Gottesfrage

Das ist Gott!

41OxMk+mBZL._SL110_.jpg DIE ZEIT hat einen Auszug aus dem Buch Die Verteidigung des Menschen: Warum Gott gebraucht wird von Jan Roß abgedruckt. Bezeichnenderweise spürt man dem Text ab, dass er nicht von einem Theologen, sondern von einem klassischen Philologen geschrieben wurde. Roß nimmt den „Befund“ und die Radikalität der Kreuzesbotschaft ernst. Für viele Verteidiger des Kruzifixes und Theologen ist das Kreuz dagegen nicht mehr als ein Kultursymbol.

Hier ein Zitat aus dem „Anti-Nietzsche“:

Der gekreuzigte Christus steht für einen Alternativentwurf. Die Gegner des Christentums halten das für eine Perversion. In ihren Augen ist das Kreuz ein Symbol des Masochismus. Die ganze Kritik am Christentum als einer welt- und sinnenfeindlichen Veranstaltung, sexuell verklemmt und in dunklen Katakomben zu Hause, hat ihr Zentrum in der Empörung über das Kreuz. Das Hässliche auf Kosten des Schönen zu verherrlichen, das Schwache lieber als das Starke, das Nein statt des Ja, das hat nur das Christentum gewagt.

Das Kreuz, eine Perversion? Eine Werteumkehr bedeutet es in der Tat. Es stellt die Werte des Erfolgsmenschentums infrage, und wenn solche Werte »natürlich« sind, dann ist das Christentum »unnatürlich«. Nur ist dieses Unnatürliche zugleich das Humane; es ist der diametrale Gegensatz zum Recht des Stärkeren und zur Tyrannei der Normalität. »Was ihr dem geringsten unter meinen Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan«, erklärt Jesus seinen Jüngern, als er ihnen die Idee der Nächstenliebe beibringt. Selbst Kirchenfeinde bestreiten nicht, dass das Christentum eine Geschichte der Güte und Menschlichkeit hat, des Engagements für die Bedürftigen. Man muss sich allerdings klarmachen, dass dahinter mehr als nur eine Moral steht.

Mehr: Gottesbuch-Abdruck.pdf.

VD: CF

„Der harmlose Gott führt zur Gotteskrise“

Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist am Sonntag in Timmendorfer Strand zu ihrer diesjährigen Tagung zusammengetreten. Das Treffen dient der inhaltlichen Vorbereitungen des Reformationsjubiläums 2017.

Eine Gelegenheit, Nikolaus Schneider zustimmend zu zitieren. Die FAZ schreibt (12.11.12, S. 4):

In seinem Bericht zeichnete der Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider ein düsteres Bild der Situation der christlichen Kirchen in Deutschland. Es gebe mittlerweile eine „Unkenntnis Gottes in zweiter und dritter Generation“. Worte wie Gott, Glaube und Kirche seien in östlichen Bundesländern und manchen Stadtteilen westlicher Großstädte mittlerweile eine Fremdsprache „wie Mandarin und Kisuaheli“. Nicht nur die theologische Antwort, sondern schon die Frage nach Gott sei vielen Menschen schlicht unverständlich, sagte Schneider. Die Folgen seien eine „kulturelle Amnesie“ und eine „Totalität der Gegenwart“.

Auch die Kirchen trügen an diesen Entwicklungen eine Schuld. Wenn sie einen „immer freundlichen, nur harmlosen, kumpelhaften Gott“ verkündigten, bestehe die Gefahr der Selbstsäkularisierung. Eine Religion, die Gott nicht mehr nah und fremd, vertraut und verstörend zugleich sein lasse, verliere an Tiefe. Menschen würden so in den Krisen ihres Lebens „zweifeln und verzweifeln“. Die gegenwärtige Gotteskrise sei darum auch die Krise eines verharmlosenden Gottesbildes, sagte Schneider.

VD: JS

Die Herrschaft der Zeit

Hubert Windisch schreibt in seiner Minima Pastoralia (Würzburg: 2001, S. 23):

Eines der markantesten Zeitzeichen der Gegenwart ist das ausgeprägte Interesse an der Zeit als solcher. Es ist bemerkenswert, dass gegenwärtig über nichts so viel nachgedacht und gerätselt, publiziert und gestritten wird wie über die Zeit selbst. Es fällt dabei die Selbstbezüglichkeit des Phänomens der Zeit auf. In gewisser Weise kann man von einer herkunfts- und zukunftslosen Zeit-Selbst-Befassung sprechen, von einem tempus incurvatum in se ipsum, worin sich letztlich Nietzsches Botschaft vom Tode Gottes geltend macht. Denn diese Botschaft ist – genau besehen – eine Botschaft von der Göttlichkeit der Zeit. Die Aufkündigung der Herrschaft Gottes ist die Ankündigung der Herrschaft der Zeit. Der Tod Gottes erhebt die Zeit zum Gott. Da Gott aber tot ist, ist die Herrschaft der Zeit, und das, was die Zeit ausmacht, unerbittlich.

„Wir können Gott nicht einfach abschreiben“

Martin Walser hat Alexander Görlach ein Interview gegeben und geht mit dem Atheismus hart ins Gericht. Gleichzeitig wendet er sich gegen die beruhigende Religion der Kirche und benennt Nietzsche, Kafka und Barth als seine Kronzeugen. Walser spricht nicht als Glaubender, sondern als Zweifler, der Gott nicht einfach abschreiben kann.

Wenn man Karl Barth liest, dann fällt sicherlich nicht nur mir auf, dass wir eingeschlafen sind und die Rechtfertigung aus allen möglichen Ersatzbefriedigungen produziert haben. Natürlich kann einem die Barth-Lektüre den Anstoß dazu geben, dass man sich verbietet, einzuschlafen und sich mit Pseudo-Rechtfertigungen durch soziale, politische und sonstige biografische Erfolge zufriedengibt. Aber das allein reicht noch nicht. Deswegen ist für mich „Der Prozess“ von Kafka so wichtig. Josef K. soll an seinem dreißigsten Geburtstag im Gericht schriftlich über sein Leben Rechenschaft ablegen. Als er merkt, dass er sein Dasein mit dem, was er vorzubringen hat, nicht rechtfertigen kann, beginnen seine vergeblichen Bemühungen. Er geht zu Anwälten, zu Künstlern und schließlich in die Kirche zum Priester. Je mehr er sich um die eigene Rechtfertigung bemüht, desto klarer wird ihm, dass er nicht gerechtfertigt ist. Ihm fehlt da etwas. Wer diesen Roman von Kafka liest und sich nicht mit diesem Thema auseinandersetzt, kann ihn eigentlich überhaupt nicht fertig lesen. Es ist ein so radikales Buch. Der Schluss ist ein inszenierter Selbstmord von diesem K. Man kann das nicht bloß als Belletristik lesen.

Mehr: theeuropean.de.

VD: TB

Ein säkulares Zeitalter?

Gestern hat der TV-Sender BR-Alpha Mittschnitte eines Streitgespräches zur Gottesfrage zwischen Prof. Dr. Gerhard Schurz und Prof. Dr. Dr. Daniel von Wachter gesendet. BR-Alpha schreibt:

Die Frage nach Gott ist auch heute noch aktuell. Gibt es zwingende Gründe für seine Existenz? Gegenwärtige Weltbilder bauen eher auf innerweltliche Grundlagen. Dennoch sind Religionen von Bedeutung für Demokratie und Staat.

Leider sind nur wenige Auszüge aus der Diskussion im Beitrag enthalten. Überwiegend wird die Arbeit der Akademie vorgestellt. Eingegangen wird auch auf die Gastvorträge von Professor Charles Taylor; sein öffentlicher Vortrag vom Dezember 2011 wird auszugsweise wiedergegeben.  Die TV-Sendung Lógos kann nachträglich in der Mediathek angeschaut werden: www.br.de.

Der Glaube der Neuen Atheisten

Magnus Klaue hat für die FAZ die Neuauflage von Fritz Mauthners voluminösen Werk Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande vorgestellt, das der Alibri Verlag in einer von Ludger Lütkehaus verantworteten Edition neu aufgelegt hat.

Klaue referenziert in seinem Artikel ein Argument gegen den Neuen Atheismus, das beispielsweise auch bei Timothy Keller in seinem Buch Warum Gott? zu finden ist. Die Neuen Atheisten glauben ebenfalls. Sie vertrauen auf die Ungeschichtlichkeit ihrer vom Positivismus und Pragmatismus geformten Argumente. Sie fangen nicht bei „Null“ an, sondern sind – das ist jetzt meine Perspektive – in einem naturalistischem Positivismus gefangen. Oder: Der Mensch wird seine Seele nicht finden, wenn er sich röntgen lässt.

Klaue schreibt (FAZ vom 18.01.2012, Nr. 15, S. N4):

Trotz der schon hier erkennbaren Neigung, geistige Phänomene nicht nur als geschichtliche zu begreifen, sondern sie auf soziale und natürliche Ursachen zu reduzieren, sie nicht in ihrer Autonomie, sondern als „Produkte“ wahrzunehmen, schließt diese Betrachtungsweise nicht aus, die Religionen auf ihren Wahrheitsgehalt zu befragen. Der moderne Atheismus dagegen nimmt die vermeintliche wissenschaftliche Unbegründbarkeit des Glaubens und seine Unvereinbarkeit mit den Erfordernissen gesellschaftlicher Praxis unmittelbar als Beweis gegen ihn. Die Geschichtlichkeit der positivistischen und pragmatistischen Denkform selbst zu erwägen, fällt ihnen nicht ein. Sie wird als überhistorisch aufgefasst, wenn etwa Dawkins in „Der Gotteswahn“ dekretiert, Gottes Existenz oder Nicht-Existenz sei „eine wissenschaftliche Tatsache“, die prinzipiell, „wenn nicht sogar praktisch“ entscheidbar sei. Ähnlich begreift Schmidt-Salomon das religiöse Bedürfnis als wissenschaftlich ableitbare „Tatsache“, nicht aber als Erscheinungsform des Bewusstseins mit eigenem Geltungsrecht, wenn er im „Manifest des evolutionären Humanismus“ erläutert, dass religiöse Visionen auf Überaktivitäten im Schläfenlappen zurückzuführen seien. Dass der Glaube eine ihm immanente Logik und Sinnhaftigkeit, eben eine Theologie besitzen könnte, erscheint aus dieser rein innerweltlichen Perspektive als unlogische und sinnlose Annahme.

Genau diese rein innerweltliche Axiomatik erschwerte auch den Autoren des Buches Heilige Scheiße den Zugang für das, was für den Glauben an Gott spricht.

Gottesbeweise

29546.jpgFolgt man dem Alltagsgeschwätz, verbreiteten Lehrbüchern der Philosophie oder der Demagogie des »Neuen Atheismus«, sind seit Immanuel Kant die theoretischen Gottesbeweise erledigt. Kant hatte Gottesbeweise als ehrsüchtige Absichten eingestuft und in den Bereich der über die Grenzen aller Erfahrung hinausgehenden spekulativen Vernunft verwiesen (I. Kant, Kant-W., Bd. 4, S. 693). Niemand, so der akademische Standpunkt mit und nach Kant, würde sich mehr »rühmen können: er wisse, dass ein Gott« sei ( I. Kant, Kant-W, Bd. 4, S. 693.). »Wer die Theologie, sowohl diejenige des christlichen Glaubens als auch diejenige der Philosophie, aus gewachsener Herkunft erfahren hat, zieht es heute vor, im Bereich des Denkens von Gott zu schweigen«, hat uns Martin Heidegger gesagt (zitiert nach Wilhelm Weischedel, Der Gott der Philosophen, Bd. 2, S. 280). Selbst der durchaus »offene« Logiker Franz von Kutschera kommt nach ausführlicher Analyse der bekannten Gottesbeweise zu dem Resümee: »Es gibt zumindest gegenwärtig keinen brauchbaren rationalen Gottesbeweis« (Franz von Kutschera, Vernunft und Glaube, Berlin; New York: de Gruyter, 1991, S. 41).

Hinter den Kulissen steigt allerdings das Interesse an der Gottesfrage (vgl. auch hier). Zwei Beispiele: Erst kürzlich veranstaltete die Universität Tübingen eine Tagung zum Thema »Gottesbeweise als Herausforderung für die moderne Vernunft« mit sehr honorigen Referenten wie Peter van Inwagen, Armin Kreiner, Richard Swinburne oder Robert Spaemann (hier das Programm). Außerdem ist kürzlich eine umfängliche Darstellung der Gottesbeweise von Joachim Bromand und Guido Kreis beim Suhrkamp Verlag herausgegeben worden. Das Buch:

  • Joachim Bromand und Guido Kreis (Hg.): Gottesbeweise von Anselm bis Gödel, Berlin: Suhrkamp Verlag 2011, 20 Euro

versammelt die großen Gottesbeweise des Mittelalters und der Neuzeit ebenso wie die klassischen Einwände von Hume und Kant. Einleitende Essays führen in die Problematik ein und bieten gut verständliche Rekonstruktionen der jeweiligen Argumentationen. Auch die sprachanalytische Debatte wird ausführlich dokumentiert. Dem Mathematiker Kurt Gödel, dessen ontologischer Gottesbeweis bis heute nicht überzeugend widerlegt worden ist (vgl. dazu auch hier), wurde ein ausführliches Kapitel gewidmet (S. 381487). Sogar der Kalām-Beweis von William L. Craig wird eingehend behandelt (S. 564–598). Im Vorwort schreiben die Bonner Autoren:

Hatte Adorno in der Negativen Dialektik noch generalisierend vermutet, daß »übrigens wohl eine jede [Philosophie] um den ontologischen Gottesbeweis [kreist]«, so scheint sich demgegenüber im nachmetaphysischen Zeitalter jeder ernsthafte Versuch eines Gottesbeweises von selbst zu verbieten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die philosophische Debatte über Gott ist seit einigen Jahren wiedereröffnet und aktueller denn je. Einer der Hauptbeiträge der Philosophie zu dieser Debatte liegt im Projekt der Gottesbeweise. In der sprachanalytischen Metaphysik und Logik werden sie seit Jahrzehnten ausführlich diskutiert. Es ist an der Zeit, die entscheidenden Fragen erneut zu stellen: Was sind eigentlich Gottesbeweise, und wozu sollen sie gut sein?

Obwohl die Verfasser sehr viel wert auf Verständlichkeit legen, ist das Buch keine Profanlektüre, teilweise werden Grundkenntnisse der formalen Logik vorausgesetzt. Aber für Philosophen, Theologen und interessierte Laien ist Gottesbeweise von nun an ein unentbehrliches Nachschlagewerk.

Hier eine Leseprobe mit dem Inhaltsverzeichnis.

Gott als die einfachste Erklärung des Universums

Richard Swinburne ist der wahrscheinlich renommierteste Vertreter eines probabilistischen Gottesbeweises. Jetzt hat Swinburne einen neuen Aufsatz mit dem Titel »Gott als die einfachste Erklärung des Universums« veröffentlicht. Er fasst dort seine Argumentation wie folgt zusammen:

Unbelebte Erklärung ist durch Bezug auf Substanzen mit Fähigkeiten und Dispositionen, ihre Fähigkeiten unter bestimmen Umständen auszuüben, zu analysieren; personale Erklärung ist durch Bezug auf Personen, ihre Überzeugungen, Fähigkeiten und Absichten zu analysieren. Ein entscheidendes Kriterium dafür, daß eine Erklärung wahrscheinlich wahr ist, ist, daß sie die einfachste ist (unter den Erklärungen, welche die Daten erwarten lassen). Einfachheit besteht in der Annahme weniger Substanzen, weniger Arten von Substanzen, weniger Eigenschaften (einschließlich Fähigkeiten und Dispositionen), weniger Arten von Eigenschaften und mathematisch einfacher Beziehungen zwischen Eigenschaften. Die Erklärung der Existenz des Universums durch das Handeln Gottes bietet die einfachste Art von personaler Erklärung, die es geben kann, und einfacher als jede unbelebte Erklärung. Im Lichte neuer Herausforderungen verteidige ich diese Sicht gründlicher als bisher.

Professor Daniel von Wachter, der unter anderem bei Swinburne promovierte, hat freundlicherweise eine deutsche Fassung des Aufsatzes besorgt. Die deutsche Ausgabe, erschienen in der Fachzeitschrift Logos, kann hier heruntergeladen werden: fzwp.de.

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