Leonardo De Chirico hat für CT die neuerliche evangelikale Begeisterung für Thomas von Aquin differenziert bewertet. Ich schließe mich seinem Urteil an. Auszüge:
Frühere Generationen protestantischer Gelehrter kamen angesichts seiner Größe und Bedeutung für die Theologie nicht um Aquin herum, aber er wurde immer mit selektiven Augen gelesen. Heute gibt es jedoch eine zunehmende Tendenz zu denken, dass man nicht richtig orthodox (im „katholischen“ Sinne) sein kann, wenn man die grundlegenden Lehren des Thomismus nicht annimmt.
Was von diesen evangelikalen Anhängern oft übersehen wird, ist die umstrittene Geschichte des Aquinismus. Seit der Reformation und darüber hinaus hat der römische Katholizismus Aquinas als seinen Hauptverfechter für seine antireformatorische Haltung und die daraus resultierenden antibiblischen Entwicklungen betrachtet, wie z. B. das marianische Dogma der leiblichen Himmelfahrt Mariens von 1950.
Was ist von diesem Streit um Aquin zu halten? Was sind die Stärken und Schwächen, wenn nicht gar die Gefahren, wenn wir Aquin für die Theologie heute wiederentdecken? Es geht nicht darum, Aquin zu studieren oder Aquin unkritisch zu meiden, sondern darum, die theologische Landkarte bereitzustellen, mit der sich Evangelikale ihm nähern können.
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Wir sollten Aquin lesen wie Petrus Lombardus, Bonaventura, Duns Scotus und andere mittelalterliche Theologen, die von Aquins Einsichten und Lehren profitierten, aber auch Probleme benannten, wenn sein System von der Heiligen Schrift abwich.
Wir dürfen uns weder vor Aquin fürchten noch ihn zum absoluten Maßstab für die christliche Orthodoxie erheben – weder sein Denksystem ablehnen noch es naiv übernehmen. Die evangelikale Theologie muss eine realistische Lesart von Aquin anstreben, die sich der höchsten Autorität der Schrift unterordnet und im Dienst des Evangeliums steht.
Mehr: https: www.christianitytoday.com.
Eine, wie ich finde, sehr wichtige und faire Einschätzung.
Einer der Evangelikalen, die Aquin schätzen (wäre verehren zu weit gegriffen?), ist sicherlich Matthew Barrett. Sein Buch „The Reformation as Renewal“ hätte man auch „Redeeming Aquinas“ nennen können. Wobei „Redeeming Titel“ wohl Vern Poythress vorbehalten sind. 😉
Ich weiß noch wie Barrett mitgeteilt hat, dass Baker ihn angefragt hat eine Systematische Theologie zu schreiben. Begeistert hat er von seinem Projekt des „retrieval“ geschrieben, die seine Systematische Theologie prägen wird. Bei mir hat das nur einen Gedanken ausgelöst: Obwohl ich begeistert Systematische Theologien lese, werde ich die von ihm auslassen.
Das Gute ist ja, dass wir in einer Zeit leben, in der es viele gute, reformierte ST gibt. Ich sehe es für mich so: Wer John M. Frame hat, dazu noch die vierbändige von Beeke/Smalley und die meiner Meinung nach unterschätzte von Gerald Bray „God is Love“, der wird auch ohne Barrett auskommen.
Liebe Grüße
Schlotti
Matthew Barrett: „The Summa Theologiae by Thomas Aquinas is on my shelf as well because I’m writing a systematic theology, and I can think of few in the history of Christianity who have plumbed the depths of theology to the same degree as Aquinas. Right now, I’m revisiting Christology, and Aquinas raises questions as fascinating as they are profound, questions that evangelicals don’t have on their radars. I can’t help but wonder if the drift away from the orthodoxy of the creeds in the last two centuries could have been avoided if we read someone as orthodox as Aquinas. Plus Aquinas reminds me of David in Psalm 27, desiring one thing above all: to contemplate the beauty of the Lord. More and more, I see why one of my other theological companions, John Owen, was so indebted to Aquinas. Both men make me love Jesus more.“ (https://www.thegospelcoalition.org/article/on-my-shelf-matthew-barrett/) Ich glaube Barrett natürlich jedes Wort, wenn er von seiner Liebe zu Jesus… Weiterlesen »