Moralischer Totalitarismus

Ich finde es erfrischend, wenn linke Denker wie Svenja Flaßpöhler feststellen, dass Betroffenheitsgesten die Diskussionskultur in der Gesellschaft und an den Hochschulen nicht nur beschädigen, sondern erdrücken. Das Ende eines Debatten-Diskurses ist ganz schnell erreicht; wenn „an die Stelle von Argumenten Gefühle treten, ist an Diskutieren nicht zu denken. Das würgt alles ab“.

Svenja Flaßpöhler:

Der zentrale Unterschied ist doch der: Der Faschismus wendet sich gegen Minderheiten, gegen Schwache. Wenn aber zum Beispiel Studierende dafür kämpfen, dass ein Eugen-Gomringer-Gedicht von der Wand ihrer Hochschule verschwindet, dann ist der Feind der weiße, erfolgreiche Mann. Dreh- und Angelpunkt ist also das Verhältnis von Privilegierten und Nichtprivilegierten. Oder auch: von Betroffenen und Nichtbetroffenen. Es gibt im Feminismus die sogenannte Standpunkttheorie, die besagt, dass jede Position an einen Standpunkt gebunden ist, aber dass die Unterdrückten einen objektiveren Zugang zur Wahrheit haben, weil sie viel mehr sehen als die privilegierte Gruppe, die gar kein Interesse an einer höheren Erkenntnis hat. Sicher ist es richtig, dass ich nicht weiß, wie es ist, eine schwarze Hautfarbe zu haben. Insofern kann mich die Sicht eines dunkelhäutigen Menschen, der tagtäglich Diskriminierung erfährt, zu neuen, wertvollen Einsichten führen. Problematisch finde ich aber, wenn Menschen, die keiner solch unterdrückten Gruppe angehören, unterstellt wird, dass sie zu bestimmten Themen nichts Wertvolles sagen können. Ich als weiße, heterosexuelle Frau in einer Führungsposition habe in bestimmten Themenkomplexen ganz schlechte Karten.

Ich empfehle die vollständige Lektüre dieses Interviews mit der Chefredakteurin des Philosophie Magazins gern: taz.de.

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5 Jahre zuvor

[…] Ich empfehle die vollständige Lektüre dieses Interviews mit der Chefredakteurin des Philosophie Magazins gern: taz.de.https://theoblog.de/moralischer-totalitarismus/33728/ […]

Stephan
5 Jahre zuvor

Tja, es gibt auch intelligente Linke – auch wenn ich deren Standpunkte nicht immer teile. Hier ist schon mal ein guter Ansatz zu erkennen, lediglich ein Satz stößt mir auf: „Insofern kann mich die Sicht eines dunkelhäutigen Menschen, der tagtäglich Diskriminierung erfährt, zu neuen, wertvollen Einsichten führen.“ Dieser Satz setzt also voraus, dass dunkelhäutige tagtäglich Diskriminierung erfahren, geht also von einer Annahme aus, die nicht stimmt. Auch als alter weißer Mann erfahre ich nicht täglich Diskriminierung. Das Paradoxe ist: dieser zitierte Satz ist schon wieder Rassismus, denn wenn jemand angeblich (laut Dritten) tagtäglich Diskriminierung erfährt, weil er irgendwie anders ist, dann ist schon die Festellung des Anderssein durch einen Dritten ein Rassismus, der wieder zur Diskriminierung, zumindest aber zu einem anderen Umgang mit dem Andersseienden oder aber verschiedenen Gruppen von Menschen führt. Wer sagen kann: jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes, von ihm geliebt, egal welche Hautfarbe, Abstammung, Intelligenz, körperliche Vorzüge oder Nachteile, sozialer Status, …, aber genauso ein Sünder… Weiterlesen »

3 Jahre zuvor

[…] Moralischer Totalitarismus: «Es gibt im Feminismus die sogenannte Standpunkttheorie, die besagt, dass jede Position an einen Standpunkt gebunden ist, aber dass die Unterdrückten einen objektiveren Zugang zur Wahrheit haben, weil sie viel mehr sehen als die privilegierte Gruppe, die gar kein Interesse an einer höheren Erkenntnis hat.» […]

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