War der Kirchentag ein Erfolg?

Der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg und Fürth wurde kontrovers beurteilt. Der Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm schildert in einem Pro & Contra bei ideaSpektrum begeistert: „Ja, der Kirchentag war ein riesengroßer Erfolg! Meine hohen Erwartungen hat er jedenfalls noch übertroffen. Es war ein stark geistlich geprägter Kirchentag. Die Bibelarbeiten waren überfüllt. Auch anderswo wurden spirituelle Angebote stark genutzt. Es irrt, wer jetzt meint, dass das auf Kosten der Weltzugewandtheit, einschließlich ihrer politischen Dimension, ging.“

Andreas Späth, Vorsitzender der Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis in Bayern, erwidert:

Was ist Erfolg? Erfolg wird oft in Zahlen gemessen. Ist es ein Erfolg, wenn man 70.000 von erwarteten 100.000 Tickets verkauft? Ist es ein Erfolg, wenn man Lebensschützer – gerade in einer Zeit höchster Bedrohung, wie der geplanten Abschaffung des Paragrafen 218 und der Euthanasiedebatte – vom Kirchentag ausschließt?

Ist es ein Erfolg, wenn man messianische Juden, also im Grunde die direkten Nachfahren z. B. unserer Apostel Petrus und Paulus, vom Kirchentag ausschließt und dann im Gegenzug auch noch die Zulassung judenfeindlicher Ausstellungen ernsthaft diskutiert? Ist es ein Erfolg, wenn ein großer Teil der Veranstaltungen weder glaubensstärkend noch glaubensweckend ist?

Man kann das freilich so sehen, je nach eigenem Standpunkt. Ob die Kirche – in der Definition Martin Luthers – das auch so sehen sollte, bezweifle ich nachdrücklich. So heißt es im Schmalkaldischen Artikel 32: „Denn es weiß gottlob ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche ist, nämlich die heiligen Gläubigen und ‚die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören‘ (Johannes 10,3). Denn so beten die Kinder: ‚Ich glaube eine heilige, christliche Kirche.‘

Mehr: www.idea.de.

Die Repressionsthese auf dem Prüfstand

Schon in seiner kulturtheoretischen Abhandlung „Die ‚kulturelle‘ Sexualmoral und die moderne Nervosität“ (enthalten in: Das Unbehagen in der Kultur und andere kulturtheoretische Schriften, 5. Aufl., Fischer, 2018) aus dem Jahre 1908 stellt Sigmund Freud einerseits die These auf, dass die Bändigung, Umleitung oder Veredlung des Sexualtriebs zur Kulturentwicklung beiträgt (Sublimierung). Andererseits behauptet er, dass der Triebverzicht gleichwohl psychische Erkrankungen fördert (er sprach von „Nervosität“). Die Neurose ist das negative Pendant zur Perversion, „weil sie dieselben Neigungen wie die positiv Perversen im ‚verdrängten‘ Zustand enthalten“ (S. 120).

Für Freud produziert die Sexualität selbst keine inneren Konflikte, wenn sie auf natürliche Weise ausgelebt wird. Erst durch die Regulierung mittels gesellschaftlicher Normen kommt es zu Spannungen und innerer Zerrissenheit. Die gesellschaftliche Repression der Triebe führe zu seelischen Erkrankungen (Repression). Das klingt dann so (S. 123):

Wer in die Bedingtheit nervöser Erkrankung einzudringen versteht, verschafft sich bald die Überzeugung, daß die Zunahme der nervösen Erkrankungen in unserer Gesellschaft von der Steigerung der sexuellen Einschränkung herrührt.

Anders gesagt: Um so weniger die Sexualität eingeschränkt wird, desto seltener treten nervöse Erkrankungen auf.

Freud war dennoch nicht dafür, Sexualität ungehemmt auszuleben. Das forderte erst später sein Schüler Wilhelm Reich. Ulrich Gutmair, Kulturredakteur der taz, schreibt:

Reich entwickelte aus der Freud’schen Idee der Libido eine psychosomatische Theorie. Er verstand psychische Strukturen als erstarrte Energie, die es freizusetzen gilt, um Panzerungen in Körper und Charakter zu lösen. Er war seiner Zeit voraus. Massenhaft suchten Patienten die sexualhygienischen Beratungsstellen auf, die Reich erst in Wien, dann in Berlin betrieb.

Aber sind die nervösen Erkrankungen mit der sexuellen Befreiung zurückgegangen?

Schauen wir mal nach Berlin. Sarah Obertreis hat kürzlich in der FAZ den interessante Artikel „Wo Monogamie out ist“ veröffentlicht. Sie zeigt dort anhand von Umfrageergebnissen und Beispielen, dass in der Hauptstadt die Verbindlichkeit in den Beziehungen verloren gegangen ist wie in keiner anderen Stadt Deutschlands. Sie schreibt:

Berlin ist nicht wie andere Millionenstädte. Es ist schnelllebiger, anarchischer und diverser als München, Köln oder Hamburg. Hier zählt das Leben oft mehr als die Arbeit – und Geld nur, wenn es mal nicht für die Miete reicht. Sesshaft zu werden sei hier viel schwerer als anderswo, konstatiert eine Psychologin. Was das für Auswirkungen hat, lässt sich in einem Lebensbereich besonders gut beobachten: dem Dating. Dutzende Umfragen zeigen: In der Hauptstadt folgt die Liebe anderen Gesetzen als im Rest der Republik.

Tatsächlich zeigen Statistiken: Berlin ist die Stadt der Partnerlosen. Je nachdem welche Studien man liest, reichen die Schätzungen von 30 bis 50 Prozent Singles. Gleichzeitig gibt es hier so viele junge und so viele offen queere Menschen wie kaum an einem anderen Ort in Deutschland. Sie treffen sich auf den Tanzflächen, in den Cafés, Parks und den berühmt-berüchtigten Sexclubs der Stadt. Oft zählt dabei der Austausch von Körperflüssigkeiten mehr als der Austausch von Gedanken.

Bei so viel ungehemmter Sexualität in der Hauptstadt erwartet man eigentlich – vorausgesetzt an Repressionsthese ist was dran, dass es dort deutlich weniger psychische Erkrankungen gibt als anderswo. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Wie aus einem DAK-Report hervorgeht, gibt es in keinem anderen Bundesland es so viele Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen wie in Berlin/Brandenburg (vgl. a. hier).

Natürlich soll das keine Widerlegung der Repressionsthese sein. Es soll lediglich dazu anregen, vielleicht mal darüber nachzudenken, ob wir für unverbindliche Sexualität einen sehr hohen Preis zahlen, der auch die „Nervosität“ betrifft.

Der letzte Absatz im Artikel „Wo Monogamie out ist“ zeigt übrigens, dass bei so viel Unverbindlichkeit in Beziehungsfragen die Sehnsucht nach Verlässlichkeit und Bindung zurückkehrt:

Deswegen erzählen Menschen wie Falk, die trotz allem eine glückliche verbindliche Beziehung gefunden haben, davon auch wie von einem Lottogewinn: ziemlich stolz, aber auch ein bisschen ungläubig und fast schon verschämt. Falk hat seine Freundin über Bekannte kennengelernt, nach ein paar Monaten fragte er: Könntest du dir eine Beziehung vorstellen? Sie antwortete: Ja, aber nur eine offene. Diesmal war Falk nicht bereit, seine Grenzen zu verschieben. Sie wurden trotzdem ein Paar, weil ihre Lust auf Falk größer war als die auf eine offene Partnerschaft. Und es fühlt sich für ihn gut an: „Jetzt bin ich seit sieben Monaten in einer ganz stinknormalen Beziehung und denke: Wow, ist Monogamie geil!“

Jetzt ist die Zeit

Der Kirchentag stand in Anlehnung an Markus 1,15 unter dem Motto „Jetzt ist die Zeit“. Pastor Quinton Ceasar hat die Abschlusspredigt unter großem Beifall gehalten. Sie kann hier nachgehört werden.

Einige Auszüge: 

Ich werde euch heute nicht anlügen: Wir können nicht warten. Nicht bis morgen oder nächste Woche. Oder das nächste Mal, wenn wir eine andere Regierung oder willigere Koalitionspartner*innen haben, wenn das nächste Mal der Rat der EKD oder unsere Synoden oder das Präsidium des Kirchentages gewählt werden, und diverser und inklusiver besetzt werden. Wir können nicht mehr warten.

Jesus sagt nicht: “Alles hat seine Zeit“. Jesus sagt: „Jetzt ist die Zeit!“ Wenn Jesus sagt: “Jetzt ist die Zeit!”, dann ruft er zur Veränderung auf, zu mutigen Entscheidungen, die wirklich Veränderung bewirken. Und ja, es gibt sie, die entscheidenden Momente. Und ja, du kannst wählen zwischen richtig und falsch. Das lernen wir doch von Jesus selbst, der sagt: “Jetzt ist die Zeit!”

Ich werde Euch heute nicht anlügen. Nicht wenn es um Zeit und nicht, wenn es um die Liebe geht. Lasst uns über die Liebe reden. Wir zitieren gern mal „Glaube, Hoffnung, Liebe.“ Wir sagen: „Die Liebe leitet uns.“ Wir singen: “All you need is love.” Und wir versprechen: „Wir, die das Gute wollen, sind mehr.“ James Baldwin, der Schwarze und schwule Schriftsteller und Aktivist hat gesagt: „Die Liebe war noch nie eine Massenbewegung.“ Und er hat damit nicht gelogen. Die Welt wird von der Liebe und der Leidenschaft einiger weniger Menschen zusammengehalten. Und darum geht es doch! Wie James Baldwin, bin ich kein Pessimist. 

Ich weiß, wie es ist, diskriminiert zu werden. Ich und Menschen wie ich, wir kenne. Die Grenzen und die Schwächen des Satzes: „Liebe deine Nächsten“.  Deshalb tanze ich lieber zu Tina Turners „What’s love got to do with it“, „Was hat das denn mit Liebe ueberhaupt damit zu tun?“ “Ohne Gerechtigkeit gibt es keine Liebe.” “There can be no love without justice.” „Alles hat seine Zeit“ und „All you need is love“, erinnert mich aber eher einen Happyland-Zustand.

Happyland, das ist ein Wort von Tupoka Ogette, die damit beschreibt, wie sich Menschen fühlen, die keine Diskriminierungen erfahren und sie auch nicht sehen, dass andere sie erfahren. Happyländer*innen sagen: „Gott liebt uns alle gleich“. „Ich sehe keine Hautfarbe, keine Behinderung, kein Geschlecht“ Happyländer*innen, also die aus Happyland, sagen: „Gott liebt uns doch alle gleich, du.” happyländer*innen sagen: “Ich sehe keine Hautfarben, keine Behinderungen, kein Geschlecht.” Happyländr*innen sagen: “Jesus Christus hat uns doch alle durch seine Liebe befreit.“ Sie sagen: „Die Kirche ist ein sicherer Ort für alle.“

Wir sind Kirche. Und meine Geschwister und ich sagen: Jetzt ist die Zeit! Wir vertrauen eurer Liebe nicht. Wir haben keine sicheren Orte, in euren Kirchen. Und ich werde euch heute nicht anlügen. Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Wir sind alle die Letzte Generation. Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Black lives always matter. Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Gott ist queer. Jetzt ist die Zeit, zu sagen: We leave no one to die. Und jetzt ist wieder die Zeit, zu sagen: Wir schicken ein Schiff, und noch viel mehr. Und wir empfangen Menschen in sicheren Häfen. Safer spaces for all.

Um leichter zu erkennen, dass hier ein klassischer Kanzelmissbrauch vorliegt, zitiere ich den eigentlichen Predigttext Mk 1,14–15:

Nachdem aber Johannes überantwortet wurde, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!

Das Schauspiel erinnert stark an 2. Timotheus 4,3:

Denn es wird eine Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden; sondern nach ihrem eigenen Begehren werden sie sich selbst Lehrer aufladen, nach denen ihnen die Ohren jucken,

„Das Evangelium verändert alles“

Philipp Bartholomä blickt zurück auf den Eindruck, den Tim Keller (1950–2023) im deutschsprachigen Raum hinterlassen hat: 

Gespeist von seinen langjährigen Erfahrungen im Gemeindedienst der von ihm gegründeten Redeemer Presbyterian Church im säkularen Manhattan verstand es Keller wie kaum ein anderer, eine überzeugende theologische Vision für Kirche und Gemeinde in einem nachchristentümlichen Umfeld zu entfalten. Seine Anziehungskraft beruhte nicht zuletzt darauf, dass er theologisch und kommunikativ zusammenhielt, was zunehmend auseinanderzudriften schien. Sowohl seine Theologie als auch seine Gemeindeaufbauarbeit wurzelten in einer Haltung, die man im Umgang mit der Bibel zwar als „konservativ“ bezeichnen kann, die gleichzeitig jedoch jenseits von Konservatismus der gegenwärtigen Kultur gegenüber anschlussfähig war. Keller suchte bewusst nach neuen Wegen, wie der für alle Zeiten gültige Inhalt des Evangeliums unter aktuellen Bedingungen so plausibel wie möglich geglaubt, gelebt und kommuniziert werden konnte. Und in seiner Verkündigung und Apologetik gelang es ihm in überzeugender Weise, nicht nur den Intellekt, sondern auch die Emotionen anzusprechen.

Mehr: www.evangelium21.net.

Matthew Barrett: Die Reformation als Erneuerung

123393EBGestern ist das Buch The Reformation as Renewal: Retrieving the One, Holy, Catholic, and Apostolic Church (Grand Rapids, MI: Zondervan Academic, 2023) erschienen. Der Verlag schreibt über das Werk:

Das Buch ist eine frische, ganzheitliche und augenöffnende Einführung in einen der bedeutendsten Wendepunkte in der Geschichte der christlichen Kirche. Unter Berücksichtigung sowohl der historischen als auch der intellektuellen Ursprünge der Reformation im 16. Jahrhundert zeigt Matthew Barrett, dass die Reformation in ihrem Kern eine Erneuerung der evangelischen Katholizität war. Rom warf den Reformatoren Neuheit vor, als seien sie Ketzer, die von der katholischen (universalen) Kirche abwichen. Doch die Reformatoren glaubten, sie seien katholischer als Rom. In Abgrenzung zu den Radikalen waren die Reformatoren überzeugt, dass sie den Glauben ihrer patristischen und mittelalterlichen Väter wiederherstellen würden. Anstatt mit der Kirche zu brechen, sahen sich die Reformatoren als treue Verwalter der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, die in der Geschichte bewahrt wurde. Während Rom sich auf Innovationen stützte, die ihren Ursprung im späten Mittelalter hatten, verbanden sich die Reformatoren mit der Kirche aller Epochen, der patristischen wie der mittelalterlichen, um den wahren Gottesdienst und die Erneuerung des Evangeliums in ihrer eigenen Zeit wiederherzustellen.

Ich habe schon mal reingeschaut und gelesen, was Barrett zur Debatte um die Sühnetheologie geschrieben hat.

Die Reformatoren des 16. Jahrhunderts waren in ihrer Polemik mit dem Papsttum unnachgiebige Verteidiger des solus Christus. Die Rechtfertigung hing von einem Sühneopfer ab, mit dem Christus alles bezahlte. Christus setzte sich an die Stelle der Sünder und befriedigte den Zorn Gottes, den die Sünder verdient hatten. Allein durch den Glauben an Christus wird den Gottlosen nicht nur ein Teil, sondern das Ganze vergeben. Außerdem wird ihnen durch den Glauben auch die Gerechtigkeit Christi zugerechnet. Denn Christus hat nicht nur an der Stelle der Sünder gelitten, sondern auch für sie gelebt und das Gesetz bis zur Vollkommenheit befolgt, was die Sünder nicht geschafft haben. Sein makelloser Gehorsam wird den Gläubigen angerechnet und gibt allen, die an Christus glauben, die Gewissheit des ewigen Lebens.

Die mittelalterlichen Scholastiker stimmten nicht genau mit den Reformatoren überein, wenn es um die angewandte Erlösung geht, was deutlich wird, wenn man die mittelalterliche Behauptung der übertragenen Gerechtigkeit der reformatorischen Lehre von der angerechneten Gerechtigkeit gegenüberstellt. In Bezug auf die vollbrachte Erlösung – das objektive, geschichtliche Werk Christi als Mittler am Kreuz – stimmten die Reformatoren jedoch in einigen wichtigen Punkten mit namhaften Scholastikern überein. Diese Übereinstimmung mag nicht exakt gewesen sein (wie wir noch sehen werden), aber sie war bemerkenswert. Die Reformatoren standen auf einem Fundament, das nicht nur von den Kirchenvätern, sondern auch von den mittelalterlichen Scholastikern geebnet worden war. Dieses Fundament erklärt, warum die Reformatoren die Transsubstantiation anfechten konnten (siehe Kapitel 8), die ihrer Meinung nach die Hinlänglichkeit des Opfers Christi (solus Christus) verletzte. Die Reformatoren stellten jedoch die grundlegende und wesentliche Bestätigung des Kreuzes als Sühne, ja sogar als Genugtuung für die Sünde durch Rom nicht in Frage.

Die Ausgabe für die Bibelsoftware Logos gibt es hier: www.logos.com.

Wissenschaftler kritisieren Genderpraxis

Trotz heftiger Kritik treiben viele Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Förderung der sogenannten gendergerechten Sprache voran. Nun haben 700 Sprachwissenschaftler einen kritischen Aufruf unterzeichnet. In einem Brief, der an sämtliche Fernsehräte verschickt wurde, weisen sie darauf hin, dass die Sender bisher nicht zu den formulierten Argumenten gegen das Gendern Stellung genommen haben.

In dem Aufruf heißt es: 

Seit 2020 hat die Verwendung der sogenannten gendergerechten Sprache im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) in erheblichem Maße zugenommen. Ausgangspunkt dieser Sprachpraxis ist die Bewertung des generischen Maskulinums als diskriminierende Sprachform, die wir als Sprachwissenschaftler und Philologen zurückweisen. Wir fordern eine kritische Neubewertung des Sprachgebrauchs im ÖRR auf sprachwissenschaftlicher Grundlage.

Die Sprachverwendung des ÖRR ist Vorbild und Maßstab für Millionen von Zuschauern, Zuhörern und Lesern. Daraus erwächst für die Sender die Verpflichtung, sich in Texten und Formulierungen an geltenden Sprachnormen zu orientieren und mit dem Kulturgut Sprache regelkonform, verantwortungsbewusst und ideologiefrei umzugehen. Mehr als drei Viertel der Medienkonsumenten bevorzugen Umfragen zufolge den etablierten Sprachgebrauch – der ÖRR sollte den Wunsch der Mehrheit respektieren.

Mehr: www.linguistik-vs-gendern.de.

Leben in Qumran

Die Akademie der Wissenschaften in Göttingen hat eine Alpha-Version ihres digitales Lexikons zu den Qumran–Fragmenten online gestellt. Nach eigenen Angaben geht es darum:

Das Hauptziel des Unternehmens besteht in der Erarbeitung eines philologischen Wörterbuchs, das den gesamten Wortschatz der Texte vom Toten Meer erfasst und das Material etymologisch, morphologisch sowie semantisch aufbereitet. Das Wörterbuch schließt damit die bisher kaum erforschte Lücke zwischen dem biblischen und dem rabbinischen Hebräisch und Aramäisch. Zugleich bildet es die Grundlage für das sogenannte rückläufige Wörterbuch. Sämtliche Wörterbuchartikel sowie der zugrunde liegende Text einschließlich aller Lesungen und philologisch-sprachwissenschaftlicher Interpretationen werden online im Open Access publiziert.

Hier mehr: www.qumran-digital.org. Zum Lexikon selbst geht es hier: lexicon.qumran-digital.org.

VD: AS

Verbotsfieber

Das Verbotsfieber treibt immer neue Blüten. In Utah (USA) wird die Heilige Schrift aus Schulbibliotheken entfernt, da sie sei voll von „sexueller Amoralität“ sei. Ein Elternteil hatte sich „beschwert“. Die FAZ schreibt: 

Ein offenbar von den ausufernden Bü cherverboten frustrierter Elternteil hatte im Dezember des vergangenen Jahres daraufhin beklagt, dass bei den Bemühungen einer Elterngruppe namens Utah Parents United, gewisse Bücher aus Schulen und Bibliotheken zu verbannen, die Bibel als eines der „am schlimmsten von Sex beherrschten Bücher überhaupt“ übersehen worden sei. Die Bibel enthalte „Inzest, Masturbation, Sex mit Tieren, Prostitution, Genitalverstümmelung, Oral sex, Dildos, Vergewaltigung und Kindermord“, heißt es in der Klage.

Utahs Moralhüter sahen sich glatt gehalten, der Sache mit allem Ernst nachzugehen. Ein Ausschuss nahm sich die Bibel zur Überprüfung vor und beschloss tatsächlich, das Buch „wegen Vulgarität oder Gewalt“ nur noch Oberschülern, als o ab der neunten Klasse, zugänglich zu machen, wie Christopher Williams, ein Sprecher des Schulbezirks, gegenüber NBC News sagte.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Nicht-binäres Geschlecht im prähistorischen Europa

Ein Forschungsteam analysiert Geschlechtsdaten aus Gräbern aus einem Zeitraum von fast 4000 Jahren und sie fanden dabei heraus, dass die gesellschaftliche Rolle prähistorischer Individuen mehrheitlich durch ihr biologisches Geschlecht bestimmt wurde. Es habe sich aber gezeigt, dass es schon früher nicht-binäre Geschlechter gegeben habe. Als Leser fragt man sich: Wie denn? Die Antwort: Die Anordnung von Schmuck und Waffen im Grab gibt angeblich Auskunft darüber. Offensichtlich werden gewisse Rollenschablonen zurück projiziert. Bestimmte Gegenstände und ihre Anordnung sollen Auskunft gegen über das unterstellte soziale Geschlecht.

Am Klügsten finde ich diese Kommentierung: 

Dr. Nicola Ialongo vom Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttingen fügt hinzu, dass dies nur eine der möglichen Interpretationen sei. »Zum jetzigen Zeitpunkt können wir die tatsächliche Größenordnung noch nicht abschätzen. Das liegt nicht nur an der Fehleranfälligkeit der Methoden, zum Beispiel bei der Untersuchung der Knochen. Wir müssen auch den Bestätigungsfehler berücksichtigen: Wir Menschen neigen dazu, das zu finden, was wir finden wollen.« Zukünftig sollen biomolekulare Analysen, zum Beispiel an der DNA und an Proteinen im Zahnschmelz, zusätzliche Daten liefern.

Hier mehr mit einem Link auf den Aufsatz, der im Cambridge Archaeological Journal erschienen ist: www.archaeologie-online.de.

Theologie für Kinder

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Kinder leiden stärker an der Selbstsäkularisierung der Gemeinden als wir uns das vorstellen können. Unterhaltungsprogramme, die dazu da sind, Kinder in den Kirchen zu halten, können diesen Prozess nicht aufhalten. Was Kinder benötigen, ist eine lebendige Verkündigung und Erklärung des wunderbaren Evangeliums von Jesus Christus. 

Als Verlag Verbum Medien haben wir daher entschieden, eine (systematische) Theologie für Kinder herauszugeben. Das Buch Theologie für Kinder von Marty Machowski hilft Familien, wichtige Wahrheiten über Gott, sich selbst und die Welt, in der sie leben, an ihre Kinder weiterzugeben. Selbst komplexere theologische Aussagen werden durch anschauliche Analogien greifbar gemacht. Das Buch kann jüngeren Kindern vorgelesen werden oder man lässt es sich von Schulkindern vorlesen. Teenies können die verschiedenen Bibelstellen nachschlagen. Das Buch enthält ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen der Bibel, die Kinder kennen sollten, sowie für jedes Kapitel Fragen zur Wiederholung. Das Buch bietet damit für die ganze Familie ein solides Fundament biblischer Wahrheiten. Zudem ist es wirklich schön illustriert. 

Ich empfehle das Buch Familien und solchen, die mit Kindern etwa in der Gemeinde arbeiten, von Herzen. Es kann derzeit zum Vorzugspreis hier bestellt werden: verbum-medien.de.

New Journalism

Der New Journalism, bei dem journalistische Recherche mit Techniken des fiktionalen Schreibens vermischt und der Autor selbst Teil der Story wird, nimmt auch in den Medienformaten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer mehr Raum ein. Ich habe hier schon mehrfach auf bedenkliche Beiträge beim öffentlich-rechtlichen Jugendangebot „funk“ hingewiesen (siehe z.B. hier und hier). Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung bestätigt „erstaunliche“ Schieflagen genau dort. Der Programmdirektor weist diese freilich zurück. Der DLF berichtet: 

In weniger als 15 Prozent der Fälle werde der Blick über Deutschland hinaus erweitert. Für kritikwürdig wird auch die regionale Gewichtung gehalten. Ostdeutsche Bundesländer kämen (ohne Berlin) nur in fünf Prozent der Beiträge vor, Lebensrealitäten außerhalb von Großstädten in weniger als zwölf Prozent.

Der Studie zufolge weisen Beiträge zudem eine subjektive Tendenz auf und folgten damit einer nischigen journalistischen Praxis – dem sogenannten New Journalism. Dabei dominiere eine gefühlsorientierte Aufbereitung der Themen. Studienleiter Brinkmann betonte im DLF, dies sei bei funk auf die Spitze getrieben worden. Es werde damit eine Grenze ausgelotet, aber nicht übertreten. Mit klassischem, auf jung gebürstetem Journalismus würde man junge Menschen vermutlich nicht erreichen, vermutet Brinkmann.

Philipp Schild, Programmgeschäftsführer bei funk,verteidigteim Deutschlandfunk das Konzept des Senders. Der Zugang über eine Reportage sei nun mal subjektiv. Schild unterstrich, das subjektive Erleben stehe nicht für die Gesamtheit. Man habe klare journalistische Standards. Meinung werde gekennzeichnet und von Fakten getrennt.

Schaut man sich in der Studie die Grafik auf Seite 53 an, auf der die herausgehobenen Themen des Kanals markiert werden, so ist klar: Es geht vor allem um Sex und sexuelle Vielfalt. Der Siegeszug des modernen Selbst kann hier besonders imposant beobachtet werden: Ich bin, was ich fühle. Vor allem bin ich ein sexuelles Wesen. Und genau darauf kommt es an. 

Die Studie von Janis Brinkmann endet mit den Worten:

Wenn subjektiver Journalismus also zum Selbstzweck wird, von einem Prinzip journalistischer Konstruktion von Wirklichkeit zu deren Inszenierung, bietet sich – angelehnt an Gaye Tuchman (1972) – dafür der Begriff eines „strategischen Rituals“ der Subjektivität an. Ein Phänomen, das sich im gegenwärtigen Journalismus an vielen Stellen beobachten lässt, wenn die teilnehmende Beobachtung von Reporter:innen nicht mehr der journalistischen Erkundung von Wirklichkeit dient, sondern lediglich der Generierung von – ökonomisch verwertbarer – Aufmerksamkeit durch einen subjektiv-journalistisch inszenierten Voyeurismus. 

Hier: www.deutschlandfunk.de.

Geschlecht ist schlecht

Die Philosophin Kathleen Stock wurde von radikalen LGBTQ+-Ideologen diffamiert und aus dem Amt gedrängt. Nun soll sie sogar bei öffentlichen Auftritten mundtot gemacht werden. Gina Thomas schreibt für die FAZ:

An diesem Dienstag ist die Philosophin Kathleen Stock als Rednerin bei der Oxford Union angesagt, dem historischen Debattierverein der Universität, den der ehemalige Premierminister Harold Macmillan als letzte Bastion der Redefreiheit bezeichnet hat. Seit Wochen versuchen Studentenvereinigungen aber, ihren Auftritt zu verhindern. Stock wird von der Trans-Lobby wie eine Aussätzige behandelt, weil sie darauf beharrt, dass das Geschlecht biologisch bestimmt sei. Aufgrund dieser Auffassung wurde ihr das Leben als Professorin der Universität Sussex von Kollegen und Studenten derart zur Hölle gemacht, dass sie im Oktober 2021 ihre Stelle aufgab.

So nachdrücklich sie sich für die Menschenrechte von Transgender-Personen einsetzt und für einen offenen Diskurs plädiert, wird Stock – wie auch J. K. Rowling und andere gender-kritische Feministinnen – als transphob diffamiert. In Oxford forderte die Studentengewerkschaft, die Einladung an Stock zu widerrufen. Auch solle der Debattierverein wegen seiner „toxischen Kultur der Schikane“ von der Erstsemestermesse ausgeschlossen werden, bei der die von Beiträgen abhängige Organisation neue Mitglieder rekrutiert.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Augustinus: Die Schriften haben den Kanon hervorgebracht

In De doctrina Christiane diskutiert der Kirchenvater Augustinus unter anderem die sprachliche Qualität der biblischen Schriften. Dabei macht er eine interessante Bemerkung zur Entstehung des Kanons. Er behauptet nämlich, dass diese Dokumente ihre Geltung nicht von der Kirche erhalten haben, sondern der biblische Kanon durch die ihnen innewohnende Autorität entstanden ist. Er schreibt (De doctr. chr. IV,6,9):

An dieser Stelle fragt vielleicht einer, ob unsere Bibelautoren, deren vom göttlichen Willen inspirierte Schriften uns in überaus heilbringender Autorität einen Kanon gebildet haben, nun weise oder auch beredt genannt werden müssen. Diese Frage wird von mir selbst und von denen, die mit mir einer Meinung sind, sehr leicht beantwortet. Denn sobald ich diese verstehe, kann mir nicht nur nichts weiser, sondern auch nichts beredsamer als diese erscheinen.

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