch zu ihrem theologischen Leben und Denken? Sie waren bemüht, auch diesen Bereich ihres Lebens theologisch zu begründen.

Hier geht es zu der Bayern 2-Radiosendung »Grenzgänger der Liebe« von Claudia Christophersen:

[podcast]http://cdn-storage.br.de/mir-live/bw1XsLzS/bLQH/bLOliLioMXZhiKT1/MUJIuUOVBwQIb71S/Mw1ls6i6BU1S/_-8c9A4y/uLoXb69zbX06/100815_0830_Evangelische-Perspektiven_Grenzgaenger-der-Liebe-Karl-Barth-und-Paul-.mp3[/podcast]

Das Manuskript zur Sendung gibt es hier: BR-online-Publikation-ab-01-2010–186892-20100813100136.pdf.

VD: HB

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