Seelsorge

Vertiefungskurs: Seelsorge I

In der Zeit vom 20.–26. November 2011 veranstaltet das Martin Bucer Seminar einen Vertiefungskurs im Fach Seelsorge (Fachbereich Praktische Theologie). Folgende Themen sind geplant:

  1. Psychopathologie und Psychiatrie (Referent Christoph Jung)
  2. Theologie und säkulare Psychologie (Referent Ron Kubsch)
  3. Grundlagen der Eltern-Kind-Beziehung (Referent Beat Tanner)
  4. Theologie der Ehe und Familie (Referent Beat Tanner)

Interessenten finden weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit im Flyer: seminar_woltersdorf_e.pdf.

Die Psalmen in der Seelsorge

Da das Zitat über den Gebetskampf einen persönlichen, tröstlichen und (zumindest für mich) hilfreichen Austausch angeregt hat, referiere ich einen weiteren Abschnitt aus der Vorrede des Psalmenkommentars (Calvin Studienausgabe, Bd. 6, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner Verlagsgesellschaft, S. 21). Dieser kurze Text hält uns nicht nur vor Augen, dass das Psalmbuch eine »Aufgliederung aller Teile der Seele« ist, sondern gewährt Einblicke in Calvins Gemüt. Er war eben – anders als in vielen deutschen Büchern dargestellt – kein gefühlsblinder Diktator, sondern ein begnadeter Seelsorger.

Mit gutem Grund nenne ich gewöhnlich das [Psalm]buch eine Aufgliederung aller Teile der Seele. Denn jede Regung, die jemand in sich empfindet, begegnet als Abbild in diesem Spiegel. Ja, hier hat uns der Heilige Geist alle Schmerzen, Traurigkeit, Befürchtungen, Zweifel, Hoffnungen, Sorgen, Ängste, Verwirrungen, kurzum all die Gefühle, durch die Menschen innerlich hin und her geworfen werden, lebensnah vergegenwärtigt. Die übrige Schrift enthält die Gebote, die Gott seinen Dienern mitgeteilt hat, um sie uns zu verkündigen. Hier aber reden die Propheten selber mit Gott, und weil sie ihre geheimen Gedanken ans Licht bringen, sprechen sie jeden von uns an und bringen uns zur Selbstprüfung. Auf diese Weise bleibt keine der vielen Schwächen, denen wir unterworfen sind, auch keine der vielen Fehler, die in uns reichlich vorhanden sind, verborgen. Es ist ein seltener und außerordentlicher Erfolg, wenn das Herz offenbar wird, nachdem all seine Schlupfwinkel durchforscht sind und es vom schlimmsten Verderben, der Heuchelei, gereinigt ist. Wenn schließlich das Gebet zu Gott die stärkste Stütze unseres Heils ist, kann man dazu nirgendwo eine bessere und zuverlässigere Anleitung finden als im Buch [der Psalmen]. Jedem, der bei ihrem Verständnis große Fortschritte macht, wird ein gutes Stück himmlischer Weisheit zuteil.

Asmussen: Die Abwehr des göttlichen Zorns

Der Lutheraner Hans Asmussen (1898–1968), einer der Hauptautoren des Altonaer Bekenntnisses, hat sich in seiner Seelsorgelehre (Seelsorge, 3. Aufl., München: Kaiser Verlag, 1935) sehr intensiv mit dem Zorn Gottes und der Begnadigung des Sünders befasst. Eindringlich beschreibt er die menschlichen Versuche, sich Gott einseitig als nur gnädigen Gott vorzustellen (also Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit aus den Augen zu verlieren). Aus seiner Perspektive sind das Bewegungen der Abwehr (heute würden wir wohl von »Abwehrmechanismen« sprechen, vgl. auch hier). Ausmussen (S. 30):

Ich wage nicht zu sagen, welcher Rettungsversuch der Gefährlichere ist: Gott umzustimmen oder sich selbst vorzumachen, dass man sich irrt, also sich selbst umzustimmen. Der letztere Versuch ist ungemein fruchtbar. Sehe ich recht, dann verdankt die menschliche Kultur diesem Versuch weithin ihre Entstehung und ihre Wandlungen. Die Exerzitien des Ignatius von Loyola sind ein besonders deutlich hervorragendes Ereignis in der Mannigfaltigkeit dieser Versuche, ähnlich wie die moderne Psychologie arbeitet, um den Menschen die Ruhe ihrer Seele wiederzugeben. Aber gerade diese beiden in die Augen springende Formen zeigen, an welche Grenze man sich hier in höchster Gefahr bewegt: Das Satanische ist nahe! Der Großinquisitor bekommt das Wort! Die Sonne Satans geht auf und beginnt zu scheinen! Fabelhaftes wird geleistet. Alle Kraft des Menschen und alle Erfindungsgabe wird aufgeboten. Die Kraft leistet etwas! Erfindungen werden gemacht, derart, das wir über uns selbst staunen – und einige Zeit bei dem Glauben uns beruhigen es sei ein Irrtum, dass Gott uns zürne.

Innerhalb der protestantischen Theologie waren es vor allem Friedrich Schleiermacher (1768–1834) und Albrecht Ritschl (1822–1889), die an Kant anknüpfend das christliche Gottesbild umformten und vom Zorn Gottes befreiten. Schleiermacher meinte: Je tiefer das Versöhnte ins Christentum hineinwächst, desto mehr werden die Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes zu einer vergangenen Randerfahrung. Seiner 9. Augustanapredigt gab er die berühmt gewordene Überschrift »Daß wir nichts vom Zorn Gottes zu lehren haben.« Für Ritschl war Gott ausschließlich Liebe. Vom Zorn Gottes könne nur noch im Blick auf das Endgericht gesprochen werden. Einen gegen die gegenwärtige Sünde gerichteten Zorn Gottes schloss Ritschl als mit Gottes Liebe unvereinbar aus. Wer an einen zornigen Gott denke, denke falsch von Gott und sündige damit.

Mit der Abwehr des göttlichen Zornes korrespondiert eine Seelsorge ohne Kreuz. Dazu noch einmal Asmussen (S. X):

Die Seelsorge ist auch nicht immer vom Zentrum der evangelischen Lehre her betrachtet worden. Aus diesem Grunde sind auch auf dem Gebiet der Seelsorge viele grundsätzliche Entscheidungen getroffen worden, welche eine Verleugnung des Kreuzes Christi darstellen.

Von sich weg leben

Augustinus schreibt in seinem Kommentar zu Psalm 42,12 (»Was bist du so gebeugt, meine Seele, und so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihn wieder preisen, ihn, meine Hilfe und meinen Gott.«):

Zu mir selbst ward meine Seele verwirrt. Wird sie etwa zu Gott verwirrt? Zu mir selbst … Willst du, dass sie nicht verwirrt werde? Sie bleibe nicht in dir zurück, und du sprich: »Zu Dir, Herr, erhebe ich meine Seele« (Ps 24,1) …

Eine Anregung für die Seelsorgelehre, die doch heute so gern über das »zu sich selbst finden« spricht? Dazu noch ein wunderschöner Text von Johannes Calvin (Institutio, I,1,1):

All unsere Weisheit, sofern sie wirklich den Namen Weisheit verdient und wahr und zuverlässig ist, umfaßt im Grunde eigentlich zweierlei: die Erkenntnis Gottes und unsere Selbsterkenntnis. Diese beiden aber hängen vielfältig zusammen, und darum ist es nun doch nicht so einfach zu sagen, welche denn an erster Stelle steht und die andere aus sich heraus bewirkt. Es kann nämlich erstens kein Mensch sich selbst betrachten, ohne sogleich seine Sinne darauf zu richten, Gott anzuschauen, in dem er doch „lebt und webt“ (Apg. 17,28). Denn all die Gaben, die unseren Besitz ausmachen, haben wir ja offenkundig gar nicht von uns selber. Ja, selbst unser Dasein als Menschen besteht doch nur darin, daß wir unser Wesen in dem einigen Gott haben (nihil aliud … quam in uno Deo subsistentia)! Und zweitens kommen ja diese Gaben wie Regentropfen vom Himmel zu uns hernieder, und sie leiten uns wie Bächlein zur Quelle hin. Noch viel deutlicher aber wird gerade in unserer Armut der unermeßliche Reich-tum aller Güter erkennbar, der in Gott wohnt. Besonders zwingt uns der jämmer-liche Zerfall, in den uns der Abfall des ersten Menschen hineingestürzt hat, unsere Augen emporzurichten: hungrig und verschmachtend sollen wir von Gott erflehen, was uns fehlt, aber zugleich auch in Furcht und Erschrecken lernen, demütig zu sein. Denn der Mensch birgt ja in jeder Hinsicht eine Welt von Elend in sich, und seitdem wir der göttlichen Zier verlustig gegangen sind, macht eine beschämende Blöße unendlich viel Schande offenbar. Ist es aber so, dann muß ja notwendig jeder Mensch vom Bewußtsein seines heillosen Zustandes wenigstens zu irgendeinem Wissen um Gott getrieben werden: Wir empfinden unsere Unwissenheit, Eitelkeit, Armut, Schwachheit, unsere Bosheit und Verderbnis – und so kommen wir zu der Erkenntnis, daß nur in dem Herrn das wahre Licht der Weisheit, wirkliche Kraft und Tugend, unermeßlicher Reichtum an allem Gut und reine Gerechtigkeit zu finden ist. So bringt uns gerade unser Elend dahin, Gottes Güter zu betrachten, und wir kommen erst dann dazu, uns ernstlich nach ihm auszustrecken, wenn wir angefangen haben, uns selber zu mißfallen. Denn (von Natur) hat jeder Mensch viel mehr Freude daran, sich auf sich selber zu verlassen, und das gelingt ihm auch durchaus – solange er sich selber noch nicht kennt, also mit seinen Fähigkeiten zufrieden ist und nichts von seinem Elende weiß oder wissen will. Wer sich also selbst erkennt, der wird dadurch nicht nur angeregt, Gott zu suchen, sondern gewissermaßen mit der Hand geleitet, ihn zu finden.

Krankenhausseelsorge 2.0

In Japan haben Wissenschaftler einen Roboter entwickelt, der menschliche Gesichtsausdrücke imitieren kann. Die Mensch-Maschine ist weiblich. Eine echte Frau hat dafür Modell gestanden. Ihre Roboter-Kopien für 78.000 Euro sollen bald einen echten Job bekommen – im Krankenhaus zur Unterhaltung von Patienten.

Hier mehr: www.welt.de.

Wir lachen uns zu Tode

Eine skurrile Situation. John Piper wurde von der »Amerikanischen Gesellschaft für Christliche Seelsorge« (AACC) eingeladen und hält einen ernsten (und selbstkritischen) Vortrag über die Anbetung Gottes. Aber die Leute im Hörsaal hören einfach nicht auf zu lachen.

Ich empfehle den gesamten Vortrag, besonders aber die ersten fünf Minuten: www.desiringgod.org. Hintergrundinformationen sind hier zu finden: thegospelcoalition.org.

John Piper wird übrigens heute Morgen um 10:00 Uhr noch einmal in Bonn predigen: www.hirtenkonferenz.de.

VD: JT

Placebo-Effekt andersherum

Der bekannte Placebo-Effekt bei medizinischen Blindversuchen hat seinen naheliegenden Gegeneffekt: Befürchtungen von schädlichen Nebenwirkungen führen zu Beschwerden, auch wenn das verabreichte Mittel bloß die inhaltsfreie Testpille war.

Nocebo (lateinisch: »ich werde schaden«) ist die Negativseite des bekannten Placeboeffekts. Der Glaube allein kann heilen oder Schmerzen lindern, aber er kann auch krank machen oder gar töten. Dabei handelt es sich nicht um bloße Einbildung, der Effekt beeinflusst ganz real und messbar die Physiologie des Körpers. Es gibt Berichte von Menschen, die starben, nur weil sie daran glaubten, von einem Voodoo-Magier zum Tode verurteilt worden zu sein.

Hier der Artikel von Magnus Heier: www.faz.net.

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