Ostern

Ostern – das Ereignis

Kevin DeYoung und Greg Gilbert schreiben in ihrem Buch Was ist der Missions-Auftrag der Gemeinde Jesu? (3L  Verlag, 2015, S. 72–73) zum Osterereignis:

Wenn man die Geschichte der Bibel von Anfang bis Ende verstehen will, sollte man eigentlich in der Mitte anfangen: beim Tod und der Auferstehung Jesu. Ist Ihnen aufgefallen, dass alle Evangelisten, auch wenn sie die Geschichte von Jesu Leben und Lehren anhand unterschiedlicher Ereignisse und aus unterschiedlichen Perspektiven erzählen, ihren Bericht darin gipfeln lassen, dass Jesus am Kreuz hängt, stirbt und dann von den Toten aufersteht? Jemand hat einmal gesagt, alle vier Evangelien seien in Wirklichkeit Passionsgeschichten mit einer längeren Einleitung! Das ist vielleicht eine leichte Übertreibung, doch es ist eine zutreffende Beobachtung. Die Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi bilden unbestreitbar den Höhepunkt aller vier Evangelien.

Das Gleiche könnte man über die Bibel als Ganzes sagen. Die Kreuzigung und Auferstehung ist immerhin in Jesu Leben nicht einfach ein Ereignis unter vielen. Es ist das Ereignis, dem das gesamte Alte Testament entgegenblickt. Angefangen damit, dass Gott für Adam und Eva Kleidung aus Tierhäuten macht, über das Opfersystem unter dem mosaischen Gesetz, das stellvertretende Leiden von Israels König und Jesajas Prophezeiung von einem leidenden Gottesknecht, bis hin zu Sacharjas Prophezeiung eines geschlagenen Hirten sehnt sich das Alte Testament nach seiner Erfüllung in einem König, der leiden, sterben und triumphieren würde.

Doch warum? Warum konzentrieren sich die Evangelien so direkt auf Jesu Tod und seine anschließende Auferstehung? Warum deuten das Gesetz und die Propheten so unnachgiebig auf den Tod des Messias hin? Und warum sagen die Apostel solche der Logik zuwiderlaufenden und gefährlichen Dinge wie: „Denn ich hatte mir vorgenommen, unter euch nichts anderes zu wissen als nur Jesus Christus, und zwar als Gekreuzigten“ (1.Kor 2,2)?

Die Antwort auf diese Frage, meinen wir, erschließt sich, wenn wir die eine Frage verstehen, die ganz im Kern der Gesamtgeschichte der Bibel steht: Wie können hoffnungslos rebellische, sündige Menschen in der Gegenwart eines vollkommen gerechten Gottes leben? Die Frage: „Wie können gerechte Menschen in der Gegenwart eines gerechten Gottes leben?“, oder auch: „Wie können sündige Menschen in der Gegenwart eines gleichgültigen Gottes leben?“, wäre leicht zu beantworten. Doch die Frage, wie sündige Menschen in der Gegenwart eines gerechten Gottes leben können, ist keineswegs einfach – insbesondere, wenn die Bibel selbst uns sagt: „Wer den Gottlosen gerechtspricht …, [ist] dem Herrn ein Gräuel“ (Spr 17,15; siehe auch 24,24). In der Tat sind wir der Ansicht, dass diese Frage die gesamte biblische Geschichte von Anfang bis Ende vorantreibt. Sie definiert den ursprünglichen Sinn der Schöpfung, sie beschreibt das Problem, das uns alle zu zerstören droht, sie ruft nach dem Heilmittel des Evangeliums, und sie deutet voraus auf das große Finale, wenn das Rätsel endgültig und restlos aufgelöst und Gottes Volk für immer in Gottes Gegenwart leben wird.

Überwindung des Todes heißt Auferstehung

Bonhoeffer schrieb am 27. März 1944:

Wie wir mit dem Sterben fertigwerden, ist uns wichtiger, als wie wir den Tod besiegen. Sokrates überwand das Sterben. Christus überwand den Tod als ἔσχατος ἐχθρὸς (1. Kor 15, 26; Anm.: „der letzte Feind“). Mit dem Sterben fertigwerden bedeutet noch nicht mit dem Tod fertigwerden. Die Überwindung des Sterbens ist im Bereich menschlicher Möglichkeiten, die Überwindung des Todes heißt Auferstehung.

Ohne Auferstehung wäre alles eitel Stückwerk.

Calvin zur Auferstehung (Institutio, II, 16, 13):

Nun folgt im Glaubensbekenntnis: „Am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten …“ Ohne die Auferstehung wäre alles, was wir bisher gesagt haben, eitel Stückwerk. Denn in der Kreuzigung, im Tode, im Begräbnis Christi wird ja lauter Schwachheit offenbar, und der Glaube muss also über das alles hinwegkommen, um zu rechter Kraft zu gelangen. Wir haben in seinem Tode wahrhaftig bereits die ganze Erfüllung des Heilswerks, weil wir durch ihn mit Gott versöhnt sind, weil durch ihn Gottes gerechtem Urteil genuggetan, der Fluch aufgehoben, die Strafe getragen ist. Und doch heißt es in der Schrift nicht, dass wir durch seinen Tod, sondern „durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“ „wiedergeboren“ sind „zu einer lebendigen Hoffnung!“ (1Petr. 1,3). Denn wie er in seiner Auferstehung als der Sieger über den Tod hervorkam, so beruht auch der Sieg unseres Glaubens letztlich auf seiner Auferstehung. Wie das zugeht, lässt sich besser mit den Worten des Paulus ausdrücken: „Er ist um unserer Sünden willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt“ (Röm. 4,25). Damit will er doch wohl sagen: Durch seinen Tod ist die Sünde abgetan, aber durch seine Auferstehung ist die Gerechtigkeit uns erworben und wiederhergestellt. Wie aber hätte er uns im Tode vom Tode freimachen können, wenn er ihm selbst unterlegen wäre? Wie hätte er uns den Sieg erringen können, wenn er selbst den Kampf verloren hätte? Unser Heil ist also auf Tod und Auferstehung Christi gleichermaßen begründet, und zwar so: Durch den Tod ist die Sünde abgetan und der Tod überwunden, durch die Auferstehung ist uns die Gerechtigkeit wiedererworben und das Leben geschenkt. Dabei ist aber zu beachten, dass uns erst durch die Gabe der Auferstehung die Kraft und Wirkung seines Todes zukommt. Deshalb betont auch Paulus, dass Christus durch seine Auferstehung „kräftig erwiesen“ sei als „Sohn Gottes“ (Röm. 1,4); denn erst da hat er erstmalig seine himmlische Macht bewiesen, die der klare Spiegel seiner Gottheit ist und auf der unser Glaube sicher ruhen kann. Auch an anderer Stelle lehrt Paulus: „Und ob er wohl gekreuzigt ist in der Schwachheit, so ist er doch auferstanden in der Kraft des Geistes“ (2. Kor. 13,4; nicht Luthertext). Im gleichen Sinne redet er an anderer Stelle von der Vollkommenheit: „… zu erkennen ihn und die Kraft seiner Auferstehung.“ Da schließt er denn freilich gleich an: „… und die Gemeinschaft seiner Leiden, auf dass ich seinem Tode ähnlich werde“ (Phil. 3,10). Dazu passt ganz ausgezeichnet das Wort des Petrus: „Gott hat ihn auferweckt von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben, auf dass ihr Glauben und Hoffnung an Gott haben möchtet“ (1Petr. 1,21); das bedeutet nicht, dass der Glaube, der sich auf Christi Tod verlässt, etwa wanke, sondern es hat seinen Grund darin, dass die Kraft Gottes, die uns im Glauben bewahrt, sich in der Auferstehung am deutlichsten geoffenbart hat. Deshalb müssen wir im Auge behalten: Wo vom Tode allein die Rede ist, da ist zugleich auch die Kraft der Auferstehung mit einbegriffen; dieses gleiche Miteinbegreifen findet statt, wo von der Auferstehung ohne ausdrückliche Nennung des Todes gesprochen wird: Auch da sind die Wirkungen des Todes mit bedacht. Aber in der Auferstehung hat er die Palme erstritten, so dass er „die Auferstehung und das Leben“ geworden ist; deshalb sagt Paulus, der Glaube sei abgetan, eitel und trügerisch sei das Evangelium, wenn wir die Gewissheit der Auferstehung nicht fest im Herzen tragen dürften (1. Kor. 15,17). An anderer Stelle preist er den Tod Christi als festes Bollwerk gegen alle Schrecken der Verdammnis, und fährt dann doch, um den Lobpreis zu erhöhen, fort: „der gestorben ist, ja vielmehr, welcher auch auferweckt ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns“ (Röm. 8,34).

Jesus Christus ist auferstanden

Ostern ist für Christen die große Feier der Auferstehung von Jesus Christus, Höhepunkt im Kirchenjahr. Die Auferstehung des Menschensohnes gibt uns, wenn wir sie im Glauben ergreifen, Versöhnung mit Gott dem Vater, Hoffnung für die Zukunft, erfülltes Leben in der Gegenwart. Jesus sagte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (Joh 11,25).

Nachdem Jesus den Kreuzestod starb und begraben wurde, ist er am dritten Tage auferstanden. Das Grab war leer! „Und sehr früh am ersten Tag der Woche kommen sie zum Grab, eben als die Sonne aufging. Und sie sagten zueinander: Wer wird uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen? Doch wie sie hinschauen, sehen sie, dass der Stein weggewälzt ist. Er war sehr gross“ (Mk 16,2–4). Der Mann, der im Grab auf sie wartete, sprach: „Erschreckt nicht! Jesus sucht ihr, den Nazarener, den Gekreuzigten. Er ist auferweckt worden, er ist nicht mehr hier“ (Mk 16,6). Der Sohn Gottes hat die Macht des Todes bezwungen. „Denn wir wissen, dass Christus, einmal von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn“ (Röm 9,9).

Wohl dem, der bekennen kann: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns in seiner grossen Barmherzigkeit neu geboren hat, so dass wir nun durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung und Aussicht auf ein unzerstörbares, unbeflecktes und unverderbliches Erbe haben, das im Himmel aufbewahrt ist für euch“ (1Petr 1,3–4).

Der Tod Christ als einzigartiges Opfer

Im »Bekenntnis der zerstreuten Kirche«, das in der nachfolgend zitierten Genfer Fassung (Entwurf zur Confessio Callicana von 1559) auf Calvin zurückgeht, heißt es zum Osterereignis:

12. Wir glauben, daß Gott bei der Sendung seines Sohnes kein anderes 
Ziel verfolgt hat, als seine unschätzbare Liebe und Güte gegen uns zu
erweisen (Joh 3,16; 1Joh 4,9) und, indem er ihn sterben und auferste
hen ließ, alle Gerechtigkeit zu erfüllen (Röm 4,25), um uns das
 Leben in seinem himmlischen Reich zu erwerben.

13. Wir glauben, daß wir durch das einzigartige Opfer, das er am Kreuz 
dargebracht hat, mit Gott versöhnt sind, so daß wir vor ihm als gerecht
 gelten und angesehen werden (Eph 5,2; Hebr 10,10.12.14). Denn wir
 können ihm nicht gefallen, auch an seiner Kindschaft keinen Anteil
bekommen, es sei denn, daß er uns unsere Fehler vergibt und sie 
begräbt. So bekennen wir, daß Jesus Christus uns gänzlich und vollkom
men reinigt (Eph 5,26; Tit 3,5), und daß sein Tod voll und ganz
 genügt, um uns von unseren frevelhaften und unrechten Taten loszu
sprechen, deren wir schuldig sind (Hebr 9,14; 1Petr 1,19; 1Joh 1,7). Wir 
können durch kein anderes Mittel davon frei werden.

Amen!

Was Christen (noch) glauben

Heute erscheint die Oster-Ausgabe von DIE ZEIT mit dem Thema: »Was Christen (noch) glauben«. Chefredakteur Giovanni di Lorenzo stellt die Ausgabe kurz vor:

Interview Carsten Peter Thiede: Die Auferstehung Jesu

Wir nähern uns Ostern. Im Kirchenjahr ist Ostern die jährliche Gedächtnisfeier der Auferstehung von Jesus Christus, der nach dem Zeugnis des Neuen Testaments als Sohn Gottes den Tod besiegt hat.

Die Auferstehung Jesu wird gemeinhin ausschließlich als eine Glaubensfrage betrachtet. Besonders der deutsche Theologe Rudolf Bultmann vertrat die These, der Osterglaube sei überhaupt nicht an historischen Fragen interessiert. Für den modernen Menschen sei die Auferstehung Christi als Ereignis unverständlich und erledigt. »Die Auferstehungsberichte«, sagte Bultmann 1966 in einem Interview mit dem SPIEGEL (Nr. 31, S. 45), »sind die legendenhafte Konkretisierung des Glaubens der ersten Gemeinde an den Auferstandenen«.

Sind die Osterberichte Versuche der ersten Christen, ihren Glauben zu bekräftigen oder entstanden die ersten christlichen Gemeinden, weil Jesus tatsächlich auferstand? Der früh verstorbene Carsten Peter Thiede, Professor für Umwelt- und Zeitgeschichte des Neuen Testaments (ich bin dankbar, noch einige Vorlesungen bei ihm gehört zu haben), geht in einem immer noch sehenswertem Interview diesen Fragen nach.

Hier geht es zum Interview, das ab Minute 05:30 beginnt: www.bibeltv.de.

Marcus Borg und sein erwachsener Glaube

N.T. Wright, der zusammen mit seinem Freund Marcus Borg ein Buch herausgegeben hat, verblüffte im Jahr 2006 in einem Interview die Öffentlichkeit mit der Bemerkung:

Marcus Borg glaubt tatsächlich nicht, dass Jesus Christus leiblich vom Tod auferstanden ist. Ich kenne Marcus gut. Er liebt Jesus und glaubt leidenschaftlich an ihn. Die philosophische und kulturelle Welt, in der er groß geworden ist, hat es ihm sehr sehr schwer gemacht, an die leibliche Auferstehung zu glauben.

Um die Dinge klar beim Namen zu nennen: Marcus Borg glaubt nicht an den Jesus von Nazareth, der von den Toten auferstanden ist. Für Borg ist der nachösterliche Jesus eine Metapher, ein Bild, das uns hilft, spirituelle Veränderungsprozesse zu durchlaufen. Tod, Auferstehung und Wiedergeburt sind christliche Symbole für religiöse Transformationen, wie es sie in vielen Religionen gibt. Borg (Heute Christ sein: Den Glauben wieder entdecken, Düsseldorf: Patmos Verlag, 2005, S. 126):

Dieser Prozess der persönlichen spirituellen Verwandlung – was wir Christen Wiedergeburt nennen, mit Christus sterben und auferstehen, Leben im Geist – ist also wesentlich für die Weltreligionen. Um das zur Beteuerung des Johannes, dass Jesus »der Weg« ist, in Beziehung zu setzen: Der Weg, den Jesus verkörpert, ist ein universeller Weg, kein exklusiver Weg. Jesus ist die Verkörperung, die Fleischwerdung des Pfades der Veränderung, wie ihn die Religionen kennen, die die Zeit überdauert haben.

Diese Gemeinsamkeit zwischen dem Weg Jesu und den Wegen der Weltreligionen erscheint manchen Christen beunruhigend angesichts der Geschichte unserer Vorstellung von Jesus als »dem einzigen Weg«. Aber die Gemeinsamkeit ist ein Grund zur Freude, nicht zur Sorge. Es bedeutet nicht nur, um auf eine Aussage in der Apostelgeschichte anzuspielen, dass der Geist auch auf Muslime, Buddhisten, Juden, Hindus … ausgegossen wurde, sondern es verleiht auch dem Christentum mehr Glaubwürdigkeit. Wenn der christliche Pfad als absolut einzigartig gesehen wird, ist das fragwürdig. Wenn jedoch Jesus als die Verkörperung eines universellen Pfades gesehen wird, über den auch anderswo gesprochen wird, dann erhält der Pfad, den wir in ihm erkennen, große Glaubwürdigkeit.

Hier ein kurzes Skript zum Osterverständnis von Marcus Borg, das ich 2009 schon mal im Blog verlinkt habe: marcusborg.pdf

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