Es gibt einen Unterscheid zwischen der Vergebungsbereitschaft und dem Zuspruch der Vergebung. John Stott bringt das gut auf den Punkt:
In Lukas 17,3-4 wird eine ähnliche Lehre Jesu aufgezeichnet, jedoch mit einem wichtigen Zusatz: „Wenn dein Bruder oder deine Schwester gegen dich sündigt, so weise sie zurecht; und wenn sie es bereuen, so vergib ihnen. Auch wenn sie siebenmal an einem Tag gegen dich sündigen und siebenmal zu dir zurückkommen und sagen: ‚Ich bereue‘, musst du ihnen vergeben.“
Der Abschnitt im Matthäusevangelium konzentriert sich auf das Zurechtweisen eines Bruders; dieser Abschnitt im Lukasevangelium konzentriert sich eher auf das Vergeben. Wir sollen einen Bruder zurechtweisen, wenn er gegen uns sündigt; wir sollen ihm vergeben, wenn er bereut – und nur, wenn er bereut.
Wir müssen uns davor hüten, die Vergebung zu bagatellisieren. Obwohl Gottes Vergebung für uns und unsere Vergebung füreinander ganz unterschiedlich sind (da Gott Gott ist und wir nur Privatpersonen und außerdem Sünder sind), sind beide doch von der Reue abhängig. Wenn ein Bruder, der gegen uns gesündigt hat, sich weigert, Buße zu tun, sollten wir ihm nicht verzeihen.
Erschreckt Sie das? Es ist das, was Jesus gelehrt hat. Oh, wir müssen ihm in dem Sinne „vergeben“, dass unsere Gedanken ihm gegenüber frei von jeder Feindseligkeit und voller Liebe sind. Aber das ist nicht die christliche Vergebung. „Vergebung“ bedeutet mehr als das; sie beinhaltet die Wiederherstellung der Gemeinschaft. Wenn wir einem sündigenden und unbußfertigen Bruder die volle und innige Gemeinschaft mit uns selbst wiedergeben können, offenbaren wir nicht die Tiefe unserer Liebe, sondern ihre Oberflächlichkeit, denn wir tun das, was nicht zu seinem höchsten Wohl ist. Eine Vergebung, die die Notwendigkeit der Reue umgeht, entspringt nicht der Liebe, sondern der Sentimentalität.