Die beunruhigende Nähe Jugerndlicher zum Chatbot

Jugendliche vertrauen ChatGPT nahezu blind, was zu allerlei Problemen. Sandra Kegel schreibt dazu:

KI-Modelle wie ChatGPT oder Character.AI kann man auch als Speichellecker bezeichnen. Weil sie so programmiert sind, dass sie ihre Nutzer nicht etwa hinterfragen, sondern ihnen genau das sagen, was diese hören wollen. Das bleibt nicht folgenlos. So stand 2023 ein Engländer vor Gericht, der Elizabeth II. in Schloss Windsor ermorden wollte. Laut Staatsanwaltschaft wurde er von einer KI namens „Sarai“ dazu angestiftet.

Im selben Jahr nahm sich ein Belgier das Leben, nachdem er mit einem Chatbot namens „Eliza“ wochenlang korrespondiert hatte. Die Chatprotokolle wurden von der Witwe veröffentlicht. Demnach befeuerte der Bot die Ängste des Mannes und bot an, zusammen mit ihm zu sterben. Im Oktober vergangenen Jahres verklagte eine Mutter in Florida Character.AI wegen Totschlags. Sie behauptet, der Algorithmus habe ihren vierzehnjährigen Sohn in eine derart missbräuchliche Beziehung verstrickt, dass dies seinen Suizid ausgelöst habe.

Vor diesem Hintergrund ist eine Studie bemerkenswert, die sich mit dem blinden Vertrauen von Kindern und Jugendlichen in KI-Modelle wie ChatGPT beschäftigt. Der Algorithmus „erklärt“ Dreizehnjährigen auf Anfrage demnach nicht nur, wie sie sich betrinken und high werden können, sondern gibt auch Anleitungen, wie man Essstörungen verbergen kann, und verfasst auf Wunsch „Abschiedsbriefe“, die ein suizidgefährdeter Jugendlicher seinen Eltern hinterlassen möchte.

Inzwischen nutzen 800 Millionen Menschen allein ChatGPT, gut zehn Prozent der Weltbevölkerung. In Deutschland sind es knapp zwei Drittel aller Kinder und Jugendlichen. Zwar ist es das Privileg der Jugend, sich neuesten Entwicklungen weniger misstrauisch zuzuwenden als Ältere, schon allein, weil sie mit Technologie aufgewachsen sind. Die mangelnde Distanz führt jedoch zu einer riskanten Nähe und beunruhigenden Vertrautheit, die Kinder und Jugendliche heute wie selbstverständlich sagen lässt, sie hätten sich mit ChatGPT „unterhalten“.

Mehr: www.faz.net.

Das christliche Menschenbild bildet den ethischen Kern

Auch Thomas Söding, katholischer Neutestamentler, hat auf den Beitrag von Friedrich Wilhelm Graf reagiert und eine Form des Naturrechtsdenkens gegen ihn verteidigt (FAZ, 11.08.2025, Nr. 184, S. 11). Er schließt sich der Sichtweise von Ernst-Wolfgang Böckenförde an: „Der Rechtsstaat verleiht die Menschenwürde nicht, sondern garantiert sie. Er hat keine Definitionshoheit über sie, sondern muss sich auf Normen und Werte, auf Überzeugungen und Argumente beziehen, die seine Gesetze begründen und deren Befolgung mit Leben erfüllen.“ 

Auch darin stimme ich ihm zu:

Das „christliche Menschenbild“ ist der ethische Nukleus. Die biblische Anthropologie spannt von der Erschaffung über die Versuchung bis zur Vollendung des Menschen, vom Sündenfall bis zur Vergebung, von den Klageschreien bis zu den Seligpreisungen einen universalen Spannungsbogen, der jeden Rassismus, jeden Nationalismus, jeden Darwinismus in die Schranken weist. Es ist eine uralte Tradition, das Menschsein nicht an Eigenschaften festzumachen, nicht an Intelligenz, Status, Geschlecht oder Religion, sondern am Menschsein selbst, theologisch: an der Bejahung durch Gott, der Leben schenkt und erhält.

Diese Glaubensüberzeugung muss in den Kirchen – durch Theologie – immer wieder bedacht und vermittelt werden; die Gesellschaft hat darauf einen Anspruch, die Politik profitiert davon. Wenn dies geschieht, sind die Kirchen ein konstruktiver Faktor im Aufbau des politischen Gemeinwesens. Deshalb liegt es im Eigeninteresse des demokratischen Rechtsstaates, Religionsfreiheit zu garantieren – nicht nur den Kirchen. Die Option für die Armen, die Solidarität mit den Leidenden, die Hoffnung für die Toten sind nicht exklusiv, aber positiv christliche Orientierung, die sozialethische Kraft entwickelt und dadurch auch das Recht beeinflusst, vom Recht auf Leben bis zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums.

In derselben Konsequenz kann es aber auch Abgeordneten nicht verwehrt werden, sich bei parlamentarischen Abstimmungen in Gewissensfragen auf das zu beziehen, was ihnen ihr Glaube sagt. Der Schutz des ungeborenen Lebens war, ist und bleibt der empfindlichste Punkt, an dem der Staat seine Aufgabe zu erfüllen hat, die Menschenwürde zu schützen und Rechtsfrieden zu garantieren.

Das Grundgesetz ist nicht gottgegeben, sondern „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ vom Souverän erlassen, dem „Deutschen Volk“. Diese Verantwortung zu deuten, ist die Aufgabe der Rechtswissenschaften, ihr zu entsprechen, die der Legislative wie der Exekutive, sie zu sichern, die der Rechtsprechung. Die Aufgabe der Theologie ist es nicht, sich aus dem öffentlichen Diskurs der Politik und der Jurisprudenz zurückzuziehen, sondern nachzuweisen, dass und wie die Kirchen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fördern, die Menschenwürde verteidigen, die Menschenrechte begründen, der Gerechtigkeit dienen und gleichzeitig helfen, die Versuchung der Überhöhung politischer Macht zu bestehen.

Grundrechte oft nicht mehr als Abwehrrechte gegen den Staat verstanden

Diese Aussage von Christoph Degenhart, emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Leipzig und ehemaliger Richter am sächsischen Verfassungsgerichtshof, sollte nachdenklich stimmen:

Dass man sich mit den potenziellen Richtern und Richterinnen auch öffentlich befasst, liegt sicher auch daran, dass man sich zusehends bewusst wird, welche Bedeutung das Bundesverfassungsgericht für Politik und Gesellschaft hat. Das liegt auch daran, dass das Gericht von Anfang an und gerade auch in jüngster Zeit über seine Kompetenzen seine Gestaltungsmacht kontinuierlich erweitert hat.

Beispielsweise über seine Rechtsprechung zu den Grundrechten. Im Bestreben um perfektionierten Grundrechtsschutz lässt sich eine immer stärkere Tendenz beobachten, die Grundrechte zusehends nicht nur als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat zu begreifen, sondern umgekehrt als Grundlage für staatliche Eingriffe in Grundrechte der Bürger.

Mehr: www.nzz.ch.

Nochmal: Der Mensch und das Naturrecht

Der Moraltheologe Peter Schallenberg hat erfreulicherweise den hier im Blog schon thematisierten Artikel „Das Grundgesetz ist nicht von Gott gesetzt“ von Friedrich Wilhelm Graf (ebenfalls in der FAZ) inhaltlich widerlegt. Er nutzt dafür interessanterweise eine existenzialistische Argumentationsfigur (aus dem Da-Sein entfaltet sich das So-Sein) und ein Kant-Argument (der Wert eines Menschen kennt keinen Preis). Inhaltlich stimme ich zu: die Menschenwürde ist unbedingt. Es ist kein naturalistischer Fehlschluss zu meinen, „es sei oberste Aufgabe der Verfassung, das unbedingte Lebensrecht jedes Menschen vom frühestmöglichen Zeitpunkt der Individuation bis zum spätestmöglichen medizinischen Ende zu garantieren. Es ist vielmehr modernes Naturrecht als Personrecht.“

Hier ein Auszug aus „Der Mensch als unverzichtbares Wesen der Gesellschaft“ (FAZ, 07.08.2025, Nr. 181, S. 9):

Die bisherige Rechtsprechung relativiert nicht die Menschenwürde des ungeborenen Menschen gegenüber der Mutter, sondern verzichtet lediglich auf die Strafverfolgung im Fall der Rechtswidrigkeit – ein ungewöhnlicher, aber nicht undenkbarer Vorgang. Das Strafrecht sieht sich außerstande, eine rechtswidrige Tat zu ahnden, nicht mehr und nicht weniger. Daraus lässt sich aber keine Abstufung des Lebensrechtes oder eine Relativierung der Menschenwürde ableiten. Das ist nämlich auch der Sinn des Artikels 1 GG: Die Würde des Menschen ist selbstverständlich nicht nur unantastbar für den Staat, sie ist auch unantastbar für den Mitmenschen und für den Menschen selbst (weswegen Selbsttötung eben nicht eigentlich eine Freiheitstat, sondern ein Abbruch der Freiheit zum Leben ist).

Das alles ist nicht zuerst christlich (und schon gar nicht katholisches Exoticum wie eine Fronleichnamsprozession) und erst recht nicht „rechts“ im Unterschied zu „links“. Qualität folgt vielmehr der Quantität, Da-Sein entfaltet sich zum So-Sein. Jeder Mensch hat das unbedingte Recht auf Überleben, am frühesten Anfang des Lebens als soeben befruchtete Eizelle, als Embryo und als menschliche Person. Und am spätestmöglichen Ende des Lebens, möglicherweise dement und inkontinent und schwerst pflegebedürftig: aber vollkommen unbezweifelbar als liebenswürdige Person. Was christlich Gottebenbildlichkeit heißt, nennen die Philosophie und das Naturrecht Menschenwürde: unbezweifelbar und unbedingt. Dies ist kein naturalistisch-biologistischer Fehlschluss, wie die Befürworter einer liberalen Regelung des Abtreibungsrechts behaupten, sondern Ausdruck der Grundüberzeugung unseres Grundgesetzes, dass von Natur aus – daher Naturrecht – jeder Mensch leben will und leben soll. Darin liegt seine unantastbare Menschenwürde als Person.

Und diese Menschenwürde, verstanden als Ausnahme und Herausnahme in einer Welt der Dinge und der Gebrauchsgegenstände, ist eben nicht, wie Frauke Brosius-Gersdorf meint, zu trennen vom Lebensrecht. Spitzfindig meint sie, dem frühen Embryo komme wohl Lebensrecht, aber nicht Menschenwürde zu, da sonst jede Form der Abtreibung unerlaubt sei. Ungewollt trifft sie in der Tat den kantianischen Nagel auf den Kopf: In der Tat ist nach Immanuel Kant jede direkte Tötung eines Menschen immer und überall unerlaubt, weil ihr eine Bewertung und damit eine Verzwecklichung der Menschenwürde vorangeht. Diese strikten Ansichten zum Lebensschutz haben auch unser Grundgesetz mit den unveräußerlichen Grundrechten wesentlich geprägt. Und hier ist eben keine „Politik des Kompromisses“ möglich, wie Graf im Anschluss an Hans Kelsen nahelegt. Vielmehr meint ein modernes und doch striktes Naturrecht: Jeder Mensch ist von Natur aus aus der Welt der Gegenstände und Zwecke ausgesondert, und daher also ist nach dem Naturrecht, unabhängig von Glauben und Konfession, jede direkte Tötung eines unschuldigen Menschen immer und überall unerlaubt.

Die einzige Ausnahme ist der Fall der Notwehr bei schuldigem Angreifer, was offenkundig für das unschuldige ungeborene Kind nicht zutrifft, dessen einzige „Schuld“ es sein könnte, ungewollt und ungeplant oder schwer behindert zu sein.

Die aktuelle Debatte um das „Naturrecht“

Nach Auffassung des sogenannten Rechtspositivismus gilt als Recht allein das, was der Gesetzgeber als solches verabschiedet hat. Eine Beurteilung des Rechts an moralischen Maßstäben verbietet sich in rechtspositivistischen Gesellschaften, weil es keine einheitlichen Moralvorstellungen gibt. Kurz: Jegliches Recht ist von Menschen gemacht.

In Abgrenzung zu diesem Rechtspositivismus vertritt das Naturrecht, dass Recht und Moral nicht so einfach voneinander getrennt werden können. Etwas ist Recht oder Unrecht, weil es uns mit der Natur gegeben ist. Die Natur lehrt demnach gewisse Dinge. Zum Beispiel lehrt sie uns (oder – reformatorischer gesprochen: Gott lehrt durch seine Schöpfung), dass Menschen sterblich sind. Oder Eltern die Kinder wegzunehmen, ohne das es dafür schwerwiegende Gründe gibt, ist Unrecht – egal was das positive Recht dazu sagt. Alle vom Menschen gemachten Gesetze müssen an der Moral gemessen werden. Nur Gesetze, die diesen moralischen Ansprüchen genügen, können den Anspruch erheben, befolgt zu werden. So waren viele Gesetze der Nationalsozialisten – etwa die Rassengesetze – objektives Unrecht.

Der Philosoph Robert Spaemann (1927–2018) hat einmal gesagt („Warum gibt es kein Recht ohne Naturrecht?“, in: Hanns-Gregor Nissing (Hg.), Naturrecht und Kirche im säkularen Staat, 2016, S. 27–34, hier S. 27, ich habe das alles schon mal hier dargelegt):

Nach den grauenhaften Tyranneien des 20. Jahrhunderts ist der Rechtspositivismus eigentlich kaum zu retten. Er ist eine Schönwettertheorie. Er entzieht der Verurteilung von Staatsverbrechen jede objektive Grundlage. Wenn der Wille des Gesetzgebers an keinen ihm vorgegeben Maßstab des Richtigen und des Falschen, des Guten und des Schlechten gebunden ist, und wenn die Verkündigung im Gesetzblatt eines Staates die höchste Legitimation der Gesetze ist, dann kann es keine Rechtfertigung geben, die den Bürger auf irgend eine Weise im Gewissen binden kann.

Trotz dieses offensichtlichen Problems (und der dramatischen Entwicklungen im Dritten Reich) hat sich in Deutschland der Rechtspositivismus durchgesetzt. Professor Dr. Klaus Ferdinand Gärditz (Friedrich-Wilhelms Universität Bonn) erklärte zum Beispiel kürzlich in „Für den Stammtisch ungeeignet“ (FAZ, 31.07.2025, Nr. 175, S. 6) anlässlich der Auseinandersetzung um Frauke Brosius-Gersdorf:

Die große Leistung positiver Grundrechte besteht nicht darin, angeborene Rechte zu garantieren. Anachronistisches Naturrechtsdenken spielt im gegenwärtigen Staatsrecht aus gutem Grund keine Rolle mehr. Grundrechte ordnen nicht die Welt manichäisch in Gutes und Schlechtes. Sie verteilen vielmehr Argumentationslasten und rationalisieren den politischen Umgang mit allgegenwärtigen Freiheitskonflikten. Grundrechtsdogmatisch gibt es zunächst einmal nichts per se Verbotenes. Was nicht durch verfassungskonforme Regelung verboten ist, bleibt erlaubt. Grundrechte zwingen daher den Staat zur qualifizierten Rechtfertigung, wenn er in Schutzbereiche eingreifen will. Rechtfertigung verlangt wiederum Differenzierung.

Der Theologe Friedrich Wilhelm Graf hat wenige Tage später in „Das Grundgesetz ist nicht von Gott gesetzt“ dem Naturrechtsdenken ebenfalls eine Abfuhr erteilt (FAZ, 04.08.2025, Nr. 178, S. 9): 

Gerade in deutschen Debatten war „Naturrecht“ immer ein konfessionell heftig umstrittener Begriff. Für katholische Moraltheologen spielte er seit dem Neothomismus des späten neunzehnten Jahrhunderts eine zentrale Rolle, wohingegen ihn prominente protestantische Theologen vehement ablehnten. Denn „Natur“ ist mit Blick auf den möglichen normativen Bedeutungsgehalt ein höchst vieldeutiges, vages Konzept. Die Vorstellung, dass aus wie auch immer näher bestimmtem naturalem Sein Sollensforderungen abgeleitet werden können, führt in Debatten über den „naturalistischen Fehlschluss“ (G. E. Moore), in dem das komplexe, opake Verhältnis von Fakten und Normen einseitig durch Vorordnung von Faktizität zu bestimmen versucht wird. Zu den kritisierten Positionen von Frauke Brosius-Gersdorf gehört ihr Rückgriff auf diese Figur logischer Kritik unausweisbarer Vorannahmen bei der Bestimmung des Beginns des Menschenwürdeschutzes.

Graf ergänzt: „Besonders üble Folgen hatten Naturrechtsmuster in der Sexualethik, wurden hier etwa außerehelicher Geschlechtsverkehr oder gleichgeschlechtliche Liebe als ‚widernatürlich‘ und deshalb sittlich verwerflich denunziert.“

Graf hat die Probleme einer rein positivistischen Rechtsauffassung nicht einmal erörtert. Davon abgesehen hat er völlig übersehen, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages das geschütze Recht haben, auf ihr Gewissen zu hören. Politikern, die der Berufung Frauke Brosius-Gersdorf aus Gewissensgründen nicht zustimmen konnten, vorzuwerfen, moralisch überheblich zu agieren, ist geradezu absurd. Stefan Rehder schreibt dazu:

In seinem mit „Das Grundgesetz ist nicht von Gott gesetzt“ überschriebenen Beitrag (FAZ v. 4. August 2025) fährt der emeritierte evangelische Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf scheinbar schwere Geschütze zur Verteidigung der Potsdamer Rechtswissenschaftlerin Frauke Brosius-Gersdorf auf, deren Eignung für einen Richterposten beim Bundesverfassungsgericht von vielen bestritten und von noch mehr anderen in Zweifel gezogen wird.

Eingebettet in einen den Odor professoraler Gelehrsamkeit verströmenden, bei näherer Betrachtung jedoch reichlich hemdsärmeligen und willkürlich zusammengestückelten Abriss des deutschen Naturrechts-Diskurses, reitet Graf eine scharfe Attacke auf die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker. Der Katholikin wirft der Protestant vor, die eigene Partei beschädigt zu haben, was für einen Politiker der Höchststrafe gleichkommt. Damit nicht genug: Graf fragt auch noch, ob Winkelmeier-Becker „einen neuen Kulturkampf zwischen Protestanten und Katholiken provozieren und damit den Koalitionsfrieden gefährden“ wolle. Das ist starker Tobak. Schon deshalb, weil sich Grafs Beitrag selbst als Einladungsschreiben zu einem solchen Kulturkampf lesen lässt.

Tatsächlich überraschen muss jedoch anderes. Und das betrifft Grafs für einen Ethiker erstaunlich unzureichende Einlassungen zum Wahlverfahren, zur demokratischen Legitimation und zur Freiheit des Gewissens. Gemäß Artikel 38, Absatz 1, Satz 2 des Grundgesetzes sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Dass Gott nicht das Grundgesetz geschaffen hat, bedeutet nicht, dass ein Theologe dieses ignorieren darf. Aber genau das tut Graf, wenn er behauptet, die CDU-Abgeordnete Winkelmeier-Becker hätte „demokratische Institutionen wie den Wahlausschuss“ „delegitimiert“ und oberlehrerhaft hinzufügt: „Klar vereinbarte Abmachungen aufzukündigen entspricht jedenfalls nicht den Verlässlichkeitsregeln, deren Einhaltung geboten ist, wenn man in einer Regierungskoalition den pragmatischen Konsens der ethisch verschieden Denkenden zu organisieren hat.“

Retrievalismus und das Evangelium

Kürzlich hat Owen Strachen einen Essay zur Bewegung des „Retrievalismus“ auf der Plattform Substack veröffentlicht. Anlass gab der Konfessionswechel von Matthew Barrett (vgl. hier). Mit seiner freundlichen Genehmigung gebe ich den Text nachfolgend in deutscher Sprache wieder. Nicht jeden einzelnen Punkte sehe ich so wie der Autor. Doch insgesamt halte ich das Essay für einen hilfreichen Diskussionsbeitrag. 

Die Welt neu verzaubern

„Es war wirklich schwer für mich, protestantisch zu bleiben“: Über „Retrievalismus“ und das Evangelium

Erst letzte Woche gab der Theologe Matthew Barrett bekannt, dass er nun anglikanisch ist. Barrett, der als Baptist bekannt geworden ist, hat sich der anglikanischen Lehre und Ekklesiologie angeschlossen. Sein Austritt aus der Southern Baptist Convention ist bemerkenswert, da Barrett in den letzten Jahren ein ausgesprochener Verfechter einer theologischen Strömung war: dem „Retrievalismus“.

Im folgenden Essay möchte ich eine damit zusammenhängende – und bemerkenswerte – Angelegenheit schildern. Es handelt sich um eine bisher unbekannte Geschichte (zumindest unter Baptisten und Evangelikalen) eines jungen Seminaristen, der das Seminar besuchte, an dem Barrett lehrte, in einem Theologiekurs mit der Patristik in Berührung kam und schließlich zum römischen Katholizismus konvertierte. Diese Geschichte veranlasst uns meiner Meinung nach, kritische Fragen zum Retrievalismus-Paradigma zu stellen.

Hier ist eine, die wir stellen müssen: Führt das System des Retrievalismus dazu, dass einige baptistische und evangelikale Studenten die baptistische und evangelikale Bewegung verlassen? Nur wenige haben in letzter Zeit eine solche Frage gestellt, obwohl der Retrievalismus unter Baptisten und Evangelikalen weit verbreitet ist und enthusiastisch gefördert wird. Doch dieser besondere Moment zwingt uns, diese Frage zu stellen, und zwar mit Dringlichkeit.

Ich möchte vorab einige Dinge klarstellen: 1) Ich wünsche Matthew Barrett alles Gute und bete für ihn und für den Studenten, der zum römischen Katholizismus konvertiert ist. 2) Ich habe keinen Streit mit vielen gottesfürchtigen Angestellten und Fakultätsmitgliedern meines früheren Seminars in Kansas City, einer Schule, für die ich Gott dankbar bin. 3) Ich habe auch keinen Streit mit dem Anglikanismus oder der Anglican Church in North America (ACNA), da ich persönlich in vielerlei Hinsicht von der anglikanischen Bewegung profitiert und im Laufe der Jahre viel von Persönlichkeiten wie J.I. Packer, John Stott, J.C. Ryle und vielen anderen gelernt habe. 4) Wie bereits erwähnt, ist es nicht meine Absicht, mit einer bestimmten Person zu streiten, sondern öffentlich über Fragen der öffentlichen Lehre und der öffentlichen Meinungsbildung nachzudenken.

Was ist Retrievalismus?

Ich möchte nun unsere Aufmerksamkeit auf den sogenannten „Retrievalismus” richten. In diesem System „gewinnt” man die Weisheit der christlichen Vergangenheit zurück, indem man sich auf die Hermeneutik und Lehre vergangener Generationen konzentriert. Dies bedeutet in der Regel eine Betonung der frühen Kirche und der mittelalterlichen Kirche, die in evangelikalen Kreisen als zu wenig erforscht und zu wenig gewürdigt angesehen werden.

In Wirklichkeit geht es in dieser Diskussion um mehr, als es den Anschein hat. Die Rolle der historischen Theologie in der Lehr- und Glaubensbildung steht im Mittelpunkt der retrievalistischen Argumentation. Zu diesem Thema gibt es meiner Meinung nach mindestens vier lose miteinander verbundene Positionen. Hier sind sie:

Historische Theologie ist unwichtig: Dies würde zum Lager „No Creed But the Bible“ passen, obwohl diese Gruppe heutzutage nur noch sehr klein ist. Sie betont, dass Glaubensbekenntnisse und Bekenntnisschriften kein bedeutender Teil der christlichen Bildung sind; darüber hinaus ist die Kirchengeschichte selbst weitgehend ignorierbar, abgesehen von den wenigen Persönlichkeiten oder Kirchen, die mit der eigenen Lehre übereinstimmen.

Historische Theologie ist wichtig und wertvoll: Die Anhänger dieser Position schätzen die Ansichten und die Weisheit der Kirche sehr. Im Seminarunterricht und in der kirchlichen Lehre würdigen sie die Erkenntnisse der Glaubensbekenntnisse und Bekenntnisschriften und messen insbesondere den konziliaren Vorgaben der vier ökumenischen Konzilien einen hohen Stellenwert bei. Sie lesen Theologen verschiedener Konfessionen und Epochen und finden eine sinnvolle Einheit mit allen, die das Wort und das Evangelium lieben.

Sie betrachten jedoch die Glaubensbekenntnisse und Bekenntnisse der Kirche nicht als unfehlbar, sie haben gelegentlich Meinungsverschiedenheiten mit bestimmten Formulierungen in der historischen Theologie und betonen die Notwendigkeit der biblischen Genugsamkeit in der theologischen Methode. Die historische Theologie ist somit ein wertvoller Lehrbildner, Gesprächspartner und Zeuge. Im geistlichen Leben und in der Glaubensbildung ist die historische Theologie jedoch ein Diener (ein äußerst wertvoller), aber niemals unser Herr.

Historische Theologie ist sehr wichtig und entscheidend: Die Anhänger bekennen sich zu den großen Glaubensbekenntnissen und Bekenntnisschriften, die sie als Leitplanken für die Glaubenslehre betrachten – zwar als sekundäre, aber vertrauenswürdige Autorität. Wo die Konzile der Geschichte gesprochen haben, ist die Theologie der Kirche weitgehend festgelegt. Meinungsverschiedenheiten mit wichtigen Bekenntnisschriften sind möglich, werden aber sehr zurückhaltend behandelt.

Die oben genannten Bekenntnisschriften sind sehr eng mit der Identität der Gruppe verbunden, und die Identität der Gruppe wird oft anhand ihres Bekenntnisses beschrieben. In jüngerer Zeit hat die vierte Gruppe – die unten skizziert wird – einen erheblichen Einfluss auf die dritte Gruppe ausgeübt und sie dazu gedrängt, die retrievalistische Vision einer dogmatischen Synthese zwischen der frühen und der mittelalterlichen Kirche zu übernehmen. Es ist noch nicht klar, wie sich dieser Trend weiterentwickeln wird.

Die historische Theologie ist entscheidend für die Glaubensbildung: Dies ist die Position des Retrievalismus [also der „Wiederbelebungsbewegung“, Anm. R.K.]. Natürlich vertreten nicht alle Anhänger diese Position in gleicher Weise oder mit gleicher Intensität; einige sind großzügiger als andere. Dennoch argumentiert der starke Flügel dieses protestantischen Lagers, dass die ökumenischen Konzilien und Glaubensbekenntnisse zweifelsfrei maßgebend sind.

Dies ist eine auffallend ähnliche Sichtweise der Glaubensbekenntnisse und Konzilien wie die katholische Position. Für die stärksten Vertreter des protestantischen Retrievalismus sind keine Abweichungen von den Glaubensbekenntnissen zulässig. Wenn ein Konzil oder ein Glaubensbekenntnis sich zu Fragen wie dem Willen Gottes oder dem Abstieg Christi in die Hölle geäußert hat – Fragen, die einer sehr sorgfältigen Auslegung bedürfen –, ist die Position geklärt.

Einige Retrievalisten – wenn auch nicht alle – gehen sogar noch weiter. Sie behaupten, dass Glaubensbekenntnisse als unfehlbar behandelt werden sollten. Dies ist freilich ein Fehler, und zwar ein folgenschwerer: Während viele Dokumente fehlerfrei sind, hängt die Unfehlbarkeit von der Ontologie ab. Die Heilige Schrift ist gemäß 2. Timotheus 3,16 das einzige von Gott inspirierte Buch oder Dokument, und daher sind nur die Autographen der Heiligen Schrift unfehlbar.

So gibt es auch eine glorreiche Synthese zwischen der frühen und der mittelalterlichen Kirche. Diese Synthese umfasst die Glaubensbekenntnisse und theologischen Erkenntnisse von Athanasius, Augustinus, Anselm und Thomas von Aquin. Thomas von Aquin wird von vielen Retrievalisten als der par excellence Verfasser der Lehre angesehen. In seinen Schriften erreicht die Ausbeute der eigentlichen Theologie (und anderer loci der Lehre) über die Jahrhunderte hinweg ihren Höhepunkt.

In den letzten Jahren war es schon seltsam zu sehen, wie der führende Theologe der katholischen Tradition als der größte Theologe der protestantischen Tradition gepriesen wurde. Thomas von Aquin hat sich über eine Reihe von ethischen Bereichen in guter Weise Gedanken gemacht und kann in mancherlei Hinsicht mit Gewinn gelesen werden. Aber mit Aquinas sollte man sehr vorsichtig umgehen, denn wie ich an anderer Stelle geschrieben habe, ist er der wichtigste Normgeber der sakramentalen Theologie des Katholizismus, einem System der Soteriologie, das in unüberbrückbarem Widerspruch zur biblischen Rechtfertigung und biblischen Heiligung steht, wie sie von den Reformatoren wiederentdeckt wurden.

Die Debatte über den Retrievalismus ist eine Debatte über die Methode

Wie ich immer wieder betone, ist die Debatte über den Retrievalismus nicht einfach eine Debatte über die Lehre. Es ist in erster Linie eine Diskussion über die Methode. Die Bedeutung der Methode wird in Barretts Substack-Essay deutlich. Darin nennt Barrett seine Abneigung gegen die Politik der Southern Baptist Church, seine neu entdeckte Liebe zur anglikanischen Liturgie und die herzliche Gemeinschaft in seiner örtlichen anglikanischen Kirche als ausschlaggebende Faktoren für seine Konversion. Am meisten fiel mir jedoch seine Begründung für die Annahme der Kindertaufe auf:

Nachdem ich festgestellt hatte, dass dies nicht den gesamten Kanon erklären konnte, musste ich mich auch fragen: „Hat die gesamte Kirche eineinhalb Jahrtausende lang die Kinder von Gläubigen zu Unrecht getauft? Wurde die Gläubigentaufe von den Aposteln gelehrt, nur um dann unter der Aufsicht der größten Theologen der Kirche zu verschwinden und erst im 16. Jahrhundert wieder aufzutauchen?“ Für jemanden, der es mit der Katholizität ernst nimmt, war diese Pille zu bitter, um sie zu schlucken.

Versteckt in einem einzigen Absatz über die Taufe, ist dies eine äußerst wichtige Aussage. Kurz gesagt ist dies ein zentrales Argument der Katholiken gegen den Protestantismus. Es handelt sich nicht um eine kleine oder beiläufige Anschuldigung. Noch bevor die Tinte auf Luthers berühmten Thesen, Calvins Institutio und Zwinglis eigenen Thesen getrocknet war, hatten katholische Theologen ihre schwerwiegendste Anschuldigung gegen die Reformatoren erhoben: Ihre Lehre sei neuartig.

Wir sollten das Gewicht dieser Herangehensweise an die Lehre nicht unterschätzen. Die katholische Kirche setzte diese Waffe der Anklage gegen die reformatorische Wiederherstellung der Autorität der Schrift und die rechtliche und von Gott verordnete Natur der Rechtfertigung allein durch den Glauben ein. Die Kirche hatte über etwa 1500 Jahre hinweg einen Konsens geschmiedet; wie konnte ein einzelner Mensch mit einer so eisernen Einheit des Denkens brechen?

In Barretts Essay taucht dieses äußerst katholische Argument – seltsamerweise – erneut auf. In Wahrheit hatten die Reformatoren in vielerlei Hinsicht Recht, mit Rom zu brechen. Sie lehnten die mittelalterliche Soteriologie, die mittelalterliche Bibliologie und verschiedene Elemente der mittelalterlichen Ekklesiologie ab (ganz zu schweigen von zahlreichen anderen Bereichen). Der grundlegende Bruch erfolgte jedoch bereits vor diesen Entwicklungen. Die Reformatoren brachen mit Rom wegen der Methode.

Es reichte nicht aus, einen historischen Konsens zu haben und diesen zu überwachen. Die Reformatoren erkannten, dass Rom keine Autorität über den Verstand und das Gewissen hatte. Allein das Wort Christi hatte Autorität über den Verstand und das Gewissen. Das bedeutete nicht, dass der historische Konsens für die Reformatoren keine Rolle spielte; es bedeutete jedoch, dass die historische Theologie bei der Glaubensbildung nicht gleichrangig mit der Heiligen Schrift behadelt wurde. Aus dieser hermeneutischen und methodologischen Überzeugung entstand die Bewegung, die wir Protestantismus nennen.

Das Zeugnis eines Studenten: „Es war wirklich schwer für mich, protestantisch zu bleiben.“

Springen wir nun in die Gegenwart. Wie von einigen befürwortet, hat der Retrievalismus die klaren Grenzen, die von den Reformatoren gezogen wurden, verwischt. Dies geschah jedoch nicht nur in theoretischer Hinsicht, in einigen Debatten im Klassenzimmer. Der Retrievalismus ist in die Tat umgesetzt worden. Das ist unvermeidlich, denn Ideen bleiben schließlich nicht lange theoretisch. Was im Unterricht gelehrt wird, findet irgendwann Eingang in den Alltag.

Während einige Studenten sich mit den Ideen und Quellen des Retrievalismus auseinandersetzen, fühlen sie sich zur Hochkirche hingezogen – und sogar zum römischen Katholizismus selbst. Im Folgenden werde ich ein solches Beispiel aus dem wirklichen Leben nachzeichnen. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes namens Jeremiah Zimmerman. Aufgewachsen in der Assemblies of God, trat er im Sommer 2021 in das Priesterseminar ein und veröffentlichte dieses Foto auf seinem Instagram-Account.

Zu diesem Zeitpunkt bekundete Zimmerman noch klare evangelikale Überzeugungen. Sein Instagram-Account lässt daran keinen Zweifel. Weniger als zwei Jahre später wurde Zimmerman jedoch – nach seinem eigenen öffentlichen Bekenntnis – in die katholische Kirche aufgenommen. Hier ist das Foto, das er von diesem Ereignis gepostet hat.

Zimmermans Wandel war keine Kleinigkeit. Er wurde von der katholischen Zeitschrift Southern Nebraska Register über seine neu gefundenen katholischen Überzeugungen interviewt. In dem Artikel über Zimmerman wird sein Wandel wie folgt beschrieben:

Er fand Trost in der biblischen Grundlage und der intellektuellen Tiefe des protestantischen Glaubens. Sein leidenschaftliches Interesse an der Heiligen Schrift und der Theologie veranlasste Freunde und Pastoren, ihn zu ermutigen, selbst Pastor zu werden.

Zimmermans spirituelle Reise nahm jedoch eine unerwartete Wendung, als er sich mit den Schriften der frühen Kirchenväter befasste. Die alten Texte enthielten tiefgründige Erkenntnisse, die sein bestehendes theologisches Weltbild in Frage stellten. Eine Persönlichkeit, die Zimmermans Aufmerksamkeit auf sich zog, war der heilige Athanasius, insbesondere seine Schriften über die Menschwerdung Gottes.

Während seines Studiums am Midwest Baptist Theological Seminary in Kansas City stellte Zimmerman seine protestantische Identität in Frage, als er sich tiefer in theologische Untersuchungen vertiefte.

In einem Podcast-Interview mit Zimmerman über seine Konversion zum Katholizismus fiel mir auf, dass er die Frage der Taufe als „Auslöser” für seine neu gefundenen Überzeugungen nannte. Er verwies auch auf seine Lektüre als Tor zum Katholizismus:

An der Schule, die ich besuchte, dem baptistischen Seminar, lasen wir die patristischen Väter wie den heiligen Gregor von Nazianz, den heiligen Cyrill von Alexandrien, den heiligen Athanasius von Alexandrien und den heiligen Augustinus, und wir lasen Scholastiker wie den heiligen Anselm und den heiligen Thomas von Aquin, und je mehr ich las, desto schwieriger wurde es für mich, protestantisch zu bleiben. Da wusste ich, dass ich nicht mehr protestantisch sein konnte, denn wenn ich protestantisch geblieben wäre, hätte ich mich einer sehr, sehr spezifischen traditionellen Gruppe anschließen müssen, die so klein ist, dass sie sich in ihrer Katholizität selbst widerspricht …

Zimmermans Begegnung mit der Patristik „in meinem Theologiekurs am Baptisten-Seminar“ hatte eine wegweisende Wirkung auf ihn (er zitierte Athanasius‘ Werk über die Inkarnation als einen starken Einfluss). Aber nicht nur ihn. Zimmerman fuhr fort: „Ich bin nicht der Einzige aus dieser Schule, der konvertiert. Es gibt noch andere, die ebenfalls dabei sind, [zum Katholizismus] zu konvertieren“, an seiner ehemaligen Schule, eine Behauptung, die ich weder beweisen noch widerlegen kann.

Wie sollen wir mit diesen Entwicklungen umgehen?

Die vorangegangenen Gedanke führen mich zu acht Überlegungen. Ich werde sie hier in schneller Folge aufzählen.

Erstens sollten wir den Retrievalismus sorgfältig evaluieren. Es handelt sich nicht um ein narrensicheres System. Es ist durchaus möglich, die Methode des Retrievalismus anzunehmen und ihr bis zum anglikanischen Hochkirchentum oder nach Rom zu folgen. Es wird einmal mehr deutlich (wie schon in früheren Zeiten), dass der Retrievalismus verschiedene Menschen auf unterschiedliche Weise beeinflusst und einige dazu veranlasst, die baptistische Welt zu verlassen, während andere sich ganz vom Protestantismus abwenden.

Zweitens sollten wir die Studenten im Wort verankern. Anstatt die Studenten dazu zu erziehen, uns zu folgen und unserer bevorzugten Gruppe zu vertrauen, tun wir gut daran, sie dazu zu erziehen, der Stimme Gottes in der Schrift zu folgen (vgl. Ps 119,97). Das bedeutet, wie ich bereits gesagt habe, den Studenten eine wirklich exegetisch orientierte Methode vorzuleben. Eine genaue Auslegung der Schrift bildet unsere Theologie und führt zu biblisch-theologischen Schlussfolgerungen, systematischen Überzeugungen, einer biblischen Ethik und einer Weltanschauung, die auf dem Wort Gottes basiert.

Drittens sollten wir uns der historischen Theologie mit großer Sorgfalt nähern. Die historische Theologie ist von großem Wert. Ich sage das nicht nur so, sondern habe Bücher wie dieses veröffentlicht, die sich direkt mit historischer Theologie befassen. Ich habe zahlreiche Kurse in Kirchengeschichte und historischer Theologie unterrichtet, darunter die gesamte Kirchengeschichte, die Geschichte der Baptisten und die Geschichte der Neo-Evangelikalen. Dieser Bereich der Ausbildung ist von entscheidender Bedeutung.

Aber die historische Theologie muss der exegetischen Theologie als Königin der Disziplinen den Vortritt lassen. Dabei geht es nicht nur um die Lehre, die wir vertreten, sondern auch um unsere Methode (um noch einmal ganz klar zu sein). Wir bringen die historische Theologie und die Kirchengeschichte unbedingt mit in den Raum der Glaubensbildung.

Doch wir müssen in diesem Punkt ganz klar sein: Der Grund, warum wir eine bestimmte theologische Position vertreten, sollte nicht darin liegen, dass ein Glaubensbekenntnis sie vertritt. Der Grund, warum wir eine bestimmte theologische Position vertreten, sollte letztlich immer darin liegen, dass das Wort Gottes – so gut wir es nachvollziehen können – uns dazu zwingt, es so zu sehen. Gottes Wort allein bindet das Gewissen; Gottes Offenbarung allein lehrt uns die göttliche Wahrheit; Gottes Wort allein hat den Ehrenplatz in der theologischen und geistlichen Bildung.

Keine historische Quelle, keine Schule der historischen Theologie und kein geschätzter Theologe darf die Bibel von ihrer autoritativen Rolle als Regel unserer Lehre verdrängen. Das ist ganz einfach eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf.

Viertens sollten wir uns von [einer falsch verstandenen] Ökumene fernhalten und das Evangelium bewahren. Ich muss diese Frage nicht weiter ausführen, aber sie ist nicht verhandelbar. Wenn wir „das gute Vermächtnis“ (2Tim 1,13–14) nicht bewahren, werden alle unsere Bemühungen letztlich vergeblich sein. Können wir einige Theologen aus der katholischen Tradition lesen? In bestimmten Fragen können wir das. Aber sollten wir dabei immer vorsichtig sein? Ja, das sollten wir. Denn wenn wir zwar im Kern nicänisch sind, aber nicht sola fide auf der Grundlage von solus Christus lehren, werden wir weder das Evangelium bewahren noch den Gott ehren, der es uns zur Bewahrung gegeben hat.

Fünftens sollten wir Demut, Nächstenliebe und Ehre pflegen. Abgesehen von unserer Hermeneutik und formalen Lehre dürfen wir nicht den Fehler begehen, die Pflege eines gottgefälligen Charakters zu vernachlässigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Lehre nicht von der persönlichen Frömmigkeit (die wiederum nicht vom Evangelium und seinen Auswirkungen zu trennen ist) getrennt werden kann.

Wir mögen richtige Überzeugungen haben (oder auch nicht), aber der christliche Glaube endet nicht mit der Unterzeichnung eines Blattes Papier, auf dem Glaubenssätze niedergeschrieben sind. Der christliche Glaube legt Wert auf die Frucht des Geistes (vgl. Gal 5,22–23), denn die Lehre dient der Freude und die Suche nach der Wahrheit dient der Anbetung.

Sechstens sollten wir die zahlreich vorhandenen Ironien des Retrievalist-Systems erkennen. Lassen Sie mich dazu kurz einige Beispiele im Zusammenhang mit der Betonung des „Retrievalismus” durch Barrett und andere aufzeigen.

A) Der Anglikanismus selbst ist als formale Bewegung erst etwa 500 Jahre alt. Das ist merkwürdig für jemanden, der in den Strom der alten und mittelalterlichen Kirche eintreten möchte. Wenn Ihre gesamte Hermeneutik auf der Kontinuität mit den ersten 1500 Jahren der Kirchengeschichte beruht, scheint es relevant zu sein, darauf hinzuweisen, dass der Anglikanismus als formale Bewegung in dieser Zeit nicht existierte.

B) Anglikanische Kirchen hatten echte Kämpfe mit der Lehre und der Ethik. Ich meine das nicht als Vorwurf, denn baptistische Kirchen haben ihre eigenen Probleme. Es ist jedoch einfach eine Tatsache, dass die anglikanische Ästhetik und Liturgie sowie die historische Verbundenheit die anglikanischen Kirchen nicht davor bewahrt haben, selbst bedeutende Lehrstreitigkeiten zu haben.

In der Begeisterung eines frisch Bekehrten scheint Barrett dies nicht zu sehen. Seine enthusiastische Würdigung der anglikanischen Liturgie als wesentlich für ein sinnvolles Christentum scheint zu übersehen, dass eine so schöne Liturgie zahlreiche Anglikaner nicht davon abgehalten hat, Christus nicht nachzufolgen. Auch hat die anglikanische Kirchenverfassung die Kirche nicht vor verschiedenen Prüfungen und Skandalen bewahrt.

Tatsächlich hat die Gemeinde, der Barrett beitritt, einen wichtigen anglikanischen Leiter, der seit mehreren Jahren in Kontroversen verwickelt ist. Dies ist bemerkenswert, da Barrett „das Amt des Bischofs, das für die Umsetzung der doktrinären Rechenschaftspflicht in der Kirche so wichtig ist“, als Symbol für die Gesundheit der anglikanischen Kirche beschreibt. Doch laut den Anglikanern selbst hat die ACNA genau auf dieser Ebene Probleme zu lösen.

C) Barrett hat sich feministischen Theologinnen angeschlossen, die nicht im Einklang mit der historischen Lehre stehen. Wenn Sie die Theologie der ersten anderthalb Jahrtausende der Kirchengeschichte inspiriert, sollte es Sie sicherlich sehr beunruhigen, dass eine Theologin namens Amy Peeler eine Vision von Gott als „Mutter” propagiert.

Dies hat Barrett jedoch nicht davon abgehalten, Peeler als Mitwirkende für sein kürzlich erschienenes Buch On Classical Trinitarianism über die Lehre von Gott zu gewinnen. Wenn „klassischer Trinitarismus“ Sie dazu veranlasst, sich mit egalitären Theologinnen zu verbünden, die Gott als „Mutter“ umdeuten – im Gegensatz zu Jesus, der seine Jünger in Matthäus 6,9 lehrte, ihre Gebete an „unseren Vater“ zu richten –, dann hat jeder bibelgläubige Christ ernsthafte Gründe, eine solche theologische Strömung mit großer Sorgfalt und Weisheit zu prüfen.

D) Die große Tradition ist bei weitem nicht so monolithisch, wie manche behaupten. Die „retrievalistische” Hermeneutik wird als großer Einiger turbulenter Stämme dargestellt. Durch eine gemeinsame Fokussierung auf Nicäa könnte beispielsweise ein gewisses Maß an Übereinstimmung erreicht werden. Aber wir dürfen dabei nicht übersehen, dass zwischen Katholiken und Anglikanern formal bereits eine Übereinstimmung im Sinne von Nicäa besteht, diese beiden Bewegungen jedoch keineswegs identisch sind.

Darüber hinaus ist der Retrievalismus keine Bewegung, die ohne Interpretation auskommt; jemand muss ihn standardisieren und leiten. Dies erinnert uns an einen wichtigen Punkt: Der Retrievalismus ist keineswegs frei von subjektiven Präferenzen. Er ist nicht als reines Gedankengut vom Himmel gefallen. Die Retrievalisten selbst wählen – genau wie die von ihnen kritisierten biblischen Personalisten – aus.

Siebtens gibt es einen unangenehmen Grund, warum die mittelalterliche Kirche einen so bemerkenswerten theologischen Konsens genoss. Dieser Grund ist, offen gesagt, nicht angenehm. Die katholische Kirche konnte die doktrinäre Einheit, die sie über Jahrhunderte hinweg genoss, zum Teil deshalb erreichen, weil sie im Mittelalter Andersdenkende innerhalb ihrer Theologie rücksichtslos verfolgte. Viele von ihnen – wie die Waldenser und Lollarden – bezahlten ihre Abweichung mit dem Tod.

Wir sollten dies im Hinterkopf behalten, wenn die Traditionalisten davon schwärmen, dass die Große Tradition in der Zeit vor der Reformation eine glorreiche Einheit besaß. Bei genauerer Betrachtung hat die katholische Kirche diese Einheit zu einem großen Teil auf altmodische Weise erreicht: mit dem Schwert. Wir tun gut daran, uns diese kalte, harte Wahrheit vor Augen zu halten, wenn die „Große Tradition” vor einem goldenen Hintergrund präsentiert wird.

Achtens sollten wir die „theologische Triage” wiederbeleben. Wie ich bereits ausführlich dargelegt habe, argumentiert der radikalere Flügel der Retrievalisten, dass alle Fragen, zu denen Glaubensbekenntnisse und Konzile Stellung genommen haben – beispielsweise die Frage nach dem „Willen” Gottes oder die scheinbare Höllefahrt Christi –, endgültig geklärt sind.

Um es milde auszudrücken: Dies ist eine andere Auffassung von theologischer Bildung und Debatte als die, die frühere Generationen evangelikaler Theologen vertreten haben. Wir bezeichnen die von evangelikalen Theologen – allen voran Carl Henry – entwickelte Methode als „theologische Triage“. Christliche Theologen, die dieses Raster verwenden, präsentieren ihre jeweilige Lehrmeinung nicht als die einzig akzeptable.

Stattdessen verfolgen sie ein ganz anderes Schema als das der „reinen Lehre“. In der Theologie gibt es zwar einige Fragen, die in erster Linie für den Glauben wesentlich sind und von allen bekannt werden müssen. Andere Fragen sind jedoch zweitrangig, wichtig, aber nicht erlösungsrelevant, und wieder andere sind drittrangig, zwar von Bedeutung, aber unterschiedlich interpretierbar. Viele evangelikale Christen haben sich sehr dafür eingesetzt, Meinungsverschiedenheiten sowohl in zweitrangigen als auch in drittrangigen Fragen zu respektieren.

In dieser Hinsicht ist es nicht übertrieben zu folgern, dass die „theologische Triage“ die Partnerschaft im Evangelium weit über das Maß hinausgebracht hat, das frühere Generationen erreicht hatten. Nur ein Beispiel: Die Reformatoren hatten viel gemeinsam, scheiterten jedoch an ihrer Uneinigkeit über das Abendmahl. Dies erinnert uns daran, dass es oft Zeit braucht, bis die Kirche Christi die reiche Ernte der Wahrheit in der Schrift einbringen kann.

In den letzten 200 Jahren der reformierten Geschichte haben beispielsweise die Disziplinen der exegetischen Auslegung, der biblischen Theologie, der biblischen Seelsorge, der biblischen Ethik und der biblischen Weltanschauung eine nie dagewesene Blüte erlebt. In tribalistischen Zeiten wie den unseren tun wir vielleicht gut daran, neu über die Wiederbelebung der „theologischen Triage“ nachzudenken und zu hinterfragen, ob der rücksichtslose neo-fundamentalistische Ansatz der „reinen Lehre“ der Kirche hilft oder schadet.

Fazit

Als Theologen, die schreiben und lehren, müssen wir uns gut um unsere Studenten kümmern und ihnen vermitteln, dass der Protestantismus aus einem echten Bruch mit der Lehre, der Ekklesiologie und der Methode Roms hervorgegangen ist. Sola scriptura ist kein Markenzeichen, sondern spiegelt sowohl die Auffassung der Bibel von sich selbst als auch unser eigenes Programm zu ihrer Auslegung wider.

In unserer Zeit sollten wir diese Frage sorgfältig prüfen: Stört die Annahme des Retrievalismus – in seiner kompromisslosesten Form – manchmal die Überzeugungen der Baptisten und Evangelikalen? Die Antwort lautet ganz einfach: Ja. Diese Tatsache sollte uns ernüchternd wirken, uns zu Demut und Buße bewegen und zu einer klaren Bewertung des Retrievalismus unter den Christen anregen. Wir spielen hier nicht mit Monopoly-Geld; das Wohlergehen der Seelen, nichts weniger als ihr ewiges Schicksal, hängt von solchen Bemühungen ab.

Kinder zu haben, ist ein großes Geschenk

In der öffentlichen Debatte in Deutschland stehen fast ausschließlich die Gefahren und negativen Aspekte des Elternseins im Mittelpunkt. Dadurch wird die Realität verzerrt und es wird potenziellen Eltern erschwert, sich für Kinder zu entscheiden. Dabei könnte es eine der besten Entscheidungen des Lebens sein, Eltern zu werden. 

Clemens Wergin weist auf eine Schieflage hin: 

Viele Eltern tendieren auch im Privaten dazu, vor allem über die Hindernisse zu reden, die das Kinderhaben mit sich bringt. Vielleicht, weil es uns wie Helden aussehen lässt, wenn wir über all die Widrigkeiten berichten, die wir als Eltern zu überwinden hatten. Vielleicht aber auch, weil wir aus Rücksicht gegenüber Freunden, die sich gegen Kinder entschieden haben oder gegenüber der Kollegin, die seit Jahren vergeblich versucht schwanger zu werden, lieber verheimlichen, was Kinder zu haben eigentlich bedeutet.

In der Regel ist es nämlich die großartigste und erfüllendste Erfahrung unseres Lebens. All den kleinkindlichen Wutausbrüchen und dem pubertären Beleidigtsein zum Trotz. Was uns damals, als es passierte, manchmal den letzten Nerv kostete. Was aber im Nachhinein zu einer mit ironischem Lächeln erzählten Familienanekdote geworden ist. Denn auch das gehört zu den unterschätzen Privilegien des Elternseins: Dass man seine irgendwann erwachsenden Kinder noch stets mit alten Anekdoten (oder auch mit albernen Dad-Jokes) in Verlegenheit bringen kann.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Was ist unsere Rechtfertigung oder Gerechtigkeit vor Gott?

Das Verhältnis zwischen Richard Baxter (1615–1691) und John Owen (1616–1683) war durch gegenseitigen Respekt, aber auch sehr kontroverse Auseinandersetzungen geprägt. Beide gehörten zu den bedeutendsten puritanischen Theologen des 17. Jahrhunderts in England, standen jedoch bei gewichtigen Punkten gegeneinander. Ein besonderes Kampffeld war die Rechtfertigungslehre. Baxter wollte zwischen Positionen des Calvinismus, des Arminianismus und des Katholizismus vermitteln. Seine Sichtweise lässt sich als eine moderat synergistische Form der Rechtfertigungslehre beschreiben. Die Lehre von der imputatio iustitiae Christi (dt. Zurechnung der Gerechtigkeit Christi im juristischen Sinne), wie sie von vielen reformorierten Theologen vertreten wurde und wird, lehnte Baxter ab (vgl. hier).

Owen war sehr besorgt über diese Form der Vermittlungstheologie und hat sie als semi-pelagianisch oder neonomistisch kritisiert. In The Doctrine of Justification by Faith through the Imputation of the Righteousness of Christ; Explained, Confirmed, and Vindicated (erschienen 1677) warf er Baxter vor, eine neue Form der Gerechtigkeit durch Werke unter dem Mantel des Evangeliums vermitteln zu wollen. Positiv und kompakt formulierte Owen die reformierte Position in seinem Kurzen Katechismus. Im Kapitel XIV ist über die Rechtfertigung zu lesen (John Owen, The Works of John Owen, Bd. 1 (Edinburgh: T&T Clark, o. J.), S. 487):

Frage 1: Sind wir aufgrund unseres Glaubens gerecht und errettet, wenn wir frei erwählt sind?

Antwort: Nein, sondern allein durch die Zurechnung der Gerechtigkeit Christi, die durch den Glauben erfasst und angewendet wird; allein dafür nimmt uns der Herr als heilig und gerecht an. Jes 43,25; Röm 3,23–26; 4,5.

Frage 2: Was ist dann unsere Rechtfertigung oder Gerechtigkeit vor Gott?

A. Die gnädige, freie Handlung Gottes, die einem gläubigen Sünder die Gerechtigkeit Christi zurechnet und ihm dafür Frieden mit seinem Gewissen in der Vergebung seiner Sünden zuspricht – ihn für gerecht und vor ihm angenommen erklärt. 1Mo 15,6; Apg 13,38.39; Lk 18,14; Röm 3,24.26.28; 4,4–8; Gal 2,16.

Frage 3: Sind wir dann nicht durch unsere eigenen Werke vor Gott gerecht?

Antwort: Nein, denn aus sich selbst heraus können sie weder seine Gerechtigkeit befriedigen, noch sein Gesetz erfüllen, noch seiner Prüfung standhalten. Ps 130,3.4; 143,2; Jes 64,6; Lk 17,10.

Mutlosigkeit im Dienst begegnen

Es gibt viele Gründe, warum geistliche Leiter in ihrem Dienst ausbrennen. Es gibt physische, mentale und geistliche Ursachen, die alle untersucht werden sollten. Wir sollten aber auch die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass die Ursache unserer Mutlosigkeit unser Mangel an Vertrauen an bestimmte theologische Wahrheiten ist. Die Worte des Apostels Paulus in 2 Kor 4,1–16 können hier wie ein Gegenmittel wirken. Cody Wilbanks hat in dem Artikel „Mutlosigkeit im Dienst begegnen“ folgende sieben Punkte herausgearbeitet:

  1. Die Grundlage unseres Dienstes ist der Neue Bund, nicht unsere Leistung
  2. Das Evangelium verleiht unserem Dienst Echtheit und Gültigkeit, nicht andersherum
  3. Der Dienst ist nicht nur ein intellektueller, sondern auch ein geistlicher Kampf
  4. Wir dienen dem Schöpfer, der auch der Neuschöpfer ist
  5. Ein Gefühl von Unzulänglichkeit im Dienst ist nicht falsch, sondern angebracht
  6. Tod und Auferstehung bilden das Muster des geistlichen Dienstes
  7. Denk an das Ende, um bis zum Ende auszuharren

Hier: www.evangelium21.net.

Das Testimonium Flavianum

Christian Bensel von Begründet Glauben stellt das neue Buch Josephus And Jesus. New Evidence for the One Called Christ von T.C. Schmidt vor. Über das Buch schreibt der Verlag:

Dieses Buch bringt eine außergewöhnliche Verbindung zwischen Jesus von Nazareth und dem jüdischen Historiker Josephus ans Licht. Im Jahr 93/4 n. Chr. verfasste Josephus einen Bericht über Jesus, der als Testimonium Flavianum bekannt ist. Obwohl es sich dabei um die älteste Beschreibung Jesu durch einen Nichtchristen handelt, haben Wissenschaftler aufgrund der angeblich pro-christlichen Aussagen lange Zeit an ihrer Echtheit gezweifelt. Das vorliegende Buch bestätigt jedoch die Urheberschaft von Josephus und enthüllt dann eine überraschende Entdeckung. Zunächst zeigen die ersten Kapitel, dass die Christen der Antike das „Testimonium Flavianum“ ganz anders lasen als moderne Wissenschaftler. Sie betrachteten es als im Grunde genommen banal oder sogar vage negativ und damit weit entfernt von der pro-christlichen Interpretation, die die meisten Wissenschaftler ihm gegeben haben. Dies deutet darauf hin, dass das „Testimonium Flavianum“ tatsächlich von einem Nichtchristen verfasst wurde. Anhand einer stilmetrischen Analyse wird dann gezeigt, dass das „Testimonium Flavianum“ stark dem Stil von Josephus entspricht. Das Testimonium Flavianum scheint daher tatsächlich von Josephus verfasst worden zu sein. Die letzten Kapitel untersuchen Josephus‘ Informationsquellen über Jesus und kommen zu einer bemerkenswerten Entdeckung: Josephus kannte diejenigen, die den Prozessen gegen die Apostel Jesu beiwohnten, und sogar diejenigen, die dem Prozess gegen Jesus selbst beiwohnten, persönlich. Das Buch schließt mit einer Beschreibung dessen, was Josephus uns über den historischen Jesus erzählt, insbesondere darüber, wie sich die Geschichten über die Wunder Jesu und seine Auferstehung entwickelt haben.

Hier das Video von Dr. Christian Bendel dazu:

VD: MZ

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