Das Evangelium nach Taylor Swift

Sally-Jo Durney hat für die TAGESPOST die beiden „Taylor-Swift-Gottesdienste“ in der Heidelberger Heiliggeistkirche besprochen: 

Vor der etwas ausgedünnten Gemeinde geht der Gottesdienst mit Swifts LGBTQ-Hymne „You Need To Calm Down“ in die erste Runde. Pfarrer Petrarca lädt dazu ein, zu dem basslastigen Stück „zur Ruhe zu kommen“ und „den Moment aufmerksam zu genießen“. Einige wippen mit den Fußspitzen im Takt und formen den Text des Donald-Trump-Disstracks mit den Lippen mit. Es folgt ein Gebet und eine Lesung aus dem 1. Korintherbrief mit dem berühmten Lob auf die Liebe: „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf“, tönt es durch die Kirche. Swift, so Petrarca, singe viel über die Liebe. Die, so der Pfarrer, bekennende Christin, setze sich mit Liedern wie „You Need To Calm Down“ für Toleranz und Liebe ein. „Da sind wir als Heiliggeistkirche ganz bei ihr!“ Spontaner Applaus.

Dass Swift regelmäßig den Unmut radikaler Fans gegen ehemalige Liebhaber verursacht, kommt nicht zur Sprache. Auf die Frage, ob es angesichts der Glorifizierung von emotionaler und möglicherweise auch physischer Untreue im neuesten Swift-Album angemessen sei, Swifts Lebensstil als christlich darzustellen, erklärt Petrarca, dass auch Jesus sich Ehebrechern zugewandt hatte. „Auch Luther hatte sehr dunkle Seiten“, so der Pfarrer. Ob es nicht einen Unterschied mache, ob man Dunkles in der Vergangenheit habe oder es in eigenen Texten glorifiziere? „Natürlich macht das einen Unterschied. Aber wir glorifizieren ja nicht Taylor Swift.“ 

Swift verstehe das Christentum politisch, erklärt der Pfarrer. So konterte sie auch die Kritik an den Emissionen ihres Privat-Jets, indem sie diese mit CO2-Zertifikaten kompensierte. Viele Umweltschützer kritisieren dieses System als eine Art ökologischen „Ablassbrief“, weil die Zertifikate den Schaden nicht wettmachen – und sehen das Prinzip von CO2-Zertifikaten auch als Zeichen finanzieller Ungleichheit. Pfarrer Petrarca entgegnet: „Uns geht es nicht darum, Taylor Swift heilig zu sprechen.“ Die Veranstalter hätten bewusst den Titel „Anti Hero“ für den Gottesdienst gewählt. „Sie hat dunkle Seiten und singt sogar ein ganzes Lied darüber“. Das Thema Geld und Christentum sei sehr herausfordernd. Die Anfrage Jesu, eher gehe ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel, ergehe an jeden von uns. 

Mehr: www.die-tagespost.de.

Ähnliche Beiträge:

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner