Glaube

Wissen, um zu glauben?

Wenn die Zeitschrift chrismon im Briefkasten liegt, wird ab und an ein Anstoß frei Haus mitgeliefert. Gestern war wieder etwas dabei. Burkhard Weitz fragt, ob man etwas wissen muss, um zu glauben („Was muss man wissen, um zu glauben?“, chrismon, April 2012, S. 22–23). Wissen muss man als Nachfolger Jesu eigentlich nichts, gibt es zu lesen:

Die ersten Christen kamen ohne ­religiöses Wissen aus, ohne komplizierte Lehren, ohne lange Bekenntnisse. Sie folgten dem Beispiel Jesu. Glauben hieß für sie, in Jesu Liebe beständig zu bleiben. Sie waren überzeugt, dass Jesus der Chris­tus, also der Messias sei und als gnädiger Weltenrichter wiederkehren werde. In den Sprachen der Bibel ist „glauben“ gleichbedeutend mit „treu sein“ und „vertrauen“. Glauben ist eine Haltung – wie Liebe und Hoffnung (1. Korinther 13). Biblischer Glaube richtet sich nicht auf Lehrsätze oder Dogmen, die man sich merken oder für wahr halten kann.

Sehen wir mal davon ab, dass schon die Erklärung von Glaube als purem Vertrauen ziemlich gehaltvoll ist (und erst: „Jesus ist der Messias“) und betrachten das Problem mit Hilfe der aus der lutherischen Orthodoxie stammenden Unterscheidung von den drei Ebenen des Glaubens (vgl. Abb.).

Die erste Ebene ist notitia, die Kenntnis eines Glaubensinhaltes. Natürlich hatten die ersten Christen Gemeinschaft miteinander, sie beteten und feierten das Herrenmahl. Aber ihre liebevoll gelebten Beziehungen waren schon damals getragen von einer konkreten Lehre, der sie gehorsam folgten. Sie hielten fest an „der Lehre der Apostel“. Der griechische Begriff didache, den Lukas in Apg 4,42 verwendet, steht schon in der Apostelgeschichte und eindeutig in den Pastoralbriefen (vgl. z. B. 2Tim 4,2 u. Tit 1,9) für eine Lehrüberlieferung mit bewertbaren Inhalten. Genau solche Inhalte nennen wir auch Propositionen. Propositionen sind Objekte mentaler Aktivitäten wie Wollen, Glauben oder Hoffen. Sätze oder Aussagen mit propositionalem Gehalt sind prüfbar, können war oder falsch sein. Die Apostel unterschieden zwischen wahren und falschen Glaubensinhalten, zwischen ungesunden Lehren und der heilsamen Lehre (vgl. Röm 16,17). Eine falsche Lehre steht im Widerspruch zu dem, was Gott denkt und offenbart hat. Die Apostel verkündigten die Lehre des Christus, (2Joh 10), die klar und scharf gegenüber fremden Lehren abgegrenzt werden kann (vgl. Hebr 13,9). Sie waren beispielsweise davon überzeugt, dass der Gott, dem sie sich anvertraut haben, nicht lügt (vgl. Tit 1,2 u. Hebr 6,18) oder Jesus Christus im Fleisch gekommen ist (2Joh 9). Menschen, die diese Propositionen ablehnten, waren in ihren Augen falsche Propheten.

Die drei Ebenen des Glaubens aus Sicht der lutherischen Orthodoxie.

Die zweite Ebene des Glaubens ist assensus, die Bejahung oder Annahme bestimmter Inhalte. Jemand, der einem Sachverhalt zustimmt, bekundet sein Interesse und Einverständnis mit dem, was er sachlich wahrgenommen hat. Stellen wir uns vor, wir interessierten uns für die Frage, ob Jesus Christus tatsächlich gelebt habe. Wir würden kritische und apologetische Bücher studieren, die sich mit der Frage des historischen Jesus befassen. Irgendwann formulierten wir dann ein Ergebnis unserer Untersuchungen. Das, was wir als Resultat unserer Bemühungen präsentierten, und sei es das zurückhaltende Bekenntnis „Wir können nichts genaues dazu sagen!“, fände unsere Zustimmung. Wir hielten das, was wir ausgearbeitet hätten, für annehmbar und vertrauenswürdig.

Die dritte Ebene, fiducia, ist das Gottvertrauen, der persönlich gelebte Glaube. Wenn das Vetrauen fehlt, ist das sehr schade. Doch keine der drei Ebenen des Glaubens darf fehlen! „Man kann Gott nicht anerkennen (= assensus), ohne ihn zu kennen (= notitia). Man kann Gott nicht vertrauen (= fiducia), ohne ihn anzuerkennen (= assensus). Oder man könnte auch sagen: Das (Gott)Gehören (= fiducia) setzt ein Gehorchen (= assensus), das Gehorchen ein Anhören (= notitia) voraus“ (Horst-Georg Pölmann, Abriß der Dogmatik, 1985, S. 84). Der Gläubige soll nicht glauben, weil er Ungewusstes und Unverstandenes auf die Autorität der Kirche hin glaubt, sondern weil er sich darüber klar ist, woran er glaubt.

Leidenschaft ohne Rückbezug auf eine über- und durchdenkbare propositionale Lehrbasis kann die Lüge sein. Die Apostel, die das Evangelium verkündet haben, wussten das. Sie sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt (vgl. 2Petr. 1,16), sondern der Wahrheit (vgl. Joh 14,6; 2Tim 4,4). Dass die Wahrheit nach biblischem Zeugnis eine Person ist, suspendiert nicht die Glaubwürdigkeit dessen, was die Person sagt (siehe dazu auch hier).

Leben im Zwiespalt

Bist du hin und her gerissen, weißt nicht, ob du Jesus Christus vertrauen kannst? Du willst mit ihm leben, schaffst es aber nicht, hast Angst vor dem Versagen? Du stehst mit deiner Zerrissenheit nicht allein. Vielen Menschen ist es so ergangen. Zum Beispiel dem großen Augustinus. Der Kirchenvater gewährt in seiner Biografie tiefe Einblicke in die geistlichen Kämpfe, die ihn sein Leben lang begleiteten.

In seinen besten Jahren hatte er auf seiner Suche nach Wahrheit mehrere Etappen durchlaufen. Mit dem christlichen Glauben seiner Mutter Monika wollte er nicht viel zu tun haben. Das war ihm zu einfach und zu eng. Augustinus suchte eine Lebensanschauung, die ihm möglichst viel Autonomie erlaubte. So suchte er anderswo, vor allem bei den Manichäern und Platonikern.

Aber Gott ging ihm nach. Es waren seine Mutter und Freunde, die ihn immer wieder an das Evangelium erinnerten. Als Augustinus zur akademischen Lehrkraft für Rhetorik nach Mailand berufen wurde, begegnete er schließlich dem gewaltigen Prediger Ambrosius. Ambrosius nahm „kein Blatt vor den Mund“. In einer überlieferten Predigt (De Elia et ieiunio 22,85) heißt es beispielsweise:

„Wie lange noch eure Vergnügen, wie lange noch eure Lustbarkeiten? Der Tag des Gerichtes kommt immer näher. Während ihr diese Gnade zurückstellt, nähert sich der Tod. Wer wird dann sagen: Jetzt bin ich gerade nicht frei, ich habe zu tun …“

Durch Ambrosius, Simplicianus und andere wurde Augustinus angeregt, bei Paulus Antworten auf seine Fragen zu suchen. Er studierte die Schriften des Apostels, besonders der Römerbrief hatte es ihm angetan. Was Paulus dort im siebten Kapitel über die Unfreiheit des Menschen schrieb, korrespondierte ziemlich genau mit seinen eigenen Erfahrungen. Es stimmt: „Dass mir, der ich das Gute tun will“, letztlich doch „das Böse naheliegt“ (vgl. Röm 7,21). Im Leben des Gelehrten regierte die Sünde.

Hören wir, was Augustinus selbst in Gebetsform darüber schreibt:

Das aber war’s, wonach ich seufzte, gefesselt, wie ich war, nicht durch ein fremdes Band, sondern das Eisenband meines Willens. Mein Wollen aber war in des Feindes Gewalt, und der hatte mir daraus eine Kette geschmiedet, mit der er mich gefesselt hielt. Denn aus verkehrtem Willen ward Leidenschaft, und da der Leidenschaft ich nachgab, ward Gewohnheit daraus, Gewohnheit aber, der man nicht widersteht, wird zum Zwang. So fügten sich gleichsam die Ringe ineinander darum nannte ich’s eine Kette -, und damit hielt harte Knechtschaft mich gefangen. Der neue Wille aber, der sich bereits in mir regte, dir, mein Gott, meines Herzens einzig sichere Freude, frei zu dienen und anzuhangen, war noch zu schwach, den alten und festgewurzelten zu überwinden. So stritten in mir zwei Willen, ein alter und ein neuer, der eine fleischlich, der andere geistig, miteinander, und ihr Hader zerriß meine Seele.

So lernte ich es denn aus eigener Erfahrung verstehen, was ich gelesen hatte, wie »das Fleisch wider den Geist gelüstet, und den Geist wider das Fleisch«. Ich aber lebte in beidem, mehr jedoch in dem, was ich an mir billigte, als in dem, was ich an mir mißbilligte. Denn hier war ich’s zumeist schon nicht mehr ich selber, da ich es großenteils mehr widerwillig litt als mit Willen tat. Doch hatte ich selbst die Gewohnheit zum Streit gegen mich so stark gemacht, denn mit Willen war ich dahin gelangt, wohin ich nicht wollte. Und wer kann mit Recht etwas dagegen einwenden, daß den Sünder die gerechte Strafe trifft? Schon konnte ich mich nicht mehr damit entschuldigen, wie ich früher zu tun pflegte, nur darum habe ich noch nicht dem Weltleben zu deinem Dienst entsagt, weil mir die Erkenntnis der Wahrheit noch ungewiß sei; denn nunmehr war sie mir bereits gewiß. Ich aber, der Erde noch verhaftet, weigerte mich, in deinem Heer zu kämpfen, und fürchtete mich ebensosehr davor, alle belastenden Bürden abzuwerfen, wie man sich hätte furchten sollen, sie sich aufbürden zu lassen. So lag die Last der Welt, wie es wohl im Schlafe geschieht, süß und drückend auf mir, und meine Gedanken, die sich sinnend auf dich richtete, glichen den Versuchen derer, die aufwachen wollen, aber vom tiefen Schlummer überwältigt wieder zurücksinken. Und wie niemand immerfort schlafen möchte, vielmehr jeder, wenn er vernünftig ist, dem Wachen den Vorzug gibt, aber dennoch manch einer zögert, den Schlaf abzuschütteln, weil es ihm bleischwer in den Gliedern liegt, und er darum mit Genuß weiterschläft, obschon er’s nicht gutheißen kann und die Zeit zum Aufstehen gekommen ist, so wußte ich genau: Es war besser, mich deiner Liebe zu weihen, als meiner Wollust zu weichen. Das eine hatte mein Herz gewonnen und überwunden, aber das andere lockte und hielt mich gebunden. Nichts mehr konnte ich dir zur Antwort geben, da du zu mir sprachst: „Wache auf, der du schläfst, und ich stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten!“ Auf Schritt und Tritt tatest du mir die Wahrheit kund, und von ihr überwältigt, konnte ich nichts erwidern als rage, schlaftrunkene Worte: „Bald, ja bald, laß mich noch ein Weilchen!“ Aber das „bald, bald“ ward nicht zum „jetzt“, und das Weilchen zog sich in die Länge. Umsonst „hatte ich Lust an deinem Gesetz nach dem inwendigen Menschen, weil ein anderes Gesetz in meinen Gliedern dem Gesetz in meinem Gemüte widerstritt und mich gefangennahm in der Sünde Gesetz, das in leinen Gliedern war“. Das Gesetz der Sünde ist die Tyrannei der Gewohnheit, die den Menschengeist auch wider Willen fortieht und festhält, und zwar verdientermaßen, weil er ihr willig sich hingegeben hat. Wer hätte „mich Elenden erlösen können vom Leibe dieses Todes, wenn nicht deine Gnade durch Jesum Christum, unsern Herrn“?

Jesus Christus lädt dich zur Nachfolge ein. Nachfolge heißt nicht, dass du alle deine Kräfte zusammenreißt und versucht, so zu leben, wie Gott es gefällt. Nachfolge heißt: Ich tut das, was mir unmöglich ist. Ich gehe durch ein Nadelöhr (vgl. Mk 10,25). Es ist ein anderer, der mich erlöst.

Augustinus verzweifelte an sich selbst. Mitten im Sturm der Selbstanklagen hörte er jedoch die Stimme der Gnade. Immer lauter konnte er ihr Rufen vernehmen: „Was stellst du dich auf dich selbst und kannst so doch nicht stehen? Wirf dich auf ihn und fürchte dich nicht! Er wird sich nicht entziehen, dich nicht fallen lassen. Ja, wirf dich getrost hin, er wird dich auffangen und gesund machen“ (vgl. Confessiones, VIII, 11).

Hörst du sie auch, die Gnade?

Martin Luther: Was ist der Mensch?

luther.jpegDer große Reformator Martin Luther starb am 18. Februar 1546 in Eisleben. Trotz schwerer Herzprobleme hatte er sich auf den Weg gemacht, um bei einem Streit der drei Grafen von Mansfeld zu schlichten. Der Streit wurde erfolgreich befriedet. Luther hatte aber nicht mehr die Kraft, in seine Heimat Wittenberg zurückzukehren. Er starb am 18. Februar in der Gegenwart zwei befreundeter Theologen. Auf dem Sterbebett sagte er: „Wir sind Bettler, das ist wahr“ und betete vor dem Heimgang zu seinem HERRN: „In Deine Hände befehle ich meinen Geist. Du hast mich erlöst, Herr, Du treuer Gott.“

Anläßlich seines Todestages ein deftiges Lutherzitat aus seiner Disputation über den Menschen. Die Schrift entstand in dem Jahr, in dem Johannes Calvin die erste Auflage seiner Institutio veröffentlichte, 1536.

Daher philosophieren diejenigen gottlos gegen die Theologie, die sagen, die natürlichen Fähigkeiten [des Menschen] seien nach dem Fall unversehrt erhalten geblieben. Ähnlich diejenigen, die sagen, indem der Mensch tue, was in seinen Kräften steht, könne er Gottes Gnade und das Leben verdienen. Ebenso diejenigen, die Aristoteles (der vom Menschen in theologischer Hinsicht nichts weiß) anführen [um zu belegen], dass die Vernunft inbrünstig das Beste erstrebe. Ebenso, dass im Menschen das Licht des Angesichts Gottes sei, das als Zeichen über uns gesetzt sei, d.h. das freie Willensvermögen zur Gestaltung der rechten Vorschrift und des guten Willens. Ebenso, dass der Mensch in der Lage sei, zwischen Gut und Böse oder Leben und Tod usw. zu wählen. Alle solche verstehen weder, was der Mensch ist, noch wissen sie, wovon sie sprechen. Paulus fasst in Rom 3,28: „Wir halten dafür, dass der Mensch gerechtfertigt wird durch den Glauben ohne Werke“ kurz die Definition des Menschen zusammen, indem er sagt: Der Mensch wird durch den Glauben gerechtfertigt.

Biermann: »Im Paradies würde ich vor Langeweile sterben«

DIE ZEIT hat mit dem Bürgerrechtler und Skeptiker Wolf Biermann zum 75. über falsche Hoffnungen gesprochen. Auch der Glaube an Gott kam dabei zur Sprache.

Ich schätze die Denkanstöße des sprachmächtigen Biermann. Diesmal gefällt mir folgendes Zitat besonders gut:

Wenn ich früher einen Pfarrer traf, einen von Gottes Bodenpersonal, dann war mein Gedanke: Ach, dieser arme irrende Mensch. Heute denke ich: Hoffentlich glaubt er wenigstens an Gott. Ich habe gerade ein neues Lied geschrieben, eine Ode an Adam, wo ich mich bei Adam bedanke, dass er damals in den Apfel biss und die Erbsünde beging. Denn im Paradies würde ich vor Langeweile sterben.

Mehr: www.zeit.de.

Die Feldbusch des Protestantismus

Margot Käßmanns weichgespülter Kuschelglaube manifestiert sich in dem Buch Sehnsucht nach Leben. Denken ist überflüssig – man muss ihr einfach glauben. Jemand hat das Buch für DIE WELT gelesen und bissig rezensiert:

Denn die moralisch Gefallene brauchte nur eine blitzartige Turbo-Auszeit von wenigen Monaten, um als Märtyrerin ihrer selbst vom Olymp der Halbgötter hinabzusteigen und dem geistig dürstenden Volk ihre Glaubensbotschaft zu überbringen: Die Gezeichnete als Gesegnete.

»Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand« – das Zitat von Arno Pötzsch, mit dem sie sich vor Jahresfrist in ihr amerikanisches Sühne-Sabbatical verabschiedete, ist derweil zum Leitmotiv ihrer beachtlichen Bücherproduktion geworden.

Der Satz ist so wunderbar handlich und passt zu jeder Lebenssituation. Irgendwo zwischen Hegel und Nina Ruge (»Alles wird gut«) angesiedelt, hilft er dem Gestrauchelten, wieder aufzustehen. Wären die »Pleite-Griechen« nicht Anhänger der orthodoxen Kirche, müsste man ihnen Käßmann ans Herz legen.

»Sehnsucht nach Leben« heißt ihr jüngstes Werk, das sogleich die Bestsellerlisten eroberte. Nach Veröffentlichungen wie »Was ich Dir mitgeben möchte« und »Meine Füße auf weitem Raum« geht es in der schmalen Fibel wieder einmal um das große Ganze: »Sich sehnen, das ist etwas sehr Emotionales, da geht es um ganz Eigenes, es schwingen Lebensfragen, Hoffnungen mit.«

Hier: www.welt.de.

Ich glaube nur, was ich sehe

Aurelius Augustinus (De utilitate credendi, Freibug: Herder, 1992, S. 159):

Vieles ließe sich anführen, um zu zeigen: Rein gar nichts in der menschlichen Gemeinschaft bleibt unversehrt, wenn man sich entschließt, nichts zu glauben, was man nicht als sichere Gewissheit vor Augen hat.

Grundkurs entlang Heidelberger Katechismus

Hanniel hat in den letzten Wochen mit einer Gruppe von Leuten den Heidelberger Katechismus durchgearbeitet. Er schreibt:

Es tut gut, sich immer wieder mit dem christlichen Glauben auseinander zu setzen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten dies zu tun. Manche bevorzugen einen thematisch-gemeinschaftlichen Zugang und besuchen einen Alphakurs. Eine weitere ausgezeichnete Möglichkeit ist es, gemeinsam durch die Bibel zu gehen. Der Grossteil des Inhalts ist erzählend und beispielhaft aufgebaut. Drittens gibt es den systematischen Zugang. In Frage-/Antwortform, für die Unterweisung von Kindern und Erwachsenen gedacht, präsentieren die Katechismen ein Konzentrat des christlichen Glaubens. Mit einer Gruppe habe ich in den letzten Wochen den Heidelberger Katechismus durchgenommen. Der reformierte Katechismus hat über die Jahrhunderte Anerkennung und Verbreitung gefunden. In einer Zeit, in welcher der emotionale Zugang zum Glauben dominiert, lohnt es sich, sich mit den 129 Fragen und Antworten beschäftigen.

Das von ihm entwickelte Kursmaterial hat Hanniel online gestellt: www.hanniel.ch.

Der Blog Täglich bekennen von Matthias postet übrigens täglich eine »Frage und Antwort« aus meinem Lieblingskatechismus (inklusive Bibelstellen).

Der verschwenderische Gott

201008311018.jpgIn seinem Buch Der verschwenderische Gott legt Keller das Gleichnis vom verlorenen Sohn aus. Oder: das Gleichnis von den zwei verlorenen Söhnen, wie es besser heißen müsste. Denn Keller zeigt, dass der ältere Sohn ebenso verloren ist wie der jüngere – und womöglich noch schwerer aus seiner Verlorenheit zu befreien.

Mit frischer, ungestelzter Sprache, scharfsinniger Menschenkenntnis und Beispielen aus aktuellen Büchern und Filmen führt Keller uns vor Augen, dass Jesus in diesem Gleichnis seinen Zuhörern die gesamte biblische Botschaft in einer unnachahmlich verdichteten Form präsentierte.

Das Buch:

  • Timothy Keller: Der verschwenderische Gott: Von zwei verlorenen Söhnen und einem liebenden Vater, Gießen: Brunnen, 2010, 140 S., 11,95 Euro

kann hier bestellt werden:

Glauben und Denken heute – Ausgabe 1/2010 Nr. 5

gudh_005_kl.jpgDie Ausgabe 1/2010 von Glaube und Denken heute ist erschienen und enthält folgende Beiträge:

  1. Daniel Facius (Editorial): Das TINA-Prinzip
  2. Daniel Facius: Kirchenzucht bei Calvin
  3. Prof. Dr. Dr. Thomas Schirrmacher: Fundamentalismus: Wahrheitsanspruch mit Gewalt durchsetzen
  4. Theologische Arbeitsgruppe der Lausanner Bewegung: Eine Stellungnahme zur Wohlstandslehre
  5. Martin Bucer Seminar und L’Abri: Im Zweifel für den Zweifel? Eine Studienwoche
  6. Daniel Dangendorf: Rezension: Die Offenbarung des Johannes (G. Maier)
  7. Daniel Dangendorf: Rezension: Die Auferstehung Jesu in der Kontroverse (J. Thiesen)
  8. Johannes Otto: Rezension: Mit Ausharren laufen

Die Ausgabe 1/2010 Nr. 5 kann hier herunter geladen werden: gudh-005.pdf.

Kierkegaards Sprung (Teil 5)

Dürfen Christen ihren Glauben durchdenken?

Kierkegaard diente den säkularen Existentialisten als Folie und ist Vordenker einer Theologie, die Offenbarung von Geschichte abtrennt. Er drängte bedauerlicherweise genau die Leute, die die Notwendigkeit einer lebendigen Christusbeziehung hervorhoben, in ein anti-intellektuelles Denkklima. Kierkegaard, der selbst einen erwähnenswerten Teil seines Vermögens für seine 2748 Bücher ausgab, initiierte so ungewollt eine Welle bildungsfeindlichen Christentums. Warum Verstehen, wenn Existieren im Glauben und Verstehen einander ausschließen?

Kierkegaard wollte mit seinem Rückzug in den fides qua das Christentum gegenüber der Offenbarungskritik immunisieren. Die christliche Metaphysik wurde seit Kant in den Bereich des spekulativen Denkens verwiesen und durch eine streng an den Naturwissenschaften orientierte Erkenntnistheorie ersetzt. Mit der Etablierung dieses neuzeitlichen Wissenschaftsideals setzte die massive Kritik an der historischen Zuverlässigkeit der biblischen Überlieferungen ein. Es war diese Kritik, die den ›garstigen Graben‹ tiefer und breiter machte. Und genau dieser Kritik wollte er den leidenschaftlichen Glauben entziehen. Kierkegaard reagierte auf die Kritik der Offenbarung mit dem Appell, beim Glauben stehenzubleiben oder, um es anders zu sagen, mit dem Denken in den Glaubensdingen aufzuhören. Er verkennt dabei die zentrale Stellung, die das Denken im Leben der Gläubigen ein­nimmt. Anstatt nach Antworten auf die glaubensbedrohenden Zweifel zu suchen, verbietet Kierkegaard das Denken und fordert Gehorsam. Dieser Reflex löst natürlich das Problem nicht, sondern verdrängt es. Ohne Denken gibt es keinen Glauben. Schauen wir uns deshalb abschließend kurz an, warum das Denken im Leben eines Christen von großer Bedeutung ist.

Schon auf ihren ersten Seiten hebt die Bibel die Bedeutung des Denkens heraus. Der Sündenfallbericht beginnt nämlich damit, dass die Schlange Eva auf böse Gedanken bringen will. Der Höhepunkt der Versuchung durch die Schlange ist das Versprechen: »Ihr werdet sein wie Gott und erkennen, was Gut und Böse ist« (Gen 3,5). Der Fall fand schließlich statt, als Eva sah, »dass der Baum begehrenswert war, Einsicht zu geben« (Gen 3,6). Auch in Röm 1,20–23 u. 28 lesen wir, dass der Abfall des Menschen von Gott in seinem Denken beginnt:

… weil sie Gott zwar kannten, ihn aber weder als Gott verherrlichten, noch ihm gedankt haben, sondern in ihren Gedanken in Torheit verfielen und ihr unverständiges Herz verfinstert wurde. Indem sie behaupteten, Weise zu sein, sind sie zu Narren geworden und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit dem Gleichnis eines Bildes …

Paulus kritisiert hier ein Denken, dass Gott die ihm gebührende Ehre verweigert. Das undankbare Denken des Menschen bleibt auf sich selbst bezogen, ist sich also selbst Gesetz. Dieses autonome Denken richtet sich gegen Gott, wird zur Selbstverherrlichung des Menschen benutzt und ersinnt allerlei Rechtfertigungen für die Sünde. Aber die Boshaftigkeit bezieht sich nicht auf die Formen des Denkens (z.B. die Logik), sondern auch auf die Denkvoraussetzungen und Inhalte. Das Denken ist finster und böse, weil es unter dem Einfluss der Sünde missbraucht wird. Die Alternative zum verkehrten Denken ist gleich­wohl nicht die Gedankenlosigkeit, sondern das gute Denken. Wir neigen dazu, den Bericht über den Sündenfall so zu deuten, als ob Einsicht und Erkenntnis an sich verwerflich seien. Aber die Problematik des Falls ist nicht Erkenntnis allgemein, sondern Erkenntnis, die unabhängig von Gott gewonnen wird. Kurt Hübner schreibt zum Sündenfallbericht:

Unter Erkenntnis aber ist hier die Hybris gemeint, dass sich der Mensch selbst, aus eigener Kraft, ohne der Gottheit zu bedürfen und ohne Rückbeziehung (religio) oder Rücksicht auf Gott, das Wissen über das so zu verstehende Gute und Böse anmaßt.

Verwerflich ist also nicht die Einsicht oder die Vernunft, sondern die heimatlose Vernunft. Schon im Alten Testament wird deutlich, dass die Alternative zum Miss­brauch des Denkens der gottgewollte Einsatz des Denkens ist. So lesen wir z.B. in Spr 28,26: »Wer auf seinen Verstand vertraut, der ist ein Tor; wer aber in Weisheit lebt, der wird entkommen.« Und wenn wir in Spr 3,5 lesen: »Verlass dich auf den Herrn von ganzem Herzen, und verlass dich nicht auf deinen Verstand«, dann will damit nicht behauptet sein, dass Gottvertrauen in die Denkfaulheit führt. Der Autor warnt uns ganz im Sinne des Sündenfallberichtes davor, den Verstand autonom, also losgelöst von Gottes Gedanken, zu ge­brauchen. Wir sind berufen nachzudenken, was Gott denkt. Der Mensch, der durch den Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Christus Vergebung für seine Schuld – auch die Schuld seines verkehrten Denkens – und ein neues Leben geschenkt bekommt, erhält ein neues Herz und damit ein neues Denken. Der unversöhnte Mensch kann die Interessen Gottes nicht erkennen. Der Mensch in der Gemeinschaft mit Gott hat jedoch »das Denken des Christus« (1Kor 2,16; vgl. 1,10). An die Stelle des bösen Denkens tritt Gottes Weisheit und ein Denken, das in Christus »alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis« sucht und findet (Kol 2,3). Der Friede mit Gott macht also das gute Denken wieder möglich. Er ist Voraussetzung dafür, dass die durch Sünde verwundete und selbstherrliche Vernunft heilt und ihre Heimat zurückfindet.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sich das Denken eines Christen automatisch dem Denken Gottes unterordnet. Jemand, der Frieden mit Gott geschenkt bekommen hat, muss lernen, Gott mit seinem Denken zu lieben. Jesus sagt in Mt 22,37: »Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und ganzem Verstand«. Paulus verfolgt mit seiner Aufforderung in Röm 12,1–2 ein ähnliches Anliegen: »Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene«. Christen sollen ihre Gedanken unter den Gehorsam Christi bringen (vgl. 2Kor 10,5). Deshalb ist ein Christ ein denkender Mensch, ein Mensch, der seine nun beheimatete Vernunft dazu einsetzt, Gott die Ehre zu geben.

Kierkegaards moralischer Appell, beim Glauben stehen zu bleiben, kann möglicherweise Zweifel und Unfrieden kurzfristig verdrängen. Langfristig steht er einer Glaubensvertiefung im Weg. Nur Gottes Worte, die tief fallen (vgl. Lk 8,12; ähnlich Mt 13,19), also denkerisch verarbeitet und in ein Verhältnis zur Lebenswirklichkeit gebracht werden, können aufgehen und Frucht bringen. Kierkegaard, der die Erbauung der lebendigen Christenheit im Sinne hatte, trug so unbeabsichtigt mit zur nihilistischen Wende des 19. Jahrhunderts bei. Seine Anschauung vom Christsein hat – wie Thomas Johnson treffend konstatiert – die westliche Gesellschaft tief verunsichert. »Eine Gesellschaft, die die Rationalität preisgibt, muss Gott, die Würde des Menschen, Sinn und all­gemeingültige moralische Werte als etwas Irrationales ansehen. Eine ganze Zivilisation verlor das intellektuelle Fundament, das ihr einst das Christentum gegeben hat.«

Schluss

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