Dezember 2018

Im Namen Jesu Christi beten – mit den Psalmen

Dietrich Bonhoeffer, Das Gebetbuch der Bibel (Werkausgabe, 2015, Bd. 5, Logos, S. 108–109):

Nun gibt es in der Heiligen Schrift ein Buch, das sich von allen anderen Büchern der Bibel dadurch unterscheidet, daß es nur Gebete enthält. Das sind die Psalmen. Es ist zunächst etwas sehr Verwunderliches, daß es in der Bibel ein Gebetbuch gibt. Die Heilige Schrift ist doch Gottes Wort an uns. Gebete aber sind Menschenworte. Wie kommen sie daher in die Bibel? Wir dürfen uns nicht irre machen lassen: die Bibel ist Gottes Wort, auch in den Psalmen. So sind also die Gebete zu Gott – Gottes eigenes Wort? Das scheint uns schwer verständlich. Wir begreifen es nur, wenn wir daran denken, daß wir das rechte Beten allein von Jesus Christus lernen können, daß es also das Wort des Sohnes Gottes, der mit uns Menschen lebt, an Gott den Vater ist, der in der Ewigkeit lebt. Jesus Christus hat alle Not, alle Freude, allen Dank und alle Hoffnung der Menschen vor Gott gebracht. In seinem Munde wird das Menschenwort zum Gotteswort, und wenn wir sein Gebet mitbeten, wird wiederum das Gotteswort zum Menschenwort. So sind alle Gebete der Bibel solche Gebete, die wir mit Jesus Christus zusammen beten, in die er uns hineinnimmt und durch die er uns vor Gottes Angesicht trägt, oder es werden keine rechten Gebete; denn nur in und mit Jesus Christus können wir recht beten.

Wenn wir daher die Gebete der Bibel und besonders die Psalmen lesen und beten wollen, so müssen wir nicht zuerst danach fragen, was sie mit uns, sondern was sie mit Jesus Christus zu tun haben. Wir müssen fragen, wie wir die Psalmen als Gottes Wort verstehen können, und dann erst können wir sie mitbeten. Es kommt also nicht darauf an, ob die Psalmen gerade das ausdrücken, was wir gegenwärtig in unserem Herzen fühlen. Vielleicht ist es gerade nötig, daß wir gegen unser eigenes Herz beten, um recht zu beten. Nicht was wir gerade beten wollen, ist wichtig, sondern worum Gott von uns gebeten sein will. Wenn wir auf uns allein gestellt wären, so würden wir wohl auch vom Vaterunser oft nur die vierte Bitte beten. Aber Gott will es anders. Nicht die Armut unseres Herzens, sondern der Reichtum des Wortes Gottes soll unser Gebet bestimmen.

Wenn also die Bibel auch ein Gebetbuch enthält, so lernen wir daraus, daß zum Worte Gottes nicht nur das Wort gehört, das er uns zu sagen hat, sondern auch das Wort, das er von uns hören will, weil es das Wort seines lieben Sohnes ist. Das ist eine große Gnade, daß Gott uns sagt, wie wir mit ihm sprechen und Gemeinschaft haben können. Wir können es, indem wir im Namen Jesu Christi beten. Dazu sind uns die Psalmen gegeben, daß wir sie im Namen Jesu Christi beten lernen.

Der „SPIEGEL“ und Claas Relotius

Nach den Enthüllungen gefälschter Geschichten beim SPIEGEL bleiben etliche Fragen offen. Einer Frage ist Claudius Seidl, Verantwortlicher Redakteur für das Feuilleton der FAS in Berlin, nachgegangen: War Claas Relotius ein Einzeltäter? Oder lag, was er tat, in der Logik des Systems?

Eine bestechende Analyse, die zeigt, wohin uns das „Storytelling“ geführt hat (siehe a. hier). Kurz: Relotius hat geliefert, was sich gut verkaufen lässt. Es geht einer mächtigen journalistischen Kaste mehr ums Erzählen als um das Schildern und Durchdringen des Wirklichen. Anders formuliert: Es fehlt an der Liebe zur Wahrheit; und an der Lust daran, Unbekanntes zu entdecken.

Es gibt auf der Website des sogenannten Reporterforums den Audiomitschnitt einer Vorlesung, die Ullrich Fichtner für junge, lernbegierige Journalisten hält; es ist ein bisschen langatmig und langweilig, dem zuzuhören; aber wenn man es, „Spiegel“-gerecht, verdichten und zuspitzen müsste: Dann liefe es auf den Lehrsatz hinaus, dass man sich beim Reportageschreiben an der Erzählstruktur und der Montagetechnik von Spielfilmen orientieren solle; Fichtner verweist da allen Ernstes auf „Mission Impossible 5“. Und genau so bringen das auch andere hochdekorierte Reportagepreisträger in Seminaren und Workshops den jungen Kollegen bei: Dass es bei der Reportage um Casting und Dramaturgie gehe; dass, wer in diesen schnellen Zeiten noch gelesen werden wolle, sich an der Erzähltechnik von Spielfilmen orientieren solle. Keiner hat diese Forderungen besser erfüllt als der Superstreber Claas Relotius, dessen Texte jetzt, so stand es gerade noch auf der Website des Reporterforums, von krimineller Energie in Schwung gebracht worden seien.

Und genau diese Baupläne sind falsch, lange bevor ein Reporter mit der sogenannten Wirklichkeit in Berührung gekommen ist. All diese Baupläne sind dazu da, dem Unverstandenen, den unauflöslichen Widersprüchen, den nicht begründbaren und nicht ganz auf den Begriff zu bringenden Gefühlen, den Phänomenen, die sich Argumenten und Erklärungen verschließen, trotzdem, im Akt des Erzählens eine Form zu geben. Was dabei herauskommt, ist immer Fiktion, und im Glücksfall, wenn die Form sich selbst reflektieren kann, ist es Kunst.

Unbedingte Empfehlung: www.faz.net.

Augustinus-Lexikon (AL) als Online-Datenbank verfügbar

MediaDas von Fachleuten sehr geschätzte Augustinus-Lexikon ist nun auch online erreichbar. Das Zentrum für Augustinusforschung an der Universität Würzburg schreibt:

Das Augustinus-Lexikon ist ein maßgeblicher Meilenstein in der Erschließung von Augustinus und gilt als eine der wichtigsten Publikationen zur Erforschung der Spätantike. Es liefert eine umfassende Darstellung des Lebens und Denkens, der Schriften sowie des zeitgenössischen Kontexts des nordafrikanischen Rhetors, Philosophen und wirkungsgeschichtlich wohl bedeutsamsten Theologen Augustinus von Hippo (354–430). Das Lexikon, verfasst unter Mitarbeit international anerkannter Augustinus­-Spezialistinnen und -Spezialisten unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen, wird ca. 1100 Lemmata umfassen. Es verwendet ausschließlich lateinische, der Sprache Augustins entnommene Stichwörter und zitiert bedeutende Augustinus­-Texte wörtlich. Die Artikel erscheinen in deutscher, englischer oder französischer Sprache und enthalten ausführliche Bibliografien. Als Datenbank wird zuerst der Inhalt der vier bereits abgeschlossenen Bände verfügbar sein. Die letzten beiden noch ausstehenden Doppelfaszikel sowie der Registerband werden in den nächsten Jahren parallel zur gedruckten Fassung onlinegestellt. Geplant ist zudem eine digitale Augustinus­-Plattform, auf der das Augustinus-Lexikon, das Corpus Augustinianum Gissense und die Datenbank der Augustinus-Sekundärliteratur miteinander verlinkt werden.

Qualitätsmerkmale

• Eine der wichtigsten Publikationen zur Erforschung der Spätantike jetzt als online-Datenbank

• Umfasst ca. 1100 lateinische Lemmata mit Artikeln in deutscher, englischer oder französischer Sprache, umfangreiche Bibliografien und wörtliche Zitate aus bedeutenden Augustinus-Texten

• Intelligente Volltextsuche mit Anzeige der Fundstellen und Verweis auf verwandte Artikel

• Einfaches Zitieren durch Exportmöglichkeiten in gängige Literaturverwaltungssysteme (RIS-format)

• Online-Verfügbarkeit der vier abgeschlossenen Bände mit automatischer Aktualisierung bis zum Abschluss des fünfbändigen Lexikons

Eine Einzelplatzlizenz kostet im ersten Jahr € 290,-. Wer dran bleibt, erhält in den Folgejahren Vergünstigungen (hier die genauen Konditionen).

Beim Schwabe-Verlag gibt es die Startseite des Augustin-Lexikons: www.schwabeonline.ch.

Weihnachtsaktion beendet: Glückwunsch nach Franken!

Die diesjährige Weihnachtsaktion ist beendet. Artur J. aus Erlangen hat das Buch:

  • Heinrich Bullinger, Schriften, hrsg. von Emidio Campi, Detlef Roth u. Peter Stotz, Band I, Theologischer Verlag Zürich (TVZ), ISBN 978-3-290-17281-7, 2004.

gewonnen.

Ich gratuliere herzlich!  Das Paket ist unterwegs.

Ich danke nochmals dem Theologischen Verlag Zürich für die Bereitstellung des Werkes, natürlich den Spendern und außerdem allen Interessenten fürs Mitmachen! 

Kultur des Todes (9): „Vom Glück der Abtreibung“

Die Gender Studies sind für skurrile Thesen bekannt. Eine Gender-Expertin, Erica Millar, versucht derzeit zu vermitteln, dass Trauer und Scham, die Mütter empfinden, nachdem sie ihre Kinder abgetrieben haben, sozial konstruiert sind. Die schlechten Gefühle werden den Frauen nur zugeschrieben. Eigentlich machen – so ihre These – Abtreibungen (viele Frauen) glücklich. Wenn wir eine Kultur schaffen, die Abtreibungen als gewinnbringende Erfahrung einstuft, also Trauer, Schuld, Scham und Trauma dekonstruieren, können Frauen das Glück, das mit Abtreibungen einhergeht, leichter verspüren. Ihr Buch heißt entsprechend: Happy Abortions.

Der Verlag schreibt dazu:

In ihrer sorgfältig recherchierten Studie stellt Erica Millar heraus, wie die gängige Rhetorik auch in vermeintlich liberalen Ländern mit festgelegten Stereotypen arbeitet: Mutterschaft ist gut, Abtreibung böse, Ersteres bringt Glück, Letzteres Unglück. Jahrelang hat Millar Parlamentsdebatten verfolgt und Medien analysiert, um die erste weltweite Studie zu den emotionalen Zuschreibungen rund um Abtreibungen zu verfassen. Die australische Forscherin zeigt, dass der überwältigende Teil der Frauen nach der Abtreibung große Erleichterung und Dankbarkeit empfindet und nicht wie so oft unterstellt traumatisiert ist.

Im SPIEGEL erklärt Erica Miller:

Wenn wir über Abtreibungen reden, dann nur darüber, wie schwierig das für Frauen ist. Und, dass ein Abbruch Traumata, Reue, Trauer und Scham produziert. Merkwürdigerweise nehmen wir dabei an, dass alle Frauen gleich reagieren, und zwar nur mit negativen Emotionen. Dabei haben sozialwissenschaftliche Befragungen das Gegenteil gezeigt: Frauen fühlen nicht die ganze Zeit Trauer und Scham, wenn sie ungewollt schwanger sind und die Chance zur Abtreibung haben. Sehr viele fühlen sich erleichtert und nehmen Abtreibung als gewinnbringende Erfahrung wahr.

Scham ist ohne Kultur nicht möglich. Man schämt sich, weil man an gesellschaftlichen Erwartungen, Normen und Werten gescheitert ist. Auch die Trauer nach einer Abtreibung, die quasi vorausgesetzt wird, ist ein Produkt unserer Kultur: In den vergangenen Jahrzehnten konnte man beobachten, wie der Abtreibungsdiskurs sich auf die leidende Frau verschob. Statt eine Abtreibung als selbstgewähltes Ende einer ungewollten Schwangerschaft zu betrachten, wird sie häufig als Tötung eines autonomen Wesens bewertet – die emotionalen Schäden nach einer Abtreibung für die Frau müssen also gravierend sein. Abtreibungsgegner nutzen das als Warnung: Wer abtreibt, wird unweigerlich trauern.

Mehr hier: www.spiegel.de.

Ich empfehle die Ausführungen von R.C. Sproul zur Sklaverei und zur Abtreibung:

VD: GS

Albrecht Ritschls Soteriologie

Klaus Bockmühl über die Erlösungslehre von Albrecht Ritschl (Verantwortung des Glaubens im Wandel der Zeit, 2001, S. 49):

Wir sehen Schleiermacher wie einen Schatten über allen theologischen Gedanken Ritschls liegen. Wie Schleiermacher, so entfernte auch Ritschl ausdrücklich den Gedanken vom Zorn Gottes aus der Theologie. Wie Schleiermacher, so verwarf auch er die Lehre von der Erbsünde als eine unmögliche Vorstellung. Zentraler Inhalt der Eschatologie war für ihn der Gedanke des ewiges Leben bereits im Diesseits. Das ewige Leben ist also nicht eine Ordnung der Zukunft, sondern Qualität des jetzigen Lebens. Und die Erlösung? Die traditionelle Ordnung der Erlösung (etwa: Berufung, Erlösung, Rechtfertigung, Wiedergeburt, Heiligung) reduzierte Ritschl auf die Kindertaufe: In dem Augenblick der Taufe finden sich alle diese übrigen Gegebenheiten ein. Er verwarf die traditionelle Ordnung der Erlösung durch das Etikett „Methodismus“.

Die Rückkehr des Heidentums

Ross Douthat meint, dass das postchristliche Nordamerika zum Neuheidentum zurückkehrt. Er schreibt in der NEW YORK TIMES:

Was ist das für eine Vorstellung? Einfach gesagt: Die Göttlichkeit ist grundsätzlich innerhalb der Welt und nicht außerhalb, dass Gott oder die Götter oder das Sein letztendlich Teil der Natur und nicht Schöpfer außerhalb von ihr sind, und dass Bedeutung und Moral und metaphysische Erfahrung in einer volleren Gemeinschaft mit der immanenten Welt und nicht in einem Sprung zum Transzendenten zu suchen sind. Dieses Heidentum ist nicht materialistisch oder atheistisch; es erlaubt den Glauben an spirituelle und übernatürliche Wirklichkeiten. Es akzeptiert sogar die Möglichkeit eines Jenseits. Aber es ist bewusst agnostisch in Bezug auf das Endgültige, das, was jenseits der Ufer dieser Welt wartet, und es ist skeptisch gegenüber der Vorstellung, dass es einen asketischen, weltabweisenden moralischen Standard gibt, nach dem wir streben sollten. Stattdessen sieht es den Zweck von Religion und Spiritualität im Therapeutischen, als Mittel zur Suche nach Harmonie mit der Natur und dem Glück im Alltag …

Mehr: www.nytimes.com.

VD: WH

Dietrich Bonhoeffer: Das Recht werdenden Lebens

Dietrich Bonhoeffer (Ethik, Werkausgabe, Bd. 6, S. 203–204):

Mit der Eheschließung ist die Anerkennung des Rechtes des werdenden Lebens verbunden, als eines Rechtes, das nicht in der Verfügung der Eheleute steht. Ohne die grundsätzliche Anerkennung dieses Rechtes hört eine Ehe auf Ehe zu sein und wird zum Verhältnis. In der Anerkennung aber ist der freien Schöpfermacht Gottes, der aus dieser Ehe neues Leben hervorgehen lassen kann nach seinem Willen, Raum gegeben. Die Tötung der Frucht im Mutterleib ist Verletzung des dem werdenden Leben von Gott verliehenen Lebensrechtes. Die Erörterung der Frage, ob es sich hier schon um einen Menschen handele oder nicht, verwirrt nur die einfache Tatsache, daß Gott hier jedenfalls einen Menschen schaffen wollte und daß diesem werdenden Menschen vorsätzlich das Leben genommen worden ist. Das aber ist nichts anderes als Mord. Daß die Motive, die zu einer derartigen Tat führen, sehr verschiedene sind, ja daß dort, wo es sich um eine Tat der Verzweiflung in höchster menschlicher oder wirtschaftlicher Verlassenheit und Not handelt, die Schuld oft mehr auf die Gemeinschaft als auf den Einzelnen fällt, daß schließlich gerade an diesem Punkt Geld sehr viel Leichtfertigkeit zu vertuschen vermag, während bei den Armen auch die schwer abgerungene Tat leichter ans Licht kommt, dies alles berührt unzweifelhaft das persönliche, seelsorger[liche] Verhalten gegenüber dem Betroffenen ganz entscheidend, es vermag aber an dem Tatbestand des Mordes nichts) zu ändern. Gerade die Mutter, der dieser Entschluß zum Verzweifeln schwer wird, weil er gegen ihre eigenste Natur geht, wird die Schwere der Schuld am wenigsten leugnen wollen.

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