Vom Segen der Selbstvergessenheit

Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Matz hat in seinem Buch Die narzisstische Gesellschaft ein schonungsloses Psychogramm unserer orientierungslosen Gier- und Konsumgesellschaft gezeichnet. Wir sind in die Narzissmus-Falle geraten: „Solange wir keine Mittel und Wege finden, den Narzissmus und die ihm zugrunde liegende Bedürftigkeit zu zähmen, so lange gleichen alle unsere Versuche, die Krise zu überwinden und die gesellschaftlichen Verhältnisse doch noch zum Besseren zu verändern, einem Stühlerücken auf der Titanic“ (Zitat aus der Buchbeschreibung).

Tullian Tchividjian erklärt in einem Beitrag für das Leadership Journal, dass sogar Christen die „Heiligung“ mit Narzissmus verwechseln. Heiligung – so die These von Tchividjian – hat wenig mit Konzentration auf das Selbst zu tun. Dort, wo wir von uns wegschauen und über die Gnade und Größe Gottes staunen, wachsen wir.

Maturity is not becoming stronger and stronger, more and more competent. Christian growth is marked by a growing realization of just how weak and incompetent we are, and how strong and competent Jesus is on our behalf. Spiritual maturity is not our growing independence. Rather, it’s our growing dependence on Christ. Remember, the apostle Paul referred to himself as the „least of all the saints“ (Eph. 3:8) and the „chief of sinners“ (1 Tim. 1:15), and this was at the end of his life!

For Paul, spiritual growth was realizing how utterly dependent we are on Christ’s cross and mercy. It’s not arriving at some point where we need Jesus less because we’re getting better and better. Paradoxically, Paul’s ability to freely admit his lack of sanctification demonstrated just how sanctified he was.

Here’s my point: when we stop focusing on our need to get better, that’s what it means to get better. Stop obsessing over your need to improve, and that is improvement!

The focus of the Bible is not the work of the redeemed but the work of the Redeemer. The Good News is his victory for us, not our „victorious Christian life.“ The gospel declares that God’s final word over Christians has already been spoken: „Paid in full.“ Therefore, we now live with confidence that „there is now no condemnation for those who are in Christ Jesus“ (Rom. 8:1).

Hier der Artikel: www.christianitytoday.com.

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Schandor
12 Jahre zuvor

Super Text!!! – Danke für den Link!

Roderich
12 Jahre zuvor

Christian growth is marked by a growing realization of just how weak and incompetent we are, and how strong and competent Jesus is on our behalf.

Hmm, ist ja nicht falsch – aber ist das nicht etwas einseitig?

Ist „Wachstum“ nicht auch ein vertieftes Bibelwissen; gute Angewohnheiten wie Gebet, Bibelstudium, anderen Helfen; „erleuchtete Augen des Herzens“ bekommen; in den Tugenden wachsen; in der Heiligkeit zunehmen, etc.?

Schandor
12 Jahre zuvor

@Roderich Klar, aber es ist der erste Schritt zum „Heiligungsperfektionismus“, denn wer wäre so heilig, als dass der Stolz ihn nicht ob dieser seiner „Heiligkeit“ alsbald zur Hybris verleitete? Was ist „vertieftes Bibelwissen“? Schnelles Zur-Hand-haben von Stellen? Angelernte Exegese? Wohl nicht, oder? Gebet ist sicher eine gute Sache, aber es ist mE personenbezogen: Der eine redet halt mehr, der andere weniger. Manch einer macht ein Augenzwinkern, und die Umwelt weiß, woran sie mit ihm ist. Gebet kann auch Qual sein, die man meiden möchte. Anderen helfen ist gut, aber „Wachstum“? Es gibt hilfsbereite Menschen. „erleuchtete Augen des Herzens“ – das ist schlimmes Kanaanitisch und daher bitte zu vermeiden (ganz schlimme Kanaan-Sprache, worunter sich jeder genau gar nichts vorstellen kann). In den Tugenden (arete) wachsen, bedeutet, das, was man schon gut kann, noch besser machen, sonst gar nichts. Weg mit dem Begriff „Tugend“ – das ist ein ganz dummer, veralteter Begriff, der sich leider immer noch in deutschen Bibelübersetzungen findet. Arete… Weiterlesen »

Roderich
12 Jahre zuvor

Lieber Schandor,
Ich verstehe, was Du meinst, stimme aber nicht ganz zu.
Wir können ja mal beide das ganze NT daraufhin durchgehen, was darin über „Wachstum“ im Glauben steht. Das scheint mir der sinnvollste Weg.

Schandor
12 Jahre zuvor

@Roderich

Da würden wir einzig auf das zurückkommen, was Du von Deinem Verständnis davon schon voraussetzt – und danke, aber nein, aber von diesen Dingen habe ich eigentlich genug. Das ist mir viel zu wenig.
Heiligung ist viel simpler; sie bezieht sich zwar gewissermaßen auf „alle Lebensbereiche“, aber implizit:
Nicht das sorgsame Fragen des Christen in jeder einzelnen Situation ist es, was Heiligung bedeutet (das nenne ich Zwangsneurose), sondern der Gehorsam gegenüber dem, was man erkannt hat, aber nicht kann. Bibellesen hilft da nicht weiter.

Liebe Grüße, Schandor

12 Jahre zuvor

Tchividjians Bemühungen um die biblische Unterscheidung von Gesetz und Evangelium und die befreiende Kraft des Evangeliums sind erfreulich. Zum Entstehen der Konferenz und Seite von liberatenet.org schreibt er: „I knew that I wasn’t saying anything new [er meint seine „Zusammenfassung“ des Evangeliums als „Jesus + Nothing = Everything; auch sein so betiteltes Buch ist klasse!]. It just seemed so new to so many because it had been lost for so long amidst a moralistic, narcissistic, “do more, try harder”, caricature of the Christian faith that has been prevalent for so long. What I kept hearing from people all over the world was that so many pulpits consistently preach the Christian and not the Christ and as a result many have been burdened by the false idea that the focus of the Christian faith is the life of the Christian. I knew something had to be done. So…LIBERATE was born.“ Diesen Sachverhalt hat auch Johannes Wichelhaus, Schüler von Hermann Friedrich Kohlbrügge,… Weiterlesen »

Roderich
12 Jahre zuvor

@Schandor, Da würden wir einzig auf das zurückkommen, was Du von Deinem Verständnis davon schon voraussetzt Man sollte, finde ich, etwas mehr Objektivität in dem Prozess des Bibelstudiums voraussetzen. Diese Ansicht von Tullian Tchivijian ist ja nicht falsch – in einer bestimmten Hinsicht stimmt sie. Aber sie beantwortet längst nicht alle Fragen zu dem Thema Heiligung. Man sollte – gemäß Sola Scriptura – nicht „Konzepte“, und seien sie auch noch so gut, von außen an die Bibel herantragen und gemäß so einem Konzept – wie hier von Tchividjian – das gesamte Thema Heiligung als abgehandelt ansehen. Sondern man sollte selber die Bibel daraufhin befragen. Was sagt das NT zum Thema Wachstum im Glauben? Schandor, Du musst Deine Ergebnisse ja nicht mit mir ausdiskutieren, aber Du solltest das selber mal anhand des NT studieren. Anders gefragt: wie überprüfst Du ansonsten Lehren, die Dir irgendwelche Leute erzählen? Wenn nicht anhand des NT? (Wir sind uns doch in der Wertschätzung der reformatorischen Lehre… Weiterlesen »

12 Jahre zuvor

Vielen Dank Roderich für die ausführlichen Gedanken. Sie haben zum Nachdenken angeregt. Was heißt denn „nur glauben“? Biblischer und reformatorischer Glaube ist kein „Nur-Glaube“, sondern, wie ich oben mit dem Lutherzitat darlegte, lebendiger, tätiger, in der Liebe zu Gott und zum Nächsten sich erweisender Glaube. In erster Linie ist er, was die Dankbarkeit betrifft betender, bittender Glaube. Er ruht nicht in sich, hat sein Leben seine Kraft, seine Motivation nicht in sich selbst, sondern in der gewissen Erkenntnis eines gnädigen Vaters über ihm und in dem herzlichen Vertrauen auf Jesu Verdienst (HK 21; vgl. Tit 2,11-14[Christus ist gekommen und hat Heil gebracht, er wird wiederkommen und vollenden und er hat uns erkauft und gereinigt, dass wir nicht in Gesetzlosigkeit, in gottlosem Wesen und weltlichen Begierden leben. Im Glauben halten wir das fest, im Gebet ergreifen wir es täglich neu und das ganze Leben ist schlussendlich ein Ringen damit, Buße dahin]). Um noch einmal Luther zu zitieren: „Dan das heisset nit… Weiterlesen »

Schandor
12 Jahre zuvor

@Roderich

„Schandor, Du musst Deine Ergebnisse ja nicht mit mir ausdiskutieren, aber Du solltest das selber mal anhand des NT studieren.“

Das hab ich getan. Ich komme auf dieses Ergebnis: Ich soll, aber ich kann nicht.

Wie Du Tchividjian Paulus gegenüberstellst, ist einfach nur zum Schmunzeln.

„Wer sagt, daß er in ihm bleibt, der ist verpflichtet, auch selbst so zu leben, wie jener gelebt hat.“ („wandeln“ assoziiert man mit „betrunken sein“).

Offenbar gibt es Christen, die das können.

Roderich
12 Jahre zuvor

@Schandor,
keiner kann behaupten, sündlos zu sein oder nicht zu kämpfen zu haben.
Allerdings ist die Anthropologie des NT ja auch nicht zweigespalten (einige können überwinden, andere nicht). Sondern jeder kann – im Prinzip – überwinden.
Römer 7: es geht nicht.
Römer 8: durch den Geist Gottes geht es.

Ich nehme schon an, dass Tchividjian nicht gegen Paulus steht. Man darf nur nicht eine einzige Aussage von Tchividjian, sozusagen einen „Slogan“, auf den er seine Message verkürzt, hernehmen und ihn gegen das ganze NT ausspielen. Wenn schon, dann muss man sich diesen „Slogan“ selbst „erarbeiten“. Also nicht das ganze NT mit einem „Tchividjian“-Filter lesen, dann also alles nur noch durch diese Brille lesen, sondern das NT in seiner „Unmittelbarkeit“ zu einem sprechen lassen. Dass Gott direkt mit Dir, mir, uns sprechen möge durch seinen Heiligen Geist – in diesem Fall durch das Wort.

12 Jahre zuvor

Lieber Roderich, unsere Diskussion ist zwar schon eine Weile her, da mich Tchividjian’s Buch (Jesus+Nothing=Everything) und seine Blogbeiträge aber weiterhin beschäftigen, antworte ich trotzdem noch. In dem obigen Text kommt Tchividjian’s Botschaft schon sehr treffend raus. Weder ist also seine Betonung einseitig wiedergegeben, noch denke ich, ist sie biblisch einseitig. Wachstum ist in der Schrift niemals eine menschliche Obliegenheit. Es ist menschlich nicht mach- oder in irgendeiner Weise erzeugbar (vgl. Mk 4,26-29; 2. Kor 9,6ff). Soweit ich Heiligung und Glaubenswachstum verstehe, lautet die Botschaft der ganzen Bibel, dass wir unserer eigenen Ohnmacht immer bewusster, Gott bei seinem Wort und seinen Verheißungen im Glauben ergreifend bitten, er möchte uns Gnade zu einem ihm wohlgefälligen Denken, Reden und Tun schenken. Nicht umgekehrt! Wir setzen eben gerade nicht mit einer Modifikation unseres Verhaltens an, um Gottes Meinung über uns und unsere eigene Einstellung ihm gegenüber zu verändern. Die von dir zitierten Stellen unterstützen eine solche Meinung genau so wenig wie der Heidelberger. Wie… Weiterlesen »

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