Alles nur Simulation

Markus Gabriel, Initiator des Neuen Realismus (eine philosophische Strömung, die den Postmodernismus ablöst), sagt über die Abschaffung des Wirklichen im postmodernen Denken (Markus Gabriel u. Matthias Eckoldt, Die ewige Wahrheit und der Neue Realismus, 2019, S. 42–43): 

Für die postmodernen Theoretiker – hier allen voran: Richard Rorty – ist alle Referenz unscharf, und alle Identitäten, also die Idee, dass irgendetwas hinter den Unschärfen scharf gestellt ist, sollten immer nur Illusionen sein. Also immer nur Gerhard Richter. Der verwischte Elvis Presley, der telefoniert, hinter dem ist nicht der echte Elvis Presley, sondern ein Foto, das Gerhard Richter bearbeitet. Das heißt, da ist immer noch eine Repräsentationsebene dazwischen. Man sagt nicht einmal, die Wirklichkeit ist verwischt, sondern das Verwischte ist eine Verwischung einer Repräsentation. Man ist mindestens zwei Ebenen auf Abstand vom Wirklichen, und wenn man dann gefragt wird, wie es mit der Basiswirklichkeit steht, dann bestreitet man auch noch, dass da eine sei, und sagt, sie sei auch nur ein Signifikat in der Kette der Signifikanten. Das war die Idee der Postmoderne.

Ich fand das damals als heranwachsender Philosoph auch gut, ich konnte mich hineinversetzen. Ich bin gerade schon alt genug, um die Faszination zu verstehen, die Baudrillard ausübte, als er neue sozioökonomische Phänomene mit einer neuen Theoriesprache beschrieb und alles in ein Bild einrahmte: Börsencrash, Aids und Techno und alles, was damit verbunden wurde. New York als die postmoderne Stadt par excellence. Ich würde sagen, Paris war die Hauptstadt der Moderne, und New York war die Hauptstadt der Postmoderne. Es ist kein Zufall, dass der New Yorker Immobilienmarkt Donald Trump, die Farce der Postmoderne, hervorbringt. Donald Trump ist sozusagen die Widerlegung der emanzipatorischen Ansprüche der Postmoderne, wie eine Witzfigur (oder wohl eher ein Horrorclown), die aus der Box herausspringt. Baudrillard könnte hier mit Marx sagen „Das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce“. So ist die Postmoderne heute an ihr ironisches Ende gekommen. Die unendlich ironische Selbstzitation, die weiß, dass sie eigentlich ein Totentanz ist, manifestiert sich jetzt als welthistorische Gewalt eines postfaktischen Zeitalters.

Als Zeichen für ein endgültiges Ende der Postmoderne deutet Gabrial übrigens ein neuen Interesse an der Wahrheit: „Das Progressive ist jetzt auf der Seite der Tatsachen. Heute gilt es, für wissenschaftliche Objektivität einzutreten, da das Interesse an echter wissenschaftlicher und philosophischer Forschung zugunsten einer rein technokratischen Funktion der Universität (alles soll TU werden) schwindet. Das ist das Ende der Postmoderne. In der Postmoderne war die Idee: Progressiv ist man, wenn man die Idee der Tatsache und der objektiven Wahrheit herunterfährt. Plötzlich ist es andersherum“ (ebd., S. 44). 

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