John Mark Comers Ansatz

John Mark Comer ist Gründungspastor der Bridgetown Church in Portland. Sein Ziel es ist, Ressourcen für Jüngerschaft und Ausbildung in Ortsgemeinden zur Verfügung zu stellen. Und er hat schon allerlei publiziert. Manches davon ist hilfreich, anderes gewöhnungsbedürftig. Und wieder anderes bedenklich. Noah Senthil hat sich das genauer angeschaut: 

Comer scheint eine gemeindeähnliche Gemeinschaft ohne solide Ekklesiologie anzustreben. Er behauptet, Protestant zu sein, ignoriert aber (und beklagt manchmal auch) einen Großteil des traditionellen Protestantismus. Er bezieht sich oft auf mystische Christen in der östlich-orthodoxen, katholischen und quäkerischen Tradition. Und viele Evangelikale werden es mehr als nur ein wenig verdächtig finden, dass das Eingangszitat des Buches („Mögest du mit dem Staub deines Rabbiners bedeckt sein“) der Titel einer Predigt von Rob Bell ist, die später im ersten Kapitel zitiert wird. Was auch immer es bedeutet, das „Leben vom Meister [zu] lernen“, es scheint nicht zu bedeuten, Wort und Sakrament sowie Beichte und Bekenntnis in den Vordergrund zu stellen. Natürlich leugnet Comer nicht den Wert dieser Dinge. Sie sind nur nicht wichtig genug, sie zu berücksichtigen.

Vielleicht geht Comer nur auf Nummer sicher und versucht, so viele Menschen wie möglich anzusprechen, indem er (sozusagen als Einstieg) mit einer flexiblen und individuellen Regel beginnt. So weit, so gut. Aber der interessanteste Teil des Buches kommt in einer Nebenbemerkung: „Wenn irgend möglich, solltest du das in Gemeinschaft tun, mit ein paar Freunden, deiner Kleingruppe oder Tischgemeinschaft, oder – in einer Traumwelt – mit deiner ganzen Gemeinde.“ Die darauffolgende Fußnote präsentiert eine Version von Comer, die an keiner anderen Stelle des Buches auftaucht: „An meine Pastorenkollegen: Ich träume davon, dass die Gemeinden der Zukunft (wie die Gemeinden der Vergangenheit) sich um eine Lebensregel herum organisieren – eine Art des Zusammenseins, die ihrer Zeit, ihrem Ort und ihren Menschen angepasst ist. Das ist möglich. Würdet ihr darüber nachdenken?“

Zu behaupten, dass „die Gemeinden der Vergangenheit“ um eine Lebensregel herum organisiert waren, hat mehr mit anachronistischer Phantasie als mit historischer Realität zu tun. Aber die Kirchen der Zukunft könnten genau das tun. Stell dir vor, das ganze Buch würde diese Fußnote entfalten.

Es ist nicht falsch, darüber nachzudenken, wie man seine Zeit strategisch nutzen kann. Aber zuerst müssen wir anerkennen, dass es dabei nicht nur darum geht, eine alte Vision zurückzugewinnen – denn schließlich sprechen wir hier von einer Vision, die sich von der unserer monastischen Vorväter unterscheidet. Zweitens müssen wir erkennen, dass der Weg nach vorn darin besteht, ineinandergreifende und sich gegenseitig verstärkende Sphären ekklesiologisch-gemeindlicher, familiärer und individueller Gewohnheiten zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Nenn mich einen Träumer, aber diese unterentwickelte Idee, die in Comers Arbeit angedeutet wird, könnte wirklich etwas Gutes bewirken.

Mehr: www.evangelium21.net.

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Jan Malcolm
54 Minuten zuvor

„haben evangelikale Gemeinden in Fragen von Sex und Ehe seit langer Zeit ziemlich leichtfertig Empfängnisverhütung akzeptiert, ihren Frieden mit der Wiederverheiratung nach einer Scheidung gemacht, stillschweigend die ganze Bandbreite künstlicher Fortpflanzungstechnologien geduldet und eine Generation herangezogen, die das Zusammenleben ohne Trauschein sowie vorehelichen Sex achselzuckend zur Kenntnis nimmt.“ Die Protestanten sind da nur den sich stetig ändernden Moralvorstellungen ihrer gesellschaftlichen Eliten gefolgt. Wenn ein Martin Luther im Römerbrief neue Wege zum Heil fand, drehte sich das erst mal um die Erlösung seines Herrschers und die von ihm präferierte Sexualmoral. Ein Fürstentum wurde dann protestantisch, wenn dessen dekadenter Fürst mit den römisch-katholischen Moralvorstellungen über Kreuz lag und nach deren Lehre in die Hölle kam. Die neue Heilslehre macht er dann gemäß nach Luthers Haustafeln für alle Untertanen verbindlich. Die heutigen protestantischen Gemeinden stehen da schlicht in vollständiger geschichtlicher Kontinuität mit ihren Vorgängern. Wiederverheiratung nach Scheidung und nicht enthaltsam lebende Kleriker sind hunderte Jahre alte „Errungenschaften“ des Protestantismus und das Zusammenleben ohne… Weiterlesen »

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