Ethik

Beiträge aus dem Bereich Ethik.

Puritanische Lust

Edmund Leiters schreibt in seinem bemerkenswerten Buch:

Zumindest in einer Hinsicht hat sich Weber [gemeint ist Max Weber] völlig getäuscht. Der Puritanismus ist zutiefst von einer Ethik beseelt, die weltbejahend ist. In ihrer Philosophie der Ehe, eines der wichtigsten Lebensbereiche für den Puritanismus, fordern Prediger und Theologen die spontane Freude, die sexuelle Befriedigung und das Vergnügen aneinander. Sie bejahen den inneren Wert des Vergnügens und der Erquickung, die Ehegatten einander spenden können. Aus ihrer Sicht müssen diese Freuden nicht durch einen weitergehenden spirituellen Zweck gerechtfertigt werden, wenngleich die Ehe für sie spirituelle Ziele besitzt; die Freuden der Ehe sind Güter an sich, die dem natürlichen menschlichen Bedürfnis nach Gesellschaft und Liebe entsprechen. Der Puritanismus kann daher nicht als eine durch und durch asketische Religion gelten.

Recht hat Weber dagegen, was die Forderung der Puritaner nach gründlicher Selbstdisziplin angeht. Puritanische Prediger forderten in allen Lebensbereichen – Ehe, Arbeit, Politik, Familie, Krieg – eine auf die Schaffung konstanter und verläßlicher Motive gerichtete, systematische Selbstdisziplin. Dies galt ebenso für die Liebe zum Ehegatten wie für die beim Genuß von Reichtum und irdischen Gütern zu übende Zurückhaltung. Der Ruf nach moralischer Beständigkeit hatte in der Tat immer dann asketische Konsequenzen, wenn man der Meinung war, daß die Freuden der Welt einer Preisgabe der Selbstdisziplin und der moralischen Stetigkeit gleichkamen. Die Hauptströmung des Puritanismus sah in der ehelichen Sexualität keine Gefahr für die moralische Beständigkeit; vielmehr sah sie in ihr eine bemerkenswerte und gelungene Harmonie der sinnlichen, moralischen und spirituellen Bande.

Junia, die erste Apostelin?

Seit Jahren wird nicht nur in der akademischen Welt über eine Person, die lediglich in einem Grußwort des Paulus im 16. Kapitel des Römerbriefes erwähnt wird, gestritten: Junia(s). Wer einmal in der eigenen Gemeinde sich mit der Frage nach dem Lehramt der Frau auseinandergesetzt hat, wird Befürworter der Frauenordination antreffen, die Junia für die erste gemeindeleitende Apostelin halten, gewiss aber auch Kritiker, die Junias für einen Mann halten. Und so wird eine Randperson der neutestamentlichen Briefliteratur zum Zankapfel nicht nur der Theologen sondern auch der Gemeinde insgesamt.

Daniel Dangendorf vom Blog Theologia et Musica hat eine exegetische Studie über Röm 16,7 geschrieben.

Das ist Grund genug, der Thematik exegetisch zu begegnen. In Röm 16,7 stoßen etliche exegetische Probleme aufeinander, die hier nacheinander diskutiert werden sollen. Ist Junia(s) Mann oder Frau? Sind Andronikus und Junia(s) selbst Apostel? Wenn ja, was meint die Bezeichnung Apostel an dieser Stelle? Diese und ähnliche Fragen müssen zuerst geklärt werden, bevor man sich einer ethischen Perspektive widmet. Was lässt sich ethisch aus Röm 16,7 ableiten? Diese Frage soll im Rahmen dieser Hausarbeit ebenfalls abschließend gestellt werden und es ist notwendig, diese Frage zu stellen, da Junia(s) so gerne in der Diskussion um die Frauenordination als Fallbeispiel gebraucht wird. Bei der Diskussion wird insbesondere auch die Publikation von Eldon Jay Epp Junia, the first Woman Apostle, Fortress: Minneapolis, 2005 mit berücksichtigt.

Die exegetische Studie kann hier herunter geladen werden: mbstexte140.pdf.

Merkmal der sexuellen Identität in das Grundgesetz aufnehmen

Die SPD-Fraktion möchte das Merkmal der sexuellen Identität in das Grundgesetz einfügen. Dazu hat sie einen Gesetzentwurf (17/254) vorlegt. Nach den Vorstellungen der Fraktion soll Artikel 3 (»Gleichheit vor dem Gesetz«) nach den Wörtern »wegen seines Geschlechtes« einen entsprechenden Formulierung enthalten.

In einer Pressemitteilung des Deutschen Bundestages dazu heißt es:

Die Sozialdemokraten schreiben unter anderem, Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, transsexuelle und intersexuelle Menschen seien in unserer Gesellschaft auch heute noch Anfeindungen, gewaltsamen Übergriffen und Benachteiligungen ausgesetzt. Gesetzliche Diskriminierungsverbote hätten zwar die rechtliche Situation der Betroffenen deutlich verbessert. Ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität im Grundgesetz schaffe jedoch eine klare Maßgabe für den Gesetzgeber. Es stehe für das deutliche Bekenntnis, dass Gesichtspunkte der sexuellen Identität eine ungleiche Behandlung in unserer Gesellschaft unter keinen Umständen rechtfertigen könne.

The Conservative-Christian Big Thinker

The New York Times hat vor einigen Tagen ein Feature über den derzeit wohl größten konservativen Denker in den U.S.A. veröffentlicht. Der brillante Juraprofessor Robert P. George (Princeton University) ist in die Fußstapfen von Richard Neuhaus getreten (siehe hier) und als bekennender Katholik einer der Hauptverantwortlichen für die »Manhattan Declaration«. Hier der Artikel aus The New York Times: www.nytimes.com.

Paul Edwards hat in einer Radiosendung ausführlich mit Professor Robert George über die »Manhattan Declaration«, das Naturrecht, die Heilige Schrift und viele andere Themen gesprochen. Ein Mitschnitt der Radiosendung kann hier als mp3-Datei herunter geladen werden.

Das äußerst hörenswerte Gespräch beginnt ab der 24. Minute. Wer thomistische Argumente (also theologisch-philosophische Argumente in der Tradition von Thomas von Aquin) für den Schutz der Familie und das Leben kennenlernen oder vertiefen möchte, sollte sich das Gespräch anhören.

Sie galt als lebensunwert

Claus Peter Müller hat einen bemerkenswerten Text gegen das Vertuschen und Vergessen der Euthanasie-Morde im »Dritten Reich« geschrieben:

Stogniew, geborene van Hasseln, wurde am 13. Februar 1941 in der Heilanstalt Hadamar vergast. Ihr Leichnam wurde verbrannt. Keiner weiß, was mit ihrer Asche geschah. Ihre Sterbedaten wurden von den Behörden systematisch gefälscht, um das Verbrechen zu vertuschen. Das war in Hadamar so, aber auch in den anderen fünf Tötungsanstalten Bernburg, Brandenburg, Grafeneck, Hartheim und Pirna. Von Januar bis August 1941 trieben die Nationalsozialisten kranke Menschen wie Frau Stogniew als »lebensunwert« unter ärztlicher Aufsicht in Gaskammern. Nach dem Mord wurden den Toten die Goldzähne aus dem Kiefer gebrochen, und einzelne Leichname wurden untersucht, wenn die Autopsie interessante medizinische Erkenntnisse versprach. Am 24. August 1941 stoppte Hitler die Tötungsaktion, nachdem der Bischof von Münster, Graf von Galen, in einer Predigt den Mord an den ursprünglich Schutzbefohlenen als solchen benannt hatte. Mehr als 70.000 Kranke waren den Ärzten im Dienst des NS-Systems bis dahin schon zum Opfer gefallen.

Hier mehr: www.faz.net.

Die »Manhattan-Erklärung« auf Deutsch

Freundlicherweise hat das Institut für Ethik & Werte die »Manhattan-Erklärung« übersetzt. In der Präambel heißt es:

Heutige Christen sind Erben einer zweitausendjährigen Tradition. Zum Inhalt dieser Tradition gehören die Verkündigung von Gottes Wort, das Streben nach sozialer Gerechtigkeit, Widerstand gegen Tyrannei sowie der karitative Einsatz zugunsten der Armen, Unterdrückten und Leidenden.

Im vollem Bewusstsein, dass christliche Gemeinschaften und Institutionen über die Jahrhunderte oft versagt haben und unvollkommen geblieben sind, machen wir uns das Erbe der Christen zu eigen, die sich für unschuldiges Leben einsetzten, indem sie ausgesetzte Säuglinge von den städtischen Müllhalden des Römischen Reiches retteten und dessen Duldung des Kindermords öffentlich anprangerten. Wir gedenken mit Ehrfurcht der Gläubigen, die während der Pest in den Städten blieben, um sich um Kranke und Sterbende zu kümmern, oder lieber mutig in den Arenen starben als ihren Herrn zu verleugnen.

Im Mittelalter waren es die christlichen Klöster, die nicht nur die Heilige Schrift, sondern auch die abendländische Literatur und Kunst bewahrten. Christen waren es, die das Übel der Sklaverei bekämpften. Päpstliche Erlasse im 16. und 17. Jahrhundert verurteilten den Sklavenhandel und exkommunizierten die Händler. Evangelikale Christen wie William Wilberforce bewirkten das Verbot des Sklavenhandels in Großbritannien und gründeten karitative Vereine zur Unterstützung der Armen, der Häftlinge und der Opfer der Kinderarbeit, die oft an Maschinen gekettet wurden.

Es waren Christen, die in Europa das Königtum von Gottes Gnaden angefochten haben und sich erfolgreich Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung erkämpften, um moderne Demokratie überhaupt zu ermöglichen. In den Vereinigten Staaten waren Christen unter den ersten Frauenrechtlerinnen. Die große Bürgerrechtsbewegung der 1950 und 1960er Jahre wurde von Christen angeführt, die sich auf die Heilige Schrift beriefen und den Adel aller Menschen als Gottes Geschöpfe ungeachtet Rasse, Religion oder Rang bekräftigten.

Die gleiche Sorge um die Würde des Menschen hat im vergangenen Jahrzehnt Christen dazu geführt, gegen entmenschlichende sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel anzugehen, sich um Aids-Opfer in Afrika zu kümmern sowie sich vielfältig für Menschenrechte einzusetzen, ob für sauberes Trinkwasser in den Entwicklungsländern oder für Heime für Abertausende von Kindern, die Krieg, Seuchen oder Geschlechterdiskriminierung zu Waisen gemacht hatten.
Wie unsere Vorgänger im Glauben sind Christen heute dazu berufen, das Evangelium der kostbaren Gnade zu verkündigen, die wahre Menschenwürde zu schützen und für das Gemeinwohl einzustehen. Bleibt die Gemeinde ihrer Berufung in die Nachfolge Jesus Christi und den Dienst ihrer Mitmenschen treu, vermag sie einen weitreichenden Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten.

Die autorisierte deutsche Ausgabe kann hier herunter geladen werden: Manhattan_Declaration_German.pdf.

Gender Konfusion

Perry.jpgDanny Burk hat auf seinem Campus (Boyce College, U.S.A.) zwei interessante und aufschlussreiche Vorträge über die Gender-Diskussion gehalten.

Burk steigt mit der ›Erfolgsgeschichte‹ von Katy Perry, die zweimal hintereinander die MTV European Music Awards moderiert hat (2008 u. 2009), ein. Die US-amerikanische Sängerin und Songschreiberin ist die Tochter eines Pastorenehepaars. Sie hat sich bewusst von ihren christlichen Wurzeln gelöst und tritt inzwischen als Protagonistin der Gender-Ideologie innerhalb der Popkultur auf.

Anschließend stellt Burk die Ideologie des Gender Mainstream (mit Betonung der sexuellen Aspekte) sehr allgemeinverständlich vor und zeigt, wie stark sie bereits Werteeinstellungen in christlichen Kreisen prägt. Im zweiten Teil enwickelt er einige Leitgedanken für eine christliche Gegenkultur.

Hier die Mitschnitte der Vorlesung als mp3-Dateien:

Ein Dilemma: Darwin und die Sklaverei

imagesHenning Ritter geht in einem für die FAZ geschriebenen Artikel der Frage nach, warum Charles Darwin seinen moralischen Quietismus in der Sklavenfrage aufgegeben hat.

Es geht dabei verkürzt um Folgendes: Die biologische Theorie Darwins versuchte durch Verweis auf sehr langsame Anpassungsprozesse die Grausamkeit des Evolutionsgeschehens abzumildern. Kritische Begleiter des Darwinismus mahnten jedoch an, dass der mörderische Daseinskampf, sei er denn notwendig, gewaltige Auswirkungen für die Moralvorstellungen haben müsse. Etwa so: »Wenn die Natur alles ist, was ist, und der Tod als Gärtner auftritt, muss das Recht des Stärkeren akzeptiert werden.« Der moralischen Verunsicherung wich Darwin aus, indem er über Moral schwieg. Aber warum hat Darwin in der Sklavenfrage deutlich Stellung gegen die Sklaverei bezogen? Der Naturforscher erklärte, dass es »in der Natur Erscheinungen gab, die, im Unterschied zur natürlichen Auslese, tatsächlich die Bezeichnung Grausamkeit verdienten«. Das heißt soviel wie: Die Natur lehrt selbst eine Moral.

Meine Frage: Hatte Darwin vielleicht mit der Grausamkeit der Natur in der Sklavenfragen vor allem deshalb Probleme, weil er persönlich betroffen war, also die Grausamkeit mit eigenen Augen gesehen hat?

Hier der packende Artikel: www.faz.net.

Der Christ und die Welt

Dietrich Bonhoeffer:

Es gibt keinen Rückzugsort des Christen von der Welt, weder äußerlich, noch in der Sphäre der Innerlichkeit. Jeder Versuch, der Welt auszuweichen, muß früher oder später mit einem sündigen Verfall an die Welt bezahlt werden.

Serielle Monogamie statt Ehe?

Die Deutschen heiraten immer später und immer seltener: Während Frauen 1975 im Durchschnitt bereits mit 23 und Männer mit 25 Jahren heirateten, waren im Jahr 2008 erstmalig heiratende Frauen durchschnittlich 30, Männer sogar 33 Jahre alt. Heiraten war in den 70er Jahren noch eine biographische Selbstverständlichkeit, mehr als 90 Prozent der ledigen jungen Erwachsenen entschieden sich für die Ehe als Lebensform. Seitdem hat sich der Anteil der zeitlebens unverheiratet bleibenden Erwachsenen mehr als verdreifacht: Gegenwärtig schließen noch etwa zwei Drittel der Frauen und etwa 60 Prozent der Männer mindestens einmal in ihrem Leben eine Ehe. Parallel zur sinkenden Heiratsneigung ist das Scheidungsrisiko gestiegen – mittlerweile werden etwa 40 Prozent der Ehen wieder getrennt.

Mehr dazu auf der Internetseite des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie: www.i-daf.org.

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