Was verband Adorno und Gehlen?

Wie kam es in den sechziger Jahren zu einer Nähe zwischen dem Linken Theodor W. Adorno und dem Rechten Arnold Gehlen? Thomas Wagner spürt in seinem Buch Abenteuer der Moderne der merkwürdigen Nähe der beiden Denker nach. Mark Siemons hat es für die FAZ gelesen und hervorragend besprochen.  

Unter anderem schreibt er: 

Das Buch steckt voller produktiv verwirrender Anekdoten, und es ist mit zahlreichen Vor- und Rückblenden so geschickt montiert und flüssig geschrieben, dass man von der ersten bis zur letzten Seite mit nicht nachlassender Neugier auf die nächste Volte gespannt bleibt. Etwa wenn Wagner die Kalte-Kriegs-Atmosphäre innerhalb des doch eigentlich als neomarxistisch geltenden Instituts für Sozialforschung schildert, wo sich Adorno demonstrativ vom „Galimathias“ des dialektischen Materialismus in der DDR absetzte. 1958 klagte Horkheimer bei Adorno einmal über einen „studentischen Propagandisten“, der am Institut „nur den Geschäften der Herren im Osten Vorschub“ leiste – gemeint war niemand anderes als der junge Habermas. In den frühen Fünfzigerjahren war das Institut sogar an der Vorbereitung der Wiederbewaffnung Westdeutschlands beteiligt; es erarbeitete eine Studie über die Auswahl demokratisch gesinnter Offiziere für die zu gründende Bundeswehr. Das Institut nahm da nur insofern Rücksicht auf seinen linken Ruf, als es das Projekt geheim hielt.

Schon die Ostberliner Szene, mit der das Buch beginnt, weckt die höchsten Erwartungen: Der marxistische Philosoph Wolfgang Harich und Manfred Wekwerth, Chefregisseur des Berliner Ensemble, hören da im Sommer 1965 atemlos die Aufzeichnung eines der Radiogespräche Adornos mit Gehlen. Die Pointe ist, dass die beiden auf der Seite des konservativen Gehlen und nicht der des Neomarxisten Adorno sind. Stabile Institutionen seien wichtig, damit die Einzelnen nicht entgleisen, während Emanzipierung der Individuen vom Institutionellen abzulehnen sei. Harich, so erfahren wir, war da schon lange Gehlen-Fan: In den Fünfzigerjahren hatte er noch darauf gehofft, dass Gehlen sich dem Kommunismus anschließt und ihm Bücher von Marx, Engels, Lenin, Stalin, Lucacs und Bloch geschickt. Er wollte ihn sogar dazu bewegen, einen Lehrstuhl in Ostberlin anzunehmen. Und Bertolt Brecht erhielt noch kurz vor seinem Tod von Harich Gehlens Buch „Urmensch und Spätkultur“, wo Brechts „Stilprinzip der Verfremdung“ lobend erwähnt wurde.

Mehr: www.faz.net.

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