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Türkei: Mord an Christen ist für Staatsanwälte kein Terror

Am 18. April 2007 hatten fünf junge Männer in der osttürkischen Provinzhauptstadt Malatya drei Christen grausam ermordet und wurden auf frischer Tat von der Polizei festgenommen. Necati Aydın, Uğur Yüksel und der Deutsche Tilmann Geske hatten sich in den Räumen des evangelischen Zirve-Verlages mit ein paar jungen Männern, die Interesse am christlichen Glauben bekundet hatten, über einige Wochen hinweg zum Bibelstudium getroffen. Dies war offenbar nur ein Vorwand, um sich das Vertrauen der späteren Opfer zu erschleichen.

Obwohl die Taten politisch motiviert waren, ließ man den Terrorverdacht jetzt fallen. Deniz Yücel hat für DIE WELT berichtet:

Wer steht in der Türkei unter Terrorverdacht? Zum Beispiel die Anglistin Meral Camci, der Historiker Muzaffer Kaya, die Psychologin Esra Mungan und der Mathematiker Kivanc Ersoy. Sie gehören zu den insgesamt 2212 Wissenschaftlern, die Anfang des Jahres einen Aufruf zum Ende der Gewalt in den kurdischen Gebieten unterzeichnet und damit den Zorn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan auf sich gezogen hatten. Mehrere Dutzend weitere Unterzeichner verloren ihren Job, gegen einige Hundert dieser Wissenschaftler wurden Disziplinar- oder Strafverfahren eröffnet. Und vier sitzen in Haft. Der Vorwurf: Werbung für eine terroristische Vereinigung.

Keine Terroristen sind in den Augen der Staatsanwaltschaft hingegen die fünf Männer, die im April 2007 in der südostanatolischen Stadt Malatya drei Christen ermordet haben. Wie zunächst die Tageszeitung „Cumhuriyet“ berichtete, hat die Staatsanwaltschaft Malatya in ihrem Schlussplädoyer den Anklagepunkt der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung fallen gelassen.

Die Morde an dem 36-jährigen türkischen Pastor Necati Aydin, dem 32-jährigen türkischen Christen Ugur Yüksel und dem 45-jährigen deutschen Missionar Tilmann Geske hatten für internationales Aufsehen gesorgt. Die Täter waren in die Räume des evangelikalen Zirve-Verlags eingedrungen, hatten ihre Opfer geknebelt, sie an Händen und Füßen gefesselt und schließlich ihre Kehle durchgeschnitten. „Ich gehe fest davon aus, dass die türkischen Behörden alles unternehmen werden, um dieses Verbrechen aufzuklären und die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte damals Frank-Walter Steinmeier, wie heute Bundesaußenminister.

Und die Voraussetzungen für eine Ahndung des Verbrechens schienen wirklich günstig, immerhin waren die Mörder noch am Tatort festgenommen worden. Doch es folgte eine jahrelange juristische Farce. Im Jahr 2012 wurde die Anklage mit den Prozessen gegen die vermeintliche Putschistenorganisation Ergenekon zusammengeführt, die mit Billigung der AKP-Regierung von Staatsanwälten aus dem Umfeld der Gülen-Bewegung gegen hochrangige Militärs, aber auch gegen Journalisten, Wissenschaftler und andere Personen des öffentlichen Lebens betrieben wurden. So wuchs die Zahl der Angeklagten im Zirve-Prozess auf 21 Personen, darunter Kommandanten der Gendarmerie in Malatya. Nach einer Gesetzesnovelle, mit der die Dauer der Untersuchungshaft auf fünf Jahre beschränkt wurde, wurden die fünf Attentäter im März 2014 aus dem Gefängnis entlassen und unter Hausarrest gestellt.

Etliche Christen in der Türkei werden neuerdings von der Terrororganisation IS bedroht. Die Bonner Querschnitte weisen darauf hin, dass seit einiger Zeit der christliche Radiosender „radio shema 98.0“ in Ankara massiv bedroht wird, so dass die Polizei anhaltend mit zwei Autos vor der Tür steht. Zeitgleich geriet die protestantische Kurtuluş-Gemeinde, zu deren Arbeitszweigen auch Radio Shema gehört, derart unter Druck, dass vor Gottesdiensten bis zu 50 Polizisten jeden einzelnen Gottesdienstbesucher genau kontrollierten, um etwaige Anschläge zu verhindern. Soner Tufan, Generalmanager von Radio Shema, schrieb: „Bislang haben wir noch nie gesehen, dass uns die Polizei so ernsthaft schützt.“ Auch habe er erfahren, dass der Premierminister der Türkei angeordnet habe, „alles zu tun, um uns zu schützen“.

Auch die anderen evangelischen Gemeinden in der Türkei sind informiert worden, dass der IS mit Anschlägen gedroht habe, weshalb die Polizei mit verstärkten Patrouillen versuchen werde, die Gemeinden zu schützen. Auch das Büro des Bibelkorrespondenzkurses in Istanbul hat in den letzten Monaten verstärk Drohungen vor allem per Telefon erhalten, wie aus Mitarbeiterkreisen bekannt wurde. Auch hier wird vermutet, dass dies aus dem Umfeld des IS kommen könnte.

Aufgrund der aktuellen Situation riefen türkische Pastoren und Leiter die Christen in aller Welt dazu auf, verstärkt für ihre Glaubensgeschwister in der Türkei zu beten.

Drei Gründe für „auslegende Apologetik“

Voodie Baucham Jr. erklärt kurz und knapp, weshalb die Apologetik für den Verkündigungsdienst wichtig ist. Von ihm stammt die Formulierung „auslegende Apologetik“. Er will damit zum Ausdruck bringen, dass es eine Aufgabe der Christen ist, die Fragen der Menschen mit den Inhalten der Bibel zu beantworten.

Ob wir nun Evangelisten, Prediger, Lehrer oder Leiter sind, unser Ziel ist das gleiche. Als auslegende Apologeten zeigen wir den Leuten Jesus Christus und rufen sie zur Buße und zum Glauben auf. Wir zeigen ihnen unaufhörlich, wie töricht und gefährlich es ist, irgendjemand anderem außer Ihm zu vertrauen. Im Grunde ist der auslegende Apologet ein Evangelist.

Evangelisation ist mehr als der Versuch, die Leute von der Richtigkeit des Christentums zu überzeugen und sie dazu zu bringen, am Altar ein Gebet zu sprechen. In der Evangelisation geht es darum, Jünger zu machen, also demgemäß Leute aus dem Reich des Irdischen in das Reich Gottes zu rufen. Dieser ‚Herrschaftswechsel‘ steht im Zentrum der auslegenden Apologetik.

Der Evangelist kennt die wichtigsten Aspekte der auslegenden Apologetik. Er weiß also erstens, woher der Unglaube kommt. Zweitens versteht er, wie man eine Unterhaltung zum Einstieg für die auslegende Apologetik nutzt. Ironischerweise ist der Evangelist der offensichtlichste Kandidat für die auslegende Apologetik, aber er ist nicht der wahrscheinlichste Kandidat dafür, sie konsistent anzuwenden.

Hier mehr: www.evangelium21.net.

Gottes Verlassenheit und seine Gnade

Pascal BlaiseBlaise Pascal schrieb im Februar 1657 einen bewegenden Brief an Mademoiselle de Roannez, die wohl eine Zeit lang in den Philosophen verliebt war, sich aber dann für den Weg ins Kloster entschied (vielleicht, weil er ihre Liebe nicht erwiderte).

Nachfolgend zwei wunderschöne Zitate aus dem Schreiben. Das erste Zitat stammt aus einem Lobpreis auf die Gnade Gottes (Blaise Pascal, Briefe I, 2015, S. 100–101):

Doch es gibt diesen Unterschied zwischen den Königen der Erde und dem König der Könige, dass die Fürsten nicht die Treue ihrer Untertanen bewirken, sondern sie als treue Untertanen vorfinden: Gott hingegen findet immer nur untreue Menschen vor, und wenn sie treu sind, so hat er sie dazu gemacht. Während die Könige also eine besonders große Dankesschuld jenen gegenüber haben, die ihnen treu bleiben, verhält es sich im Gegenteil so, dass jene, die im Dienst Gottes ausharren, ihm selber zu unendlich großem Dank verpflichtet sind. Preisen wir ihn also unablässig für diese Gnade, wenn er sie uns erwiesen hat …

Das zweite Zitat dient der Ermutigung, hatte doch Mademoiselle de Roannez auf ihrem geistlichen Weg mit allerlei Widerständen zu kämpfen (ebd., S. 100).

Aufrichtig gesagt, Gott ist sehr verlassen. Wie mir scheint, leben wir jetzt in einer Zeit, da ihm der Dienst, den man ihm leistet, höchst wohlgefällig ist.

Nun wird der kritische Leser anmerken: „Ach, so denn alles an Gott liegt, warum schafft er sich dann nicht einfach mehr Gefährten? Schließlich kann doch keiner Gott dienen, so Gott selbst es nicht schafft!“

Pascal beschreibt an andere Stelle die geheimnisvolle Doppelstruktur der Gnade so (Blaise Pascal, Kleine Schriften zur Religion und Philosophie, S. 247):

Diese beiden Tatsachen, dass Gott manchmal als erster den Menschen verlässt und dass der Mensch als erster Gott verlässt, haben gemeinsam Bestand. Denn es ist wahr, dass Gott seine Gnadenmittel unablässig jenen gibt, die unablässig um sie bitten; aber es trifft auch zu, dass der Mensch es niemals unterlassen würde, um sie zu bitten, wenn Gott es nicht unterließe, dem Menschen die Gnade zu geben, ihn darum zu bitten.

Stephen Nichols: Das Wirken von J. Gresham Machen

J.G.Machen.jpgJ.G. Machen (1881–1937) gehört zu den einflussreichen Theologen des frühen 20. Jahrhunderts. Er studierte an der Johns Hopkins University, der Princeton University und am Princeton Seminary und anschließend in Marburg und Göttingen, wo er herausragende Lehrer der liberalen Theologie wie Wilhelm Herrmann hörte. Von 1915 bis 1929 war er Professor für Neues Testament am Princeton Theological Seminary. Wegen des dort einziehenden Liberalismus gründete er das Westminster Theological Seminary in Philadelphia und wurde zu einer prägenden Gestalt des reformierten Christentums in Nordamerika.

In Werken wie The Origin of Paul’s Religion (1920), Christianity and Liberalism (1923, dt. kürzlich erschienen bei 3L-Verlag  und The Virgin Birth of Christ (1930) verteidigte er die traditionelle christliche Lehre gegen den Modernismus. Wegen seiner konservativen Theologie geriet er in der Presbyterianische Kirche immer mehr unter Druck, so dass unter seiner Mitwirkung 1936 die Orthodoxe presbyterianische Kirche entstand.

Machen prägte viele evangelikale Leiterpersönlichkeiten und spielt eine maßgebliche Rolle bei der Wiederentdeckung der Schriftautorität Anfang des letzten Jahrhunderts. Zu seinen bekanntesten Studenten zählt Francis Schaeffer.

Dr. Stephen Nichols von Ligonier Ministries hat auf der Evangelium21-Konferenz 2016 in Hamburg Leben und Werk von J.G. Machen vorgestellt und auf erstaunliche Parallelen zu den theologischen Herausforderungen unserer Zeit hingewiesen.

Hier der Vortrag, übersetzt von Kai Soltau:

Ethik als Kompetenztraining

Die christlichen Gemeinden stehen vor vielen ethischen Herausforderungen, auch in Fragen von Geschlechtlichkeit und Familie. Wie kann es gelingen, die Aufgaben, die der gesellschaftliche Realismus und das eigene verführerische Herz vorgeben, mit der biblischen Botschaft und einem treuen Glauben zu verbinden?

Veronika Schmidt, Sexualberaterin und Autorin des bei SCM Brockhaus erschienenen Buches Liebeslust – unverschämt und echt genießen, kennt die Antwort (zitiert aus einem Interview mit dem Medienmagazin pro, 2/2016, S. 36).

Der einzige Weg ist es, von Regeln und Gesetzen wegzukommen. Es muss mehr über Verantwortung und Eigenverantwortung des Einzelnen gesprochen werden. Es sollte nicht mehr darum gehen, ob man Sex vor der Ehe haben darf oder nicht, und ob man homosexuell sein darf oder nicht. Stattdessen sollte vermittelt werden, wie Paarbeziehungen aus christlicher Sicht gelingen können und was es braucht, damit Sexualität in einer Beziehung etwas Befriedigendes über Jahre hinweg werden kann.

Da ist sie also, die Ethik ohne Norm und ohne Wertschätzung Gottes, mitten in der evangelikalen Szene. Worauf kommt es an? Auf eine über zahlreiche Jahre erfüllte Sexualität in einer Beziehung! Etliche, wohl überwiegend jene, die der Kultur des Relativismus viel Raum und Glauben schenken, werden sich darüber freuen. Das dürfen sie auch, sollten sie meinen, damit auf dem rechten Weg zu sein. Die Beteuerung allerdings, so eine Einstellung sei christlich, ist blanker Unsinn. Schlimmer. So eine vermeintliche „Verantwortungssethik“ ist lieblos. Sie setzt all jene herab, die – wie beispielsweise Jesus oder Paulus – daran festhielten (und halten), dass das Gesetz heilig, gerecht und gut ist, wenn es in seinem Sinn angewandt wird (vgl. Röm 7,12; 1Tim 1,8). Sie verdammt die Menschen dazu, die Wahrheit im eigenen Herzen zu suchen. Das ist nichts anderes als der Ruf zur gottlosen Sicht auf das Leben. Wir wissen nämlich aus der Bibel und aus der Erfahrung, was es bedeutet, wenn wir unserem Herzen folgen. „Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung“ (Mt 15,19). Der Fromme, so sagt es uns schon Psalm 1, misstraut seinem eigenen Herzen, das doch „trügerisch ist, mehr als alles andere“ (Jer 17,9). Er liebt Gottes Gesetz und Weisung. Wer auf Gott vertraut, weiß darum, dass sein Herz die Wahrheit nicht in sich trägt, sondern sie seinem Herzen zugesprochen werden muss.

Allerdings sei etwas hinzugefügt. Ich stimme Frau Schmidt zu, wenn sie darauf hinweist, dass es nicht reicht, einfach auf irgendwelche Regeln zu verweisen. Damit geben sich tatsächlich viele Leute, die ja oft meinen, mündig zu sein, nicht mehr zufrieden. Das verstehe ich. Die Antwort kann allerdings nicht sein, das Gebot über Bord zu werfen, sondern muss vielmehr darauf abzielen, zu erklären, was Gott sich dabei gedacht hat, wenn er unserer Geschlechtlichkeit Grenzen setzt. Und, ganz wichtig: Vorbilder (nicht die perfekten) braucht es auch!

Auf Reisen produktiv arbeiten

Marinela Potor ist digitale Nomadin, also immer unterwegs, natürlich mit ihrem Notebook. Wie sie es ohne feste Arbeitszeiten und trotz der vielen Ablenkungen schafft, konzentriert zu arbeiten, hat sie kürzlich für Basic thinking beschrieben.

Hier einige hilfreiche Tipps für die konzentrierte und produktive Arbeit unterwegs (und auch sonst):

  • Vergesst die Tools, arbeitet an eurer Einstellung
  • Strukturiert die Aufgaben
  • Erledigt die richtige Aufgabe zur richtigen Tageszeit
  • Suche dir Ruhe für die Erledigung
  • Plane Freiräume ein

Ganz wichtig:

Gerade wenn ihr dazu neigt, besonders oft Taskswitching zu betreiben, gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit, um konzentriert zu arbeiten: Alles ab- und ausschalten. Damit meine ich euer Handy (jeder Whatsapp-Piepser zu einer neuen Nachricht ist eine Ablenkung), eure Emails im Browser (jedes Mal wenn eine neue Mail eintrudelt, wollen wir diese checken) und alle Social Media Plattformen, die ihr üblicherweise im Browserfenster geöffnet habt.

Denn häufiges Taskswitching bedeutet nicht nur einige verlorene Minuten, jedes Mal, wenn ihr euch einer anderen Aufgabe widmet, braucht euer Gehirn ganze 20 Minuten, um sich wieder auf die vorige Aufgabe konzentrieren zu können. So verschwendet ihr mal eben ganze STUNDEN produktiver Arbeit.

Ich checke zum Beispiel meine Emails nur drei Mal am Tag, genau so meine Social Media Feeds und wenn ich arbeite, dann tue ich das ganz ohne Ablenkung.

Hier der vollständige Artikel: www.basicthinking.de.

Theologie der Hoffnung – passt das noch?

Jürgen Moltmann ist am 8. April 2016 90 Jahre alt geworden. Der evangelische Theologe wollte die Trennung zwischen Religion und Politik aufbrechen. Moltmann wandte sich gegen die – wie er es nannte – „transzendentale Eschatologie“ und warb für ein Offenbarungsverständnis, das offen ist für die Verheißungsaussagen, die sich nicht jenseitig, sondern in der Geschichte erfüllen. Seiner 1995 erschienenen Eschatologie gab er den Titel: Das Kommen Gottes. Gott kommt weder in einem zeitlosen oder übergeschichtlichen Sinne, noch am Ende der Geschichte. Die Welt ist ein offener Prozess, in welchem das Heil und die Vernichtung der Welt auf dem Spiel stehen.

Moltmann fordert eine handlungsfähige Theologie. Karl Marx schrieb 1845 in seinen Thesen über Feuerbach: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt darauf an, sie zu verändern.“ Moltmann artikulierte knapp 120 Jahre später: „Für den Theologen geht es nicht darum, die Welt, die Geschichte und das Menschsein nur anders zu interpretieren, sondern sie in der Erwartung göttlicher Veränderung zu verändern.“

Inspiriert wurde Moltmann von dem Marxisten Ernst Bloch (1855–1977) sowie von der „Kritischen Theorie“ der Frankfurter Schule, insbesondere durch Max Horkheimer (1895–1973) und Theodor W. Adorno (1903–1969). Seine „Messianische Ethik“ wurde darüber hinaus durch die amerikanischen Bürgerrechtsbewegungen und Martin Luther King angestoßen. Bezug nehmend auf Kings Traum konzipierte Moltmann die Hoffnung auf eine Welt mit gleichen Lebensverhältnissen für alle und der lebensförderlichen „Gemeinschaft der Menschen mit allen Lebewesen auf der Erde“.

Heute bündelt Jürgen Moltmann diese handlungsfähige Theologie unter dem Begriff einer „Transformativen Eschatologie“. Diese Eschatologie unterscheidet sich von der lutherischen, reformierten oder täuferischen, da sie das ethische Prinzip der Weltverantwortung aufnimmt. „Sie leitet zum transformativen Handeln an, um nach Möglichkeiten und Kräften die Neuschöpfung aller Dinge vorwegzunehmen, die Gott verheißen und Christus in Kraft gesetzt hat.“ „Sie arbeitet an einer entsprechenden Umwertung der Werte dieser Welt, um der kommenden Welt Gottes gerecht zu werden.“

Christoph Fleischman hat sich für Deutschlandradio Kultur mit ihm auseinandergesetzt. Bei dem Gespräch werden die Schnittstellen zwischen der Theologie der Hoffnung und der neueren, evangelikalen Transformationstheologie schön offengelegt (siehe dazu auch „Wofür ist die Kirche da?Anfragen an die transformative Eschatologie“).

Hier der Radiobeitrag:

 

 

Handschriftliche Notizen machen klug

Notebooks und Tablet-Computer lassen Stift und Papier scheinbar alt aussehen. Neue Studien zeigen jedoch, dass Studenten, die sich handschriftliche Notizen machen, besser lernen also solche, die Vorlesungsmitschriften über die Tastatur eingeben. Die „Handwerker“ begreifen neue Ideen schneller und behalten die Informationen länger.

Einzelheiten hier: www.wsj.com.

Inklusionspastoral

Die FAZ bedenkt heute das päpstliche Schreiben „Amoris Laetitia“ (dt. Freude der Liebe), das bereits in einer deutschen Übersetzung hier eingesehen werden kann, gleich mit drei Beiträgen. Ich habe das nachsynodale Schreiben bisher nur grob überflogen und dabei viel Gutes gefunden. Erkennbar wird – freilich nicht überraschend – eine hohe Sicht von Ehe, Geschlechtlichkeit und Familie. Papst Franziskus warnt völlig zurecht vor dem Druck, den einige westliche Länder und Hilfsorganisationen in den Fragen der Ethik auf ärmeren Staaten ausüben (S. 222–223):

»Was die Pläne betrifft, die Verbindungen zwischen homosexuellen Personen der Ehe gleichzustellen, gibt es keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensge- meinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn.« Es ist unannehmbar, » dass auf die Ortskirchen in dieser Frage Druck ausgeübt wird und dass die internationalen Organisationen Finanzhilfen für arme Länder von einer Einführung der „Ehe“ unter Personen des gleichen Geschlechts in ihrer Gesetzgebung abhängig machen«.

Wenn Franziskus jedoch der kalten oder leblosen Lehre bzw. Schreibtisch-Moral die barmherzige Liebe gegenüberstellt, dann handelt es sich um einen rhetorischen Schachzug. Christian Geyer schreibt zurecht: „Ist die Norm erst einmal als „kalt“ diffamiert, kann jede Berufung auf sie schnell als „kleinlich“ gelten. Kalt und kleinlich gehören denn auch zu den Suggestivbegriffen, mit denen das Dokument einen Reformgeist vorspiegelt, den es nicht einlöst“ (FAZ vom 09.04.2016, Nr. 83, S. 13).

Großartig ebenfalls, wie Geyer auf ein Grundsatzproblem einer alles umarmenden Inklusionspastoral hinweist (ebd.):

Mit dem Refrain „unterscheide!, unterscheide!, unterscheide!“ gerät die Unterscheidung der Tatbestandsmerkmale derart zu einem Supergebot …, dass nichts mehr zu urteilen übrig bleibt. Die Materie, die zu beurteilen wäre, hat sich schlichtweg in ihre Atome aufgelöst (ohnehin scheint „urteilen“ im päpstlichen Text mit ‚„verurteilen“ assoziationspsychologisch verbunden zu sein, was ja begrifflich von Haus aus gar nicht geboten ist).

Man mache nur einmal die Gegenprobe: Ist nach Lektüre des Schreibens irgendein „Fall“ denkbar, der nach gebotener pastoraler Unterscheidungsarbeit noch einer kirchlichen Exklusion zur Verfügung steht? Nein, jeder Fall ist eingemeindet. Zugespitzt gesagt: Der Atheist, der darauf Wert legt, Atheist zu sein, hat vor der kirchlichen Inklusionspastoral keine Chance, als Atheist draußen bleiben zu können. Ein Sünder, der sich seiner Verfehlungen wegen nicht imstande sieht, zur Kommunion zu gehen, aber auch die Beichte scheut und darob eine kirchliche Auszeit anpeilt (statt zu sagen: Ich bin okay, Gott ist okay), versteht plötzlich seine Bedenken nicht mehr, gerät er erst einmal unter den exzessiven Unterscheidungsimperativ, mit dem man ihn beinahe schon penetrant zum „differenzierten Blick“ auf „unterschiedliche Situationen“ anhält.

Man möge bitte verstehen, schreibt Franziskus, „dass man von der Synode oder von diesem Schreiben keine neue, auf alle Fälle anzuwendende gesetzliche Regelung kanonischer Art erwarten durfte“. Eben dies hat aber niemand erwartet: weder die Reformer noch die Beharrer. Man hätte einfach nur gerne gewusst, was gelten soll. Um dann selbst entscheiden zu können, ob und unter welchen Bedingungen man sich daran halten möchte oder nicht.

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