Augustinus als Philosoph

PhiloGraig Bartholomew und Michael Goheen schreiben in ihrer Einführung zur christlichen Philosophie resümierend über Augustinus (Christian Philosophy: A Systematic And Narrative Introduction, Baker Academic, 2013, S. 72–73):

Augustinus ist ein philosophischer Gigant, dessen Einfluss tiefgreifend war und ist. Seine Bekenntnisse haben die Autobiographieschreibung zutiefst beeinflusst; seine Lehre von der Innerlichkeit hat Rene Descartes und Edmund Husserl inspiriert; sein Gottesstaat wurde immer wieder gedruckt und hat die Geschichtsphilosophie und das politische Denken geprägt. Und so könnte man fortfahren. Der zeitgenössische katholische Philosoph Alasdair MacIntyre identifiziert die Aufklärung, die aristotelisch-thomistische und die augustinische Tradition als die drei großen Strömungen, die uns heute zur Verfügung stehen. Und in der Tat würden wir uns in Bezug auf diese Traditionen als augustinisch positionieren.

Um Augustinus von einem christlichen Standpunkt aus zu bewerten, muss man jedoch zwangsläufig einschätzen, inwieweit seine Philosophie durch den heidnischen Neuplatonismus beeinträchtigt wurde. Es gibt unterschiedliche Ansichten, die von völliger Treue bis zu völliger Beeinflussung reichen. Wir schließen mit drei zusammenfassenden Bemerkungen.

Erstens ist es klar, dass Augustinus den Neoplatonismus nicht einfach unkritisch übernimmt. Tatsächlich wird ein Großteil des Neoplatonismus umgestaltet und die götzendienerischen Kategorien mit biblischen Inhalten gefüllt, wie oben erwähnt.

Doch zweitens werden viele biblische Akzente in Augustins Synthese des christlichen Glaubens und der platonischen Philosophie gedämpft, wenn nicht gar korrumpiert und in den Hintergrund gedrängt. Letztlich entwertet die Vertikalisierung, Individualisierung und Verinnerlichung der augustinischen Philosophie die Bedeutung der Geschichte als einer Geschichte der Wiederherstellung der Schöpfung durch Gott. Darüber hinaus wird die sapientia in diesem Kontext zu einer Fähigkeit, die nur dazu dient, Gott und die Seele zu erkennen, und nicht zur Untersuchung der Welt, die der niedrigeren Fähigkeit der scientia vorbehalten ist.

Schließlich müssen wir feststellen, dass Augustinus sich auf dem Weg hin zu mehr Schrifttreue befindet. Auch wenn eine neuplatonische Struktur bis zum Ende seines Lebens im Zentrum seines Denkens erhalten bleibt, so ist doch von seinem Dialog Gegen die Akademiker (386) über die Bekenntnisse (397-400) bis hin zum Gottesstaat (426) eine wachsende Einsicht zu finden, dass das Evangelium nicht umfänglich mit der platonischen Philosophie vereinbar ist.

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