Luther: So wird Gott alle Menschen richten

In seiner Römerbriefvorlesung von 1516/17 erläuter Luther im Zusammenhang der Erörterung von Röm 2,15 das Jüngste Gericht wie folgt (Vorlesung über den Römerbrief 1515/1516, 2017, S. 62–62):

So wie sie selbst aber vor sich selbst von sich selbst gerichtet werden durch ihr Gewissen, das ihnen Zeugnis gibt, und durch „die Gedanken, die sich untereinander verklagen oder entschuldigen“, so werden sie auch durch dieselben Zeugen von Gott gerichtet werden. Denn sie richten sich nicht nach dem Urteil, das andere über sie fällen, und nach ihren Worten, ob sie lobend oder tadelnd sind, sondern nach ihren eigensten, innersten Gedanken, die so tief im Herzen sitzen, dass die Seele ihnen nicht entrinnen und ausweichen, sie auch nicht beschwichtigen kann, so wie sie’s mit Menschenurteil und Menschenwort vermag. So wird auch Gott alle Menschen nach diesen ihren innersten Gedanken richten, wird unser Innerstes enthüllen, so dass es keine Möglichkeit mehr gibt, sich nach innen in noch geheimere Schlupfwinkel zu flüchten; sondern es wird unausweichlich vor aller Augen entblößt und offen daliegen, wie wenn Gott sagen wollte: Siehe, ich richte dich nicht, sondern ich stimme nur deinem Urteil über dich selber zu und bekräftige es. Weil du anders über dich selbst nicht urteilen kannst, darum kann’s auch ich nicht tun. Also verdienst du nach dem Zeugnis deiner eigenen Gedanken und deines Gewissens entweder den Himmel oder die Hölle. So sagt der Herr: „Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden und aus deinen Worten wirst du verdammt werden (Mt 12,37). Wenn dies schon von den Worten gilt, wie viel mehr von den Gedanken, die doch viel geheimere und zuverlässigere Zeugen sind.

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Schandor
21 Tage zuvor

alle Menschen? Jesus sagt: Wer an ihn (Gott) glaubt, kommt NICHT ins Gericht. Paulus sagt: Wir müssen ALLE vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden. Ich sagt: Kognitive Dissonanz. Etwas stimmt hier nicht. Der Pietismus hat unter dieser Dissonanz gelitten und das „Preisgericht“ aus dem Hut gezaubert. Wenig glaubwürdig. Entweder kommen manche Menschen nicht ins Gericht, wie Jesus sagte, oder … Und man bedenke: Wenn man für die eigenen Sünden und Taten je gerichtet wird, dann sind sie einem zu Lebzeiten auch nie vergeben worden und jedes Gebet um Vergebung ist eine Farce. Entweder sind diese Taten vergeben, und dann können sie nicht in einem „Jüngsten Gericht“ noch einmal aufs Tapet kommen. Oder die Vergebung ist nur eine Art einstweilige Beruhigung, und im Gericht gibts dann ordentlich Zorres und eine böse Überraschung. Nun zu Paulus. Die Paulusstelle vom Gericht Christi kann sich durchaus auch auf die Arbeiter im Weinstock (der Gemeinde Christi) beziehen, und Paulus sagt den Korinthern, die er schon… Weiterlesen »

Stephan
21 Tage zuvor

@Schandor: Da stimme ich Dir zu. Zu Luthers „Ehrenrettung“: ich meine, er konnte sich zu Lebzeiten nicht um alle theologischen Fragen kümmern, wir haben den Vorteil, dass wir weitere 500 Jahre seit Luther hatten, mit teilweise recht guten Theologen, die sich an den Dingen abgearbeitet haben, die Luther nicht oder nur sehr ungenau angegangen ist. Wenn ich mich recht entsinne, ist die Unterscheidung „jüngstes Gericht“ und „Preisgericht“ seinerzeit nicht üblich gewesen, wobei das „Preisgericht“ ein Kunstwort ist für „wie durch Feuer hindurch gerettet“ ist (1. Kor 3,15) so dass die Ansicht, dass alle Menschen ins Gericht kämen, auf der einen Seite stimmig ist, es aber aus heutiger theologischer Sicht unterschiedliche Gerichte sind. Letzendlich werden wir alle (also hier gemeint nur die erretteten Christen) laut 2. Kor 5,10 vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden. Also nicht nur vor Christus, sondern vor Christus auf einem Richterstuhl – den Begriff verbinde ich mental mit Gericht oder Gerichtssaal. Ich denke, trotz unserer Errettung und… Weiterlesen »

Schandor
20 Tage zuvor

@Stephan Danke für die ausführliche Antwort! Freilich: Luther hat uns unglaublich viel geschenkt. Sein Geniestreich war sicherlich die für Reformierte und Katholen wahrscheinlich auf ewig unverständliche Unterscheidung Gesetz/Evangelium mit allen Konsequenzen und Implikationen. Katholen brauchen Werke, Reformierte den tertius usus legis. Für mich jedoch bliebe die kognitive Dissonanz bestehen. Zuerst verspricht Jesus: Kein Gericht für jene, die an Gott glauben, dann ermächtigt er Paulus, eine Korrektur anzubringen. Ich lehne die Idee eines Preisgerichtes für Christen rundweg ab. Und wiederhole: Dinge, die Jesus Christus uns zu Lebzeiten (und ggf. aufgrund unserer dementsprechenden Bitte) vergeben hat, können NIE MEHR, vor welchem Gericht auch immer, zur Sprache kommen. Wenn sie es doch tun, hat Christus uns zu Lebzeiten auch NIE vergeben. Daran kommt man nicht vorbei. Lösung: Paulus meint in 2Kor 5 mit „wir alle“ nur sich und seine Mitarbeiter, also nicht alle Christen unterschiedslos, also keine Fußvolkchristen wie mich, sondern nur solche, die Kirchenarbeit betreiben wie er selber. ODER er meinte damit… Weiterlesen »

ErzgebirgsEngländer
20 Tage zuvor

Ich dachte nicht, dass die Verfasser der Konkordienformel Reformierte waren. Da aber laut Schandor nur die Reformierten die dritte Verwendung anerkennen, muss ich meine Meinung ändern. Siehe Artikel VI der Konkordienformel.
Oder meine Kopie des Konkordienbuches ist mangelhaft.

Stephan
20 Tage zuvor

@Schandor: Ich würde mich von dem Begriff „Preisgericht“ erstmal lösen und diesen nicht auf die Goldwaage legen, insbesondere wenn der Wortanteil „Gericht“ als störend empfunden wird. Klar ist, wir sind von Jesus ein für allemal gerettet worden = damit kein jüngstes Gericht für uns (aber Entrückung). Aber: wir kennen alle Christen, und sei uns selbst, die nicht in der Lage sind ein sündenfreies Leben zu führen (die Sünden sind trotzdem vergeben), weil sie wahlweise charakterlich immer noch ein A-Loćh sind, von Trieben beherrscht werden und davon nicht frei werden, oder ihre schlechten Angewohnheiten gar nicht selbst wahrnehmen. Kurzum: zumindest für meine Person bin ich der Meinung, dass es noch Dinge gibt, die abgestreift werden müssen, um vor dem heiligen Gott stehen zu können. Und sei es mein Hang, im Straßenverkehr gerne cholerisch zu werden und andere Verkehrsteilnehmer mit Tiernamen zu belegen – das sind Dinge, die ich nicht will, und die trotzdem immer wieder durchbrechen. Nennen wir das Abstreifen dieser… Weiterlesen »

schandor
18 Tage zuvor

@ErzgebirgsEngländer Was Luther wohl zur Konkordienformel gesagt hätte? Ob er sie nicht für einen Verrat an seiner Lehre gehalten hätte? Welche Bezeichnungen er wohl gebraucht hätte? Klar waren die Konkordienformelianer keine Reformierten, aber doch haben sie einen zentralen Punkt mE absichtlich übernommen, nämlich den tertius usus legis, wie ihn Luther sicher nicht gebilligt hätte. Und ja, auch ich weiß, daß Luther diesen usus legis manchmal anvisiert hat, aber seine zentrale Lehre in dieser Hinsicht hat z. B. Wilfried Härle wesentlich besser verstanden (s. Dogmatik). @Stephan Falls Du mit „wie durch Feuer hindurch“ auf 1Kor 3 anspielst, kann ich Dich gleich zweimal beruhigen: 1) Diese Aussagen beziehen sich nicht auf Fußvolk-Christen wie uns, sondern auf jene, die auf dem Fundament (Jesus Christus) die Gemeinde weiterbauen (Kontext!!) 2) Du scheinst mir jemand zu sein, der seine Berufung und Auserwählung festmacht, und wenn Du diese Dinge tust, von denen Petrus in seinem 2. Brief spricht, wirst Du nicht zu Fall kommen, und der… Weiterlesen »

Helge Beck
13 Tage zuvor

you will not be forgiven

Chrissen
8 Tage zuvor

HaSchem, der G’tt Israels, wird vergeben durch Jeschua – ER weiß, wer für und wer gegen Ihn und wer in Ihm ist.

Siehe, nicht schlummert und nicht schläft der Hüter Israels. Psalm 121,4 (https://tehilim-online.co.il/%D7%AA%D7%94%D7%99%D7%9C%D7%99%D7%9D-%D7%A7%D7%9B%D7%90)

Und der HERR redete zu Mose und sprach: Befiehl den Söhnen Israel und sage zu ihnen: Wenn ihr in das Land Kanaan kommt, dann ist dies das Land, das euch als Erbteil zufallen soll; das Land Kanaan nach seinen Grenzen. 4. Mose 34,1-2 (https://kodesh.snunit.k12.il/i/t/t0434.htm)

Weiteres muss man jenen, die wie Schlangen sind, nicht sagen.

Helge Beck
7 Tage zuvor

Dann wird er sich auch an die auf der linken Seite wenden und zu ihnen sagen: Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht. Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder obdachlos oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen? Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.

Chrissen
7 Tage zuvor

Eine gespaltene Zunge, die das Wort des Ewigen auf- und abwiegt. Im Worte des Ewigen ist kein Widerspruch, was die Schlange weiß, aber man kennt „sie“ ja bei Theoblog.

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