Objektivität? Gibt es nicht. Wirklichkeit? Die wird von Menschen sozial konstruiert. Wahrheit? Das ist eine Frage der Perspektive. Dieses postmoderne Denken fällt der poststrukturalistischen liberalen Elite jetzt auf die Füße, meint der Schriftsteller und Kolumnist Alexander Estis. Die Verzauberung der Welt durch das postmoderne Denken führt dazu, dass vernünftige Diskurse Seltenheitswert haben. Estis sagt:
Die Rechte hält uns einen hässlichen Zerrspiegel vor: Schaut nur! Ihr sagt ja selbst, dass die Naturwissenschaften keinerlei Objektivität für sich geltend machen können. Dass deren Allgemeinheitsanspruch nur aufgrund einer logozentrischen, eurozentrischen, kulturrelativistisch betrachtet unhaltbaren Monopolstellung behauptet werden kann. Dass die Naturwissenschaft also nur eine unter vielen möglichen Sichtweisen auf die Welt darstellt.
Wenn das so ist, brauchen wir den Naturwissenschaftlern keinen Glauben zu schenken – und können uns beispielshalber Impfungen ohne Weiteres verweigern. Wenn alles nur gesellschaftliches Konstrukt ist, dann mag auch die Pandemie konstruiert sein. Wenn es keine absolute Wahrheit gibt, dann habe ich eben meine eigene Wahrheit und meine alternativen Fakten.
Viele Linksintellektuelle echauffieren sich jetzt zurecht über Fake News, Verschwörungstheorien und grassierenden Antiszientismus. Auch wenn sie diesen Phänomenen gewiss nicht den Boden bereitet haben, können sie ihnen doch auch kein philosophisch fundiertes Bekenntnis zu Rationalität, Aufklärung und Wissenschaftlichkeit entgegensetzen. Sie haben ihr erkenntnistheoretisches und logisch-kritisches Rüstzeug freiwillig auf dem Altar vermeintlicher Fortschrittlichkeit niedergelegt und mit ihm die regulative Idee der Wahrheit verspielt. So verloren sie jegliche Wehrhaftigkeit gegen die Handlanger der Lüge und Unvernunft.
Hier der Einwurf von Alexander Estis, veröffentlicht beim DLF:
Die Rede vom „hässlichen Zerrspiegel“ trifft es sehr gut. Die Linksintellektuellen haben jedoch sehr wohl diesen Phänomenen den Weg bereitet! Ich erinnere mich an eine feministische Dozentin (ihr Selbstverständnis), die bereits in einer der ersten Sitzungen der Vorlesung „Einführung in die Literaturwissenschaft“, sehr deutlich gemacht hat, dass es keine objektive Wahrheit gäbe. Und das nicht als persönliche Nebenbemerkung, sondern als konstituierendes Element der Veranstaltung. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn einem irgendwann der Bullshit vor die Füße fällt!
Es ist ein interessantes Phänomen, vielleicht kann mir hier jemand erklären, wie es dazu kommt: Obwohl Linke tendenziell eher zu fancy relativistischen Theorien neigen, hält sie das meist nicht davon ab, wenn es drauf ankommt der Wissenschaft zu folgen, während die Rechte, die theoretisch dem Absoluten zugeneigt ist, sich leichter dabei tut die Empirie zu negieren.
Bei Foucault bin ich mir aber sicher, dass, würde er noch leben, er weiterhin die Medizin als Lieblingsfeindin betrachten würde, und zu Corona dasselbe sagen würde wie zu Aids, an dem er gestorben ist: “Je n´y crois pas”.