Ich gestehe: Die ARD-Produktion „Bach – Ein Weihnachtswunder“ habe ich bisher nicht gesehen. Trotzdem verweise ich hier mal auf eine Besprechung von Jan Brachmann, die ein allgemeines Problem der Filmindustrie im Umgang mit historischen Ereignissen anspricht. Ständig wird versucht, zu demonstrieren, dass wir heute alles besser wissen:
Als Zudringlichkeit unserer Gegenwart gegenüber der Vergangenheit muss man die Rebellion der kleinen Elisabeth verbuchen: „Warum dürfen Frauen in der Kirche nicht singen?“ Später wird Carl Philipp Emanuel trotzig-feministisch einfordern, dass es nicht nur Mutters, sondern auch Vaters Aufgabe wäre, für die Kinder da zu sein. Also Elternzeit für Papa anno 1734, bitte schön! Schließlich liest Anna Magdalena (Verena Altenberger gibt ihr Züge einer duldsamen Schmerzensfrau) ihrem Komponistengatten die Leviten: Er sähe bei aller Musik „den Menschen nicht“.
Neben der anrührend erzählten, aber arg ausgestellten „Inklusion“ des geistig beeinträchtigten Gottfried – den German von Beug mit engelhaft leuchtender Eindringlichkeit spielt – gehören solche Sätze heute zu den üblichen Ergebenheitsadressen, ohne die kein Drehbuch bei der ARD mehr akzeptiert wird.
Was für ein Elend! Da sind einige der besten Schauspieler des deutschen Gegenwartskinos versammelt; da bietet man mit Sten Mende einen Kameramann auf, der Sinn für Licht, Komposition und kindliche Perspektive hat – und dann fehlt es an Respekt für die Andersartigkeit alter Mentalitäten. Hält man historische Persönlichkeiten sonst einem Publikum für nicht mehr zumutbar? Muss die Gegenwart ständig die Vergangenheit belehren, wie man anständig lebt?
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Ich habe es mir angeschaut. Die Umstände, unter denen Bach das Weihnachtsoratorium verfasste ist, so weit ich weiß, wenig bekannt. Insofern ist das Drehbuch natürlich fiktiv, wobei das Geschehen dann aber auch für eigene Botschaften instrumentalisiert wird. „Ihr redet über den Glauben, aber was erreicht ihr denn mit euren Worten?“, beklagt Bach etwa in einer Szene gegenüber dem Superintendenten der Leipziger Kirche: „Die Menschen sind weiterhin selbstsüchtig, lau. Keiner denkt an den nächsten. Worte! Worte erreichen doch die Menschen nicht!“ Eine Aussage, die aus meiner Sicht nicht ganz falsch ist, aber auch nicht richtig. Man darf bezweifeln, dass das Bach so gesagt hätte. Der Film hilft aus meiner Sicht wenig, zu verstehen, was Bach in seiner Musik angetrieben hat. Welche Bedeutung hatte sein Glaube für sein Leben und für sein künstlerisches Schaffen und was steckte z. B. hinter der Formel „soli deo gloria“, die er am Ende vieler seiner Kompositionen mit den drei Buchstaben „s-d-g“ vermerkte? Ansonsten war es aber… Weiterlesen »