Christopher Talbot beschreibt in dem Aufsatz „‚The Sun Came Out and the Song Came‘: Francis Schaeffer and Deconstructionist Spirituality“ (WTJ, Bd. 85, Ausgabe 2, 2023, S. 309–322) Francis Schaeffers tiefe Zweifel am christlichen Glauben. Diese Phase seines Lebens führte freilich nicht zum Bruch mit dem Christentum, sondern zu einer geistlichen Erweckung. Periode der Dekonstruktion können auch damit enden, dass der Gottesglaube gestärkt wird.
Das Fazit lautet:
Schaeffers Krise führte nicht dazu, dass das Pendel zu einer anderen Art von Christentum oder gar keinem Christentum ausschlug, sondern dazu, dass er sowohl die intellektuelle als auch die spirituelle Realität des historischen christlichen Glaubens bejahte. Schaeffer hatte seine eigene spirituelle Krise durchlebt und das Christentum als Ganzes mit der Bereitschaft bewertet, es völlig zu verwerfen. Dennoch überstand er diese Zeit des tiefen Zweifels mit einem neu entfachten Eifer für die Wahrheit des christlichen Glaubens. Sein eigenes Engagement, seine apologetische Methode und seine Sicht des kirchlichen Zeugnisses im zwanzigsten Jahrhundert zeugen von einem Menschen, der sich mit Zweifeln auseinandergesetzt hat und sich um die kümmert, die ebenfalls zweifeln.
Schaeffer engagierte sich nicht für die Dekonstruktion, sondern orientierte sich selbst und die Menschen, denen er diente, am Wiederaufbau – daran, den christlichen Glauben als wahr für das ganze Leben zu sehen. Er sah das historische Christentum als etwas Ganzheitliches und Absolutes. Er erlebte tiefe Zweifel, und er diente konsequent denen, die zweifelten, während er gleichzeitig auf den unendlichen, persönlichen Gott hinwies, der in der Tat da ist.
Schaeffer war nicht perfekt und bietet kein makelloses Modell. Dennoch verstand er das Christentum als etwas, das man ganz annehmen oder ganz ablehnen kann. Dies zeigte sich in seiner Apologetik, die eine ganze Welt- und Lebensanschauung bot, die überprüft und getestet werden konnte. Er setzte diese überzeugende Apologetik mit einer Fülle von Mitgefühl um. Schließlich verdeutlichte er konsequent den wahren christlichen Standpunkt und versuchte, das wahre Christentum von allem unnötigen oder schädlichen kulturellen Ballast zu befreien. Indem er diese Elemente konsequent umsetzte, bietet Francis Schaeffer uns heute eine überzeugende Vision dafür, wie wir denen dienen können, die sich in den Wirren der Dekonstruktion befinden, eine Vision, die aktueller ist denn je. Seinem Modell folgend können wir diejenigen, die geistliche Zweifel erleben und daraus hervorgehen, dazu bringen, zu sagen: „Allmählich kam die Sonne heraus und das Lied kam.“
„Wirren der Dekonstruktion“ finden nur Fundamentalisten bei Leuten vor, die aus deren Verwirrspiel erfolgreich aussteigen. Für alle anderen Gläubigen entwirrt der Mensch nur das fundamentalistische Weltbild und dekonstruiert ein System aus verdrehten Begriffen, schädlichen Glaubenssätzen und eingeimpften Schuldkomplexen.
Ausgehend von einer vollständig dekonstruierten Religion kann das Zeugnis des Lichts, der Wahrheit und des Lebens genauso wirken wie auf jeden anderen Unbekehrten. Wirkt die Konstruktion der Fundamentalisten nicht (mehr), dann ist diese offenbar nicht das Evangelium. Genau diese Erkenntnis fürchten letztere.
@Jan Malcom Das finden nur Fundamentalisten vor? Also die Katholiken fanden bei Martin Luther die Wirren der Dekonstruktion vor? Aber auch:ist eine vollständig dekonstruierte Religion überhaupt noch existent für denjenigen, der die Dekonstruktion durchlaufen hat? Den recht neumodischen Begriff „Dekonstruktion“ muss man doch erstmal definieren: für die einen ist es, das einige Glaubensgrundsätze wegbrechen (also z.B. die Wirkung des Ablasshandels auf das Seelenheil), bei anderen geht die „Dekonstruktion“ in Richtung Totalverlust des eigenen Glaubens, wenn z.B. der Glaube an Joh 3,16 entschwunden ist. Wenn das Zeugnis des Lichtes, der Wahrheit und des Lebens wirken können soll nach einer Dekonstruktion, dann ist doch fallweise z.B. folgendes passiert: es gibt keine religiöse Norm mehr, daher kann nicht überprüft werden, ob das „Zeugnis des Lichtes“ das wahre Licht Christus reflektiert, oder seinen Gegenspieler, oder eine selbst eingeredete Religion ist – zumindest ist derjenige, den es betrifft, dann sein eigener Fundamentalist, obwohl er auf keinem erkennbaren Fundament aufbaut oder die Dekonstruktion bereinigt den Glauben… Weiterlesen »
Ein schönes Beispiel für eine fundamentalistische Konstruktion ist die „Biblical Inerrancy“. Wird diese erfolgreich dekonstruiert, fallen eine ganze Menge fundamentalistische Lehren, die genau darauf fußen, von selbst auseinander.
Das Evangelium ist aber genau auf diese Konstruktion überhaupt nicht angewiesen, denn das war es auch in 1700 Jahren Geschichte des Christentums nie, bis westliche Fundamentalisten auf die Idee kamen, die theopneustos-Lehre auf den gesamten protestantische Bibelkanon auszuweiten.
Aha, daher weht der Wind. Du möchtest an der Irrtumslosigkeit der Bibel sägen. Allerdings unterschlägst Du die Information, was anstelle der Bibel selbst als Maßstab angelegt werden soll oder kann, um den Wahrheitsgehalt der Bibel und der darin enthaltenen Aussagen zu ermitteln.