Bei Genderfragen soll die Biologie des menschlichen Körpers einerseits keine Rolle mehr spielen. Das, was ich fühle, entscheidet angeblich über mein Geschlecht. Andererseits erleben wir einen Hype um den natürlichen Umgang mit dem Körper – egal, ob es die Ernährung, Empfängnisverhütung oder die Menstruation betrifft. Natur ist „in“. Wie passt das zusammen?
Judith Blage geht genau dieser Frage nach und zeigt, dass wir nur dort nach Natürlichkeit streben, wo es uns in den Kram passt:
Wie unlogisch … diese entleibte Sicht auf Geschlecht ist, lässt sich gut am Beispiel Gendermedizin demonstrieren. Nirgendwo sonst wird so deutlich, wie wichtig es für die Gleichbehandlung ist, Geschlechter sehr wohl biologisch zu unterscheiden: Frauen und Männer erkranken nicht nur anders, sie reagieren auch unterschiedlich auf Medikamente.
Weil medizinische Forschung hauptsächlich an Männern stattfindet, sterben Frauen noch immer häufiger an Herzinfarkten und anderen Erkrankungen. Ihre Symptome werden schlicht nicht so gut erkannt wie die von Männern. Deshalb fordern Experten eine bessere Erforschung der Geschlechtsunterschiede in der Medizin – und stossen damit absurderweise unter anderem auf Proteste von Feministinnen.
Warum also streben wir in so vielen alltäglichen Bereichen und in fast aberwitzig unwichtigen Details nach dem grossen Ziel der vermeintlichen Natürlichkeit, während wir in anderen grossen Fragen das Vorhandensein von Körperlichkeit und Biologie so vehement verneinen?
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