Der kanadische Philosoph Charles Taylor wird heute 90 Jahre alt. Christian Geyer würdigt ihn mit dem Artikel „Zauber der Vernunft“ (FAZ, 05.11.2021, Nr. 258, S. 13). Zwei Zitate:
Warum Taylor zu den großen Säkularisierungs-Theoretikern gehört, hat damit zu tun, dass er die Frage nach Gott modernekritisch einfach umdrehte. Nicht nach Art von Substraktionstheorien wollte er die Moderne denken, also nicht so, dass der Mensch sich erst seiner Transzendenzen entledigt hätte, bevor er das Licht der Vernunft erblickt. Sondern umgekehrt erklärte Taylor die Transzendenzlosigkeit zu einer Schwundstufe der Vernunft, zur Minus-Vernunft.
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Die Verleugnung der Transzendenz oder besser: den Verlust ihrer Selbstverständlichkeit macht Taylor verantwortlich für die liberalistischen Fehlentwicklungen der Moderne. Von diesem Verlust her erkennt er ein Versiegen von moralischen Quellen, ohne welche das Selbst- und Weltverständnis des Menschen defizitär bleibe, wie er in seinem Hauptwerk „Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität“ darzulegen suchte. Es ist dieser religionsphilosophische Kern, um den herum Taylor seine Anthropologie baute, über Jahrzehnte in etlichen Büchern und Aufsätzen entfaltete, dabei durchgängig den psychologischen Behaviorismus als Fehlanzeige brandmarkend. „Wie wollen wir leben?“ – diese bewusst voluntaristisch formulierten, vom aufgeklärten Individuum her gestellte Frage nimmt die Sinnfrage in die eigene Regie.
Nachdem ich jetzt mit Transzedenz bald 79 werde, hat die Umkehr der Beweislage bei mir fröhliche Heiterkeit bewirkt. Ich bin mir sicher, daß der große Herrr mit meiner Ganzheitlichen Weltbetrachtung keine Probleme hätte.
Der rote Hintergrund macht das Lesen sehr schwierig.