Bibelfrage

Luther: Der Vorrang der Schrift

Oswald Bayer geht in seinem Buch Martin Luthers Theologie auch der Frage nach, warum für den Reformator die Heilige Schrift Autorität besitzt. Dabei hebt Bayer heraus, dass für Luther die Schrift sich selbst zu Gehör bringt. Bei aller notwendigen wissenschaftlichen Arbeit am und mit dem Text ist das Verkündigen und Hören eben ein Prozess, der uns Menschen überfordert und deshalb ohne Geistwirken undenkbar ist.

Zitat (Oswald Bayer, Martin Luthers Theologie, 2007, S. 62–63):

Luthers Grundthese lautet: Sacra scriptura „sui ipsius interpres“ — die Heilige Schrift legt sich selbst aus. Diese These reicht weit über die Konkordanzmethode hinaus, wonach eine Schriftstelle durch die andere auszulegen und mit ihr in Übereinstimmung zu bringen ist. Sie betrifft nämlich die Wirksamkeit des Textes im Bezug auf seine Leser, Hörer und Ausleger. In diesem umfassenden Sinn besagt „sacra scriptura sui ipsius interpres“: Der Text bringt sich selbst zu Gehör.

Bei aller Arbeit der Auslegung, die wissenschaftlich – handwerklich solide sowie klar und kontrollierbar – zu leisten ist, bleibt das Verstehen des biblischen Wortes im letzten unverfugbar. Wir haben diese Spannung in Luthers Theologiebegriff schon wahrgenommen: Bildungsarbeit einerseits – grammatische und philosophische Bildung des Theologen, geduldiges Meditieren und Auslegen –, zugleich aber die unverfugbare Geistgabe, wie sie Luther selbst mit seiner reformatorischen Entdeckung empfing, als sich ihm mit dem Aufleuchten der Gottesgerechtigkeit „die Tore des Paradieses“ öffneten. Nicht der Ausleger ist es, der dem Text einen Sinn gibt oder den Text verständlich macht; vielmehr soll der Text von sich aus sagen dürfen, was er von sich aus zu sagen hat. Dann wird die gängige Unterscheidung, wonach die Heilige Schrift als Formalprinzip des Protestantismus gilt und die Rechtfertigung als dessen Materialprinzip, sich erledigen. Die Autorität der Schrift ist keine formale, sondern eine höchst materiale, inhaltliche. Sie ist die Stimme ihres Autors, der gibt: der staunen, klagen und loben lässt, fordert und erfüllt.

„Auch die historische Theologie ist an das Wort Gottes gebunden“

Hermann Sasse schreibt (Sacra Scriptura, 1981, S. 160):

Auch die historische Theologie ist an das Wort Gottes gebunden. Sie kann und darf nicht entarten zu einer „unkirchlichen Theologie“ wie sie am Anfang dieses Jahrhunderts programmatisch gefordert wurde und wie sie heute wieder in Blüte steht. Die Theologie ist niemals „voraussetzungslose“ Wissenschaft, ein Ausdruck, dessen Vater David Friedrich Strauß war. Alle Theologie ruht auf der Voraussetzung, daß Gott geredet hat und noch heute im Wort der Heiligen Schrift redet. Kein Theologe kann zugeben, daß, weil auch andere Schriften diesen Anspruch machen, das von dem Anspruch des christlichen Glaubens nicht gelten könne. Das unterscheidet den Theologen von dem Religionsforscher, der als solcher diese Unterscheidung nicht machen kann.

Luther und die Autorität der Schrift

Heinrich Karpp beschreibt Luthers Weg zum Schriftprinzip wie folgt (Schrift, Geist und Wort Gottes, 1992, S. 146–147):

Fassen wir die wichtigsten Schritte auf Luthers Weg ins Auge. Eifrige Lektüre der Bibel gehörte selbstverständlich zu seinen Pflichten im Erfurter Kloster. Die kursorische Auslegung oblag ihm, als er 1509 an der Wittenberger Universität Baccalaureus biblicus wurde; danach hatte er Dogmatik zu lehren. Als Professor widmete er sich seit 1513 ausschließlich – das war eine Neuerung – der Exegese. Kenntnisse der hebräischen, später auch der griechischen Sprache und die Benutzung der neuesten wissenschaftlichen Hilfsmittel machten ihn zunehmend selbständiger gegenüber der Auslegungstradition; vollends taten dies einige neue theologische Erkenntnisse.

Schon früh wurde ihm bewußt, daß Gott seine Gnade ohne menschliche Leistungen und Verdienste schenken wolle; doch war das nur, wie er später einmal sagte (WA 54,183,27), „der Anfang (primitiae) der Erkenntnis Christi und des Glaubens an ihn“. In der Psalmenvorlesung von 1513-15 erklärte er schon, die Schrift bezeichne mit Gottes „Gerechtigkeit’u nicht nur seine Eigenschaft beim Richten, sondern auch seine Gabe an den Menschen. Beide Einsichten konnte man auch bei älteren Exegeten, besonders bei Augustin finden, aber die Scholastik hatte ihnen wenig Einfluß auf ihre von der Philosophie bestimmte Dogmatik verschafft (s. § 7, III, 1).

Bei der Auslegung des Römerbriefes (1515-16) trug Luther seinen Hörern als eine neue, aus der Bibel (Ps 32,1 f.) und den alten (also nicht den mittelalterlichen) Vätern gewonnene Erkenntnis zu Röm 4,7 f. vor, das Heil bestehe im Nichtzurechnen, d. h. in einem Urteil Gottes, nicht in einer Umwandlung des sündigen in einen gerechten Menschen, der das Gesetz erfüllen könnte.

Da der Mensch gerecht wird durch Gottes Verheißung und den eigenen Glauben, gleicht seine Gerechtigkeit der Heilung eines Kranken (die offensicht-lieh noch nicht abgeschlossen ist): der Kranke glaubt dem Versprechen des Arztes und gehorcht in Hoffnung; so ist der Glaubende – mit dem schuldhaften Keim (fomes) der Sünde – „zugleich Sünder und gerecht“ (WA 56,272,17).

So „evangelisch“ auch dieses Verständnis von Röm 1,17 und verwandter Schriftworte schon war, hat Luther doch in späterer Rückschau die abschließende Erkenntnis noch auf eine besondere Erfahrung (das sog. Turmerlebnis) zurückgeführt.2 Erst darin sei ihm aufgegangen, daß Röm 1,17 nicht „abstrakt“ von Gottes Vollzug seines Gesetzes rede, sondern „konkret“ dem einzelnen mit dem Glauben auch „Leben“ verheiße, so daß die Offenbarung der „Gerechtigkeit“ Gottes selbst „das Evangelium“ ist. Damit rückte ihm aber die Unterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium in die Mitte des christlichen Glaubens (s. TR 5518), und so verstanden wurde für ihn Röm 1,17 aus einem schweren Anstoß zum Schlüsselwort der Schrift.

Luthers neues Verständnis schloß wichtige andere Gedanken ein. Gottes Gericht mußte paradoxerweise als Akt der Gnade aufgefaßt werden, die unter dem Gegenteil erscheint. Aus Gal 5, 6 durfte nicht mehr geschlossen werden, der Glaube rette nur, wenn er, durch die tätige Liebe vervollkommnet, eine fides (caritate) formata sei. Wichtig war auch der – an sich nicht neue – Gedanke, wenn der Geist dem biblischen Wort Glauben verschaffe, sei darin „das Wort“, Christus, selbst gegenwärtig (vgl. §3,1,2 Anfang; §7,11,3 und III, 2; §9,1,2).

Seine Zweifel und exegetischen Anstöße hatte Luther durch die Schrift selber überwunden. Wenn nun das gewonnene persönliche Verständnis von Evangelium und Gesetz das von der Schrift – und damit von Gott, ihrem Urheber – gemeinte war, woran Luther nicht zweifelte, dann mußte es das Verständnis der ganzen Kirche werden. Das konnte nur geschehen, wenn – um des Inhaltes willen! – die Autorität der Schrift jeder anderen in der Kirche übergeordnet würde. Das neue Schriftverständnis empfahl also die Ausbildung eines Schriftprinzips.

Augustinus: Die Schriften haben den Kanon hervorgebracht

In De doctrina Christiane diskutiert der Kirchenvater Augustinus unter anderem die sprachliche Qualität der biblischen Schriften. Dabei macht er eine interessante Bemerkung zur Entstehung des Kanons. Er behauptet nämlich, dass diese Dokumente ihre Geltung nicht von der Kirche erhalten haben, sondern der biblische Kanon durch die ihnen innewohnende Autorität entstanden ist. Er schreibt (De doctr. chr. IV,6,9):

An dieser Stelle fragt vielleicht einer, ob unsere Bibelautoren, deren vom göttlichen Willen inspirierte Schriften uns in überaus heilbringender Autorität einen Kanon gebildet haben, nun weise oder auch beredt genannt werden müssen. Diese Frage wird von mir selbst und von denen, die mit mir einer Meinung sind, sehr leicht beantwortet. Denn sobald ich diese verstehe, kann mir nicht nur nichts weiser, sondern auch nichts beredsamer als diese erscheinen.

Die Cut-and-Paste-Fehler in der Bibel

Das Magazin Zeit Wissen hat sich in der aktuellen Ausgabe vorgenommen, die Bibelleser darüber aufzuklären, dass die Heilige Schrift ein durch und durch widersprüchliches Buch ist. Das soll ja in den Weihnachtsausgaben einschlägiger Journale häufiger vorkommen. In dem Artikel „Die Zumutung“ (Nr. 1, Jan-Febr 2021, S. 73–77) wird jedenfalls kräftig ausgeteilt und für ein „wissenschaftliches Bibelverständnis“ geworben. Zum Synoptischen Problem heißt es beispielsweise: 

Wenn die Bibel eine Zumutung ist, dann ist es die Bibelforschung erst recht. Wobei so manche Theorie gern für religiöse Zwecke gekapert wird. Mit der Q-Hypothese, sagt Barton, „wird manchmal eine konservative religiöse Agenda bedient“. Weil sie suggeriert, dass Matthäus oder Lukas historisch genau berichtet haben, man die Bibel also beim Wort nehmen darf. 

So richtig spannend wird es aber erst bei den Ausführungen zum Alten Testament. Da kommt Professor Idan Dershowitz zu Wort, der sich mit den Cut-and-Past-Methoden befasst, die seiner Meinung nach bei der Abfassung biblischer Texte zur Anwendung gekommen sind. Dershowitz ist davon überzeugt, dass die jüdischen Schreiber hin und wieder kleinere Schnipsel ähnlich wie bei einem Flickenteppich zu Manuskripten verklebt haben. Wir lesen (S. 77): 

Zwar kann Dershowitz seine Theorie nicht anhand von Urmanuskripten der Bibel belegen, denn die sind verschollen. Aber er hat Indizien: Fehler, die durch eine solche Bearbeitung entstanden sein könnten. In der Erzählung über die Sintflut zum Beispiel, Genesis 7, steht: „Der Regen ergoss sich vierzig Tage und vierzig Nächte lang auf die Erde.“ Vier Sätze später: „Dann schloss der HERR [die Arche] hinter ihm [Noah] zu.“ Das ergibt keinen Sinn. Die Arche muss die Schotten dicht machen, bevor die Flut kommt. „Wie konnte dieser Satz von einer Stelle an eine andere wandern?“, fragt Dershowitz. Für ihn steht fest: „Das ist ein Artefakt der Cut-and-Paste-Methode.“ Er hat ein gutes Dutzend solcher Fälle gefunden. Als Nächstes will er sich das Neue Testament vorknöpfen. „Ich wäre nicht überrascht, wenn ich dort ähnliche Fehler finde.“

Ich habe mir die Stelle gleich angeschaut. Ich bin wahrlich kein AT-Experte und überlasse die sorgfältige Überprüfung jenen, die ihr Altes Testament auf Hebräisch lesen. Aber ich will doch anmerken, dass das Problem gar kein großes zu sein scheint. Meines Erachtens will Gen 7 nicht sagen, dass Gott die Tür erst nach 40 Tagen Flut zuschloss. Das „eben an diesem Tag“ in V. 13 bezieht sich nicht auf V. 12, sondern auf V. 11. Gott schloß die Tür, nachdem die Passagiere an Board gegangen waren. V. 12 bezieht sich auf die Dauer des Regens, so wie ebenfalls V. 4 u. V. 17 (die 150 Tage in 7,24 u. 8,3 beziehen sich wohl auf die Zeit, in der das Wasser anstieg). Ich würde sagen, so ein Schreibstil ist in Texten dieser Art häufiger anzutreffen. 

Peter J. Williams: Glaubwürdig

Williams GlaubwuerdigSo manche Christen und solche, die sich für den christlichen Glauben interessieren, kämpfen mit der Frage, ob die Evangelien verlässlich über das Leben und den Dienst von Jesus Christus berichten. Peter J. Williams hat ein kleines, hilfreiches Buch über die Vertrauenswürdigkeit der Evangelien geschrieben. John Stoller stellt das Buch vor:

Peter J. Williams gelingt es, in einer relativen Kürze viele Argumente für die historische Zuverlässigkeit der Evangelien zu erörtern. Dies tut er überzeugend und auch sachlich, ohne dabei zu voreiligen Schlüssen für die Glaubwürdigkeit der Evangelien zu kommen. Das zeigt sich schon daran, dass er nicht mit einer Untersuchung der Evangelien selbst beginnt, sondern mit Überlieferungen von drei säkularen bedeutenden Schriftstellern der Antike und ihren Aussagen über das frühe Christentum (S. 15ff). Positiv finde ich persönlich, dass Williams nicht nur klassische Argumente für die Glaubwürdigkeit der Evangelien anführt, wie etwa ihre zuverlässige Überlieferung. So vergleicht er auch parallele Evangelienberichte, und zeigt an mehreren Beispielen auf, dass die Autoren der Evangelien häufig ungeplant übereinstimmen, was ihre Beschreibungen als echt erscheinen lässt (S. 87 ff).

Das Buch ist für Christen geeignet, die möglicherweise in Zweifel über die Vertrauenswürdigkeit der Bibel geraten sind. Hier finden sie gute und nachvollziehbare Gründe für die Echtheit der Evangelien, wodurch sie zugleich auch in eine Begegnung mit ihrer zentralen Person, Jesus Christus, gebracht werden. Ebenso ist die Lektüre Christen eine Hilfe, die im Austausch mit Kirchendistanzierten nach Argumenten suchen, um ihren Glauben überzeugend darzustellen.

Mehr: www.evangelium21.net.

Nochmal: Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben?

51To8PG9o9L SX296 BO1 204 203 200Warum man die Bibel mit gutem Wissen und Gewissen anders lesen kann als Siegfried Zimmer, beschreibe ich in dem Artikel „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben?“. Darin heißt es:

In den vergangenen Jahren bin ich mehrfach Leuten begegnet, die ganz begeistert von Worthaus-Konferenzen zurückgekehrt sind. Einige dieser Besucher erklärten mir unverblümt, dass sie die biblizistischen Predigten in ihren Heimatgemeinden leid sind. So wie Peter, dem es schwer viel, überhaupt noch zuzuhören, wenn ein Bruder auf der Kanzel stand und nur das wiederholte, was jeder Leser sowieso im Bibeltext vorfand. „Bei Siegfried Zimmer habe ich endlich mal was Neues gehört“, schwärmte er. „Der nimmt die Bibel auch sehr ernst. Aber er gräbt tiefer und berücksichtigt die Kultur, in der die Texte entstanden sind. Dieser Mann ist nicht nur ein glänzender Rhetoriker, er legt die Schrift wissenschaftlich und relevant aus“, teilte mir Peter mit einem gewissen Stolz mit. Dann wollte er wissen, was ich von Siegfried Zimmer halte.

Siegfried Zimmer bin ich bis heute persönlich nicht begegnet. Worthaus-Vorträge hatte ich freilich schon gehört. So bestätigte ich, dass Zimmer ein wortgewaltiger Redner ist, der seine Hörer in den Bann zieht und manchmal kräftig gegen andere austeilt. Zu seiner Sicht auf die Heilige Schrift konnte ich auch etwas sagen, denn sein Buch Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? habe ich gelesen. Also fing ich an, zu berichten, was ich dort entdeckt habe. Einiges davon will ich auf den folgenden Seiten erzählen. Ich weiß, dass ich manchem Leser damit viel abverlange.

Der evangelische Pädagoge und Theologe Prof. Dr. Siegfried Zimmer plädiert für ein Bibelverständnis jenseits von radikaler Kritik und Bibelgläubigkeit. Mit geradezu missionarischem Eifer versucht er seit vielen Jahren, evangelikale Christen vom Nutzen der Bibelwissenschaft zu überzeugen. Was soll auch schlecht sein an der Bibelwissenschaft? Sollen wir nicht alle gründlich und nachvollziehbar die Bibel studieren? Würde Zimmer für eine methodisch sorgfältige und nachprüfbare Schriftauslegung werben, würde er bei vielen – mindestens bei mir – offene Türen einrennen. Doch wenn Zimmer von Bibelwissenschaft spricht, meint er eigentlich Bibelkritik, denn beide Begriffe bezeichnen für ihn „das Gleiche“ (S. 147). Das Wort „Bibelkritik“ meidet er im nichtwissenschaftlichen Gespräch aus strategischen Überlegungen. Er möchte nicht unnötig verunsichern. Gemeint ist mit Bibelwissenschaft jedoch ein kritischer Umgang mit der Bibel in „positiver Absicht“. „Der entscheidende Schritt, um dieses Ziel zu erreichen, heißt: Die Bibel erst einmal aus ihrer Zeit heraus verstehen zu lernen“ (S. 146). Um dieses Ziel zu erreichen, müsse die Bibel traditionskritisch, kirchenkritisch, dogmenkritisch, frömmigkeitskritisch und selbstkritisch gelesen werden (vgl. S. 146). Neuzeitliche Methoden wie die Literarkritik oder die Redaktionskritik sollen helfen, die eigentliche Botschaft der Texte für die Leser von heute verständlich zu machen.

Mehr hier: www.evangelium21.net.

Rob Bell – der Mann ohne Geheimnisse

41Dk+yk9R3L SX311 BO1 204 203 200Wieder einmal habe ich mir ein Buch von Rob Bell besorgt, da ich vorhatte, eine Besprechung über Die Bibel – faszinierend, einzigartig und voller Geheimnisse zu verfassen.

Daraus wird nun aber nichts. Das Buch ist derartig platt und blutleer, dass ich meine Zeit mit nützlicheren Dingen verbringen werde. Geschrieben ist es – kaum überraschend und sowas von durchsichtig – nach dem Motto: „Gott hat gesprochen; macht mit der Heiligen Schrift, was ihr wollt.“ Postmoderne Hermeneutik – leicht verständlich.

Ein Beispiel soll genügen:

Jesus sagt seinen Jüngern einmal, was sie binden werden, wird gebunden, und was sie lösen werden, wird gelöst sein.

Wovon redet er da?

Binden und Lösen – das war eine im ersten Jahrhundert übliche Weise, um über Interpretation zu sprechen. Jesus fordert seine Nachfolger auf, dass sie jetzt selbst entscheiden sollen, wie sie die Bibel interpretieren.

Es ist, als wollte er sagen:

Ihr habt gesehen, wie ich es mache.
Jetzt seid ihr dran.

Findet raus, was es bedeutet, den Worten Fleisch und Blut zu verleihen.

An eurem Ort,
in eurer Zeit,
in eurer Welt,
findet es raus.

Einmal sagt er, das sei so, wie wenn jemand aus seinem Vorratslager immer neue Schätze birgt.

Wie in:

Du kratzt gerade erst an der Oberfläche.
Da steckt noch so viel mehr drin.
Du bist gerade erst am Anfang.

Einmal sagt er sogar:
Ihr werdet Größeres tun als dies.

Klare Empfehlung: Spart euch diesen Kauf!

Helge Stadelmann: Zum Tod von J.I. Packer

Zum Tod des evangelikalen Theologen und Autors James I. Packer hat Prof. Helge Stadelmann (FTH) für das Nachrichtenmagazin idea einen Nachruf verfasst. Darin schreibt er: „Studienbewerbern an der Freien Theologische Akademie (FTA) Gießen – heute: Freie Theologische Hochschule (FTH) –, die fragten, wie sie sich auf ihr Theologiestudium vorbereiten sollten, wurde über viele Jahre empfohlen, vor Studienbeginn Packers Buch „Gott erkennen“ zu lesen, weil die Ehrfurcht vor Gott Anfang aller Weisheit sei, auch in der Theologie (Sprüche 1,7)“. 

Über Packers Einsatz für die Autorität der Bibel schreibt Stadelmann: 

Zum Lehrer der weltweiten evangelikalen Bewegung aber wurde er durch seine Bücher. Sein erstes Buch (Fundamentalism and the Word of God/Fundamentalismus und das Wort Gottes) verkaufte sich schon im Erscheinungsjahr 1958 mehr als 20.000 Mal und wurde seither bis heute immer wieder aufgelegt. Packer warb darin für ein begründetes Vertrauen in die uneingeschränkte Wahrheit der Bibel als Gottes Wort. Das blieb eines seiner Lebensthemen und er sah mit Sorge die Gefahr der Relativierung biblischer Lehre und Ethik nicht nur in seiner anglikanischen Kirche, sondern auch unter Evangelikalen. Als verbindliche, liebenswürdige Persönlichkeit war Packer das Gegenteil eines „kämpfenden Fundamentalisten“. Aber aus überlegter Überzeugung schloss er sich dem „Rat für biblische Irrtumslosigkeit“ an und wurde 1978 einer der Erstunterzeichner der Chicago-Erklärung für biblische Irrtumslosigkeit. Packers Bibeltreue ist nicht zu verstehen ohne sein Bewusstsein der Heiligkeit Gottes als Anfang jeder Theologie, die ihren Namen verdient. Wie überliefert ist, hat er seinen Studenten immer wieder eingeprägt: „Liebe Freunde, Theologie ist Doxologie!“ Entsprechend trug sein zweites von insgesamt 47 Büchern, das sein international bekanntestes werden sollte, den Titel „Knowing God“ (1973, deutscher Titel: „Gott erkennen“).

Mehr: www.idea.de.

Offenbarung: Klar oder unklar?

Mit „Weiterglauben“ hat Thorsten Dietz von der Hochschule Tabor ein Buch zu zentralen Fragen des christlichen Glaubens veröffentlicht. Er will mit dem Projekt den Horizont seiner Leser aus evangelikaler Engstirnigkeit herausführen.

Gelungen ist ihm das nicht. Ich habe bereits auf eine Rezension zum Buch von Thomas Jeising aufmerksam gemacht, die Schwächen von „Weiterglauben“ aufdeckt (siehe hier). Thomas Lauterbach hat in der empfehlenswerten Zeitschrift PERSPEKTIVE ebenfalls eine Besprechung veröffentlicht (erschienen in der Ausgabe 05/2018, www.cv-perspektive.de) und geht dort besonders auf das Offenbarungsverständnis des Autors ein.

Er schreibt:

Auch wenn wir einen angemessenen Umgang mit Zweifeln in unseren Gemeinden anstreben sollen – „Seid barmherzig mit denen, die ins Zweifeln gekommen sind!“ (Jud 22) – wird Zweifel in Gottes Wort nie als Wert in sich gesehen oder als Tugend beschrieben. Vielmehr soll Zweifel überwunden werden und zu neuem Vertrauen zu Gott führen. Und zwar zu einem Gott, wie er sich selbst offenbart, nicht, wie wir ihn gerne hätten. Weil sich Gott offenbart, können wir ihn kennen und mit diesem unvergleichlichen Gott leben. Wir sind nicht im Unklaren über sein Erbarmen, seine unermessliche Gnade und die Vergebung, die er hoffnungslosen Rebellen und Sündern in Jesus zukommen lässt (1Tim 1,12-13). Weil wir all dies wissen, können wir dankbar in das Lob von Paulus einstimmen: „Ihm, der mit seiner ´unerschöpflichen` Kraft in uns am Werk ist und unendlich viel mehr zu tun vermag, als wir erbitten oder begreifen können, ihm gebührt durch Jesus Christus die Ehre in der Gemeinde von Generation zu Generation und für immer und ewig. Amen“ (Eph 3,20-21).

Hier die vollständige Rezension (mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion): Perspektive 05 _ Lautberbach Rez Dietz.pdf.

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