Franciscus Junius d.Ä.: „Religion will nicht aufgedrängt, sondern … überzeugend dargeboten werden“

Franciscus Junius d.Ä. (Bild: Wikipedia, gemeinfrei).

Ich überfliege gerade eine Dissertation über den reformierten Theologen Franciscus Junius den Älteren (1545–1602), der von 1584 bis 1592 in Heidelberg unterrichtete (Tobias Sarx, Franciscus Junius d.Ä. (1545–1602): Ein reformierter Theologe im Spannungsfeld zwischen späthumanistischer Irenik und reformierter Konfessionalisierung, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007). Bemerkenswert finde ich, was ich über den Vater zu lesen bekomme. Er hat sich als Jurist verdient gemacht hat und in vielerlei Hinsicht einen guten Einfluss auf den Sohn ausgeübt. Sehr weise hat er sich verhalten, als Franciscus durch die Lektüre von Cicero in Glaubenszweifel gestürzt ist. 

Tobias Sarx beschreibt das so (S. 31–33):

1557 begann Junius im Alter von zwölf Jahren in Bourges mit seiner akademischen Ausbildung, indem er in den Herbstferien bei Hugo Donellus (Hugues Doneau) seine erste juristische Vorlesung hörte. Die Rechtsgelehrsamkeit gefiel ihm so gut, dass er bald darauf ein juristisches Studium begann und fast zwei Jahre neben Donellus auch Franciscus Duarenus (Francis le Duaren), Antonius Contius (Antoine le Conte) und Ludovicus Rus-sardus (Louis Roussard) hörte. Von Bourges wechselte er nach Lyon, wo er sich breiteren humanistischen Studien widmen wollte. Lyon behielt er jedoch in schlechter Erinnerung: Zum einen empfand er die Gesellschaft, in die er sich dort begab, als sittenlos, viel schlimmer für ihn wurde jedoch die Lektüre von Ciceros De legibus, da ihn das Nachdenken über die Schrift und die These, Gott kümmere sich um niemanden und nichts, in tiefe Glaubenszweifel führte. Der dritte Grund waren die Religionsstreitigkeiten, die ihn zum ersten Mal selbst in Lebensgefahr brachten. Am Fronleichnamsfest 1561 eskalierte der Konflikt in Lyon, und Junius hätte dabei beinahe sein Leben verloren, wenn er nicht gerade noch rechtzeitig aus dem bereits umstellten Haus, in dem er sich aufhielt, hätte fliehen können. So verließ er Lyon und kehrte zurück nach Bourges in das Haus seiner Eltern. Dort widmete ihm sein Vater, der die Glaubenszweifel seines Sohnes bemerkt hatte, besondere Aufmerksamkeit. Diese Zeit empfand Franciscus als sehr angenehm, weil sein Vater auf jegliche Zwangsmaßnahmen verzichtete. Rückblickend stellt er fest: „ln seiner Weisheit wußte [mein Vater]: Religion will nicht aufgedrängt, sondern eingeflößt, nicht eingehämmert, sondern eingegossen, nicht befohlen, sondern gelehrt, nicht aufgezwungen, sondern überzeugend dargeboten werden.“

Auf sehr einfühlsame Weise wurde Junius wieder zum Glauben hingeführt, und schließlich durch Nachdenken über das erste Kapitel des Johannes-eyangeliums von der göttlichen Kraft der Bibel überzeugt. Um in seinen Studien Fortschritte zu erzielen, entschied er sich, in Genf weiter zu lernen. Sein Vater war nicht begeistert über den nun entstandenen Wunsch des Sohnes, Theologie zu studieren, aber er stimmte dem Wechsel nach Genf zu mit der Erlaubnis, dort die Sprach- und Klassischen Studien fortzusetzen.

Am 17.3.1562 kam Junius in Genf an, sorgte für Unterkunft und Verpflegung und kaufte sich von dem Restgeld vier Bücher: Calvins lnstitutio, Chevaliers Rudimenta Hebraicae linguae, Bezas Confession de la foy chrestienne und eine Bibel. Anstelle von weiterem Geld aus der Heimat erreichte Junius die Nachricht, dass sein Vater von katholischen Gegnern ermordet worden war. So war der 18-jährige Franciscus finanziell auf sich allein gestellt und musste sich durch das Erteilen von Sprachunterricht über Wasser halten. Zugleich fühlte er sich jetzt nicht mehr an den Willen des Vaters gebunden, sodass er sich ganz dem Studium der Theologie widmen konnte. Die wenigen Bücher, die er aufgrund seines Geldmangels besaß, studierte er umso intensiver: Calvins Institutio arbeitete er gleich drei Mal durch und verglich sie mit den Vorlesungen und Predigten des Reformators. Das Studieren von Chevaliers hebräischer Grammatik wird ihm später bei seiner Übersetzungsarbeit zugute gekommen sein. Bezas Bekenntnis diente ihm nach eigenen Angaben als Register zu Calvins Werk, und die Lektüre der Bibel war als zentrale Quelle christlicher Lehre unverzichtbar. Durch großen Fleiß schaffte Junius innerhalb kurzer Zeit den Abschluss seines Theologiestudiums.

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2 Kommentare
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Timotheus
2 Jahre zuvor

Sehr interessant, vielen Dank!
Gibt es für dieses Zitat eine bibliographische Angabe in der Dissertation?
Brüderliche Grüße
Timotheus

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