März 2011

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 7)

Augustinus behandelt weiterhin die Unentschuldbarkeit des Menschen vor Gott (S. 360–365). Er behauptet in Anlehnung an den Apostel Paulus, dass alle Menschen vor Gott schuldig sind, da Gott sein unsichtbares Wesen alle Menschen offenbart hat (vgl. Röm 1,18–20). Anschließend geht er besonders auf die Menschen ein, die den Willen Gottes kennen. Wenn schon diejenigen, die das Gesetz nicht kennen, sich eines Tages dafür verantworten müssen, dass sie Gott nicht geehrt haben, wie wird es wohl jenen Menschen ergehen, die im Gesetz unterrichtet sind aber nicht danach leben? Das Gesetz deckt unsere Sünde auf, damit wir uns an den Erlöser wenden. Er nämlich, Jesus Christus, kann uns von der Macht der Sünde befreien.



Augustinus: Die Gnade des Erlösers

Auch kann man von Erwachsenen mit Recht sagen: Sie wollten nicht Verstand annehmen, um gut zu handeln; sie haben, was ärger ist, zwar eingesehen, aber doch nicht Gehorsam geleistet, so dass an ihnen in Erfüllung geht: »Ein hartnäckiger Knecht wird durch Worte nicht gebessert; wenn er auch die Sache begreift, so wird er doch nicht gehorchen« (Spr 29.19). Warum gehorcht er nicht als aus dem Grunde, dass sein Wille sehr böse ist? Darum gebührt ihm nach göttlichem Gerichte eine schwerere Strafe; denn wem mehr gegeben ist, von dem wird auch mehr verlangt. Jene nennt die Heilige Schrift unentschuldbar, denen die Wahrheit nicht unbekannt ist und die doch in der Ungerechtigkeit verharren. »Denn es offenbart sich«, sagt der Apostel, »der Zorn Gottes vom Himmel über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit jener Menschen, die die Wahrheit Gottes in Ungerechtigkeit gefangen halten; denn was von Gott bekannt ist, ist unter ihnen kund, weil Gott es ihnen kundgetan hat. Denn von Erschaffung der Welt an ist sein unsichtbares Wesen durch die geschaffenen Werke erkennbar und sichtbar, auch seine ewige Kraft und Gottheit, so dass sie keine Entschuldigung haben« (Röm 1,21).

Wenn er also jene unentschuldbar nennt, die Gottes unsichtbares Wesen durch die geschaffenen Werke erkennen und sehen konnten, aber der Wahrheit kein Gehör schenkten, sondern ungerecht und gottlos blieben und nicht aus Unkenntnis, sondern – obwohl sie, wie es heißt, Gott erkannten – »ihn doch nicht als Gott verherrlichten oder ihm dankten« (Röm 1,18–20), wie viel unentschuldbarer sind dann diejenigen, die, in Gottes Gesetz unterrichtet, sich die Führer der Blinden zu sein getrauen und andere lehren, sich selbst aber nicht lehren, die predigen, dass man nicht stehlen dürfe, aber selbst stehlen, und was sonst der Apostel von ihnen sagt! Ihnen ruft er zu: »Deshalb bist du unentschuldbar, o Mensch, wer immer du seiest, wenn du richtest. Denn indem du einen anderen richtest, verurteilst du dich selbst. Du tust ja gerade das, worüber du richtest« (Röm 2,1).

Auch spricht der Herr selbst im Evangelium: »Wenn ich nicht gekommen wäre und zu ihnen geredet hätte, so hätten sie keine Sünde; jetzt aber haben sie keine Entschuldigung für ihre Sünde« (Joh 15,22). Dies ist nicht so zu verstehen, als ob sie überhaupt keine Sünde hätten, da sie voll waren von anderen und großen Sünden; sondern es will sagen, dass sie ohne seine Ankunft jene Sünde, dass sie, obwohl sie ihn gehört, doch nicht an ihn glaubten, nicht gehabt hätten. Der Herr erklärt, dass sie jene Entschuldigung nicht haben, kraft welcher sie sprechen konnten. »Wir haben nicht gehört, darum haben wir nicht geglaubt«. Der menschliche Stolz hält sich ja im Vertrauen auf die Kraft des freien Willens für entschuldigt, wenn die Sünde von der Unwissenheit und nicht vom Willen herzurühren scheint.

Diese Entschuldigung meint die Heilige Schrift, wenn sie jene unentschuldbar nennt, die, wie sie nachweist, mit Wissen sündigen. Gottes gerechtes Gericht aber verschont selbst jene nicht, die nicht gehört haben. »Denn alle, die ohne Gesetz gesündigt haben, werden ohne Gesetz zugrunde gehen« (Röm 2,12). Und obwohl sie selbst sich entschuldigen möchten, so lässt derjenige diese Entschuldigung nicht zu, der weiß, dass er den Menschen in Geradheit erschaffen und ihm das Gebot des Gehorsams gegeben hat und dass die Sünde, ebenso wie die Erbsünde, nur aus dem Missbrauche des freien Willens entstanden ist. Auch wird hierbei niemand ohne Sünde verdammt, denn es ist jene Sünde von einem auf alle übergegangen, von jenem einen, in dem alle zusammen gesündigt haben, noch ehe bei den einzelnen persönliche Sünden vorhanden waren. Und darum ist jeder Sünder unentschuldbar, entweder wegen der Erbsünde oder außerdem noch wegen persönlicher Sünden, mag er nun davon wissen oder nicht wissen, mag er urteilen oder nicht urteilen. Denn auch die Unwissenheit selbst ist bei jenen, die nicht erkennen wollten, unzweifelhaft Sünde, bei jenen aber, die nicht erkennen konnten, Strafe der Sünde. Deshalb ist in beiden Fällen keine gerechte Entschuldigung vorhanden, sondern die Verdammung ist gerecht.

Darum aber nennt die Heilige Schrift diejenigen unentschuldbar, die nicht aus Unwissenheit, sondern mit Wissen sündigen, damit sie auch nach dem Urteile ihres Stolzes, vermöge dessen sie auf die Kräfte ihres freien Willens großes Vertrauen setzen, sich als unentschuldbar erkennen. Denn in diesem Falle können sie sich nicht mit Unwissenheit entschuldigen, und doch wäre dies noch nicht die Gerechtigkeit, zu der nach ihrer Ansicht der freie Wille ausreicht. Jener aber, dem der Herr die Gnade des Wissens und des Gehorsams verliehen hat, spricht: »Durch das Gesetz erfolgt die Erkenntnis der Sünde« (Röm 3,20), und: »Die Sünde erkannte ich nicht anders als durch das Gesetz. Denn ich würde nicht von der Begierlichkeit wissen, wenn das Gesetz nicht sagte: ›Du sollst nicht begehren‹« (Röm 7,7). Auch will er den Menschen nicht als unbekannt mit dem gebietenden Gesetze, sondern als unwürdig der errettenden Gnade aufgefasst wissen, wenn er sagt: »Ich freue mich am Gesetze Gottes dem inneren Menschen nach« (Röm 7,22); aber obwohl er nicht nur das Gesetz Gottes erkannt, sondern auch an ihm sich erfreut, spricht er später: »Ich unglückseliger Mensch! Wer wird mich befreien von dem Leibe dieses Todes? Die Gnade Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn« (Röm 7,24–25).

Niemand also errettet von den Wunden jenes Würgers als die Gnade des Erlösers; niemand befreit die wegen der Sünde Verkauften von den Fesseln ihres Kerkermeisters als die Gnade des Erlösers.

So werden also alle, die sich wegen ihrer Sünden und Ungerechtigkeiten entschuldigen wollen, deshalb mit vollster Gerechtigkeit bestraft, weil alle, die gerettet werden, nur durch die Gnade errettet werden. Wenn aber jene Entschuldigung gerecht wäre, dann würde nicht mehr die Gnade, sondern die Gerechtigkeit befreien. Wenn aber die Gnade befreit, so findet sie in dem, den sie befreit, nichts Gerechtes, weder den Willen noch die Handlungsweise, nicht einmal die Entschuldigung. Wäre diese gerecht, so würde jeder, der sie gebraucht, nach Recht und nicht nach Gnade befreit werden. Wir wissen ja, dass durch die Gnade Christi auch einige von denen gerettet werden, die sprechen: »Warum beklagt er sich also? Denn wer widersteht seinem Willen?« (Röm 9,19). Wenn diese Entschuldigung gerecht ist, so werden sie nicht mehr durch unverdiente Gnade, sondern wegen der Gerechtigkeit dieser Entschuldigung gerettet. Wenn es aber die Gnade ist, durch die sie gerettet werden, so ist offenbar diese Entschuldigung nicht gerecht; dann ist es wahrhaft Gnade, wodurch der Mensch gerettet wird, wenn sie nicht aus Gerechtigkeitspflicht gespendet wird. An jenen also, die sprechen: »Warum klagt er noch? Wer widersteht seinem Willen?« geschieht nichts anderes, als was im Buche Salomons geschrieben steht: »Die Torheit des Mannes verdirbt ihm den Weg; gegen Gott aber murrt er in seinem Herzen« (Spr 19,3).

Obwohl also Gott die Gefäße des Zornes zum Verderben bereitet, um seinen Zorn zu offenbaren und seine Macht zu zeigen, vermöge welcher er auch die Bösen zum Guten gebraucht, und um den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit kundzutun, die er zur Ehre bildet, die aber nicht dem verdammlichen Stoffe gebührt, sondern durch die Freigebigkeit seiner Gnade verliehen wird, so wußte doch Gott an diesen Gefäßen des Zornes, die wegen der Verdammlichkeit des Stoffes zur gebührenden Schmach bereitet sind, d.h. an den Menschen, die zwar wegen der natürlichen Güter erschaffen, aber wegen der Sünde zur Strafe bestimmt sind, die von der Wahrheit mit allem Rechte verworfene Ungerechtigkeit zu verdammen, nicht aber diese selbst zu vollbringen. Denn wie die ohne Zweifel lobenswerte menschliche Natur im göttlichen Willen ihren Grund hat, so hat die unstreitig verdammenswerte Sünde im Willen des Menschen ihren Grund. Dieser Wille des Menschen hat entweder die Erbschuld auf die Nachkommen gebracht, die, als er sündigte, in ihm eingeschlossen waren, oder die übrigen Sünden sich zugezogen, da jeder für sich ein schlechtes Leben führte. Aber weder von dieser Erbschuld noch von jenen Sünden, die ein jeder in seinem eigenen Leben, ohne es zu erkennen oder ohne es erkennen zu wollen, aufhäuft oder auch trotz der Belehrung durch das Gesetz infolge fortgesetzter Übertretung zum Übermaß bringt, auch von diesen wird niemand befreit und niemand gerechtfertigt außer vermittels der Gnade Gottes durch unseren Herrn Jesus Christus, der uns erbarmungsvoll Liebe und Gebet und Erfolg unseres Gebetes verleiht, bis er alle unsere Schwachheiten heilt, unser Leben vom Verderben errettet und uns in Erbarmung und Gnade krönet.

The Four Holy Gospels

Kürzlich habe ich hier ein Interview mit dem großartigen Künstler Makoto Fujimura beworben. Inzwischen ist das Buch The Four Holy Gospels erschienen.

Hier nun Teil I einer Serie zum Buch mit Hintergrundinformationen (aus denen übrigens deutlich wird, dass Francis Schaeffer etwas mit der Arbeit zu tun hat). Außerdem ein Exzerpt aus dem Buch: four.holy.gospels.excerpt.download.pdf.

Dieses Video stellt uns den Künstler kurz vor:

VD: JT

Jörg Stolz: »Eine Religion, die zu liberal wird, verschwindet«

Der TAGESANZEIGER hat ein Interview mit Jörg Stolz veröffentlicht. Der Religionssoziologe sagt, die Kirchen befänden sich im Dilemma: Sie bräuchten ein klares Profil, um sich im Markt der Religionen zu positionieren. Gleichzeitig müssten sie sich dem Zeitgeist anpassen.

Stolz hinterfragt, meines Erachtens im Blick auf das Abendland zurecht, die Kritik an der Säkularisierungsthese:

Tagesanzeiger: Warum aber stellen immer mehr Theologen und Religionssoziologen die Säkularisierung infrage?

Stolz:Ich kann das nur durch zwei Mechanismen erklären. Einerseits aus einer verzerrten Wahrnehmung heraus: Beschäftigt man sich ständig mit Religion, dann liegt es auf der Hand, dass man die Religion überall wahrnimmt. Andererseits ist es angenehmer, von einem Forschungsobjekt zu berichten, das nicht schrumpft. Sobald man einen Antrag für ein nationales Forschungsprojekt stellt, muss man es als wichtig ausweisen können.

Tagesanzeiger: Also ist die Rückkehr der Religion nur ein mediales Phänomen?

Stolz: Auf der Ebene der faktisch gelebten Religiosität in den westlichen Industrieländern gibt es keine Rückkehr der Religion. Die alternative Spiritualität wie Esoterik ist marginal. Wir sehen eine rasante Säkularisierung, einen rasanten Niedergang der Wichtigkeit von Religion im Leben der Menschen. Jede neue Generation scheint weniger religiös als die vorherige. Eine Rückkehr des Themas in den Medien gibt es aber durchaus: Das liegt vor allem an der weltpolitischen Bedeutung des Islams.

Tagesanzeiger: Die harten Spielarten der Religion sind viel stärker in den Medien als die liberalen. Ist nur ein konfliktuöses religiöses Profil interessant?

Stolz: Die Medien funktionieren nach ihrer eigenen Logik. Nur was aktuell, aussergewöhnlich, skandalträchtig, emotional berührend, nah am Zuschauer oder Leser ist, ist berichtenswert. Eine hervorragende Predigt, ein schöner Kirchenbasar, eine nachhaltige Hilfe für Bedürftige können den Teilnehmern sehr viel bringen – aber sie haben keinen Nachrichtenwert.

Hier das Interview: www.tagesanzeiger.ch.

VD: BH

Keller: Was ist das wahre Wort von Jesus?

201103030521.jpgTim Keller hat für FOXNEWS über sein neues Buch:

  • Timothy Keller: King’s Cross: The Story of the World in the Life of Jesus, Dutton Adult, 2011, S. 256

gesprochen. Kein Wunder. Die Moderatorin kommt aus seiner Kirchengemeinde. Über das Buch schreibt der Verlag:

King’s Cross is Timothy Keller’s revelatory look at the life of Christ as told in the Gospel of Mark. There have been many biographies of Jesus, but few will be as anticipated as one by Keller, the man Newsweek calls »a C.S. Lewis for the twenty-first century.« In it, Keller shows how the story of Jesus is at once cosmic, historical, and personal, calling each of us to look anew at our relationship with God. Like Keller’s other books it has tremendous crossover appeal, but it is also ideal for the faithful, those who are looking for a closer connection to Jesus and Christianity.

Hier das Video: video.foxnews.com.

 

Heidegger: Warten auf Gott

Für Heidegger ist die Geschichte des Abendlandes eine Geschichte des Abfalls. Je mehr wir Menschen versucht haben, das Seiende auf den Begriff zu bringen, desto weiter haben wir uns vom Unwesentlichen in den Bann ziehen lassen (und damit vom Wesentlichen entfremdet). Das Wesentliche ist das Sein. Der Philosoph hat immer wieder eindrücklich davor gewarnt, dass die moderne Technik, die vor allem verdinglicht, uns den Blick für das Sein des Seienden verstellt.

Für Heidegger ist weder Gott noch der Mensch das Sein, die Sprache ist »das Haus des Menschen«. Deshalb rückt er ein notwendiges neues Denken in die Nähe der Sprache. Sprache ist geschichtlich und somit ein Weg zum Ursprung. Indem wir auf die Sprache hören, erfahren wir, wie es um uns bestellt ist. Besonders die Dichtung vermittelt eine Weise unseres Gestimmtseins und enthüllt somit das Seiende. Wenn Heidegger mahnt, auf die Dichter zu hören, geht es ihm weniger um die Inhalte als um die Art und Weise, wie der Dichter spricht und was er dadurch vom Sein preisgibt.

Die heideggersche Kritik an der Moderne und dem technischen Weltverständnis ist kraftvoll und hilfreich. Das neue Denken, welches das Sein enthüllt, hat Heidegger nicht gefunden. Es ist noch nicht da. Wir müssen darauf warten. In einem SPIEGEL-Gespräch, das im September 1966 Rudolf Augstein und Georg Wolff mit Heidegger führten und das auf seinen Wunsch erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde, bekannte der Philosoph (Der Spiegel, Nr. 23 vom 31. Mai 1976, S. 193–219):

Die Philosophie wird keine unmittelbare Veränderung des jetzigen Weltzustandes bewirken können. Dies gilt nicht nur von der Philosophie, sondern von allem bloß menschlichen Sinnen und Trachten. Nur noch ein Gott kann uns retten. Uns bleibt die einzige Möglichkeit, im Denken und im Dichten eine Bereitschaft vorzubereiten, für die Erscheinung des Gottes oder für die Abwesenheit des Gottes im Untergang; dass wir im Angesicht des abwesenden Gottes untergehen.

Hier ein SPIEGEL-Artikel über Heideggers Abkehr vom christlichen Glauben: PPM-SP197202001460149.pdf.
Nachfolgend außerdem einige Impressionen, die Einblick in das Sein des Dichterphilosophen ermöglichen:

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 6)

Im folgenden Abschnitt (S. 353–360) betont Augustinus nach einmal anhand verschiedener Themen und Bibelstellen, dass uns Menschen keine Verdienste vor Gott gerecht machen können. Sogar das ewige Leben, von vielen als Lohn für ein gutes Leben verstanden, ist unverdiente Gnade.

Augustinus: Nicht Verdienst, sondern Gabe des Geistes

Niemand kann also auf die rechte Weise Weisheit und Verstand gebrauchen, niemand auf die rechte Weise durch Rat und Stärke sich auszeichnen, niemand Frömmigkeit und Wissenschaft miteinander verbinden, niemand mit keuscher Furcht Gott fürchten, wenn er nicht den Geist der Weisheit und des Verstandes, des Rates und der Stärke, der Wissenschaft und Frömmigkeit und Gottesfurcht empfangen hat. Niemand kann ferner wahre Tugend, aufrichtige Liebe, gottesfürchtige Enthaltsamkeit besitzen außer durch den Geist der Tugend, der Liebe und der Enthaltsamkeit. Ebenso wird auch niemand ohne den Geist des Glaubens in rechter Weise glauben, noch ohne den Geist des Gebetes zu seinem Heile beten. Doch ist hierbei nicht etwa eine Vielheit von Geistern anzunehmen, »sondern dies alles wirket ein und derselbe Geist, indem er jedem, wie er will. Eigentümliches mitteilt«. Denn »der Geist wirkt, wie er will« (Röm 8,27ff), aber freilich – das muss man zugestehen – in anderer Weise steht er bei, wenn er noch nicht in der Seele wohnt, in anderer, wenn er bereits darin wohnt. Denn wenn er noch nicht in der Seele wohnt, so hilft er, dass man zum Glauben gelangt; wohnt er aber bereits in der Seele, so unterstützt er solche, die bereits gläubig sind.

Wo bleibt also das Verdienst des Menschen vor der Gnade, durch das er die Gnade empfangen könnte, da jedes gute Verdienst von unserer Seite nur durch die Gnade bewirkt wird und Gott, wenn er unsere Verdienste krönt, nichts anderes krönt als seine eigenen Gaben? Denn wie wir im Anfange die Gnade des Glaubens erlangt haben, nicht weil wir gläubig waren, sondern dass wir es werden, so wird uns am Ende, wo das ewige Leben eintritt, Gott krönen, wie geschrieben steht, »in Erbarmung und Barmherzigkeit« (vgl. Jer 42,12). Nicht umsonst also wird von Gott gesungen: »Und seine Barmherzigkeit wird mir zuvorkommen«, sowie auch: »Seine Barmherzigkeit wird mir nachfolgen«. Darum wird auch das ewige Leben selbst, das wir am Ende ohne Ende besitzen werden und das also allerdings nach vorausgegangenen Verdiensten erteilt wird, doch die Rücksicht darauf, dass diese Verdienste, für die man es erlangt, nicht von uns aus eigener Kraft erworben, sondern in uns durch die Gnade gewirkt wurden, selbst Gnade genannt; offenbar nur aus dem Grunde, weil es unverdient erteilt wird. Zwar wird es auch als Lohn für Verdienste gegeben, aber die Verdienste selbst, für die es verliehen wird, sind ein Geschenk. Für unsere Behauptung aber, dass auch das ewige Leben eine Gnade genannt wird, haben wir bei demselben erhabenen Verteidiger der Gnade, bei dem Apostel Paulus, die Stelle: »Der Sold der Sünde ist der Tod; Gnade Gottes aber ist das ewige Leben in Jesus Christus, unserem Herrn« (Röm 6,23).

Beachte, bitte, wie kurz gefasst und sorgfältig gewählt diese Worte sind; doch bei ernstlicher Erwägung wird sich das Dunkel dieser Frage einigermaßen lichten. Nachdem gesagt ist: »Der Sold der Sünde ist der Tod«, wer würde es da nicht für einen sehr passenden und folgerichtigen Nachsatz halten, wenn es weiter hieße: »Der Sold der Gerechtigkeit aber ist das ewige Leben«? Es ist ja Wahrheit, dass, wie der Sündenschuld der Tod gleichsam als Sold erteilt, so dem Verdienste der Gerechtigkeit gleichsam als Sold das ewige Leben gespendet wird. Oder wenn der Apostel von Gerechtigkeit nicht reden wollte, so hätte er das Verdienst des Glaubens erwähnen können, da »der Gerechte aus dem Glauben lebt« (Hab 2,4). Deshalb heißt auch das ewige Leben an sehr vielen Stellen der Heiligen Schrift ein Lohn; nirgends hingegen ist die Gerechtigkeit oder der Glaube als Lohn bezeichnet, weil der Gerechtigkeit oder dem Glauben der Lohn erteilt wird. Was aber für den Arbeiter der Lohn, das ist für den Soldaten der Sold.

Der heilige Apostel aber kämpft gegen den Stolz, der in einem so hohen Grade bei allem Großen sich einzuschleichen sucht, dass ihm selbst, wie er sagt, ein Satansengel gegeben wurde, der ihn mit Fäusten schlug, damit sich nicht sein Nacken stolz erhebe (2Kor 12,7). Da er also mit allem Eifer gegen diese Pest des Stolzes kämpft, sagt er: »Der Sold der Sünde ist der Tod«. Mit Recht nennt er ihn Sold, weil er verschuldet ist, weil man ihn nach Gebühr empfängt, weil er nach Verdienst gegeben wird. Damit sodann die Gerechtigkeit sich nicht wegen eines menschlichen Tugendverdienstes erhebe, so führt er, während die Sünde unzweifelhaft ein menschliches Missverdienst ist, nicht den Gegensatz durch, indem er etwa sagt: »Der Sold der Gerechtigkeit ist das ewige Leben«, sondern er sagt: »Gnade Gottes ist das ewige Leben«. Und damit man es nicht etwa auf irgendeinem anderen Wege ohne den Mittler suche, fügt er bei: »In Jesus Christus, unserem Herrn«, als wollte er sagen: »Wenn du hörst, dass der Sold der Sünde der Tod ist, was schickst du dich an, dich zu erheben, o menschliche Nichtgerechtigkeit, ja mit dem Namen der Gerechtigkeit prunkende Hoffart? Was schickst du dich an, dich zu erheben und das dem Tode entgegengesetzte ewige Leben gleichsam als schuldigen Sold einzufordern? Die wahre Gerechtigkeit ist es, der das ewige Leben gebührt. Wenn aber die Gerechtigkeit wahr ist, so kommt sie nicht von dir, sondern von oben herab, vom Vater der Lichter. Wenn du sie überhaupt hast, so hast du sie nur, weil du sie empfangen hast. Denn welche Güter hast du, die du nicht empfangen hättest? Darum, o Mensch, wenn du das ewige Leben empfangen wirst, so ist dies zwar der Sold der Gerechtigkeit, aber für dich ist es Gnade, da für dich überhaupt die Gnade die Gerechtigkeit ist. Das ewige Leben würde dir ja wie eine Schuldigkeit gegeben werden, wenn du von dir selbst jene Gerechtigkeit hättest, der es gebührt. Nun aber haben wir von seiner Fülle nicht nur jene Gnade empfangen, durch die wir jetzt in unseren Bemühungen gerecht bis ans Ende leben, sondern auch um dieser Gnade willen die Gnade, nach diesem Leben ohne Ende in Ruhe zu leben. Nichts Heilbringenderes glaubt der Glaube, weil auch der Verstand nichts Wahreres findet. Und wir müssen hören auf das Wort des Propheten, der spricht: »Wenn ihr nicht glaubet, werdet ihr nicht verstehen« (Jes 7,9 nach LXX).

»Aber«, sagt Pelagius, »die Menschen, die nicht gut und gläubig leben, werden sich entschuldigen und sprechen: Was haben wir verbrochen, wenn wir ein schlechtes Leben führen, da wir die Gnade nicht empfangen haben, mit der wir ein gutes Leben führen könnten?« Die ein schlechtes Leben führen, können nicht mit Wahrheit sagen, dass sie nichts Böses getan hätten. Denn wenn sie nichts Böses tun, so leben sie gut; wenn sie aber schlecht leben, so leben sie von sich aus schlecht, entweder wegen der ihnen anhaftenden Erbschuld oder weil sie außerdem persönliche Sünden begehen. Wenn sie aber »Gefäße des Zornes sind, die zum Verderben bereitet wurden« (Röm 9,22), so sollen sie es sich zuschreiben, was ihnen nach Gebühr zuteil wird; sind sie doch aus jenem Stoffe gemacht, den Gott wegen der Sünde des einen, in dem alle gesündigt haben, nach Recht und Gerechtigkeit verdammt hat. Wenn sie aber Gefäße der Barmherzigkeit sind, denen Gott, obwohl sie aus demselben Stoffe gemacht sind, die verdiente Strafe nachlassen wollte, so mögen sie nicht sich groß machen, sondern Gott preisen, der ihnen unverdiente Barmherzigkeit erwiesen hat; sollten sie etwa an­derer Ansicht sein, so wird ihnen Gott auch dies noch zu erkennen geben.

Endlich: Auf welche Weise werden sie sich entschuldigen? Offenbar auf jene Art, auf die der Apostel, gleichsam in ihrem Sinne sprechend, sich selbst einen Einwand macht, in­dem er sie sagen lässt: »Warum klagt er also? Denn wer widersteht seinem Willen?« (Röm 9,19). Das will also sagen: »Warum beklagt man sich über uns, dass wir Gott durch unser schlechtes Leben beleidigen, da niemand seinem Willen widerstehen kann und er uns durch Verweigerung seiner Barmherzigkeit verhärtet hat?« Wenn sie sich also nicht schämen, mit dieser Entschuldigung nicht uns, sondern dem Apostel zu widersprechen, warum sollte es uns zuviel sein, ihnen immer und immer wieder das Wort des Apostels vorzuhalten: »O Mensch, wer bist du, dass du Gott zur Rede stellen willst? Spricht etwa das Gebilde zu seinem Bildner: Warum hast du mich so gemacht? Oder hat der Töpfer nicht die Macht, aus demselben Stoffe – der offenbar nach Recht und Gerechtigkeit verdammt ist – das eine Gefäß aus erbarmender Gnade zu verdienter Ehre zu bilden, das andere aber aus gerechtem Zorne zur verdienten Schmach, um den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen seiner Barmherzigkeit kundzutun« (Röm 9,20–23) und zu zeigen, welche Gnade er ihnen erweist, während die Gefäße des Zornes jene Strafe empfangen, die alle in gleicher Weise verdient hatten? Es genüge unterdessen dem Christen, der noch im Glauben lebt und noch nicht die Vollendung sieht, dessen Erkennen nur Stückwerk ist, zu wissen und zu glauben, dass Gott niemanden errettet außer aus freier Barmherzigkeit durch unseren Herrn Jesus Christus und niemanden verdammt außer nach vollkommenster Gerechtigkeit und Wahrheit durch unseren Herrn Jesus Christus. Warum aber Gott den einen errettet, den anderen aber nicht, wer es vermag, der erforsche diesen tiefen Abgrund seiner Gerichte, hüte sich jedoch vor dem Sturze. »Denn ist etwa bei Gott eine Ungerechtigkeit?« (Röm 9,14). Das sei ferne! Aber »unerforschlich sind seine Gerichte und unbegreiflich seine Wege« (Röm 11,33).

Die Muslimbrüder und die Zukunft Ägyptens

Viele Medien erwecken seit dem Umsturz in Ägypten den Eindruck, die Muslimbruderschaft habe sich für einen gemäßigten Islam entschieden und werde bei der Demokratisierung des Landes eine maßgebliche Rolle spielen. 65 Prozent der Bundesbürger sind inzwischen der Auffassung, dass die Bundesregierung eine ägyptische Regierung unter Führung der Muslimbruderschaft anerkennen sollte (siehe hier).

Unter Mubarak waren die Muslimbrüder jahrzehntelang offiziell verboten, wurden aber als größte politische Oppositionsgruppe geduldet. Jetzt bereiten sie die Gründung einer »Partei für Frieden und Gerechtigkeit« vor. Am vergangenen Freitag kehrte einer ihrer offiziellen Chefideologen, der gebürtige Ägypter Yusuf al-Qaradawi, zum »Tag des Sieges« nach Kairo zurück. Nach über 30 Jahren Predigtverbot durfte al-Qaradawi erstmals wieder das Freitagsgebet leiten – vor Hunderttausenden auf dem Tahrir-Platz. Ausgerechnet die »Koalition der Jugend der Revolution« hatte den derzeit über Fernsehen und Internet einflussreichsten muslimischen Gelehrten eingeladen – laut Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher ein Besorgnis erregendes Signal angesichts der Haltung al-Qaradawis zu Demokratie und Menschenrechten, Israel und Selbstmordattentaten.

Erst kürzlich hatte ich darüber berichtet, dass Yusuf al-Qaradawi lobend davon spricht, Hitler habe durch die Schoah die Juden dorthin gebracht hat, wo sie hingehörten. Beim nächsten Mal, so al-Qaradawi, werden die Juden, so Allah es schenkt, den gläubigen Muslimen überlassen.

Hier eine Pressemeldung des Islaminstituts zur ägyptischen Muslimbruderschaft: PM0058.pdf.

Die neuen Christenverfolgungen

Paul Badde hat für Internationale Politik (IP) einen bemerkenswerten Artikel über Christenverfolgung geschrieben:

Denn die Lage der Christen ist heute weltweit völlig anders und wohl auch komplizierter als in den ersten Jahrhunderten des Römischen Reiches. Was davon blieb, ist: Verfolgung gehört zum Wesen der Christenheit. Nicht Verfolgung aber hat die Christenheit geschwächt, sondern vor allem die Irrlehren aus dem Innern der Kirche, die in fast jedem Jahrhundert in neuem Gewand auftreten: die Gnosis, der Markionsmus, der Manichäismus. Wo solche Häresien Oberhand gewannen, gerieten auch Christen in Versuchung, selbst zu Unterdrückern zu werden. Doch solange die Christenheit nicht schal wird, sondern Salz bleibt, wird sie auch eine Märtyrerkirche bleiben. Der Appell Benedikt XVI. richtet sich deshalb auch nicht an die Christenheit selbst. Vielmehr legt er den Vertretern der Nationen und Kulturen nahe, dass es dem Heil und Frieden der Welt dient, wenn Religionsfreiheit überall als Mutter der Grundrechte anerkannt wird. Es dient dem Islam, dem Judentum, dem Hinduismus. Religionsfreiheit dient der Menschheitsfamilie.

Das heute öffentlich zu verkünden, kann nur als Pflicht der Christen gegenüber dem Rest der Welt begriffen werden – und nicht als die Inanspruchnahme eines Privilegs. Denn Religionsfreiheit ist eines der am häufigsten verletzten Rechte weltweit. In Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es: »Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen in der Öffentlichkeit oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung eines Ritus zu bekunden.« Wo aber keine oder nur eingeschränkte Religionsfreiheit herrscht, werden häufig auch andere Menschenrechte missachtet.

Christen bilden in absoluten Zahlen die mit Abstand größte aus Glaubensgründen verfolgte Gruppe. Doch jede öffentliche Äußerung zu ihrem Schutz hat einen hohen Preis.

Hier: 02/2_2011_Badde.pdf.

Ehrlichkeit lohnt sich. Immer?

Wer am vergangenen Samstag die Sportschau gesehen hat, wurde mit einer denkwürdigen Begebenheit konfrontiert. Der ehemalige Nationalspieler Gerald Asamoah hat, seit dem er beim FC St. Pauli spielt, wieder einen Lauf. Beim Spiel gegen Hannover kam er jedoch ins Stocken, als der Schiedsrichter kurz vor Abpfiff nachfragte, welche Mannschaft denn nun den Eckstoß zu bekommen habe. Asamoah gab ehrlich zu, dass die Ecke Hannover gehört.

Alles gut? Kommt darauf an, wer gefragt wird. Denn der Christ Asomaoh wurde für seine Ehrlichkeit, die St. Pauli einen Eckball kostete, hart bestraft. Als kurze Zeit später Hannover 96 eine Ecke ausführte, fiel der 1:0 Siegtreffer für Hannover. Die Mannschaft von Asamoah, die besser gespielt hat und den Sieg (oder zumindest ein Unentschieden) verdient hätte, ging als Verlierer vom Platz. Der Trainer war sauer.

Begebenheiten wie diese bringen die einseitige »Folge Jesus nach und alles wird gut«-Verkündigung ins Wanken. Beispiele kenne ich viele. Da ist der Unternehmer, der nicht »blendet« und wegen seiner Ehrlichkeit einen lukrativen Auftrag verliert. Eine junge Frau sagte mir einmal, ihr Leben sei anstrengender geworden, seit dem sie Jesus Christus vertraut. In der Famlie und am Arbeitsplatz gäbe es deutlich mehr Konflikte.

Jesus nachfolgen heißt eben nicht immer, dass die »Performance« besser wird. Als der Apostel Paulus beispielsweise in Damaskus seinem HERRN begegnete, wurde er geschlagen und geblendet (vgl. Apg 9). »Denn ich werde ihm zeigen wie viel er leiden muss um meines Namens willen«, bekam er von dem Auferstandenen zu hören. Ein Leiter musste plötzlich geleitet werden. Der erfolgsverwöhnte Gesetzestreue wurde für mehrere Jahre ins Abseits gestellt, um auf seinen hindernisreichen Missionarsdienst vorbereitet zu werden. Jesus hat nicht gelehrt: »Folgt mir nach und alles wird besser«. Er kommunizierte die Bedingungen der Jüngerschaft recht klar. Wir sollen die Kosten überschlagen. »Keiner von euch kann mein Jünger sein, der nicht allem entsagt, was er hat« (Lk 14,33, vgl. Lk 14,25–35).

»Mit St. Pauli, das zu brav für einen Sieg auftrat, nähert sich der nette Asamoah dem Abstiegskampf« schriebt die FAZ am Montag. Langfristig lohnt es sich trotzdem, ehrlich zu sein. Wer Jesus vertraut, wird nicht abgeschrieben. Jesus Christus ist uns oft besonders dann ganz nah, wenn wir, vielleicht wegen unserer Ehrlichkeit, ins Schleudern kommen.

Nach oben scrollen
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner