Am 21. Februar veranstaltete die bedeutendste amerikanische philosophische Gesellschaft (APA) so etwas wie eine Debatte über die Existenz Gottes. Die theistische Position wurde von Alvin Plantinga vertreten. Plantinga gilt vielen als der herausragendste christliche Philosoph seit dem Mittelalter und tatsächlich ist er mitverantwortlich dafür, dass in den U.S.A. die Religionsphilosophie eine Renaissance erfährt und viele Christen wieder Philosophie studieren. Daniel Dennett ist ein bedeutender Vertreter des »Neuen Atheismus« und ein darwinistischer Religionskritiker. Vielen gilt er als einer der führenden Vertreter der »Philosophie des Geistes« (Philosophy of Mind).
In der Debatte versuchte Plantinga zu zeigen, dass eine nicht-naturalistische Form der Evolutionstheorie mit einem theistischen Glauben vereinbar sei. Der Naturalismus sei allerdings eine Quasi-Religion und stünde im Widerspruch zur Wissenschaft. Der Theismus sei rational vertretbar, sogar dann, wenn er mit einigen Ergebnissen der Wissenschaft kollidiere. Grundsätzlich behaupte er aber die Verträglichkeit von Glaube und Wissenschaft (»there is no conflict between theistic religion and science«).
Daniel Dennett antwortete Plantinga überwiegend mit Spott. Für ihn sei der Theismus inakzeptabel und irrational, vergleichbar mit der Astrologie. »Ist Plantinga’s Theismus in einer besseren Lage als all diese anderen Phantasien?«, fragte er.
Freundlicherweise hat ein Teilnehmer der Diskussion, der nicht mit Namen genannt werden möchte, seine (mit köstlichem Humor gewürzten) Eindrücke schriftlich festgehalten und in einem Blog publizieren lassen. Sein Resümee:
In my estimation, Plantinga won hands down because Dennett savagely mocked Plantinga rather than taking him seriously. Plantinga focused on the argument, and Dennett engaged in ridicule. It is safe to say that Dennett only made himself look bad along with those few nasty naturalists that were snickering at Plantinga. The Christians engaged in no analogous behavior. More engagements like this will only expand the ranks of Christian philosophers and increase the pace of academic philosophy’s desecularization.
Aber lesen Sie am besten die ganze Geschichte (und die dazugehörenden Kommentare) selbst. Leider – wie so oft – nur auf Amerikanisch: prosblogion.ektopos.com.
Lieber Ron,
vielen Dank für den Hinweis auf Plantinga. Sein Werk ist ja hochspannend. Insbesondere, das was er zur Theodizee schreibt.
Auch der Bericht über Plantinga vs. Dennett ist sehr anregend und kurzweilig. Erschreckend ist die Notwendigkeit der Anonymisierung.
Liebe Grüße
Tom
Hallo Ron, du schreibst: „In der Debatte versuchte Plantinga zu zeigen, dass die Evolutionstheorie in ihrer gegenwärtige Form nicht mit einem theistischen Glauben vereinbar sei.“ Das ist falsch. Ich gebe mal kurz die entsprechenden Zitate von “prosblogion“ wieder: “The session asked the question of whether science and religion were compatible. Plantinga argues that they are and that in fact the scientific theory taken to be most incompatible with religion – evolutionary theory – is not only compatible with Christian theism (the religious view Plantinga defends) but is incompatible with Christian theism’s most serious opponent in the scientific world – naturalism.” “2:38 pm – Plantinga argues that contemporary evolutionary theory isn’t incompatible with theistic belief. But instead is in conflict with naturalism.” “2:40 pm – There is no conflict between theism and the central tenets of Darwinism. God could have used evolutionary mechanisms to create the world.” (prosblogion-Zitate von: http://prosblogion.ektopos.com/archives/2009/02/an-opinionated.html) Folgende Bücher zeigen alle aus evangelikaler, z.T. sogar evangelikal-reformierter Sicht, dass… Weiterlesen »
Lieber Sebastian,
vielen Dank für Deine Anmerkungen und Hinweise!
Vielleicht hätte ich besser schreiben sollen, dass die naturalistische Version der Evolutionstheorie nicht mit dem Theismus vereinbar ist. Genau das ist die Position von Plantinga, die er auch anderswo so erläutert. Insofern ist meine Aussage missverständlich, aber nicht gänzlich falsch. 😉 Ich werde die Formulierung überarbeiten.
Liebe Grüße, Ron
Lieber Ron,
offen gestanden sehe ich – zumindest der Mitschrift nach – an Plantingas Theismus nichts spezifisch Christliches. Einer der Kommentare trifft m. E. den Nagel auf den Kopf:
„We can either admit to a kind of fideism and irrationality in our belief or we need to provide a defense of Christian belief (not theistic belief) as logically solid and rigorous as scientific law. Seriously, why is our God hypothesis logically better than all other God hypotheses and how and why does it differ with the others in its relationship with scientific inquiry?“
Zu dieser Frage wird man (vermutlich) von den Philosophen keine befriedigende Antwort bekommen.
Bemerkenswert finde ich ebenso (@Sebastian) die Bemühungen, Evolutionstheorie und Christentum für kompatibel zu erklären. Wie verbinden all die von Dir aufgezählten Autoren die evolutionsbiologische Erklärung von der Entstehung des Menschen mit der Erzählung aus Gen 2 und 3, wonach der Tod erst nach dem Fall des Menschen in die Welt gekommen ist?
Alexander
Lieber Alexander,
in der Tat ist der Ansatz von P. weder genuin christlich und m.E. auch nicht reformiert im engeren Sinne (auch wenn er sich auf Calvin beruft). Seine „Reformed Epistemology“ ist allerdings alles in allem sehr spannend. Ich stimme ihm auch darin zu, dass wir wieder hinter Kant zurückgehen müssen. Vielleicht werde ich dazu Mal etwas im Blog schreiben.
Liebe Grüße, Ron
Hallo Alexander, soweit ich weiß beschäftigen sich nicht alle Autoren mit dieser Frage. Bei der naturwissenschaftlichen Beurteilung der Evolutionstheorie ist sie auch unerheblich. Dass der Tod schon vor dem „ersten Menschen“ in der Welt war, lässt sich von der Deszendenztheorie ableiten. Abgesehen von den einzelnen Evolutionsmechanismen ist die Deszendenztheorie durch die übereinstimmenden Befunde verschiedener Teildisziplinen (http://www.talkorigins.org/faqs/comdesc/) so gut belegt, dass manche Biologen von der Evolutionstheorie als einem Fakt sprechen. Das theologische Argument des Paulus, dass du ansprichst, findet sich in Röm. 5. Denis O. Lamoureux bietet in seinem Buch „Evolutionary Creationism“ eine Antwort auf deine Frage. Hinter der von dir aufgeworfenen Frage verbirgt sich ein ganz anderer Themenkomplex, nämlich die Frage nach einer der Heiligen Schrift angemessenen Hermeneutik. Hier ist es gut, dass wir neben der Offenbarung Gottes in den biblischen Schriften auch durch die Schöpfung etwas über ihn und die Heilige Schrift lernen können. Wenn wir aufgrund eindeutiger narurwissenschaftlicher Erkenntnisse herausgefordert werden, unsere Hermeneutik zu modifizieren, dann sollten wir… Weiterlesen »
Lieber Sebastian, zunächst herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Diskussionsbeitrag! Auch wenn er sich vor allem an Alexander wendet (er wird sich bestimmt irgendwann melden), will auch ich kurz auf Deine Anmerkungen eingehen. Wie so oft, wird sich dabei wohl zeigen, dass das Medium »Blog« für den Austausch von Informationen geeignet ist, seriöse Diskussionen aber eher erschwert (oder Zeit einfordert, die uns dafür nicht zur Verfügung steht). Einige Deiner Anmerkungen finde ich erhellend und sympathisch. Die Unterscheidung zwischen Vollursache und Teilursache scheint mir wichtig. Wie Du bin ich der Auffassung, dass wir z.B. die Schöpfungstexte nicht im Sinne exakter naturwissenschaftlicher Protokollsätze lesen sollten. Auch ich gehen davon aus, dass uns gelegentlich empirischen Wissenschaften (oder einfach Erfahrungen) bei der Überwindung exegetische Irrungen helfen usw. Zugleich frage ich mich (und Dich) sofort, wie sich der Ansatz von Gordon Glover von anderen aufwendigen Versuchen unterscheidet, Weltbild und theologische Botschaft zu unterscheiden. Sind diese apologetischen Programme bisher nicht alle gescheitert? Ein genialer Theologe, vermutlich der… Weiterlesen »
Hallo Sebastian, ehrlich gesagt überzeugt mich das, was Du schreibst, alles nicht. ad 1) Die Deszendenztheorie wird auf der Seite, zu der Du verlinkst, gleich eingangs zu Recht als Hypothese bezeichnet. Dass sie von manchen Biologen als „Fakt“ bezeichnet wird, ändert nichts daran. Für die Deszendenztheorie gilt daher wie für alle wissenschaftlichen Theorien, dass sie eine Interpretation von Daten darstellt. Die Theorie existiert nicht ohne diese Interpretation. Die Interpretation mag stimmen – oder auch nicht. Sie als unangefochten zu deklarieren halte ich zumindest für gewagt. ad 2) Es geht m. E. nicht darum, naturwissenschaftliche Erkenntnisse einer bestimmten Hermeneutik zu unterwerfen. Es geht aber sehr wohl um die Frage der Autorität der Schrift. Um es etwas radikal auf den Punkt zu bringen: Wenn Du bereit bist Dein Schriftverständnis aufgrund „naturwissenschaftlicher Erkenntnisse“ zu modifizieren, hast Du die Autorität der Schrift aufgegeben. Natürliche Offenbarung wäre dann höherwertig als besondere Offenbarung. ad 3) Deine Argumentation am Beispiel der Psalmenstellen leuchtet mir nicht ein. Das… Weiterlesen »
Ron scheint ein Nachtmensch zu sein. Ich konnte seinen Beitrag noch nicht sehen als ich meinen letzten schrieb. Interessant, dass uns beiden Bultmann in den Sinn kam. 🙂
Schöne Grüße
Alexander
@ Ron und Alexander: Wie Ron feststellt, haben diese Themen den Nachteil sehr langatmige Diskussionen auszulösen, die die Teilnehmer von ihren anderen Pflichten abhalten. Deshalb wird dieser Post meine letzte ausführliche Antwort sein. @Ron: Ich sehe Glovers nicht primär als Apologet. Sein Ziel ist es, evangelikalen Christen abseits von wissenschaftlich nicht tragbaren kurz- und langzeitkreationistischen Ansätzen einen Zugang zu den naturwissenschaftlichen Ursprungswissenschaften zu eröffnen. Ich bin auch nicht bereit, das biblische Weltbild als ein modernes Weltbild zu verklären. Das hieße Bibelverse zu manipulieren, indem biblische Aussagen zum Weltbild der damaligen Zeit infach weggefiltert oder uminterpretiert werden. Ich habe dafür schon viel zu viel haarstreubenden exegetischen Blödsinn von evangelikalen Theologen gelesen, bei dem einfach nur der Wunsch Vater des Gedankens war und nicht der biblische Text in seiner ursprünglichen Aussageintention. In diesem Zusammenhang habe ich beispielhaft zwei Bibelverse genannt, auf die du garnicht eingegangen bist. Es ist auch nicht zielführend als Gewährsmann in dieser Frage Bultmann zu zitieren, und seine Trennung… Weiterlesen »
Lieber Sebastian, nochmals herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag. Jetzt haben wir schon so viele Themen auf der Agenda, das wir ein ganzes Wochenende mit dem Gespräch verbringen könnten. Leider haben wir niemanden, der zwischenzeitlich unsere Arbeit macht. 😉 Also auch meinerseits kurz und schließend: 1. Ich teile die Erfahrung, mit haarsträubenden Auslegungen (übrigens in und außerhalb der evangelikalen Szene) betäubt worden zu sein. Das tut weh. Manchmal passiert es halt (auch uns). Aber es gibt Tage, da will man einfach schreien oder weglaufen. 2. Wenn ich Dich richtig verstehe, geht es Dir darum, bei der Lektüre biblischer Texte immer den Verstehenshorizont der jeweiligen Autoren und Hörer zu berücksichtigen. Dieses Anliegen ist berechtigt und gehört zu einer guten historisch-biblischen Hermeneutik. Zugleich bin ich überzeugt, dass so eine Hermeneutik nicht in den Dualismus von Wissenschaft und Offenbarung führen darf oder muss. 3. Unklar bleibt mir, wie Du, offensichtlich diese Hermeneutik befürwortend, behaupten kannst, in Gen 1-3 oder in Röm 5 ginge… Weiterlesen »
Hallo Ron, ich habe unsere Diskussion genossen. Jetzt habe ich aber den Eindruck, dass unsere Positionen so weit ausgetauscht und geklärt sind, dass weitere Erörterungen den Diskurs unnötig in die Länge ziehen. Deshalb nur noch zu zwei Punkten eine Stellungnahme: zu 3.) Dass, wie du schreibst, ich der Meinung wäre, Röm. 5 spräche nur vom geistlichen Tod, ist mir so von Alexander in den Mund gelegt worden und spiegelt nicht meine Aussage wider. Ich zitiere mich selbst aus meinem zweiten Post: „Wenn ich also glaube, dass die Folge der Sünde des Menschen „nur“ der geistige Tod und nicht der körperliche ist, dann tue ich das nicht streng auf der Grundlage von Röm. 5 …“. zu 4.) Dass du meine und ich deine Position zur Deszendenztheorie für Quatsch halte, wissen wir jetzt beide voneinander. Dass es keine empirisch testbaren Alternativen zur Deszendenztheorie gäbe ist falsch. Es ist zum Beispiel eine testbare Alternativannahme, dass alle Arten auf wenige Ursprungsarten zurückzuführen seien. Hierbei… Weiterlesen »
Lieber Sebastian, ja, solche Diskussionen kosten Zeit. Aber da hier möglicherweise zwei oder drei Leute (hoffentlich mehr) mitlesen, ist die Zeit nicht verschwendet. Zunächst zwei Klarstellungen. Wenn Du nicht behauptest, dass Paulus in Röm 5 „nur“ vom geistlichen Tod spricht, habe ich Dich in der Tat falsch verstanden. Danke für die Klärung. Und ja, ich habe tatsächlich nur die Einführung zu der von Dir verlinkten Seite gelesen. Und wenn der Autor die Hypothese nach Popper dann zur Theorie erhebt – dann lag ich falsch; das ändert aber nichts an dem Kernproblem (dazu unten). Im übrigen kann keiner von uns Stunden in die Lektüre von meist sehr ausführlichen Texten investieren, zu denen uns jemand einen Link serviert. Es kann auch nicht die Basis von Diskussionen sein, dass jeder erst die Literaturliste des anderen abgearbeitet haben muss. Die Sachfragen, die wir hier angeschnitten haben, lassen sich auch so diskutieren. Damit – zur Sache. Wobei – es geht natürlich nicht nur um „Sach“fragen,… Weiterlesen »
Lieber Sebastian und lieber Alexander,
der Disput scheint zur Ruhe zu kommen. Ich möchte Euch herzlich für euer Engagement danken. Die Zugriffszahlen auf diesen Beitrag sind exzellent und so gehe ich davon aus, dass niemand die Zeit umsonst investiert hat.
Ohne inhaltlich nochmals Stellung beziehen zu wollen, möchte ich abschließend auf einen Zugang zur Urgeschichte hinweisen, der noch nicht zur Sprache gekommen ist. Henri Blocher versucht in seinem Buch In the Beginning: The Opening Chapters of Genesis die Urgeschichte historisch zu lesen und gleichzeitig die naturwissenschaftlichen Befunde, die für eine Evolutionstheorie sprechen, sehr ernst zu nehmen. Er knüpft dogmatisch dabei an Augustin, Calvin, Bonhoeffer und anderen an. Auch wenn das Buch, was die naturwissenschaftlichen Befunde anbetrifft, inzwischen überholt ist, kann es auf unseren Diskurs inspirierend wirken. Ich habe Blocher mehrmals gehört und jedes Mal seine Gründlichkeit im Umgang mit Bibeltexten und den theologie- und zeitgeschichtlichen Quellen sehr geschätzt.
Shalom, Ron
Als kleiner Nachtrag: Besagte Debatte ist jetzt unter dem prosaischen Titel „Plantinga vs Dennett part X“ auch bei YouTube zu finden.
Danke für den Hinweis Tim! Ron
… und ein noch viel späterer Nachtrag.
Hier (http://www.megaupload.com/?d=WN2X9G6W) gibt es das Ganze als mp3-download.