Februar 2018

Gefühle sind wunderbare Diener

Der Philosoph J.P. Moreland hat einmal gesagt:

Glück ist nach aktuellem Verständnis ein angenehmes Gefühl. Angenehme Gefühle sind sicherlich besser als unangenehme. Doch das Problem ist, dass die Menschen heute geradezu obsessiv Glücksgefühle herbeisehnen; die Menschen sind Sklaven ihrer Gefühle. Gefühle sind wunderbare Diener, aber schrecklicher Meister.

Jonathan Edwards: Pastor, Theologe und Erweckungsprediger

Jonathan EdwardsDer New England Pastor, Theologe und Erweckungsprediger Jonathan Edwards (1703–1758) wird oft als der „Amerikanische Augustinus“ bezeichnet. Seine Studenten bewunderten im Lauf der Jahre seine gottzentrierte und bibelgesättigte Theologie. Gleichzeitig war er ein ungewöhnlich scharfer Denker und hat sich mit den großen Gelehrten des Rationalismus angelegt. Mit einer Predigt über den Zorn Gottes hat der Puritaner viele Menschen in die Arme eines gnädigen Gottes geführt. Heute ist er ein bedeutender (wenn auch nicht unumstrittener) Impulsgeber für das neue Interesse an der reformierten Theologie unter jungen Leuten in Nordamerika.

Ich freue mich, dass Ryan Hoselton, der derzeit über Edwards promoviert, am Samstag am MBS-Studienzentrum in München die Vorlesung „Jonathan Edwards: Pastor, Theologe und Erweckungsprediger“ halten wird. Gasthörer sind herzlich willkommen.

Mehr Informationen im Syllabus und hier: vorlesung2018_muenchen_f.pdf.

James W. Sire (1933 – 2018)

SireJames W. Sire, ein Mitstreiter von Francis Schaeffer und Os Guinness, ist am 6. Februar 2018 heimgegangen. Er hat viele hilfreiche Bücher verfasst. Ein Buch, nämlich Die Welt – aus der Sicht der anderen, ist sogar in Deutschland erschienen und kann noch hier und da antiquarisch erworben werden.

Das Magazin CT schreibt:

As chief editor for IVP, Sire advanced the Christian worldview movement through the books he edited and wrote, most famously his 1976 title The Universe Next Door, which was named one of CT’s books of the year more than 30 years later.

“Sire was a keystone in the intellectual renewal of evangelicalism in the 1960s and 70s,” wrote Andy Le Peau, a longtime editor at IVP, noting that “Sire was first to publish a number of influential figures.”

CT once called Sire a “midwife” of Schaeffer, the theologian known for founding the L’Abri community. The two met back in 1968 and went on to work together on books including Schaeffer’s How Should We Then Live? and Whatever Happened to the Human Race?, as well as transcripts of his talks.

“It was a very troubled time intellectually—evangelicals were just out of the intellectual forest and ready to battle the world. [Schaeffer] set a lot of people thinking,” Sire said, likening his philosophical approach to the prophet Jeremiah.

Mehr:  www.christianitytoday.com.

 

Norbert Bolz: Ein Unisono

Norbert Bolz ist einer der scharfsinnigsten Medien- und Kulturkritiker der Gegenwart. Hier wieder eine Analyse über das Versagen der Politik und des Journalismus im Hinblick auf das Maas-Gesetz (NetzDG):

Die ganze Schrift studieren

Evangelium21 hat den Artikel „10 Dinge, die man über Systematische Theologie wissen sollte“, publiziert. Darin heißt es:

Als Disziplin, die dem Studieren und Lehren der heiligen Schrift verpflichtet ist, versucht Systematische Theologie den vollen Umfang der biblischen Lehre zu behandeln. Systematische Theologie gibt sich nicht damit zufrieden, sich nur auf einen einzigen biblischen Autor zu konzentrieren – wie Jesaja oder Paulus – oder ein einziges Thema der Bibel – wie der Rechtfertigungslehre. Systematische Theologie ist eine Disziplin, die sich dem „ganzen Ratschluss Gottes“ (Apg 20,27) widmet.  

Der einzige Weg, wie die Kirche sich wirklich den dogmatischen und moralischen Lehren der Bibel unterordnen kann, ist, sich ihrem vollen Umfang der dogmatischen und moralischen Lehren auszusetzen. Das Versagen, den ganzen Ratschluss Gottes zu beachten, „führt zu Einseitigkeit und Irrtum in der Theologie und einem geistlich kranken Leben“ (Herman Bavinck).

Hier: www.evangelium21.net.

„Facebook ist ein Tatort“

Tech-Größen aus dem Silicon Valley wenden sich gegen Facebook und Co. Sie wollen gegen die negativen Auswirkungen sozialer Netzwerke vorgehen. Die TAGESSCHAU meldet:

Ihre Verbitterung richte sich vor allem gegen Facebook, sagt Tristan Harris, ehemaliger Google-Manager, der die neue Initiative leitet. „Diese Tech-Unternehmen haben einen großen Einfluss auf unsere Kultur, auf unser Wahlverhalten, auf die Entwicklung von Kindern. Sie sind mächtiger als nahezu jeder Politiker – sie beeinflussen die Gedanken von zwei Milliarden Nutzern. Dazu benötigen wir eine Diskussion“, fordert Harris im Wirtschaftssender Bloomberg.

Erst kürzlich hat Marc Benioff, Chef des Cloudanbieters Salesforce, gefordert, man solle Facebook behandeln wie die Tabakindustrie. Das soziale Netzwerk mache süchtig und schade den Menschen. Apple-Chef Tim Cook meinte, er wolle nicht, dass sein Neffe soziale Netzwerke benutze. Ärzte in den USA hatten Facebook vor wenigen Tagen aufgefordert, eine Chat-App wieder vom Markt zu nehmen, die sich an Kinder ab sechs Jahren richtet.

Endgültige Rechtfertigung: Baxter oder Owen?

Die Puritaner Richard Baxter (1616–1691) und John Owen (1616–1683) haben beide ein bewegtes Leben geführt, bedeutende Bücher geschrieben und zeitweise sogar zusammen gearbeitet. (Tim Cooper hat die komplizierte Beziehung der beiden Theologen in seiner Arbeit John Owen, Richard Baxter and the Formation of Nonconformity untersucht.) Die Werke der Spätpuritaner werden noch heute in reformierten Kreisen gern gelesen (und nicht nur dort). Baxter hat vor allem durch sein Buch Der reformierte Pastor bleibenden Einfluss auf das Denken von Geistlichen. Owen wird wegen seiner hohen Sicht des Heiligen Geistes gern studiert.

Weniger bekannt ist, dass Baxter und Owen unterschiedliche Auffassungen auch in solchen theologischen Fragen hatten, die den Kern der reformatorschen Theologie, also die Soteriologie, betreffen (Wie wird der Mensch gerettet?).

Während Richard Baxter die Anrechnung (Imputation) des aktiven und passiven Gehorsams (und der Gerechtigkeit) von Jesus Christus ablehnte (wie heute etwa auch N.T. Wright), war dieser Punkt für John Owen zentral für das richtige Verständnis des Evangeliums. Und während für Baxter ein Mensch durch die Rechtfertigung aus Glauben und seinen Gehorsam errettet wird, hielt Owen daran fest, dass der begnadigte Sünder allein durch Glauben und die Anrechnung des Erlösungswerkes von Jesus Christus erlöst wird. Freilich erzeugt der Glaube auch für Owen Werke der Liebe. Doch diesen Werken kommt keine soteriologische Funktion zu. Sie entstehen auf natürliche Weise als Frucht des Geistes, weil der Mensch errettet ist. Sie werden also in der Heiligung verortet. Für Baxter hat die Rechtfertigung des Sünders auf Erden hingegen nur einen provisorischen Charakter. Die zukünftige (o. endgültige) Rechtfertigung erfolgt im letzten Gericht und bezieht die Werke des Gläubigen mit ein. Denn: „Wenn gute Werke oder aufrichtiger Gehorsam zu Christus, unserem HERRN, nicht Teil der Bedingungen für unsere vollständige Rechtfertigung sind, wo würde das enden?“ (Aphorismes of Justification, S. 325). „Unsere vollständige Rechtfertigung und unsere ewige Errettung haben die gleichen Bedingungen unsererseits. Und aufrichtiger Gehorsam ist ohne jeden Zweifel eine Bedingung für unser Heil: also auch für unsere Rechtfertigung“ (ebd., S. 311). John Owen war hingegen – meiner Meinung nach zurecht – so besorgt über die Rechtfertigungslehre von Baxter, dass er ihr eine eigene Ausarbeitung widmete („Gospel Grounds and Evidences“, in: The Works of John Owen, Bd. 5, Edinburgh: T&T Clark, S. 401–457).

Wer tieferen Einblick in die Debatte (und ähnliche reformierte Kontroversen der Gegenwart) erhalten möchte, sollte sich dieses Interview mit R. Scott Clark anhören.

 

Kardinal Marx stellt Segnung homosexueller Paare in Aussicht

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hatte eine Diskussion in der katholischen Kirche darüber gefordert, ob Pfarrer künftig gleichgeschlechtliche Paare segnen sollten. Die kirchenkritische Laieninitiative „Wir sind Kirche“ und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sprechen sich schon länger für solche Segnungen aus. „Wenn Autos und wer weiß noch alles gesegnet werden, darf die Kirche gleichgeschlechtlichen Paaren den Segen nicht verweigern“, sagte deren Sprecher Christian Weisner. Und: „Ich denke, dass es zum Glück auch Priester gibt, die gleichgeschlechtliche Paare zumindest im kleinen Kreis und ohne mediale Aufmerksamkeit segnen. Und das ist gut so.“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, gibt solchen Forderungen inzwischen nach und hat die Segnung homosexueller Paare im Einzelfall in Aussicht gestellt. Man müsse dazu ermutigen, „dass die Priester und Seelsorger den Menschen in den konkreten Situationen auch einen Zuspruch geben“, sagte Marx auf eine entsprechende Frage in einem am Samstag ausgestrahlten Interview des Radiosenders B5 aktuell.

Der katholische Philosoph Robert Spaemann wies 2016 darauf hin, dass Papst Franziskus mit seinem postsynodalen Schreiben „Amoris laetitia“ eine Situationsethik gestärkt habe, die eine einflussreiche Strömungen innerhalb der jesuitischen Moraltheologie schon seit dem 17. Jahrhundert vertrete.

Mehr: www.faz.net.

Toxische Männlichkeitsbilder: Ist das Spielzeug schuld?

Der DLF hat einen Beitrag über Gender-Marketing veröffentlicht, der Mut macht. Mit „Getrennte Spielwelten“ haben die Macher meine Erwartungen weit übertroffen. Endlich ein Diskussionsbeitrag, der zum Selberdenken anregt.

Die Journalisten stellen für den DLF einerseits die Perspektive der GenderforscherInnen (ja, es sind nur Frauen) fair dar. Sie und die FeministInnen beklagen das aggressive Gender-Marketing. Es ginge um Konsum. Stevie Schmiedel, Chefin von Pinkstinks, einer Protestorganisation, die gegen Sexismus und Geschlechterklischees in Werbung, Medien und Gesellschaft kämpft, behauptet beispielsweise, dass Gender-Marketing führe dazu, dass Eltern gleich alles doppelt kauften.

Das blaue Fahrrad für den Jungen, mit dem Piraten drauf. Das rosafarbene für das Mädchen. Dann kann auch nicht untereinander vererbt werden, alles wird doppelt konsumiert, das passt hervorragend zusammen.

(Mein erster Gedanke war: „Was bloß, wenn männliche Zwillinge nur ein Fahrrad bekämen?“)

Aber es gehe eben nicht nur um Konsum. Die Sache sei viel schlimmer. Die Unterscheidung zwischen Mädchen- und Jungenspielzeug erzeuge eine gefährliche Zurichtung auf Rollen. Die Genderforscherin Uta Brandes beklagt etwa:

Weil es Rollen festlegt, die mit Hierarchie und mit Wertigkeit zu tun haben. Wir können schon feststellen, dass die Rollen, die mit typischer Weiblichkeit zu tun haben, das hat immer zu tun mit Dienen, Helfen, Pflegen, Heilen. Und die anderen, das sind die Tatkräftigen, die etwas in Schwung bringen.

Stevie Schmiedel findet sogar:

Wenn ein Junge heute mit rosa spielt und einen kleinen rosa Pudel mit in den Kindergarten bringt, dann wird er schnell vom halben Kindergarten gemobbt. Weil die Vorstellung da ist, dann bist Du kein richtiger Junge. Es ist ganz wichtig, diese toxischen Männlichkeitsbilder aufzubrechen, damit Jungs eben auch wild und stark sein können, aber eben auch zart und niedlich.

Die Geschlechtsrolle sei zu 90 Prozent ein Ergebnis von Kultur und Erziehung, sagt Uta Brandes. Und für die Frage, wie viel Geschlecht neugeborene Kinder denn mit auf die Welt bringen, hat sie eine klare Antwort parat: „Ich denke, potentiell kommen sie als weiße Fläche auf die Welt. Ein schreiendes Bündel von Bedürfnissen.“ Den Rest, so müssen wir wohl glauben, leisten Erziehung und Spielzeuge.

Aber inwieweit prägt unterschiedliches Spielzeug die Entwicklung der Kinder tatsächlich? Ist die Geschlechtszuweisung und die Sehnsucht nach Eindeutigkeit vielleicht tief in die menschliche Seele und den Leib eingeschrieben? Woher stammt die Zweiggeschlechtlichkeit bei Säugetieren? Kann sie durch „Doing Gender“, also durch kulturelle Aktivitäten wie etwa Sprechakte, „hergestellt“ werden?

Manche Soziologen sprechen bereits vom „Re-Gendering“: Weil klassische Rollenmuster hinterfragt werden und sich die Gesellschaft so rasant verändert, macht sich Unsicherheit breit. Es kommt langsam eine Gegenbewegung auf, eine Sehnsucht nach „eindeutigen Geschlechterverhältnissen“.

Und hier wird die andere Sicht ins Spiel gebracht, die m.E. die weitaus überzeugenderen Argumente aufzuweisen hat. Für die These, dass Rollen nicht von biologischen Vorgaben abgekoppelt werden können, werden Begründungen von Harald Euler, Simon Baron-Cohen und Doris Bischof-Köhler, Gerianne Alexander und Melissa Hines vorgetragen.

Harald Euler sagt etwa:

Es ist völlig absurd zu glauben, dass durch Spielzeugangebote diese Verhaltensunterschiede hervorgerufen werden können … Nicht alle Jungen haben eine Präferenz für technisches Spielzeug und nicht alle Mädchen wollen gerne Puppen haben. Aber: Bei dem einen Geschlecht ist eben das eine häufiger und bei dem anderen Geschlecht das andere.

Und diese statistische Verteilung sei nicht nur eine Folge von Erziehung, Kultur und Gesellschaft. Euler:

Erstaunlicherweise gibt es einige Verhaltensmerkmale, die treten schon in den ersten Lebenstagen und –wochen auf. Das ist beispielsweise, dass kleine Mädchen mehr Interesse an Gesichtern zeigen, an Menschen zeigen, kleine Jungen eher an mechanischen Sachen, beispielsweise für ein Mobile, das über ihrem Bettchen hängt.

Hier der lange aber hörenswerte Audiobeitrag (eine Mitschrift gibt es hier):

VD: MS

Die Form wahren

Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare war ein krasser Fall parlamentarischen Versagens. Eigentlich hätte es um das Kind und sein Wohl gehen müssen. Das meint Peter Graf Kielmansegg, emeritierter Professor für Politikwissenschaft (Mannheim). In einem Beitrag für die FAZ schreibt er (Ausgabe vom 01.02.1081, Nr. 27, S. 8):

Angesichts der epochalen Bedeutung der Entscheidung, die zu treffen war, kann man die hastige Beiläufigkeit, mit der der Bundestag sich damals seiner Aufgabe entledigte, nur als einen krassen Fall parlamentarischen Versagens werten. Aber welchen Sinn hat es, dieses Versagen dem Nachfolge-Parlament jetzt, da es an die Arbeit geht, in Erinnerung zu rufen? Das Thema wird auf keine politische Agenda zurückkehren. Der 19. Deutsche Bundestag wird die am 30. Juni 2017 getroffene Entscheidung nicht rückgängig machen, natürlich nicht. Aber er wird sich, den 30. Juni 2017 im Gedächtnis, einen solchen Auftritt vielleicht doch nicht ein zweites Mal leisten wollen, wenn Entscheidungen von ähnlichem Gewicht anstehen. Das gibt dem Blick zurück seine Bedeutung.

Art. 6 GG liest nur richtig, wer ihn ganz liest. Die Absätze 2 bis 5 haben es explizit mit dem Kind zu tun. Alles spricht dafür, dass auch Abs.1, der Ehe und Familie dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung unterstellt, vom Kind her gedacht werden muss. „Besonderer Schutz“ – es gibt keine andere Institution, die die Verfassung so stark hervorhebt. Und warum das? Um die verlässliche, auf Dauer angelegte Paarbeziehung geht es dabei auch. Aber der Grund für die Entschiedenheit, mit der die Verfassung den Staat darauf verpflichtet, Ehe und Familie besonders zu schützen, ist doch zuerst das Kind. Die Ehe genießt besonderen Schutz, weil nur aus der Gemeinschaft von Mann und Frau neues menschliches Leben hervorgehen kann – Kinder werden von Vätern gezeugt und von Müttern geboren. Und weil die Weitergabe des Lebens einer Gemeinschaft von Mann und Frau vorbehalten bleiben soll, die dauerhaft institutionalisiert ist.

Der Text ist ungewöhnlich wuchtig und prägnant. Ich hoffe, dass er demnächst frei zugänglich gemacht wird und werde dann den Link nachreichen.

VD: JS

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