Die Überheblichkeit des Szientismus

Lydia Jaeger schreibt über die Grenzen des Szientismus (Wissenschaft ohne Gott?, 2007, S. 86–87):

Bei der Betrachtung der Rolle der menschlichen Vernunft haben wir
gezeigt, dass Wissenschaft in einer Welt, deren Elemente sie bis ins Letzte beschreiben könnte, unmöglich ist. Die Person des Forschers selbst
bliebe völlig außen vor, obwohl dieser der Autor jeglicher wissenschaftlicher Beschreibung ist. Nach logischen Gesichtspunkten betrachtet, ist es
absurd, das menschliche Denken im Namen der Wissenschaft, das diese
produziert, ausklammern zu wollen. Ebenso ist es praktisch unmöglich,
keine Werturteile abzugeben und Aussagen, ein Objekt sei schön oder
hässlich und eine Handlung sei gut oder schlecht unter dem Vorwand,
solche Urteile würden jeglicher wissenschaftlicher Basis entbehren, zu
unterlassen. Menschliches Leben müsste dann auf alles verzichten, was
es interessant macht. Keine Gesellschaft könnte ohne minimale Übereinkünfte in ethischen Fragen überleben. Werturteile und menschliches Zusammenleben sind jedoch nur möglich, weil sie grundsätzlich auf anderen
als mit wissenschaftlichen Methoden erlangten Gegebenheiten basieren.
Keine Methode kann von der Beschreibung des Ist (was Inhalt der wissenschaftlichen Forschung ist) zum Soll (was Inhalt ästhetischer oder
ethischer Regeln ist) führen.

Wenn die Wissenschaft also den Menschen nicht darin erschöpfend beschreiben kann, was seine Rationalität, seinen Geschmack und sein ethisches Verhalten betrifft, kann sie auch keine Welt fordern, die der Einflussnahme eines mit Persönlichkeit ausgestatteten Wesens verschlossen
wäre. Mehr noch: es wäre in einer solchen geschlossenen Welt gar kein
Wesen denkbar, dass in der Lage wäre, Wissenschaft zu betreiben! Wer
also die Existenz Gottes und die Möglichkeit der göttlichen Einflussnahme auf das Geschehen der Welt negiert, hat keine wissenschaftlich
fundierte Begründung für seine Aussagen. Letztlich ist es nicht die Wissenschaft, die Gott negiert, sondern die ideologische Überheblichkeit des
Szientismus.

Die Tatsache, dass in Bezug auf den Mensch die wissenschaftliche Beschreibung an ihre Grenzen stößt, ist kein Zufall. Nach Aussage der Bibel
wurde der Mensch „zum Bilde Gottes“ geschaffen. Seine Stellung in der
Natur ist daher von gewissen Analogien zur Beziehung Gottes zur Welt
geprägt. Versucht man, Gott aus seinem Weltbild auszuklammern, muss
man sich gezwungenermaßen der schwierigen Frage stellen, wie die Position des Menschen in einem solchen Weltbild adäquat definiert werden
kann.

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3 Kommentare
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Stephan
7 Monate zuvor

Eigentlich könnte man den Text auch hernehmen als Beispiel für die Überheblichkeit der Philosophie. Sicherlich kann die Wissenschaft nicht als Ergebnis einer Überlegung festlegen, ob ein Objekt schön oder häßlich ist. Aber zum Wesen der Wissenschaft gehört auch, eine repräsentative Auswahl von Menschen zu befragen, ob ein bestimmtes Objekt bzw. mehrere Objekte schön sind. Mit diesen Ergebnissen kann dann mit einer gewissen Wahrscheinlich prognostiziert werden, ob ein noch nicht gezeigtes Objekt von der Mehrheit als schön empfunden wird. Vielleicht ist bekannt, dass man geprüft hat, was ein menschliches Gesicht „schön“ macht – man hat von einer größeren Anzahl von Gesichtern die Abmessungen genommen und ein Gesicht mit den ermittelten Durchschnittswerten nachgezeichnet (bzw. hunderte Fotos zusammen gemorphed). Ergebnis war, dass das dabei entstandene Gesicht von fast allen Probanten als schön empfunden worden ist -gerade weil es „durchschnittlich“ war. Evolutionsbiologen hat das wohl erfreut. Viel wichtiger: aus der Beschreibung „Ist“ kann hier problemlos auf das „Soll“ geschlossen werden, äthestisches Empfinden ist, zumindest… Weiterlesen »

Udo
7 Monate zuvor

… und die Überheblichkeit der historisch-kritischen Theologie. Sie erhebt den Alleinvertretungsanspruch für wissenschaftliche Theologie. In der Realität besteht sie überwiegend aus Annahmen, Behauptungen und Unterstellungen, mit denen Mythen von Fakten unterschieden werden sollen. Die subjektiven Ergebnisse von literaturkritischer, formgeschichtlicher und redaktionsgeschichtlicher Analyse werden dann nicht selten als Fakten verkauft. Sie ist Wegbereiter einer „christlich“ getünchten Religion, die keine Substanz hat.

Udo
7 Monate zuvor

In einem aktuellen Buch fordert der Politikwissenschafter Jason Blakely dazu auf, sozialwissenschaftliche Texte nicht als trockene, technische Abhandlungen wahrzunehmen, welche deskriptiv die Welt beschreiben, sondern als «lebendige kulturelle und ideologisch auf Weltveränderung zielende Unternehmungen». Blakely sieht im weit verbreiteten ‘Scientismus’ unserer Tage eine latente Form der Machtausübung:
«Die Wissenschaft bildet nichts weniger als einen einzigartigen modernen Kultur- und Machttypus. Während frühere Gesellschaften unter dem Missbrauch verschiedener Arten von Autorität litten — kirchlich, politisch, stammesmässig und familiär -, erleben allein moderne Gesellschaften den Missbrauch von Autorität im Namen der Wissenschaft.»
(Zitiert aus https://danieloption.ch/featured/eine-k-bombe-auf-das-pruede-amerika/)

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